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Bundesblatt

95. Jahrgang.

Bern, den 22. Juli 1948.

Band I.

Erseheint in der Regel alle 14, Tage. Preis 20 Franken im Jahr, M franken im Halbjahr, zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebühr.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über eine Revision der Strafbestimmungen in den Arbeiterschutzgesezen des Bundes.

(Vom 9. Juli 1948.)

Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen den Entwurf eines Bundesgesetzes über eine Eevision der Strafbestimmungen in den Arbeiterschutzgesetzen des Bundes zu unterbreiten.

I.

Während verschiedene Arbeiterschutzgesetze, wie die Bundesgesetze vom 18. Juni 1914/27. Juni 1919 betreffend die Arbeit in den Fabriken, vom 31. März 1922 über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben und vom 26. September 1981 über die wöchentliche Buhezeit, besondere Bestimmungen über die Strafverfolgungs- und Strafvollstreckungsver jährung auf weisen, enthalten das Bundesgesetz vom 2. November 1898/1. Juli 1905 betreffend die Fabrikation und den "Vertrieb von Zündhölzchen, die Bundesgesetze vom 24. Juni 1938 über das Mindestalter der Arbeitnehmer und vom 12. Dezember 1940 über die Heimarbeit keine derartigen Vorschriften. Infolgedessen waren für die letztgenannten Bundesgesetze hinsichtlich der Verjährung die allgemeinen Bestimmungen des Bundesstrafrechtes von 1853 massgebend. Danach trat bei Widerhandlung gegen diese Gesetze die Strafverfolgungs verjährung nach drei Jahren seit Begehung und die Vollstreckungsverjährung nach fünf Jahren ein (vgl. Art. 34 und 85 des Bundesstrafrechtes A. S. a. F. 3 414/415).

Mit Inkrafttreten des neuen schweizerischen Strafgesetzbuches am 1. Januar 1942 änderte diese Eechtslage. Art, 888, Abs. l, liess zwar weiterhin die besonderen Verjährungsbestimmungen der Nebenstrafgesetzgebung des Bundes in Kraft; wo solche besonderen Vorschriften jedoch fehlen, wie dies in den oben Bundesblatt.

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angeführten Gesetzen der Fall ist, richtet sich die Verjährung nunmehr nach dem neuen Strafgesetzbuch. Da unter Berücksichtigung von Art. 838, Abs. 2, des schweizerischen Strafgesetzbuches bei Widerhandlungen gegen das Zündhölzchengesetz, das Mindestaltergesetz und das Heimarbeitsgesetz die allgemeinen Bestimmungen über die Übertretungen Anwendung finden, gilt bei Widerhandlungen gegen diese Gesetze hinsichtlich der Verjährung der Art. 109 des Strafgesetzbuches. Danach verjährt eine Übertretung schon in sechs Monaten, die Strafe einer Übertretung in einem Jahr. Gegenüber dem bisherigen Eechtszustand bedeutet dies eine ganz erhebliche Verkürzung der Verjährungsfristen.

In der Praxis hat es sich nun gezeigt, dass insbesondere eine Verjährungsfrist, von sechs Monaten für die Strafverfolgung zu kurz bemessen ist. Es ist in der Tat keine Seltenheit, dass Widerhandlungen gegen die Arbeiterschutzgesetzgebung erst nach mehr als einem halben Jahr zur Kenntnis der zuständigen Behörden gelangen. Diese Verhältnisse hängen im wesentlichen mit zwei besonderen Umständen zusammen. Erstens ist es den Aufsichtsorganen des Bundes und der Kantone über die Arbeiterschutzgesetzgebung bei der ständig wachsenden Aufgabenlast und dem gegenwärtigen Personalbestand nicht möglich, die in Frage kommenden Betriebe in weniger als halbjährlichen Zeitspannen regelmässig zu inspizieren/Zum zweiten stösst die Kontrolle selbst auf Schwierigkeiten, die aus dem beteiligten Personenkreis herrühren. Immer wieder müssen die Kontrollorgane feststellen, dass die von einer Widerhandlung betroffenen Arbeitnehmer von einer Vorzeigung der Widerhandlung ihres Arbeitgebers absehen aus Furcht, sich damit Unannehmlichkeiten auszusetzen.

Diese Verhältnisse sind unter der Herrschaft des neuen Strafgesetzbuches geeignet, der Straflösigkeit von Widerhandlungen gegen die in Frage stehenden Arbeiterschutzgesetze Vorschub zu leisten, Dass der Gesetzgeber des Strafgesetzbuches derartige Konsequenzen nicht beabsichtigte, dürfte keinem Zweifel unterliegen. Aus diesen Gründen halten wir die Aufnahme besonderer, gegenüber Art. 109 des Strafgesetzbuches verlängerter Straf Verjährungsfristen in das Zündhölzchengesetz, das Mindestaltergesetz sowie das Heimarbeitsgesetz für angezeigt.

Was nun die Dauer der neuen Verjährungsfristen betrifft, so liegt es aus
Gründen der Übersichtlichkeit und damit der Eechtssicherheit nahe, die schon im Fabrikgesetz, im Gesetz über die Beschäftigung von jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben und im Euhezeitgesetz getroffene Eegelung auch auf die übrigen Gebiete des bundesrechtlichen Arbeiterschutzes auszudehnen. Damit findet in der Arbeiterschutzgesetzgebung des Bundes einheitlich eine Verfolgungsverjährung von einem Jahr und eine Vollstreckungsverjährung von fünf Jahren Anwendung, II.

Es schien uns angezeigt, die notwendige Anpassung der Verjährungsbestimmungen an das schweizerische Strafgesetzbuch zu verbinden mit einer

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Bevision der Strafbestiminungen der Bundesgesetze vom 26. September 1931 über die wöchentliche Buhezeit und vom 24. Juni 1988 über das Mindestalter der Arbeitnehmer, um damit eine hier schon seit langem bestehende Gesetzeslücke zu schhessen. Diese Lücke besteht in folgendem: Art. 23, Abs. l, des Euhezeitgesetzes und Art. 10, Abs. l, des Mindestaltergesetzes selbst stellen lediglich Widerhandlungen gegen die Gesetzesbestimmungen unter Strafandrohung. Das führt dazu, dass Widerhandlungen gegen die entsprechenden Vollziehungsvorschriften und die von den zuständigen Amtsstellen erlassenen Anordnungen nicht unter Strafe gestellt sind. Das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement hat seinerzeit in einem Kreisschreiben vom 18. Juni 1934 an die Kantonsregierungen bezüglich des Bundesgesetzes über die wöchentliche Euhezeit freilich den Standpunkt vertreten, die Strafandrohungen von Art. 23 dieses Gesetzes fänden auch Anwendung auf Widerhandlungen gegen die Vollziehungsverordnung und sonstige Anordnungen (vgl. Bundesblatt 1934 2 714 Ziffer 4). Allein einer rechtlichen Prüfung hält diese Auffassung nicht Stand.

Sie würde gegen den nunmehr auch in das schweizerische Strafgesetzbuch ausdrücklich aufgenommenen Grundsatz, keine Strafe ohne Gesetz, verstossen (Art. l Strafgesetzbuch). Will man heute die Vollziehungsvorschriften der beiden genannten Bundesgesetze nicht ohne strafrechtlichen Schutz belassen, so bleibt keine andere Möglichkeit, als m jedem einzelnen Falle unter Hinweis auf Art. 292 des schweizerischen Strafgesetzbuches bei Ungehorsam gegen Vollzugsmassnahmen Haft oder Busse anzudrohen. Dass dieser Weg in der Praxis nicht zu befriedigen vermag, bedarf wohl keiner weiteren Begründung.

Eine Eevision der beiden Gesetze im Sinne einer Ausdehnung der generellen Strafandrohung auch auf Widerhandlungen gegen Vollzugsbestimmungen entspricht daher einem dringenden Bedürfnis.

III.

In redaktioneller Beziehung war es zweckmassig, für die Eevision eine Form zu wählen, die erlaubt, die neuen Artikel in die bestehenden Gesetze einzugliedern.

Wir haben den Kantonen wie auch den Spitzen verbänden der Arbeitgeberund Arbeitnehmerschaft Gelegenheit zur Stellungnahme zu den aufgeworfenen Fragen gegeben und dabei zum überwiegenden Teil Zustimmung gefunden.

Immerhin wurden auch grundsätzliche Bedenken gegen eine Verlängerung der Verjährungsfristen geäussert. So wurde geltend gemacht, es widerspreche dem vom schweizerischen Strafgesetzbuch verfolgten Zweck nach Eechtsvereinheitlichung, wenn kurz nach dessen Inkrafttreten in einem Spezialgesetz die allgemeinen Verjährungsbestimmungen des Art. 109 für Übertretungen abgeändert würden. Zudem erfülle eine staatliche Intervention, die erst längere Zeit nach Begehung einer Übertretung erfolge, ihren Zweck nicht mehr. Dagegen weise gerade die kürzere Verjährungsfrist des Art. 109 den Vorteil auf, dass sie die staatlichen Aufsichtsbehörden zu raschem Handeln zwinge, sobald

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Die vorgesehene Revision gehört noch mit zu den verschiedenen legislatorischen Vorkehrungen, die das Zustandekommen des schweizerischen Strafgesetzbuches mit sich gebracht hat. Es wäre durchaus denkbar gewesen, sie seinerzeit irgendwie mit dem. Strafgesetzbuch direkt zu verbinden. Es sind rein äussere Gründe, die dazu führten, dass nun der Weg eines besonderen Gesetzes beschritten werden muss. Von diesen formalen Bemerkungen abgesehen, ist auch noch darauf hinzuweisen, dass, wenn man die sachliche Notwendigkeit einer Revision im vorstehend ausgeführten Sinne bejaht, diese Revision sobald als möglich erfolgen muss, um zu verhindern, dass eine zu lange Zeitspanne seit Inkrafttreten des Strafgesetzbuches vergeht und damit alle die geschilderten Nachteile der heutigen Regelung sich praktisch auswirken können.

Sollte jedoch sowohl die Zweckmässigkeit als auch die Dringlichkeit einer Revision im angestrebten Sinne verneint werden, so ist darauf hinzuweisen, dass dann ein Unterschied zwischen
den Verjährungsfristen des Zündhölzchengesetzes, des Mindestaltergesetzes sowie des Heimarbeitsgesetzes einerseits und denjenigen des Fabrikgesetzes, des Gesetzes über die Beschäftigung der jugendlichen und weiblichen Personen in den Gewerben sowie des wöchentlichen Ruhezeitgesetzes andererseits bestünde, der sachlich in keiner Weise gerechtfertigt wäre; es bliebe dann wohl nichts anderes übrig, als eine Revision der letztgenannten Gesetze im Sinne einer Anpassung an Art. 109 des Strafgesetz* bûches vorzunehmen.

Wir hatten zunächst die Absicht, die Gelegenheit einer Revision der oben erwähnten Strafbestimmungen zu benützen, um gleichzeitig eine Verschärfung und Anpassung der Strafen an die heutigen Verhältnisse und eine Vereinfachung

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und Vereinheitlichung der Straftatbestände nach Passung und Methode zu erreichen. Wenn uns eine nach dieser Eichtung hin gehende Kevision der Arbeiterschutzgesetze des Bundes auch heute noch wünschbar scheint, so hat sich doch aus der erwähnten Bundfrage bei den Kantonen und Spitzenverbänden -- die sich übrigens auf eine bedeutend weiter gefasste Vorlage bezog -- ergeben, dass zu einer befriedigenden Lösung in nächster Zeit kaum gelangt werden könnte. Immerhin möchten wir die spätere Ausdehnung der Bevision der Strafbestimmungen in der Arbeiterschutzgesetzgebung des Bundes auf weitere Punkte hiemit ausdrücklich vorbehalten.

Zu den einzelnen Artikeln des Gesetzesentwurfes haben wir keine Bemerkungen anzubringen.

* * * Wir empfehlen Ihnen den beiliegenden Gesetzesentwurf zur Annahme.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 9. Juli 1943.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Celio.

Der Bundeskanzler: 0. Boret.

574 (Entwurf.)

Bundesgesetz Über

eine Revision der Strafbestimmungen in den Arbeiterschutzgesetzen des Bundes.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 9. Juli 1943, beschliesst:

Art. 1.

Art. 9 des Bundesgesetzes vom 2. November 1898/1. Juli 1905 betreffend die Fabrikation und den Vertrieb von Zündhölzchen erhält folgenden neuen Absatz 3ws: Art. 9, Abs. 3*TM: Die Zuwiderhandlungen verjähren in einem Jahr nach der Begehung. Die rechtskräftig gewordenen Strafen verjähren in fünf Jahren.

Art. 2.

Art. 28, Abs. l, des Bundesgesetzes vom 26. September 1931 über die wöchentliche Euhezeit wird aufgehoben und ersetzt durch folgenden neuen Absatz : Art. 23, Abs. 1: * Mit Busse von zehn bis fünfhundert Franken wird bestraft : u. der Betriebsinhaber oder die für die Leitung des Betriebes verantwortliche Person bei Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen des Gesetzes oder die zu seinem Vollzuge erlassenen Vorschriften oder gegen die von den zuständigen Amtsstellen erlassenen Anordnungen; fe. der unter das Gesetz fallende Arbeitnehmer, der während der wöchentlichen Buhe- und Freizeit Berufsarbeit für Dritte ausführt.

Art. 3.

Art. 10, Abs. l und 3, des Bundesgesetzes vom 24. Juni 1938 über das Mindestalter der Arbeitnehmer werden aufgehoben und ersetzt durch folgende Bestimmungen :

575 Art. 10, Abs. l und 3: x Mit Busse von zehn bis fünfhundert Franken wird bestraft: der Betriebsinhaber oder die für die Leitung des Betriebes verantwortliche Person bei Zuwiderhandlungen gegen Bestimmungen des Gesetzes oder die zu seinem Vollzuge erlassenen Vorschriften oder gegen die von den zuständigen Amtsstellen erlassenen Anordnungen.

3 Die Zuwiderhandlungen verjähren in einem Jahr nach der Begehung.

Die rechtskräftig gewordenen Strafen verjähren in fünf Jahren.

Art. 4.

Art. 20, Abs. 3, des Bundesgesetzes vom 12. Dezember 1940 über die Heimarbeit wird aufgehoben und ersetzt durch folgenden neuen Absatz: Art, 20, Abs. 3: Die Zuwiderhandlungen verjähren in einem Jahr nach der Begehung. Die rechtskräftig gewordenen Strafen verjähren in fünf Jahren.

Art. 5.

Der Bundesrat setzt den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes fest, «oo

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes über eine Revision der Strafbestimmungen in den Arbeiterschutzgesetzen des Bundes.

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