# S T #

N o

4 1

433

Bundesblatt

82. Jahrgang.

Bern, den S. Oktober 1930.

Band II.

Erscheint wöchentlich, preis 2 Franken, im Jahr, M Franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr : SO Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stämpfli & de. in Barn.

Ablauf der Referendumsfrist 6. Januar 1931.

# S T #

Bundesgesetz über

die

Handelsreisenden.

(Vom 4. Oktober 1930.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 34ter der Bundesverfassung, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrats vom 11. Januar 1929, beschliesst:

Art. 1.

Wer als Inhaber, Angestellter oder Vertreter eines Fabrikations- oder Handelsgeschäftes Bestellungen auf Waren aufsucht, ist Handelsreisender im Sinne dieses Gesetzes und bedarf zur Ausübung dieser Tätigkeit einer Ausweiskarte.

Die Ausweiskarte ist personlich ; sie kann nur in den durch die Vollziehungsverordnung zu regelnden Fällen durch die Behörden übertragen werden.

Art. 2.

Das Gesetz findet auch Anwendung auf: a. das Aufsuchen oder Entgegennehmen von Arbeitsaufträgen, mit deren Ausführung die Lieferung von Material verbunden ist, sofern nicht der Betriebsinhaber persönlich oder mit ihm in Hausgemeinschaft lebende Familienangehörige die Auftragsgewinnung besorgen und der Betriebsinhaber durch eigene handwerkliche Mitarbeit vorwiegend an der Ausführung des Arbeitsauftrages beteiligt ist; b. das Aufsuchen von Bestellungen auf gebrannte Wasser (Spirituosen, Liköre u. dgl.) im Grosshandel nach Massgabe der Bundesgesetzgebung über gebrannte Wasser; Bundesblatt. 82. Jahrg. Bd. II.

33

434

e. Muster- oder Modellausstellungen, an welchen Bestellungen entgegengenommen, aber keine Waren abgegeben werden; der Bundesrat kann für solche Ausstellungen, soweit sie öffentlichen Charakter haben, Ausnahmen gestatten.

Dagegen findet das Gesetz nicht Anwendung auf: «. das Aufsuchen von Bestellungen durch Landwirte auf selbsterzeugte Produkte ; 6. das Aufsuchen von Bestellungen innerhalb des Gemeindebezirks für Geschäfte, die in der Gemeinde niedergelassen sind und dort ein ständiges Arbeitszentrum in Form einer Produktionsstätte oder eines Verkaufsladens besitzen ; C. die Entgegennahme von Bestellungen, zu denen der Anstoss vom Kunden ausgegangen ist.

Art. 3.

Die Ausweiskarte ist taxfrei für Handelsreisende, die ausscbliesslich mit Geschäftsleuten oder privaten und öffentlichen Unternehmungen, Verwaltungen und Anstalten aller Art in Verkehr treten, welche Waren der angebotenen Art wiederverkaufen oder auf irgend eine Weise in ihrem Betriebe verwenden (Grossreisende).

Für die Ausweiskarte an alle andern Handelsreisenden (Kleinreisenden) ist eine Jahrestaxe von zweihundert Franken zu entrichten.

Art. 4.

Eine Ausweiskarte wird für Reisende einer inländischen Firma nur verabfolgt, wenn diese im Handelsregister eingetragen ist und keine Verfügung gemäss Art. 13, Abs. 2, oder Art. 14, Abs. 2, dieses Gesetzes vorliegt.

Ausweiskarten für Kleinreisende (Taxkarten) dürfen überdies nur ausgestellt werden, wenn der Reisende a. eine Niederlassungs- oder Aufenthaltsbewilligung besitzt; b. sich über einen unbescholtenen Leumund ausweist; c. innert der letzten drei Jahre vor Einreichung des Gesuches zu keiner entehrenden Freiheitsstrafe verurteilt worden ist. Hat er eine solche Strafe erstanden, so wird die Frist vom Zeitpunkt der Entlassung an gerechnet; Die Ausstellung einer Taxkarte ist zu verweigern, wenn der Firma, die der Reisende vertritt, innert der letzten drei Jahre vor Einreichung des Gesuches laut rechtskräftigem Urteil die Schädigung der Kundschaft durch unlauteres Geschäftsgebaren nachgewiesen worden ist.

435 Art. 5.

Für Grossreisende ausländischer Firmen wird, unter Vorbehalt der Bestimmungen von Abs. 2, eine Ausweiskarte taxfrei abgegeben, wenn durch eine von der zuständigen Behörde des betreffenden Landes ausgestellte Gewerbelegitimationskarte bescheinigt wird, dass die Firma zum Handels- oder Gewerbebetrieb in jenem Lande berechtigt ist, und wenn dort Reisende in der Schweiz niedergelassener Firmen wie die inländischen oder wie diejenigen der meistbegünstigten Nation behandelt werden.

Von der Abgabe der schweizerischen Ausweiskarte kann nach Massgabe internationaler Vereinbarungen Umgang genommen werden.

Der Bundesrat ist berechtigt, Grossreisenden aus solchen Staaten, die den schweizerischen Grossreisenden das Aufsuchen von Bestellungen nicht oder nur unter erschwerenden Bedingungen gestatten, die Ausstellung der Ausweiskarte zu verweigern oder dafür eine besondere Gebühr zu erheben.

Für Kleinreisende ausländischer Firmen werden Ausweiskarten nur ausgestellt, soweit hierzu eine staatsvertragliche Verpflichtung besteht und eine Gewerbelegitimationskarte im Sinne von Absatz l vorliegt. In diesem Falle gelten für sie, mit Ausnahme von Art. 4, lit. a und 6, die gleichen Bestimmungen und Taxen wie für Kleinreisende inländischer Häuser.

Art. G.

Die Ausweiskarte ist, vom Tage ihrer Ausstellung an gerechnet, ein Jahr gültig.

Art. 7.

Eine Ausweiskarte kann von der Abgabestelle zurückgezogen werden, wenn Tatsachen eintreten, welche die Verweigerung der Kartenabgabe rechtfertigen würden (Art. 4 und 5).

Art. 8.

Die Handelsreisenden dürfen Muster, nicht aber Waren mit sich führen. Dem Mitführen von Waren wird gleichgestellt die unmittelbar auf die Bestellungsaufnahme folgende Warenlieferung von einem nichtständigen Lager aus.

Ausnahmsweise kann der Bundesrat das Mitführen von Waren durch Grossreisende gestatten, wenn die sofortige Übergabe der Ware an den Käufer für den Geschäftsbetrieb des Verkäufers notwendig ist.

Art. 9.

Der Bundesrat ist ermächtigt, zum Zwecke des Schutzes des Publikums von der Bestellungsaufnahme durch Handelsreisende diejenigen

436

Waren auszunehmen, bei deren Angebot und Lieferung im Reiseverkehr Missbrauche besonders leicht möglich sind.

Art. 10.

Der Besitzer einer Ausweiskarte ist von jeder Kantons- und Gemeindetaxe beim Aufsuchen von Bestellungen befreit.

Indessen sind die Kantone berechtigt, für die Ausstellung jeder Ausweiskarte für Grossreisende eine Schreibgebuhr von zwei Franken zu verlangen.

Art. 11.

Vereinbarungen mit Kleinreisenden, die beim Aufsuchen von Bestellungen abgeschlossen werden und womit der Kaufer auf seinen ordentlichen Gerichtsstand verzichtet, sind nichtig. Die Nichtigkeit ist von Amtes wegen zu berücksichtigen.

Art. 12.

Der Bund lässt die Ausweiskarten nach einheitlichem Formular auf Kosten der Kantone anfertigen, Die Einnahmen aus den Ausweiskarten sind abzüglich einer den Kantonen zukommenden Bczugsgebuhr von vier vom Hundert am Ende eines jeden Jahres der Bundeskasse zur Verfügung zu stellen. Nach Abzug der Barauslagen des Bundes wird das Erträgnis unter die Kantone im Verhältnis ihrer Wohnbevölkerung verteilt.

Art. 13.

Mit Gefängnis bis zu drei Monaten und Busse bis zu tausend Franken, oder mit Gefängnis oder Busso allein, wird bestraft: a. wer zur Erlangung einer Ausweiskarte unwahre Angaben macht ; b. wer eine Ausweiskarte eigenmächtig abändert oder eine derart abgeänderte Karte wissentlich benützt.

Dem Verurteilten wird die Ausweiskarte entzogen; ferner kann ihm die Berechtigung zum Bezug einer neuen Karte für die Dauer von einem bis zu fünf Jahren aberkannt werden.

Art. 14.

Mit Busse bis zu tausend Franken wird bestraft : a. wer ohne Taxkarte Bestellungen bei andern als den in Art, 3, Abs, l, erwähnten Kunden aufsucht oder aufsuchen lässt;

b. wer als Grossreisender ohne die in Art. 8 vorgesehene Ermächtigung Waren mit sich führt;

437

«. wer Bestellungen auf Waren aufsucht oder aufsuchen lasst, die auf Grund von Art. 9 von der Bestellungsaufnahme ausgenommen eind ; d, wer die auf seinen Namen ausgestellte Ausweiskarte einem andern zur Benützung überlässt.

Neben der Busse kann auf den Entzug der Ausweiskarte erkannt werden.

Es kann auf Busse bis zu zweitausend Franken erkannt und die Berechtigung zum Bezug einer neuen Earte für die Dauer von einem bis zu fünf Jahren aberkannt werden, wenn der Fehlbare während der letzten fünf Jahre vor dieser Übertretung bereits wegen Widerhandlung gegen Art. 13 oder 14 dieses Gesetzes oder gegen Art. 8 des Bundesgesetzes betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden vom 24. Juni 1892 verurteilt worden ist.

Neben der Busse soll in der Regel auf die naehträgliche Entrichtung der umgangenen Taxe erkannt werden.

Art. 15.

Mit Busse von fünf bis zu fünfzig Franken wird bestraft: a. der Grossreisende, der Bestellungen aufsucht, ohne die erforderliche Ausweiskarte gelöst zu haben; b. der Reisende, für den eine Ausweiskarte gelöst wurde, der sie aber bei Ausübung seiner geschäftlichen Tätigkeit nicht bei sich getragen hat.

Art. 16.

Die allgemeinen Bestimmungen des Bundesgesetzes Über das Bundesstrafrecht der schweizerischen Eidgenossenschaft finden Anwendung, soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Strafbar sind auch fahrlässige Widerhandlungen.

Art. 17.

Die Verfolgung und Beurteilung der durch dieses Gesetz mit Strafe bedrohten Widerhandluugen liegt den Kantonen ob.

Die Bussen fallen den Kantonen zu.

Sämtliche Gerichtsurteile, Strafbescheide von Verwaltungsbehörden und Einstellungsbeschlüsse, die von kantonalen Behörden auf Grund dieses Gesetzes erlassen werden, sind durch die Kantonsregierungen sofort nach Erlass zuhanden des Bnndesrats der Bundesanwaltschaft unentgeltlich einzusenden.

Art. 18.

Durch gegenwärtiges Gesetz wird die Gesetzgebung über das Wandergewerbe (Hausierhandel, Wanderlager u, dgl.), sowie, abgesehen von Art. 2, Abs. l, lit. ö, hiervor, diejenige über gebrannte Wasser nicht berührt.

438

Art. 19.

Der Bundesrat trifft die zur Vollziehung dieses Gesetzes erforderlichen Anordnungen. Er wird im Streitfalle bestimmen, ob andere als die in Art. 2 genannten Arten der Bestellungsaufnahme oder die Bestellungsaufnahme für andere Waren unter dieses Gesetz fallen oder ihm nicht unterstellt werden sollen.

In Fällen, wo es durch ausserordentliche Umstände geboten erscheint, kann der Bundesrat verfügen, dass eine Taxe ganz oder teilweise zurückerstattet oder die Nachzahlung einer umgangenen Taxe erlassen werde.

Art. 20.

Durch dieses Gesetz wird das Bundesgesetz betreffend die Patenttaxen der Handelsreisenden vom 24. Juni 1892 aufgehoben.

Art. 21.

Der Bundesrat ist beauftragt, den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes festzusetzen.

Also beschlossen vom Ständerat, B e r n , den 3. Oktober 1930.

Der Präsident: Messmer.

Der Protokollführer : Kaeslin.

Also beschlossen vom Nationalrat, B e r n , den 4. Oktober 1930.

Der Präsident: E.-Paul Graber.

Der Protokollführer: G. Bovet.

Der schweizerische Bundesrat beschliesst: Das vorstehende Bundesgesetz ist gemäss Art. 89, Absatz 2, der Bundesverfassung und Art, 3 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse zu veröffentlichen.

B e r n , den 4. Oktober 1930.

Im Auftrag des Schweiz. Bundesrates, Der Bundeskanzler : Kaeslin.

Datum der Veröffentlichung: 8. Oktober 1930.

Ablauf der Referendumsfrist : 6. Januar 1931.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesgesetz über die Handelsreisenden. (Vom 4. Oktober 1930.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1930

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

41

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

08.10.1930

Date Data Seite

433-438

Page Pagina Ref. No

10 031 165

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.