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z» 2625 II. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Dezembersession 1930).

(Vom 21. November 1980.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, unter Vorlage der Akten, über weitere 12 Begnadigungsgesuche Bericht zu erstatten und über deren Erledigung Antrag zu stellen.

89. Ernst Fankhauser, 1908, Maschinenarbeiten Wohlenschwil (Aargau).

(Verfälschung einer Bundesakte.)

89. Ernst Fankhauser ist am 21. Mai 1929 vom Bezirksgericht Baden gemäss Art. 61 des Bundesstraf recht es zu einem Tag Gefängnis und Er. 10 Busse verurteilt worden.

Fankhauser hat das seinem Vater am 26. Februar 1929 für den März ausgestellte Arbeiterabonnement zwei Tage darauf, mithin noch unbenutzt, einem Dritten verkauft, weil Vater Fankhauser inzwischen erkrankt war. Hierbei verfälschte er das Abonnement, indem er an Stelle des ausradierten, väterlichen Namens den des Dritten hinschrieb.

Fankhauser ist von der Petitionskommission des aargauischen Grossen Eates am 19. Oktober 1929 begnadigt worden, die Kommission anerkennt jedoch heute die Zuständigkeit der eidgenössischen Begnadigungsbehörde, weshalb sie ihren Entscheid rückgängig gemacht hat.

Für Fankhauser ersucht ein Bechtsanwalt, dafür sorgen zu wollen, dassdie Begnadigung rechtsgültig werde. Fankhauser sei seither von der III. Kammer des Oborgerichtes des Kantons Zürich wegen fahrlässiger Tötung zu 6 Wochen Gefängnis verurteilt worden. Mit Entscheid vom 80. Juni 1980 habe ihm das Kassationsgericht des Kantons Zürich die Eechtswohltat der bedingten Verurteilung gewährt, mit Ansetzung einer Probezeit von 8 Jahren, gerechnet vom Tage der Urteilsfällung. Müsse die Gefängnisstrafe von einem Tag verbüsst werden, so müsste diese bedingte Verurteilung aufgehoben werden.

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Das Bezirksgericht Baden empfiehlt den Gesuchsteller ohne weiteres zur Begnadigung. Laut Urteilserwägungen hätte sich das Gericht «mit der Aussprechung einer blossen Geldbusse begnügt, um so mehr noch, als das Bundesstrafrecht den bedingten Straferlass nicht kennt». Die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen erklärt, keinen Grund zur Unterstützung des Gesuches zu haben. Fankhauser habe wissentlich gehandelt, und die Mindeststrafe sei unter normalen Umständen nicht zu hart.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich teilt mit, der Ausgang des Begnadigungsverfahrens sei auf die im Kanton Zürich bedingt ausgefällte Strafe ohne Einfluss, indem die Verfälschung des Arbeiterabonnementes zeitlich keine neue Verfehlung betreffe, Da der vom Verfasser des Gesuches einzig geltend gemachte Begnadigungsgrund nicht zutrifft, könnte es nahe liegen, das Gesuch abzuweisen, so wie dies die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen beantragt. Fankhauser hätte richtigerweise ein Eückerstattungsbegehren stellen sollen, statt die deliktischen Machenschaften vorzunehmen. Es handelt sich, worauf die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich mit Eecht verweist, nicht um eine unüberlegte «Vörtelei». Anderseits betont das Bezirksgericht Baden den bisher untadeligen Lebenswandel des Verurteilten und beruht auch die im Kanton Zürich gewährte bedingte Verurteilung unter anderm auf dem guten Leumund. Hinzu kommt, dass die, zum Entscheid allerdings unzuständige, kantonale Begnadigungsbehörde die Begnadigung ihrerseits als gegeben erachtet hat. Unter diesen Umständen beantragen wir abschliossend, die Gefängnisstrafe von einem Tag bedingt zu erlassen, unter Ansetzung einer Probezeit, die mit der vom zürcherischen Kassationsgericht verfügten übereinstimmt, mithin bis zum 80. Juni 1938; als Bedingung heben wir besonders hervor, dass Fankhauser während dieser Zeit kein weiteres vorsätzliches Vergehen verübe.

90. Samuel Zimmerli, 1881, Schreiner, Bohr (Solothurn).

(Zivilstandswesen.)

90. Samuel Zimmerli ist am 26. August 1930 vom Gerichtsstatthalter von Olten-Gösgen gemäss Art. 61 der Verordnung über den Zivilstandsdienst vom 18. Mai 1928, in Verbindung mit der kantonalen Ausführungsverordnung, zu Fr. 10 Busse verurteilt worden.

Zimmerli hat die Anzeige der Geburt eines Kindes unterlassen.

Zimmerli ersucht um Erlass der Busse, wozu er geltend macht, der Gemeindeschreiberei die Geburt angezeigt zu haben, ohne dass diese ihn an das Zivilstandsamt Stüsslingen gewiesen hätte. Ferner verweist er auf die längere Arbeitslosigkeit, die daherige Unterstützung und die Familienlasten. Die Busse könne er nicht zahlen, weshalb die Umwandlungsstrafe drohe.

712 Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn beantragt Abweisung.

In Wirklichkeit hat Zimmerli weder auf der Gemeindeschreiberei noch hernach beim Zivilstandsamt vorgesprochen, vielmehr uberliess er dies der Ehefrau.

Das Eidgenössische Amt für den Zivilstandsdienst schliesst sich dem Polizeidepartement in objektiver Hinsicht an, hält aber dafür, mit Bücksicht auf die Verhältnisse des Gesuchstellers werde die Begnadigungsbehörde zu entscheiden haben, ob nicht dennoch die Begnadigung auszusprechen sei.

Wir beantragen Abweisung. Die Gesuehsdarstollung ist in den für die Anzeigepflicht wesentlichen Punkten unrichtig ; ferner legt Zimmerli nach dem über ihn eingezogenen Bericht, auf den wir verweisen, eine Begnadigung keineswegs nahe.

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Niklaus Morand, 1867, Maurer, Günsberg (Solothurn), Karl Wölfli, 1881, Uhrmacher, Bettlach (Solothurn), Paul Cattin, 1889, Fabrikant, Grenchen (Solothurn), Albert Schüpbach, 1873, Schreiner, Grenchen (Solothurn), Paul Kilcher, 1902, Handlanger, Nunningen (Solothurn), Joseph Gremaud, 1908, Gelegenheitsarbeiter, Plaffeyen (Freiburg), Fridolin Biedo, 1908, Gelegenheitsarbeiter, Plaffeyen (Freiburg), Gebhard Büchel, 1908, Taglöhner, Eüthi (St, Gallen), Gottlieb Gebort, 1886, Landwirt, Wildhaus (St. GaUen), Ferdinand Koppel, 1875, Bahnarbeiter, Widnau (St. Gallen).

(Jagdvergehen.)

Gemäss Bundesgesetz über Jagd und Vogelschutz vom 10. Juni 1925 sind verurteilt worden: 91. Niklaus Morand, verurteilt am 26. August 1980 vom Gerichtsstattbalter von Solothurn-Lebern gemäss Art. 45 des Bundesgesetzes in Verbindung mit der kantonalen Vollziehungsverordnung zu Fr. 20 Busse.

Der Jagdhund des Morand ist an einem Julisonntag jagend ertappt worden.

Morand, Vater, der Eigentümer des Hundes, und Morand,Viktor, der damals dem Hund von weitem folgte, ersuchen um Erlass der Busse, wozu Morand Viktor geltend macht, ohne Vorstrafe zu sein, einen massigen Stundenlohn zu beziehen und den Eltern helfen zu müssen.

Mit dem Pohzeidepartement des Kantons Solothurn und der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen wir ohne weiteres Abweisung. Die Berichte der Kantonsbehörden ergeben, dass stichhaltige Begnadigungsgründe durchaus fehlen.

92--94. Karl Wölfli, Paul G a t t i n und Albert Schüpbach, verurteilt am 29. September 1980 vom Gerichtsstatthalter von Solothurn-Lebern gemäsß

713 Art, 45 des Bundesgesetzes in Verbindung mit der kantonalen Vollziehungsverordnung, je zu Fr. 20 Busse.

Wölfli, Gattin und Schüpbach Hessen am 9. September, abends, ibre Jagdhunde los, die einen Hasen aufstöberten und längere Zeit jagten.

Sämtliche ersuchen um Erlass der Bussen. Der Sachverhalt wird zugegeben.

Als- Inhaber des Jagdpatentes hätten sie, wie üblich, ihre Jagdhunde vor Eröffnung der Jagd ausprobiert.

Mit dem Polizeidepartement des Kantons Solothurn und der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen wir ohne weiteres Abweisung. Die Berichte der Kantonsbehörden ergeben, dass das Ausprobieren der Jagdhunde nur auf Gesuch hin gestattet wird, da dies andernfalls zu unhaltbaren Zuständen fuhren müsste. Die Gesuchsteller sind wegen Jagdvergehen vorbestraft.

95. Paul Kilcher, verurteilt am 14. August 1930 vom Amtsgericht Dorneck-Thieratein gemäss Art. 44 des Bundesgesetzes zu Fr. 100 Busse.

Kilcher hat eine zusammenlegbare, dreiteilige Jagdflinte verkauft.

Kilcher ersucht um Erlass der Busse. Die Waffe habe sich über 20 Jahre im Estrich der Wohnung befunden. Das Veräusserungsverbot sei ihm nicht bekannt gewesen. Nach Erkrankung im Militärdienst sei er heute arbeitslos.

Das Polizeidepartement des Kantons Solothurn beantragt Herabsetzung der Busse bis Fr. 30, die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei bis Fr. 50.

Wie im gleichartigen Falle Gigandet, Antrag 85 dea ersten Berichtes über Begnadigungsgesuche, beantragen wir Herabsetzung der Busse bis zu einem Viertel, mithin Fr. 25.

96, 97. Joseph Gremaud und Fridolin Biedo, verurteilt am 4. Juli 1930 vom Gerichtspräsidenten des Sensebezirkeä gemäss Art. 40, Abs. l, des Bundesgesetzes je zu Fr. 200 Busse.

Gremaud und Eiedo haben an einem Maisonntag auf Eehe gejagt.

Beide ersuchen um Erlass der Bussen, wozu sie Armut und Unterstützungspflicht gegen die Eltern, geltend machen.

Der Gemeinderat Plaffeyen bestätigt die Gesuchsanbringen, bemerkt aber zugleich, die Bestraften täten gut daran, Stellen anzunehmen, statt als Gelegenheitsarbeiter zeitweise unbeschäftigt zu sein und dem Jagdfrevel obzuliegen.

Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei hält eine Begnadigung nicht für angebracht. In der in Betracht kommenden Gegend werde häufig gewildert, so dass es
notwendig sei, den Leuten durch strenge Handhabung der Strafbestimmungen den Willen des Gesetzgebers zum Bewusstsein zu bringen.

Wir beantragen desgleichen Abweisung. Mindestens hätte Abweisung zurzeit zu erfolgen, in der Meinung, es seien zunächst jedenfalls die Bussenhälften zu entrichten, wozu weitgehende Fristen gewährt werden könnten.

714 98. Gebhard Büchel, verurteilt am 18, September 1929 von der Gerichtskommission von Oberrheintal gemäss Art. 43, Abs. 2, und Art. 40, Abs. 3, des Bundesgesetzes zu Fr. 310 Busse.

Büchel und ein Bruder baben im Februar 1929 nahe der elterlichen Wohnung im Gehölz eine Fuchsfalle gestellt, in der sich nach zwei Tagen ein Haushund verfing, der erheblich verletzt wurde. Ferner hat Büchel auf Krähen geschossen.

Büchel ersucht um Herabsetzung der Busse. Das Bundesgesetz sei ihm unbekannt gewesen und den Abschuss von Krähen habe er für gänzlich erlaubt gehalten. Er sei der älteste Sohn einer armen Familie, für die der Vater einzig verdiene. Die Bussenbezahlung sei ihm unmöglich.

Der Gemeindeammann Eüthi bestätigt die Gesuchsanbringen. Büchel sei der Begnadigung würdig. Das Justizdepartement des Kantons St. Gallen beantragt, einzig mit Eücksicht auf die grosse Familie, der Büchel angehöre, Herabsetzung der Busse bis Fr. 160. Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei schliesst sich diesem Antrag an.

Da ärmliche Verhältnisse vorliegen, beantragen wir Herabsetzung der Strafe bis zu Fr. 100 Busse, bzw. 10 Tagen Umwandlungsstrafe, EU vollziehen, falls Büchel die Bestbusse nicht innert drei Monaten nach Eröffnung dieses Entscheides entrichtet. Das Justizdepartement des Kantons St. Gallen bemerkt zutreffend, mit dem Urteilsvollzug sei bereits lange zugewartet worden, was an sich ein grosses Entgegenkommen ausmache.

99. Gottlieb Gebert, verurteilt am 8. Juli 1929 von der Gerichtskommission Obertoggenburg gemäss Art. 43, Ziff. l, und 58 des Bundesgesetzes zu Fr. 400 Busse nebst Ausschluss von der Jagdberechtigung für drei Jahre, Gebert hat zur Vertilgung von Füchsen Gift gelegt.

Ein erstes Begnadigungsgesuch hat die Bundesversammlung in der Dezembersession 1929 antragsgemäss durch Erlass der Bussenhälfte erledigt (Nr. 61 des Berichtes vom 19. November 1929, Bundesbl. III, 288).

Mit Eingabe vom 16. Januar 1980 erneuerte Gebert sein Gesuch um gänzliche Begnadigung, jedoch wurde ihm damals bedeutet, die Schlussnahme der Begnadigungsbehörde sei dermalen für Behörden und Gesuchsteller verbindlich. Ein Wiedererwägungsgesuch setze eine veränderte Sachlage voraus, d. h, hier nach den Umständen mindestens Teilzahlungen in der Höhe von Fr. 100, die in der Folge bezahlt worden sind. Gebert
beruf t sich heute neuerdings auf die vorhandene Notlage und Armut, die schweren Familienlasten und die Unterstützungspflicht für die gebrechliche Mutter; sodann macht er besonders einen kürzlichen Geldverlust infolge Abgangs eines Eindes geltend, der nachweislich Fr. 220 ausmacht.

Das Justizdepartement des Kantons St. Gallen kann das Gesuch nicht empfehlen; mit dem Bussenvollzug sei sehr lang zugewartet worden. Die eidgenössische Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei ist der Auffassung, es solle bei der ersten, nicht geringen Teilbegnadigung sein Bewenden haben.

715 Wir beantragen desgleichen Abweisung, in der Meinung, es seien Gebert für die noch zu entrichtenden Fr. 100 in weitgehender Weise erträgliche Teilzahlungen zuzubilligen.

100. Ferdinand Koppel, verurteilt am 29. Juli 1980 von der Gerichtskommisßion Unterrheintal gemäss Art. 40, Abs. 2, Art. 48, Ziff. 2, Abs. l, des Bundesgesetzes in Verbindung mit kantonalen Vollzugsbestimmungen zu Fr. 400 Busse.

Koppel stand schon lange im Verdacht, Wildfallen zu stellen. In der Folgewurde er beim Fallenstellen ertappt und die Haussuchung ergab zwei eingesperrte Iltisse und eine ganze Anzahl Baubtierfallen.

Koppel, der die Hälfte der Busse, sowie die Kosten bezahlt hat, ersucht um Herabsetzung bis Fr. 200. Wie im Strafverfahren macht er geltend, nicht ein einziges jagdbares Tier gefangen zu haben; die Iltisse habe er gekauft, zudem die Fallen als Eattenfallen benutzt. Ferner erörtert er seine bescheidenen Erwerbsverhältnisse und die Familienlasten; die bis anhin entrichteten Beträge habe er entlehnen müssen.

Das Bezirksammannamt Unterrheintal befürwortet in Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse den Erlass eines Bussenviertels. Das Justizdepartement des Kantons St. Gallen beantragt Abweisung, da Koppel ein Professionsfallensteller zu sein scheine; die Unterlassung, die Fallen mit seinem Namen zu versehen, sei ungeahndet geblieben.

Mit der eidgenössischen Inspektion für Forstwesen, Jagd und Fischerei beantragen wir desgleichen Abweisung, in der Meinung, es könne hier bei der Gewährung von Teilzahlungen sein Bewenden haben.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung, Bern, den 21. November 1980.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Musy.

Der Bundeskanzler: Kaeslin.

-«SS-

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II. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Begnadigungsgesuche (Dezembersession 1930). (Vom 21. November 1930.)

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