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Bundesblatt

80. Jahrgang.

Bern, den 8. Februar 1928.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis 20 Franken im Jahr, 10 franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr.

Einrückungsgebühr : 50 Rappen die Petitzeile oder deren Raum. -- Inserate franko an Stämpfli & de. in Bern.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Verlängerung der vorläufigen Ordnung der Getreideversorgung.

(Vom 31. Januar 1928.)

1.

Am 5. Dezember 1926 ist der Verfassungsartikel 23bis, durch den die Getreideversorgung des Landes mit Hilfe des Einfuhrmonopols sichergestellt werden sollte, mit 372,049 gegen 366,507 Stimmen und von 14 gegen 8 Ständen verworfen worden.

Die Verwerfung galt nicht dem Grundsatz der Getreideversorgung, sondern der Form, welche zu seiner Durchführung vorgeschlagen worden war. Das ging aus den Beratungen in der Bundesversammlung, sowie aus den Erörterungen vor und nach der Abstimmung deutlich hervor und ist durch alle seither eingetretenen Ereignisse bestätigt worden. Dieser Auffassung ist auch die am 16. Oktober 1926 eingereichte, von 77,062 Stimmberechtigten unterzeichnete Initiative entsprungen, die sachlich die gleichen Zielpunkte wie der verworfene Verfassungsartikel verfolgt, für deren Erreichung aber den Weg des Einfuhrmonopols ausschliesst.

Infolgedessen bestand und besteht Einigkeit darüber, dass die wahrend der Kriegszeit eingeführten und später aufrecht erhaltenen und weiter ausgebauten Einrichtungen, die der Sicherstellung der Getreideversorgung dienen, nicht einfach aufgehoben und durch die frühere Ordnung der Dinge ersetzt -werden dürfen. Deutlichen Ausdruck gaben dieser Meinung mehrere Motionen im Nationalrat, vorab die am 1. Oktober 1926, also vor der Abstimmung über die Verfassungsänderung eingereichte Motion Duft. Ihr fiel um so mehr Bedeutung zu, als sie aus Kreisen stammte, die dem neuen Verfassungsartikel 23bis ablehnend gegenüberstanden; gleichwohl verlangte sie, dass der bisherige Rechtszustand vorläufig weiter dauere, auch wenn der damals der Volksabstimmung unterstellte Verfassungsartikel verworfen werden sollte.

Diese Sachlage ist bis heute unverändert geblieben. Über das zu erreichende Ziel besteht Einigkeit; die Meinungen gehen auseinander darüber, auf welche Weise man am besten zu diesem Ziel gelangen könne. An diese Peststellung

Bundesblatt. 80. Jahrg. Bd. I.

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90 darf sich wohl die Hoffnung knüpfen, dass schliesslich nicht im Streit um die Form die Sache selbst untergehen oder doch bleibenden Schaden nehmen möchte.

Auf Grundlage der geschilderten Verhältnisse kam der Bundesbeschluss vom 7. Juni 1927 betreffend die vorläufige Ordnung der Getreideversorgung zustande. Durch ihn wurde im wesentlichen der einstweilige Weiterbestand des bisherigen Zustandes verfügt; im einzelnen erlitt dieser allerdings einige wichtige Abänderungen. Vorab eine solche in der Form; die vorher in mehreren Erlassen enthaltenen Vorschriften wurden in einen einzigen Beschluss zusammengefasst. Eine weitere Änderung betraf die rechtliche Grundlage; der wichtigste Teil der ganzen Ordnung, das Einfuhrmonopol des Bundes, hatte sich bis jetzt gestützt auf den kraft der ausserordentlichen Vollmachten erlassenen Bundesratsbeschluss vom 9. Januar 1915 über die Einfuhr von Getreide, Mehl und Futtermitteln durch den Bund, während andere Massnahmen durch Bundesbeschlüsse eingeführt worden waren; nun erhielt der Erlass, der wie gesagt sämtliche Vorschriften umfasste, den Charakter eines dringlichen Bundesbeschlusses. Endlich wurde in bezug auf die Dauer der verschiedenen Bestandteile eine Trennung vorgenommen; im allgemeinen sollte der Bundesbeschluss gelten bis zum 30. Juni 1929, ausgenommen wurden die Artikel, die vom Einfuhrmonopol des Bundes handeln; ihre Wirksamkeit wurde auf die Zeit bis zum 30. Juni 1928 beschränkt.

Der Zweck, der mit Hilfe des Bundesbeschlusses vom 7. Juni 1927 erreicht werden sollte, war ein doppelter. Erstens wurde mit seiner Hilfe dafür gesorgt, dass die Getreideversorgung des Landes gesichert blieb und nicht etwa bis zur Einführung einer endgültigen Begelung zum Nachteil des Landes gefährdet werden konnte. Zweitens erhielten die beteiligten Bevölkerungsschichten und Erwerbs kreise, namentlich aber auch die Behörden, die unbedingt notwendige Zeit zur Anordnung und Durchführung aller der Arbeiten, die für die Vorbereitung der allgemein verlangten neuen Vorlage unerlässlich waren.

Der Bundesrat hatte übrigens das Inkrafttreten des Bundesbeschlusse& vorn 7. Juni 1927 nicht abgewartet, sondern die Vorarbeiten für eine neue Lösung sofort nach der Abstimmung vom 5. Dezember 1926 in Angriff genommen.

Auf Grund der Prüfung der neu geschaffenen Lage wurden im Januar 1927 alle diejenigen Erwerbsgruppen, die in erster Linie an der Angelegenheit beteiligt sind, wie auch diejenigen Kreise, die am politischen oder andern Gründen sich näher damit befasst hatten, erßucht, ihre Ansicht über das weitere Vorgehen zu äussern und ihre Vorschläge für eine Lösung ohne Einfuhrmonopol einzureichen. Entsprechend ihren engen Beziehungen zur Sache waren et, die Müller, die sich am eingehendsten vernehmen Hessen.

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Am 10. März 1927 fand eine Zusammenkunft, statt, an welcher der Bundesrat sich durch seine wirtschaftliche Delegation vertreten liess und an der die Abgeordneten der ganzen schweizerischen Müllerschaft und des Getreidehandels anwesend waren. Dabei legte die Vertretung des Verbandes schweizer rischer Müller den Plan für eine monopolfreie Lösung vor. Der Eindruck war der, dass der Vorschlag brauchbar und jedenfalls einer genauen Prüfung würdig sei. · : Die Vertreter des Bundesrates ersuchten infolgedessen den Müllerverband, er möchte den von ihm bekanntgegebenen Plan sei es in Form von Leitsätzen oder in Form eines Gesetzesentwurfes weiter ausarbeiten. Entsprechend' diesem Begehren reichte der Müllerverband am 30. April 1927 dem Volks-1 Wirtschaftsdepartement einen Entwurf ein, der in 31 Artikeln eine neue Ordnung : der Getreideversorgung vorschlägt.

Er enthält die Verpflichtung des Bundes zur Haltung von Yorräten, zur Abnahme des Inlandgetreides zu einheitlichem, den. schweizerischen Anbauverhältnissen angemessenem Preis und zur Ausrichtung einer Mahlprämie an Selbstversorger. Die Müller sollen gehalten sein, dem Bund das Inlandgetreide sowohl wie das aus seinen Vorräten zur Auswechslung kommende Auslandgetreide abzunehmen und es zu vermählen; sie haben sich auch an der Lagerhaltung zu beteiligen. Andererseits sollen -sie gegenüber dem Ausland in derWeise geschützt werden, dass das Eecht zur Einfuhr vom Mahlprodukten aus Brotgetreide ausschliesslich dem Bund vorbehalten wird, der sich dessen aber nur ausnahmsweise, insbesondere zum Schutz gegen ungerechtfertigte übersetzte Preisbildung soll bedienen dürfen. Zur Deckung der Kosten wird eine Abgabe auf dem gesamten Mehlabsatz der Mühlen erhoben; ausgenommen ist die Mahlprämie, die dem Bund auffallen soll.

Auf Grundlage dieses Vorschlages haben sich die seitherigen Erörterungen und Arbeiten vollzogen. Er wurde zur Begutachtung den Beteiligten übermittelt.

Im Laufe des Monats Mai nahmen insbesondere der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins, der Schweizerische Gewerbeverband und das Zentralkomitee des schweizerischen Getreidehandels, später auch das Aktionskomitee für die rnonopolfreie Lösung der Getreidefrage zu ihm Stellung. Sie anerkannten übereinstimmend den Entwurf als eine brauchbare Unterlage für eine gesetzliche Lösung. Die
Einwände richteten sich hauptsächlich gegen das Eecht des Bundes zur Einfuhr von Mahlprodukten und gegen die Mehlabgabe; der Schutz der einheimischen Müllerei werde besser durch einen Zoll auf ausländischem Mehl erreicht, während zur Deckung der Kosten nicht die .Mehlabgabe, sondern ein Zoll auf Getreide zu erheben sei.

Die Abklärung dieser Fragen hatte weitere Verhandlungen mit dem Verband schweizerischer Müller zur Folge, die sich bis zum August hinauszogen.

Der Verband hielt in der Hauptsache an seinem Vorschlag fest und lehnte namentlich eine Änderung der erwähnten zwei Punkte, Einführmonopol für Mahlprodukte und Mehlabgabe, bestimmt ab.

92 Unterdessen hatte das Volkswirtschaft&departement auf Grund des vom Müllerverband entworfenen Plane» einen vollständigen Gesetzesentwurf ausgearbeitet. Er sollte ermöglichen, da&s sich jedermann, vorab die Behörden selber, darüber Eechenschaft geben könne, wie die vorgeschlagene Kegelung im ganzen und im einzelnen aussehen werde ; dagegen hatte er nicht die Bed&utung eines Vorschlages des genannten Departements und noch weniger des Bundesrates, dieser behielt sich im Gegenteil seine Stellungnahme vor.

Diese Art der Behandlung hatte zur Folge, dass im soeben genannten Entwurf für mehrere Artikel, in denen die bestrittenen Fragen geordnet werden sollten, zwei Fassungen vorgelegt wurden, von denen die eine dem Vorschlag des Müllerverbandes entsprach, während (die zweite die anderslautende Lösung enthielt ; wie bereits gesagt, betrafen die Meinungsverschiedenheiten namentlich dag Einfuhrmonopol für Mahlprodukte und die Mehlabgabe.

Dem zunächstbeteiligteu Müllerverband wurde der Gesetzesentwurf im Juli 1927 mitgeteilt; seine zum Teil zustimmende, zum Teil ablehnende Bückäusserung langte Ende August beim Volkswirtschaftsdepartement ein.

Dieses brachte nun die ganze Angelegenheit im Bundesrat vor. Nach Prüfung der Sachlage wurde beschlossen, eine ausserparlamentarische Kommission mit der Prüfung der Sachlage zu betrauen. Zu diesem Zweck wurde eine Zuschrift ausgearbeitet, in welcher der Bundesrat die Entwicklung der Dinge darlegt und die Fragen bezeichnet, über welche die Kommission sich äussern solle; wir verweisen auf dieses am 21. Oktober erlassene Schreiben. Ihm wurden beigegeben der vom Volkswirtschaftsdepartement ausgearbeitete Gesetzesentwurf mit einem eingehend gehaltenen Motivenbericht, ferner der Vorschlag des Müllerverbandes mit den dazu gehörenden Eingaben und endlich die Vernehmlassungen der um ihre Meinung angefragten wirtschaftlichen Verbände.

Am 8. November 1927 richtete der Bundesrat eine zweite Zuschrift an die ausserparlamentarische Kommission und ersuchte sie, sich auch darüber auszusprechen, wie ihrer Ansicht nach die Verhältnisse nach dem 80. Juni 1928, d. h. nach Ablauf der nach geltendem Becht für das Einfuhrmonopol massgebenden Frist sich gestalten werden. Er führte die seiner Auffassung nach allein möglichen zwei Lösungen an, die Verlängerung des bestehenden Zustandes um
ein Jahr einerseits und die Einführung einer vorläufigen Ordnung ohne Monopol und im Anschluss an den Vorschlag des Müllerverbandes andererseits.

Zugleich legte er die Entwürfe zweier Bundesbeschlüsse bei, in denen für jeden der beiden Fälle die entsprechende Ordnung vorgesehen war.

Sowohl die Zuschrift vom 21. Oktober 1927 mit ihren Beilagen als die nachträgliche vom 8. November 1927 sind den Mitgliedern der Bundesversammlung zugestellt worden.

Die ausserparlamentarische Kommission wurde aus 52 Mitgliedern zusammengesetzt und enthielt sowohl die Vertreter der verschiedenen Wirtschaftsgruppen als diejenigen der politischen Parteien. Sie entledigte sich ihrer Aufgabe in 5 Sitzungen vom 28. bis 30. November in Bern.

93 Ihren Beratungen legte sie die Vorschlage des Müllerverbandes in derjenigen Form zugrunde, die ihnen durch den vom Volkswirtschaftt-departement ausgearbeiteten Entwurf gegeben worden war. Im allgemeinen stimmte sie zu, so insbesondere in bezug auf das dem Bund zu erteilende Recht zur ausschliesslichen Mehleinfuhr, allerdings mit der Beschränkung auf Backmehl und unter Ausschluss von Futtermehl und Kleie ; ebenso wurde der Mehlabgabe der Vorzug vor dem Getreidezoll gegeben. Die Bezahlung der Mahlprämie soll nach Ansicht der Kommission dem Bund auffallen; ebenso habe er, allerdings gegen Deckung durch die Mehlabgabe, einen Teil der Inlandfrachten für das Getreide zu übernehmen. Mit grosser Mehrheit erklärte die Kommission schliesslich, sie halte den Entwurf, wie er aus ihren Beratungen hervorgegangen sei, für eine brauchbare Lösung der so wichtigen und schwierigen Aufgabe.

Die ihr vom Bundesrat weiter vorgelegte Frage, ob der Gesetzesentwurf in dem am 16. Oktober 1926 eingereichten Initiativvorschlag eine genügende verfassungsmässige Grundlage finde, verneinte die Kommission. Ein Ausschuss hatte vorher die Sache geprüft und einige Punkte genannt, die im Verfassungsartikel ausdrücklich zu erwähnen seien, die weitere Behandlung wurde dem Bundesrat überwiesen.

In der letzten Frage endlich, derjenigen betreffend die Regelung der Verhältnisse vom 1. Juli 1928 an, teilte sich die Kommission in zwei ungefähr gleichstarke Gruppen. 25 Stimmen fielen auf den Vorschlag, das Einfuhrmonopol für Getreide um ein Jahr zu verlängern; 23 Stimmen auf den andern, diese Verlängerung nur bis 1. Oktober 1928 zu erstrecken und von diesem Zeitpunkt an eine provisorische Ordnung ohne Monopol einzuführen.

Das Protokoll über die Verhandlungen der ausserparlamentarischeii Kommission und der Gesetzesentwurf in der Gestalt, die sie ihm gegeben hat, werden den Mitgliedern der eidgenössischen Räte zugestellt werden.

Damit waren die vorbereitenden Arbeiten zum Abschluss gelangt und der Zeitpunkt 'gekommen, in dem die Angelegenheit dem Bundesrat zur Stellungnahme unterbreitet werden musste. Xeben den obenerwähnten Aktenstücken lagen ihm mehrere Berichte nebst Entwürfen zn Botschaften an die Bundesversammlung und zu Bundesbeschlüssen vor, die vom Volkswirtschaftsdepartement ausgearbeitet worden waren. Ferner wurden ihm die Ergebnisse der Vorberatung in der wirtschaftlichen Delegation zur Kenntnis gebracht.

Der Bundesrat behandelte die überaus verwickelte Sache in mehreren Sitzungen und fasste am 6. Januar 1928 die folgenden Beschlüsse.

In der Hauptsache entschied er sich dafür, der Bundesversammlung zu beantragen, die Sicherstellung der Getreideversorgung ohne Einfuhrmonopol für Getreide durchzuführen. Nach seiner Ansicht soll die Lösung im allgemeinen den Vorschlägen der ausserparlamentarischen Kommission entsprechen; über Einzelheiten wird später zu entscheiden sein. Da der vorliegende Initiativ-

94 verschlag einem so gestalteten Gesetz die genügende verfassungsmâssige Grundlage nicht zu geben vermag, kann der Bundesrat seine Annahme nicht empfehlen ; er wird ihm einen Gegenvorschlag gegenüberstellen. Die Behandlung in der Bundesversammlung sollte nach der Ansicht des Bundesrates so erfolgen, dass die Abstimmung über Initiative und Gegenvorschlag zu Beginn des Jahres 1929 vorgenommen werden kann.

In dieser Stellungnahme ist die Antwort auf das mehrfach gestellte Begehren enthalten, es sei auf dem Wege des dringlichen Bundesbeschlusses eine monopolfreie Lösung einzuführen und während einiger Jahre zu erproben ; auf so lange sei die Abstimmung über die Initiative zu verschieben. Der Bundesrat kann einen solchen Antrag nicht stellen; er zieht den Weg, der auf die rascheste Art zu einer endgültigen Lösung führen kann, entschieden vor.

Endlich beschloss der Bundesrat, der Bundesversammlung zu beantragen, die Verhältnisse bis zu der für den Anfang des kommenden Jahres vorgesehenen Entscheidung in der Hauptsache so zu ordnen, dass der gegenwärtige Zustand in allen seinen Teilen, also auch in bezug auf das Einfuhrmonopol für Getreide, bis zum 30. Juni 1929 verlängert werde.

Die Behandlung dieser verschiedenen Fragen soll so vor sich gehen, dass die zwei letztern, diejenige betreffend Erprobung des Initiativvorschlages und die andere betreffend die Verlängerung des gegenwärtigen Zustandes, in einer besondern Botschaft vor die eidgenössischen Bäte gebracht werden. Die Begründung und Antragstellung in der ersten und wichtigsten Frage wird die Aufgabe einer zweiten besondern Botschaft sein, die so rasch wie möglich spätestens bis zur Märzsession der ersten zu folgen hat.

Der gegenwärtige Bericht stellt die soeben erwähnte erste Botschaft vor und beschäftigt sich infolgedessen nur mit den zu treffenden Massnahmen vorübergehender Natur, d. h. der probeweisen Einführung einer monopolfreien Lösung einerseits und der Erstreckung des gegenwärtig geltenden Zustandes andererseits. Die hinter uns liegende Entwicklung wird nur so weit erwähnt, als das zur Begründung dieser Massnahmen notwendig ist. Ebenso verzichtet der Bundesrat darauf, die Gründe, die ihn zu der erwähnten Stellungnahme in der Hauptsache veranlasst haben, hier eingehend zu erörtern; er wird dies später, in der zweiten Botschaft, mit aller
Ausführlichkeit tun und beschränkt sich darauf, jetzt seine grundlegenden Beschlüsse vorläufig der Bundesversammlung zur Kenntnis zu bringen. Allerdings sind sie seiner Ansicht nach nicht ohne Einfluss auf die Ausgestaltung der vorübergehenden Ordnung; deswegen wird er, der eigentlichen Erörterung vorausgreifend, schon heute in dieser und jener Hinsicht auf seine Ansichten in der Hauptfrage Bezug nehmen müssen.

4.

Die heute geltende, auf den Bundesbeschluss vom 7. Juni 1927 sich stützende Ordnung der Dinge ist unvollständig. Sie sieht vor, dass die Verpflichtungen des Bundes zur Abnahme des Inlandgetreides und zur Bezahlung

95 der Mahlprämie bis zum 30. Juni 1929 dauern sollen, das alleinige Eechi zur Einfuhr von Brotgetreide dagegen nur bis zum 30. Juni 1928. Mit andern Worten legt sie dem Bund den Ankauf der Inlandsernte des Jahres 1928 auf, ohne ihm zugleich die Mittel an die Hand zu geben, sie zu einem angemessenen Preise abzusetzen und den Ausfall, der sich dabei notwendigerweise ergeben wird, zu decken. Wie hoch dieser Ausfall sein ·wird, hängt von der Inlandsemte ab, unter allen Umständen wird man mit einem Betrag von 7 bis 8% Millionen rechnen müssen. Dazu kommen noch die Kosten der Mahlprämie mit rund 4 Millionen. Eine derartige Last vermag der Bund nicht zu tragen.

Das war und ist übrigens auch nicht die Meinung. Die verschiedene Dauer der einzelnen Teile des Bundesbeschlusses beruht auf andern Gründen. Einerseits wollte man der Landwirtschaft, die, entsprechend den natürlichen Bedingungen des Wachstums, mit langen Fristen rechnen muss, eine Sicherheit für mindestens zwei Ernten geben; die eine von ihnen, diejenige des Jahren 1927, stand übrigens zur Zeit des Inkrafttretens des Beschlusses schon vor der Tür. Andererseits wollte man das Einfuhrmonopol nicht länger als unbedingt notwendig beibehalten. Es war im Jahre 1927 noch nicht mit Sicherheit zu beurteilen, ob es möglich sein werde oder nicht, bis zum 1. Juli 1928 eine monopolfreie Lösung vorübergehenden oder endgültigen Charakters zu finden.

Das hing von dem Fortgang und dem Ergebnis der Arbeiten ab, die damals im Gang waren. Würde es möglich werden, vom 1. Juli 1928 an auf anderer Grundlage als bis dahin die Getreideversorgung durchzuführen, so sollte nicht ·ein im Jahre 1927 gefasster Beschluss, der die Dauer des Einfuhrmonopols über diesen Zeitpunkt hinaus verlängert hätte, im Wege stehen. Für den Fall, dass man bis zu jenem Zeitpunkt mit den Vorarbeiten noch nicht so weit vorangekommen sein würde, um den vorgesehenen Wechsel des Systems einzuführen, behielt man sich vor, nachträglich durch einen besondern Beschluss die Dauer des Einfuhrmonopols zu verlängern. Darüber bestand Einigkeit, dass unter allen Umständen dem Bund die Mittel an die Hand gegeben werden müssen, mit deren Hilfe er das von ihm übernommene Inlandgetreide der Ernte 1928 abzusetzen, vermag.

Diese Auffassung ist bei der Beratung des Bundesbeschlusses vom 7. Juni 1927 in beiden
Bäten vertreten worden. Grundsätzlich wurde ihr nicht widersprochen; begreiflicherweise äusserten die Befürworter der monopolfreien Lösung den Wunsch, dass- die Arbeiten so beschleunigt werden möchten, um die rechtzeitige Einführung dieser Lösung zu erlauben. Der Bundesrat sicherte die beförderliche Behandlung der Angelegenheit zu. Eine Verpflichtung konnte er aber nicht eingehen; dazu waren die Verhältnisse in jenem Zeitpunkt noch zu wenig abgeklärt.

Heute befindet bich der Bundesrat zur Beantwortung der Frage, welcher Weg einzuschlagen sei, insofern in einer andern Lage, als er über den Stand der Arbeiten im klaren ist und sich auch über die Anträge schlüssig gemacht hat, die er in der Hauptsache der Bundesversammlung stellen will. Diese Anträge sind in anderem Zusammenhang kurz wiedergegeben worden.

96 Es ist klar, dass sie nicht ohne Einfluss auf die Frage sind, welche Gestalt der notwendig bleibenden vorläufigen Lösung zu geben sei. 'Insbesondere ist von Einfluss die Stellungnahme zum Begehren, es möchte eine probeweise Einführung eines monopolfreien Systems für längere Zeit und unter Zurücklegung der Abstimmung über die Initiative der endgültigen Entscheidung vorangehen. Der Bundesrat kann dieser Anregung, wie bereits erwähnt, nicht Folge leisten.

Eechtlich wird dieses Begehren damit begründet, dass gegenüber dem heutigen Zustand die neue Ordnung einen Abbau im Sinn der Eückkehr zum verfassungsmässigen Zustend bedeute. Wenn sie auch selber noch nicht vollkommen der Verfassung entspreche, so sei die Abweichung doch kleiner als bis dahin; die vorgeschlagene Änderung bedeute, von diesem Standpunkt aus gesehen, immerhin einen Fortschritt.

Man kann darüber in guten Treuen verschiedener Ansicht bein, welches der beiden Systeme den Grundsätzen der Verfassung weniger widerspreche; dass für beide die genügende rechtliche Grundlage erst noch geschaffen werden muss, ist nicht bestritten.

Dagegen hat die heute geltende Ordnung das Gewicht für sich, das jedem einmal vorhandenen tatsächlichen Zustand zukommt. Zu ihrem Vorteil kann man auch darauf hinweisen, dass sie allen Beteiligten genau bekannt ist und sich vom technischen Standpunkte aus während mehr als zehn Jahren bewährt hat. Wenn heute die rechtliche Grundlage, der dringliche Bundesbeschluss vom 7. Juni 1927, nicht in allen Teilen genügt, so war dem vorher für den wichtigsten und heute einzig in Frage stehenden Teil der ganzen Einrichtung, das Einfuhrmonopol des Bundes, nicht so. Es ist durch Bundesratsbeschluss vom 9. Januar 1915 gestützt auf die dem Bundesrat von der Bundesversammlung erteilten außerordentlichen Vollmachten eingeführt worden und hat seine rechtliche Gültigkeit bis vor kurzer Zeit, d. h. bis zum 1. Juli 1927, von diesen herleiten können. Gewiss ist es unter ganz aussergewöhnlichen Umständen eingeführt worden, aber es hat wie viele andere Einrichtungen nebeu und nach ihm gerade daraus seine Rechtfertigung gezogen. Wenn dem Antrag des Bundesrates Folge gegeben und die Verlängerung des Monopols bis 30. Juni 1929 ausgesprochen wird, so wird es bei seiner Aufhebung in jenem Zeitpunkt zwei Jahre gedauert haben, während welchen es
sich auf einen dringlichen Bundesbeschluss hat stützen müssen. Dass man da mit Becht von einer vorübergehenden Massnahme sprechen darf, kann wohl nicht bestritten werden.

Die heute neu vorgeschlagene Lösung weist zudem den Nachteil auf, dass sie die Abstimmung über das Initiativbegehren auf unbestimmte Zeit verschieben möchte, d. h. auf so lange, bis das auf Probe eingeführte monopolfreie System seine Brauchbarkeit bewiesen haben wird. Die hierzu notwendige Frist wird von den einen mit drei, von den andern sogar mit fünf Jahren angegeben.

97 Der Bundesrat kann, soweit an ihm, einem solchen Verfahren nicht zustimmen. Gewiss ist die vom Gesetz vorgesehene Frist von einem Jahr für die Stellungnahme der Bundesversammlung gegenüber einer Initiative schon mehrfach nicht innegehalten worden, so gerade auch nicht im Fall des heute hängigen Initiativvorschlages betreffend die Getreideversorgung.

Der Grund lag aber in Hindennissen, die zum Teil aus der Sache selbst, zum Teil aus äussern Yerumstàndungen herstammten und die stärker waren als der Wille zu einer ordnungsgernässen Behandlung. Davon aber, eine Initiative zurückzulegen und die von ihr verlangte Neuordnung unterdessen durch einen dringlichen Bundesbeschmss auf Probe einzuführen, war bis jetzt nie die Eede.

Ein solches Vorgehen findet weder im Gesetz noch in der bisherigen Übung eine Stütze.

Zum gleichen Schlüsse kommt der Bundesrat von einem andern Standpunkt aus. Er ist nämlich der Ansicht, dass es aus praktischen Gründen nicht möglich sei, bis zum 1. Juli 1928 eine monopolfreie Lösung vorzubereiten, von der man.

annehmen dürfte, dass sie einigermassen befriedigend arbeiten könnte. Daran, ändert die Tatsache nichts, dass seither vorgeschlagen worden ist. den Wechsel um drei Monate, d. h. auf den 1. Oktober 1928, zu verschieben.

Die neue Ordnung kann uubestrittenermassen nur auf dem Wege eines dringlichen Bundesbeschlusses eingeführt werden. Dieser bedarf der Beratung: in den beiden eidgenössischen Räten und einer übereinstimmenden Beschlussfassung derselben. Der Bundesrat hat, wie er das schon in den Verhandlungen über den heute geltenden Bundesbeschluss vom 7. Juni 1927 in Aussicht gestellt hatte, das Volkswirtschaftsdepartement beauftragt, einen Entwurf für einen neuen Bundesbeschluss mit monopolfreier Lösung auszuarbeiten. Auch diese Arbeit diente vorab der Abklärung und sollte namentlich erlauben, sich darüber Eechenschaft zu geben, wie eine monopolfreie Lösung vorübergehender Art aussehen und mit welcher Arbeit ihre Einführung verbunden sein würde. Das Volkswirtschaftsdepartement hat einen solchen Entwarf ausgearbeitet und dem Bundesrat vorgelegt. Als Grundlage diente der Vorschlag der außerparlamentarischen Kommission. Etwas anderes war nicht möglich; von keiner Seite her sind anderslautende Anträge gestellt worden, und man kann daher heute sagen, dass für eine vorübergehende
wie für eine endgültige Ordnung ohne Monopol kein anderes Svstem in Betracht fällt.

Dieser Vorschlag enthält eine Eeihe von grundsätzlichen Vorschriften,, die ohne Zweifel im Bundesbeschluss selbst enthalten sein und von der Bundesversammlung aufgestellt werden inüssten. Wir nennen in dieser Hinsicht: das ausschliessliche Eecht des Bundes zur Einfuhr von Backmehl, die Stellung der Handelsmühlen im allgemeinen und die ihnen zukommenden Eechte und Pflichten im besondern, von den letztem vorab diejenige zur Übernahme von Inland- und Lagergetreide des Bundes, zur eigenen Lagerhaltung und zur SìcherheitsJẹ̫Hg7>dann weiter die Kontroll- und Strafbestimmungen, ferner die^MeKIÉÏbgabe und endlich die Fracht Vergütungen, die Versorgung der GeiSïrgsgegenden und die Tragung der Kosten für die Mahlprämie. Wir lassen

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eine Menge anderer Punkte "weg. die mehr die technische Seite der Angelegenheit betreffen, ohne allerdings zu verhehlen, dass ihre befriedigende Lösung -von allen Beteiligten ebensoviel Arbeit wie guten Willen erfordern wird.

Die erwähnten Punkte sind samt und sonders von grosser Bedeutung.

Die meisten von ihnen sind bestlitten, sei es grundsätzlich, sei es auch nur so, dass ihrer Aufnahme in eine vorübergehende Lösung zugestimmt, ihrer Einführung als bleibender Einrichtung aber widersprochen "wird. Jedenfalls wird auch der Bundesrat nicht überall den Vorschlägen der ausserparlamentarischen Kommission zustimmen können. Es würde aller Erfahrung widersprechen, wenn man annehmen wollte, dass ein Bundesbeschluss dringlichen Charakters mit einem derartigen Inhalt in den Kommissionen und in den beiden Baten ohne eingehende Beratung, gewissermassen im abgekürzten Verfahren, seine Erledigung finden könnte. Man wird sich im Gegenteil auf längere Auseinandersetzungen gefasst machen müssen und die Möglichkeit, dass die beiden Kammern nicht von vornherein zum gleichen Schiusa gelangen werden, ist natürlicherweise gegeben. Wenn man annimmt, die endgültige Beschlussfassimg werde frühestens in der Junisession des Jahres 1928 erfolgen können, so ist diese Rechnung sicher eher zu günstig als zu ungünstig. Gewiss wird es möglich sein, -den Entwurf zu kürzen, namentlich in der Weise, dass die Ordnung einer ganzen Beihe von Punkten dem Bundesrat übertragen wird; da der Erlass ja bloss -vorübergehenden Charakter haben soll, darf man in dieser Bichtung wohl "weitergehen als gewöhnlich. Aber auch dann wird es an Fragen, deren Entscheidung der Bunde«ver?amnüimg zufällt und die zu grundsätzlichen Erörterungen führen müssen, nicht fehlen. Die Aufgabe wird unter allen Umständen schwer sein.

Mag nun der Bundesbeschluss so oder anders aussehen, seiner Inkraftsetzung wird immer noch eine Vollziehungsverordnung des Bundesrates vorausgehen müssen. Sie kann allerdings schon von jetzt an vorbereitet werden.

Ihre endgültige Gestalt hängt aber doch von den Beschlüssen des Bundesversammlung ab. Diese müssten also abgewartet werden, und man wird froh sein dürfen, wenn es gelingt, die bundesrätliche Verordnung auf Anfang Juli des laufenden Jahres fertigzustellen.

Damit ist aber der Boden, auf dem die monopolfreie Lösung mit Sicherheit
imd Erfolg arbeiten kann, noch nicht gelegt. Es muss zuvor noch die Stellung jeder einzelnen Handelsrnühle bestimmt werden, und zwar sowohl in ihrem eigenen Interesse als in demjenigen des Bundes. Jeder Handelsmüller muss «inen Teil des Inlandgetreides übernehmen, das der Bund den Getreidebauern abgekauft hat. Er muss vom Bund auch dasjenige Auslandgetreide beziehen, das den vorn Bund angelegten Vorräten angehört und ausgewechselt werden muss; es handelt sich hier um Mengen, die je nach dem Ertrag der Inlandsernte und der Grosse und Beschaffenheit der Vorräte wechseln, aber ungefähr 30 % des sämtlichen Getreides ausmachen, das der Müller im Jahre verarbeitet. Der Müller ist ferner zur Lagerung einer bestimmten Getreidemenge verpflichtet, auch muss er Sicherheit leisten.

(

99 Alle diese Punkte müssen für jeden einzelnen Fall geordnet werden, da die Verhältnisse von Mühle zu Mühle anders sind. Die Ordnung kann auf dem Weg der amtlichen Verfügung geschehen, gegen die sich der Müller, wenn er damit nicht einverstanden ist, bei einer unparteiischen Instanz beschweren "Jjann. Es steht aber auch der Weg der Verständigung und des Vertrages zur Verfügung, ein Weg, den der Bündesrat vorziehen würde. Mag so oder ander?

vorgegangen werden, die Verpflichtung, für sämtliche Handelsrnühlen einzeln die Verhältnisse festlegen zu müssen, wird bleiben und damit eine wenn auch nicht sehr schwierige, so doch grosse Arbeit. Wir schätzen dabei zwei Tatsachen ihrer ganzen Bedeutung entsprechend ein. Den allseitig vorhandenen guten Willen und die den Behörden des Bundes aus ihrer bisherigen Tätigkeil -erwachsene genaue Kenntnis jeder einzelnen Mühle.

Heute bestehen in der Schweiz rund 350 Handelsmühlen. So viele Verfügungen müssen also getroffen oder so viele Verträge abgeschlossen werden.

Von diesen Mühlen halten mehr als 100 gar kein Getreide auf Lager: es =ind das zumeist kleine Betriebe, die hauptsächlich die Kundenmüllerei betreiben und nur gelegentlich und in kleinen Mengen Auslandgetreide 'kaufen, manchmal nicht mehr als einen oder zwei Wagen im Jahr. Ihre Bezüge sind sehr schwankend, und entsprechend ändern sich die damit zusammenhängenden Verpflichtvmgen von Jahr zu Jahr in starkem Mas^. Soll man diese kleinen Mühlen gleich oehandeln wie die mittleren und grossen, oder soll man die Lösung in der Richtung suchen, dass man ihnen gestattet, sich der Verpflichtung zur Lagerhaltung, zur Abnahme von in- und ausländischem Bundesweizen usw. in anderer als der ordentlicherweise vorgesehenen Art zu entledigen?

Der Bundesrat will damit gar nicht sagen, dass eine befriedigende Eegelung dieser Fragen sich nicht finden lasse, sind doch schon grössere Schwierigkeiten 'überwunden worden ; aber er glaubt behaupten zu dürfen, dass die Ordnung aller dieser Dinge auch bei der grössten Hingabe der Beamten des Bundes und dem weitestgehenden Entgegenkommen der Müller, insbesondere auch der sicher zu erwartenden wirksamen Mitarbeit des Verbandes, längere Zeit in Anspruch nehmen wird. In der ausserparlamentarischen Kommission ist diesen Erwägungen in einem gewissen Masse Rechnung getragen worden,
indem die Einführung der neuen Ordnung nicht auf den 1. Juli, sondern auf den 1. Oktober 1928 in Aussicht genommen wurde. Um so lange müsste demnach in Abänderung des Bundesbeschlusses vom 7. Juni 1927 der heutige Zustand erstreckt werden. Es würden also vom Erlass des neuen Bundesbeschlusses, der, wie wir oben dargetan haben, nicht vor Mitte des Jahres 1928 in Kraft treten könnte, noch drei Monate zur Verfügung stehen, um das neue System im einzelnen vorzubereiten und in Tätigkeit treten zu lassen.

Es ist diç bestimmte Meinung des Bundesrates, dass diese Frist ungenügend ist. Gewiss kann man mit gutem Willen viel und manchmal mehr tun, als man auf den ersten Blick sich selber zutraut. Aber alles hat seine Grenzen, die nicht nur vom Mass der zu leistenden Arbeit abhängen, sondern auch von ihrer Art und ferner von der Zahl der Leute, die zu ihrer Bewältigung verfügbar sind.

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Man könnte auch daran denken, die Fribt für die Dauer des bisherigen Zustandes noch über den 1. Oktober hinaus zu erstrecken und den Systemswechsel in einem noch späteren Zeitpunkt eintreten zu lassen. Abgesehen davon, dass dann die Zeitspanne bis zum 1. Juli 1929 so klein würde, dass man sich billig fragen kann, ob diese kurze Dauer noch eine so tiefgreifende Änderung der Verhältnisse rechtfertige, kommt ein solches Vorgehen aus andern Gründen überhaupt nicht in Betracht. Vom Oktober an beginnt nämlich die Abnahme des Inlandgetreides; sie nimmt alle Kräfte der Getreideverwaltung derart in Anspruch, dass ihr daneben schlechterdings nicht noch andere ungewohnte und,.

wie oben gezeigt worden ist, umfangreiche und schwierige Aufgaben zur Erledigung zugewiesen werden können. Davor aber, die neue Ordnung ohne genügende Vorbereitung ins Leben treten zu lassen, muss der Bundesrat mit aller Bestimmtheit warnen. Er könnte zu einem solchen Vorgehen seine Zustimmung nicht geben. Es stehen so grosse Interessen auf dem Spiele, dass ein planmässiges Vorgehen zur unabweisbaren Pflicht wird. Ganz abgesehen von den finanziellen Nachteilen, die zu befürchten sind, könnte es geschehen, dass die Sache der Getreideversorgung, über die, wie bereits mehrfach gesagt worden ist, grundsätzlich Einigkeit herrscht, zu schwerem Schaden käme.

Es ist für alle, die ihr zugetan sind, gleichermassen Pflicht, das zu verhindern.

In dieser Hinsicht gibt es keinen Unterschied zwischen Anhängern und Gegnern des Monopols. Gerade die zweiten haben durchaus keinen Anlass, durch eine ungenügend vorbereitete Inkraftsetzung die ihnen genehme Ordnung der Gefahr eines Misserfolges auszusetzen.

Aber wenn es auch gelingen würde, bis zum 1. Oktober 1928 die notwendigen Massnahmen so zu treffen, dass mit einer vielleicht nicht reibungslosen, so doch erträglichen Arbeit der Maschine gerechnet werden könnte, so bîeibt immer noch die oben bereits gestreifte Frage, ob es sich lohne, für die kurze Zeit bis zum 30. Juni 1929. einen derart schwierigen und tiefgreifenden Wechsel eintreten zu lassen. Der Bundesrat lehnt das ab und zieht es vor, die Anstrengungen der Bundesversammlung sowohl wie r-eine eigenen und diejenigen seiner Mitarbeiter und der beteiligten Kreise auf die Hauptsache zu verwenden.

Auch heute noch sind viele und grosse Schwierigkeiten
zu überwinden, und dazu sind alle vorhandenen Kräfte in ihrem vollen Umfang notwendig.

Der Bundesrat kommt so zum Vorschlag, den kürzesten und sichersten.

Weg zu begehen, denjenigen der Weiterführung des gegenwärtigen Zustandes in seinem ganzen Umfang bis zum 30. Juni 1929.

Die andere Möglichkeit, mit der man vor Jahresfrist noch rechnete, nämlich die Einführung eines monopolfreien Zustandes auf den 1. Juli oder, wiejetzt vorgeschlagen wird, auf den 1. Oktober 1928, hat sich als undurchführbar erwiesen. Sie konnte vor Jahresfrist ins Auge gefasst werden, weil man damals hoffen durfte, mit den Vorarbeiten rascher zu einem vorläufigen Abschluss.

zu kommen, als das dann tatsächlich der Fall gewesen ist. Der Gang der Dinge ist im Eingang der gegenwärtigen Botschaft dargelegt worden. Wenn er

101 langsamer war, als man seinerzeit gehofft hatte, so liegt der Grund einzig und allein in der grossen Schwierigkeit der Sache. Sie wird jedem, der sich nur ·einigermassen ernsthaft mit ihr beschäftigt, immer wieder klar.

Mit dem Vorschlag, das Einfuhrmonopol bis zum 30. Juni 1929 zu verlängern, verbindet der Bundesrat in der Hauptfrage den weitern Antrag, die zukünftige und als endgültig gedachte Lösung auf Grund einer monopolfreien Ordnung zu suchen. Dieser Umstand mag es denjenigen, die bis dahin gegen die Verlängerung des bisherigen Zustandes in seiner Gesamtheit waren, erleichtern, ihr ,heute nicht mehr entgegenzutreten.

Der Bundesrat schlägt die Ausdehnimg der heutigen Ordnung nicht vor.

um damit eine weitere Verlängerimg derselben vorzubereiten, sondern weil er in ihr die sicherste, und einfachste Lösung für die kurze in Betracht fallende Zeit erblickt. Der gegenwärtige Zustand und insbesondere das Einfuhrmonopol soll seiner Ansicht nach auf den 1. Juli 1929 sein Ende erreichen, und zwar auch dann, wenn der in Aussicht genommene Verfassungsartikel in der Abstimmung verworfen werden sollte. Die rechtliche Grundlage für einen Weiterbestand der heutigen Eegelung auf lange Frist fehlt; ohne diese Stütze hält es der Bundesrat für ausgeschlossen, länger als er es heute beantragt, den zur Stunde bestehenden Zustand aufrechtzuerhalten.

Der Bundesrat hat auch die Frage untersucht, ob die Abänderung des Bundesbeschlusses vom 7. Juni 1927 neben dem Art. 15, der seine zeitliche Wirkung ordnet, noch andere Bestimmungen betreffen solle. Er ist zum Schluss gekommen, dies in bezug auf die Mahlprämie vorzuschlagen.

Nach der gegenwärtigen Ordnung müssen deren Kosten von der Bundes liasse getragen werden. Sie machten im Jahre 1926 Fr. 4,083,981. 66 aus.

iür 1927 sind sie auf 3,g Millionen, für 1928 auf 4 Millionen veranschlagt. Auch iür das Jahr 1929 wird mit einer Belastung von rund i Millionen zu rechnen sein. Dagegen übernimmt die Getreideverwaltung heute die Kosten der Vorratshaltung, was ihr im Jahr Auslagen im Betrage von rund 2 Millionen verursacht.

Der Bundesrat hält diese Kegelung nicht für richtig. Seiner Ansicht nach sollte der Bund die Kosten der Lagerhaltung tragen, da es sich hier um die Erfüllung einer staatlichen Aufgabe allgemeiner Art handelt, die mit der Erhaltung und Förderung des Getreidebaues in unserem Lande in keiner notwendigen Beziehung steht und deren Lösung schon seit langer Zeit, als eine Sicherung der Getreideversorgung im heutigen Sinn noch unbekannt war, auf Eechnung des Staates betrieben worden ist. Die Mahlprämie dagegen dient dieser Getreide vers orgung und bildet einen Bestandteil des in den Kriegsjahren neu eingeführten Systems. Daraus ergibt sich der Schluss, dass die von ihr verursachten Kosten in gleicher Weise zu decken sind wie die übrigen ihm entspringenden Ausgaben, insbesondere diejenigen des Überpreises für

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das lulandsgetreide. Wenn der Bundesrat schliesslich der Einführung des heute geltenden Zustandes zugestimmt hat, der gegenüber der von ihm als richtig erachteten Begelung dem Bund eine Mehrausgabe von jährlich 2 Millionen bringt, so geschah es, weil er auf jeden Fall eine Erhöhung des Brotpreises vermeiden wollte. Im Augenblick nämlich, in dem die Entscheidung über das einzuschlagende Verfahren fallen sollte, zeigten die Getreidepreise auf dem Weltmarkt eine Neigung zum Steigen, und die Gefahr lag nahe, dass eine Belastung der Getreideverwaltung mit den oben genannten 2 Millionen den Abgabepreis des Getreides an die -Mühlen stark genug hätte beeinflussen können, um eine Steigerung des Brotpreises herbeizuführen.

Heute besteht diese Gefahr nicht. Die Verhältnisse sind so, dass die Übernahme der Mahlprämie für das Jahr 1928 durch die Getreideverwaltung keinff derartige Folge haben wird. Damit ist der entscheidende Grund, der für die geltende Ordnung sprach, dahingefallen. Ihre Änderung empfiehlt sich, bringt sie doch dem Bund eine fühlbare Entlastung, die um so willkommener und notwendiger ist, je mehr die Anforderungen wachsen, die von allen Seiten an ihn gestellt werden.

Die Ausführung müsste eigentlich so geschehen, dass für das Jahr vom 1. Juli 1928 bis 30. Juni 1929 die Mahlprämie von der Getreideverwaltung, die Kosten der Lagerhaltung dagegen von der Bundeskasse bezahlt werden.

Das hätte eine wesentliche Abänderung sowohl des bestehenden Bundes beschlusses vom 7. Juni 1927 zur Folge als der Kechnungsführung über die Getreide Versorgung. Der Bundesrat schlägt daher vor, der Bundeskasse die Hälfte der Mahlprämie für zwei Ernten, diejenigen von 1927 und 1928, zu überbinden, die andere Hälfte aber auf die Getreideverwaltung zu überwälzen, die überdies wie bis dahin die Kosten der Vorratshaltung zu tragen hätte. Das finanzielle Ergebnis ist das nämliche, wie wenn für die zwei letzten Jahre der Bund die Lagerhaltung, die Getreideverwaltung dagegen die ganze Mahlprämie bezahlen würde.

Für die Zukunft, die ja noch andere Neuerungen gegenüber heute bringen soll, wird der Bundesrat dann diese zuletztgenannte Lösung vorschlagen.

6.

Zur Durchführung der von ihm vorgeschlagenen Massnahmen beantragt der Bundesrat den Erlass eines Bundesbeschlusses, der denjenigen vom 7. Juni 1927 abändert. In Betracht fallen die Artikel 10, 12 und 15.

Artikel 15 ordnet die Dauer des genannten Bundesbeschlusses; er lautet: «Dieser Beschluss gilt in seiner Gesamtheit bis zum 30. Juni 1928.

Die Artikel 2 bis 8 und die dazugehörigen Vollziehungsbestimmungen bleiben bis 30. Juni 1929 in Kraft. Vorbehalten bleibt überdies die Ausrichtung der Mahlprämie für die Ernte 1928, auch soweit die hierfür notwendigen Massregeln nach dem 30. Juni 1929 vorgenommen werden müssten.»

103 Dieser Artikel ist aufzuheben und durch einen neuen Artikel 15, mit folgendem Wortlaut zu ersetzen: «Dieser Beschluss gilt bis zum 30. Juni 1929.

Vorbehalten bleibt die Ausrichtung der Mahlprämie für die Ernte 1928, auch soweit die hierfür notwendigen Massregeln nach dem 30. Juni 1929 vorgenommen werden müs&ten.» Die Änderungen in bezug auf die Mahlprämie berühren die Artikel 10 und 12.

Artikel 10, der bisher von der Mahlprämie nicht sprach, soll in Zukunft lauten : «Die Verkaufspreise werden vom Bundesrat bestimmt. Sie sind so niedrig als möglich, jedoch so festzusetzen, dass der Ankaufspreis des in- und ausländischen Getreides, die Kosten der Vorratshaltung, die halbe Mahlprämie, die Verzinsung des Betriebskapitals und die Verwaltungskosten gedeckt werden. Der Bundeskasse soll aus dem Getreidegeschäft weder ein Gewinn erwachsen noch ein Verlust entstehen.» Artikel 12, der lautete: «Die Kosten der Mahlprämie sind von der Bundeskasse zu übernehmen. Der erforderliche Betrag ist in den Voranschlag der Eidgenossenschaft einzusetzen.» soll ersetzt werden durch einen Art. 12 folgenden Wortlauts: «Artikel 12. Die Kosten der Mahlprämie für die Ernten der Jahre 1927 und 1928 werden zur Hälfte von der Bundeskasse bezahlt. Der erforderliche Betrag ist, soweit das nicht schon geschehen ist, in den Voranschlag der Eidgenossenschaft einzusetzen.» Man kann sich fragen, ob der jetzt zu fassende Bundesbeschluss auch noch ausdrücklich als dringlich zu erklären sei, da er doch nur drei Artikel eines Bundesbeschlusses ersetzt, der seinerseits schon mit der DringlichkeitsklauseL ausgestattet ist; durch die Einschiebung in den bereits bestehenden Bundesbeschluss erhalten die neu gefassten Artikel ohne weiteres den gleichen Charakter wie der ganze Erlass, dessen Teil er nun wird.

Immerhin glaubt der Bundesrat, es sei der Klarheit wegen besser, dem neuen Bundesbeschluss einen besondem Artikel beizufügen, der sowohl die Dringlichkeitserklärung als die Vorschrift des sofortigen Inkrafttretens enthält.

Wir empfehlen Ihnen den beigedruckten Be^chlussesentwurf zur Annahme.

Bern, den 31. Januar 1928.

Irn Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Schulthess.

Der Vizekanzler: Leimgrub er.

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(Entwurf.)

Bundesfoeschluss über die

Ergänzung des Bundesbeschlusses vom 7. Juni 1927 betreffend die vorläufige Ordnung der Getreideversorgung.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 81. Januar 1928, beschliesst :

Art. 1.

Die Artikel 10, 12 und 15 des Bundesbeschlusses vom 7. Juni 1927 beireffend die vorläufige Ordnung der Getreideversorgung werden aufgehoben.

Art. 2.

Artikel 10 wird ersetzt durch einen neuen Artikel 10 folgenden Wortlauts : «Artikel 10. Die Verkaufspreise werden vom Bundesrat bestimmt. Sie sind so niedrig als möglich, jedoch so festzusetzen, dass der Ankaufspreis des in- und ausländischen Getreides, die Kosten der Vorratshaltung, die Hälfte der Mahlprämie, die Verzinsung des Betriebskapitals und die Verwaltungskosten gedeckt werden. Der Bundeskasse soll aus dem Getreidegeschäft weder ein Gewinn erwachsen noch ein Verlust entstehen.» Art. 3.

Artikel 12 wird ersetzt durch einen neuen Artikel 12 folgenden Wortlauts : «Artikel 12. Die Kosten der Mahlprämie für die Ernten der Jahre 1927 und 1928 werden zur Hälfte von der Bundeskasse bezahlt. Der erforderliche Betrag ist, soweit das nicht schon geschehen ist, in den Voranschlag der Eidgenossenschaft einzusetzen.» Art. 4.

Artikel 15 wird ersetzt durch einen neuen Artikel 15 folgenden Wortlauts : «Artikel 15. Dieser Beschluss gilt bis zum 30. Juni 1929.

Vorbehalten bleibt die Ausrichtung der Mahlprämie für die Ernte 1928, auch soweit die hierfür notwendigen Massregeln nach dem 30. Juni 1929 vorgenommen werden müssten.» Art. 5.

Dieser Beschluss wird dringlich erklärt und tritt sofort in Kraft.

~SS~

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend die Verlängerung der vorläufigen Ordnung der Getreideversorgung. (Vom 31. Januar 1928.)

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