615

# S T #

Schweizerische Bundesversammlung.

Die gesetzgebenden Räte sind am 18. September 1916, nachmittags 5 Uhr, zur. Fortsetzung der ordentlichen Sommersession zusammengetreten.

Neues Mitglied: Im Nationalrat: Herr Eduard H ä f l i g e r , Gerichtsschreiber, in Willisau (Luzern).

Im Nationalrat hielt Herr Präsident Eugster bei der Eröffnung der Session folgende Ansprache : Meine Herren Nationalräte !

In die Reihen der Mitglieder unseres obersten Gerichtshofes hat seit unserer letzten Tagung der Tod eine schmerzliche Lücke gerissen: am 4. September ist Herr Bundesrichter Dr. F e l i x C l au s en nach kurzer Krankheit in Brig gestorben. Bis in sein hohes Alter von 82'/a Jahren ist der Verblichene im Besitze grösster geistiger Rüstigkeit geblieben.

Ein arbeitsreiches Leben hat seinen Abschluss gefunden.

Volle 26 Jahre war Herr Clausen Mitglied der gesetzgebenden Behörde seines Heimatkantons Wallis; eine Reihe von Jahren war er Mitglied des Ständerates, und seit 1891 war er ununterbrochen Bundesrichter. Als Vertreter der römisch-katholischen Richtung ist Dr. Clausen jederzeit seiner streng religiösen Lebensauffassung treu geblieben. Er hat seinen Rechtsstandpunkt stets mit Mut und Überzeugung, aber auch massvoll und mit feinem Takt vertreten, so dass er sich die volle Achtung seiner Kollegen des Gerichts wie auch seiner Mitbürger gewann.

Diesen Sommer konnte Herr Clausen sein 25jähriges Jubiläum als Bundesrichter feiern ; das Bundesgericht widmete ihm bei diesem Anlass eine Urkunde, in der es dem Gefeierten seine vollste Anerkennung für seine Amtstätigkeit ausdrückte.

Auf dem Gebiete der werktätigen Nächstenliebe hat der Dahingeschiedene ebenfalls Grosses geleistet; sein Andenken wird im Segen bleiben.

616 Meine Herren Nationalräte, ich fordere Sie auf, zu Ehren des Andenkens des Verstorbenen sich von Ihren Sitzen zu erheben.

Meine Herren Nationalräte!

Meinen Willkommgruss zur Herbsttagung entbiete ich Ihnen mit sorgerfülltem Herzen. Die Schrecken des Krieges nehmen kein Ende, keiner der Gegner lässt in seinen Anstrengungen nach, neue Kriegserklärungen sind erfolgt, die ein bisher neutrales Land in die Wirrsale des Völkerkampfes hineingerissen haben.

Bei allem Heldenmut, den die kriegführenden Nationen beweisen, bei allem Siegeswillen, der die tapfern Armeen erfüllt, bei aller Opferfreudigkeit, die an und hinter der Kriegsfront sich täglich zeigt, geht doch durch alle Völker eine Sehnsucht nach Frieden.

Es kann ja nicht anders sein: die Menschennatur, ich möchte sagen die Völkernatur, kann nicht ewig im Zeichen des Hasses leben, nicht ewig auf Vernichtung derer sinnen, die im tiefsten Grunde auf derselben Kultur ihres Staates Dasein und Entwicklung aufgebaut haben. Ich bin überzeugt, dass ohne Ausnahme in allen Völkern Europas, seien sie neutral oder in das fürchterliche Ringen verwickelt, der Friede als eine wahre Erlösung mit jauchzender Seele begrüsst würde. Wer tut den ersten Schritt?

Das ist die bange Frage. Wann wird die glückliche Stunde schlagen, welche die Antwort auf diese Frage verkündet? Wann wird die ersehnte Zeit kommen, wo der Neutrale seine Dienste zur Anbahnung des Friedens anbieten darf? Wir hoffen und harren.

Niemand wird verkennen, dass alle Völker, die im blutigen Kriege stehen und seit zwei Jahren die schwersten Opfer an Gut und Leben gebracht haben, ein wunderbares Bild der Geschlossenheit und Einigkeit darstellen, das auf uns einen mächtigen Eindruck machen muss. Dem nationalen Zwecke werden alle Sonderinteressen untergeordnet; nur der eine Wunsch erfüllt alle, dass das Vaterland gerettet und erhalten werde.

Und wie steht unser Schweizer Vaterland dieser Geschlossenheit der kriegführenden Nachbarvölker gegenüber da? Wer bei uns in den zwei Kriegsjahren das Gleichgewicht der Seele und das Ebenmass des Urteils nicht gänzlich verloren hat, wer sich bei all seinen persönlichen Sympathien den Blick nicht hat trüben lassen und vor allem gerecht zu sein sich bemüht, gerecht gegen jedermann, wer seine höchste Aufgabe als Schweizer darin erkennt, der Eidgenossenschaft Unabhängigkeit und Neutralität zu

617 wahren und unser Land unversehrt und in seinen Rechten ungeschmälert durch die Wirrnisse der Zeit hindurchzuführen, wer solche Gesinnung hegt, den schmerzt es tief, im Innern unseres Landes soviel Uneinigkeit, soviel Leidenschaft und soviel unbesonnenes Handeln und Reden erleben zu müssen.

Wollen wir denn gar nichts aus diesem Kriege lernen? Statt uns dankbar, einig und entschlossen zu scharen um unsere Landesregierung, deren Tatkraft und Energie, deren hingebender Tätigkeit und weitsichtigem Blick wir nächst Gottes Hülfe es verdanken, bis heute durch die Fährnisse des Krieges hindurchgekornmen zu sein, viel übelwollende Kritik, sogar Beschimpfung und Verleumdung. Die schweizerische Armee, die starke Hüterin des Landes, die tiefgefühlten Dank verdient, erfährt systematische Bekämpfung, und ihr Ansehen wird zu untergraben gesucht.

Wo sind Ruhe und Besonnenheit im Urteilen und Handeln geblieben? Fühlen wir denn nicht, dass durch Zank und Streit die Grundfesten unseres Staates ins Wanken geraten müssen?

Und wenn es solche Schweizer gibt, deren Zweck es ist, an den Grundlagen der Eidgenossenschaft zu rütteln, dann ist es die ·erhabene Pflicht aller, denen das Vaterland noch teuer und heilig ist, wie ein Mann einig und stark zusammenzuhalten. Was sind alle Meinungsverschiedenheiten gegenüber dem einen, was not tut, dass die Schweiz ehrenvoll aus der schweren Zeit hervorgehe.

Nie würden wir als Vertreter des Volkes würdiger unser Mandat erfüllen, nie dürften wir der freudigen Zustimmung des weitaus grössten Teiles des Volkes gewisser sein, als wenn aus diesem Saale heraus statt des Geistes der Nörgelei der Geist besonnener Überlegung und objektiver Beurteilung der Verhältnisse siegreich durchdringen würde.

Es wird einmal, das ist gewiss, der Tag kommen, da jeder mit klarem Auge und mit unbefangenem Blick die gegenwärtige Zeit überschauen wird. Sorgen wir heute dafür, dass dieser Rückblick nicht Reue und Beschämung, sondern das Bewusstsein auslöse, mit unserem Tun und Handeln nichts anderes gewollt und erstrebt zu haben, als des Vaterlandes Nutzen, Wohl und Ehre !

Im Ständerat wurde die Session durch Herrn Präsidenten Python mit folgenden Worten eröffnet: Seit unserer letzten Tagung hat das Bundesgericht in der Person seines am 4. September abbin zu Brig verstorbenen ältesten Bundesblatt. 68. Jahrg. Bd. m.

47

618 Mitgliedes, Herrn Dr. Felix Clausen, einen grossen Verlust erlitten.

Herr Clausen wurde am 30. März 1834 geboren zu Mühlebach, einem kleinen Dorfe des Oberwallis und Geburtsort eines berühmten Schweizers, des Kardinals Mathäus Schinner.

Nach Absolvierung des Gymnasiums in Brig und Vollendung seiner Rechtsstudien an den Hochschulen zu Wien und München eröffnete der junge Jurist ein bald vorteilhaft bekanntes und von zahlreicher Kundschaft besuchtes Anwaltsbureau. Herr Clausen trat frühzeitig in die politische Arena. Seine Mitbürger übertrugen ihm ' das Mandat eines Mitgliedes im Grossen Rate, welchen er unter zwei Malen präsidierte und wo er eine hervorragende Rolle spielte. In Würdigung seiner Verdienste betraute ihn der Walliser Grosse Rat mit der Vertretung seines Heimatkantons im Ständerate, wo er sich, seiner Gesinnung getreu, der Rechten anschloss.

Im Jahre 1891 wurde er zum Mitglied des Bundesgerichtes gewählt, dem er schon vorher jahrelang als Suppléant angehört hatte. Im Schosse der eidgenössischen Gerichtsbehörde war er Mitglied der staatsrechtlichen Abteilung, welche er trotz seines vorgerückten Alters in den Jahren 1911 und 1912 mit Auszeichnung präsidierte.

Als man vor drei Jahren seinen 80. Geburtstag feierte, war er Gegenstand zahlreicher Sympathiekundgebungen ; insbesondere wurde ihm der Titel eines Doktors ,,honoris causaa zuteil, welchen die Hochschule von Freiburg ihm in Anerkennung seiner Verdienste verlieh. Noch kürzlich, am 18. Juni, anlässlich des25jährigen Jubiläums seines Eintrittes in den hohen eidgenössischen Gerichtshof, sah der verehrte Jubilar die Kundgebungen der Hochachtung seiner Mitbürger sich erneuern.

Herr Dr. Felix Clausen hinterlässt das Andenken eines Mustermagistraten. In den verschiedenen, von ihm bekleideten Ämtern, so namentlich im Bundesgericht, hat er von seinen Haupteigenschaften, Unabhängigkeit und Charakterfestigkeit, Herzensgüte und Pflichtgefühl, Zeugnis abgelegt. Seine Rechtschaffenheit war unumschränkt und seine Ehrenhaftigkeit eine vollkommene.

Sein ausgesuchtes Benehmen, welches allen, die mit ihm in nähereBerührung traten, angenehm auffiel, war nur der Ausdruck seiner angebornen Güte. Er liebte die Arbeit und ergab sich ihr mit Freude, auch dann noch, als er an der Grenze seines langen, und wohl ausgefüllten Lebens stand.

619

So konnte der Präsident des Bundesgerichtes in seinem Nachruf an den Verstorbenen sagen: ,,Jeder mit Herrn Clausen in Verbindung Tretende musste ihn achten, und wer ihn näher kannte, konnte ihm seine Zuneigung nicht versagen.a Herr Clausen hat die ihm während seiner ganzen Laufbahn als Richtschnur dienenden Eigenschaften aus seiner religiösen Überzeugung geschöpft. Er war eine sehr fromme, einem Mystizismus bester Art ergebene Seele. Seinem teuren Wallis stets ergeben, liebte er seine schweizerische Heimat von ganzem Herzen und bedauerte alles, was in letzter Zeit die Eidgenossen zu trennen Anlass geben konnte.

Ich ersuche Sie, meine Herren, zur Ehrung des Andenkens an den verehrten Magistraten und um seiner Familie unsere Sympathie zu bezeugen, sich von den Sitzen erheben zu wollen.

# S T #

Aus den Verhandlungen des Bundesrates.

(Vom 13. September 1916.)

Verzeichnis der Teilnehmer an der Vertrauensmännerversammlung zur Besprechung eines Finanzprogramms (s. Seite 579 hiervor) : Albisser, J., Grossrat, Luzern ; Billeter, R., Nationalrat, Stadtpräsident, Zürich; Blumer, E., Nationalrat, Landammann, Schwanden (Glarus) ; Cailler, A., Nationalrat, Fabrikant, Broc ; Châtelain, Direktor der Neuenburger Kantonalbank, Neuenburg; Chuard, E., Nationalrat, Regierungsrat, Lausanne; Clottu, Regierungsrat, Neuenburg; Düring, J., Ständerat, Regierungsrat und Präsident der ständerätlichen Finanzkommission, Luzern; Fazy, H., Nationalrat, Regierungspräsident, Genf; Frey, Dr. A., Nationalrat, Vizepräsident des schweizerischen Handels- und Industrievereins, Zürich ; Frey, Dr. Julius, Präsident des Verwaltungsrates der schweizerischen Kreditanstalt, Zürich; Garbani-Nerini, E., Nationalrat, Grossrat, Lugano; Gaudard, E., Nationalrat, Fürsprecher, Vevey ; Georg, Dr. A., Präsident der Genfer Handelskammer, Genf; Hauser, Dr. F., Grossrat, Basel; Hofmann, Dr. E., Nationalrat, Regierungsrat, Frauenfeld ; Jöhr, Dr. A., Mitglied des Direktoriums der schweizerischen Nationalbank, Zürich; Landmann, Prof. Dr., Universitätsprofessor, Basel ; Laur, Prof. Dr. E.,

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Schweizerische Bundesversammlung.

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1916

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

39

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

27.09.1916

Date Data Seite

615-619

Page Pagina Ref. No

10 026 157

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.