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Bericht des

Bundesrates an den Nationalrat über die Frage der Immunität für Herrn Nationalrat Nicole.

(Vom 2. Dezember 1932.)

Herr Präsident ' Hochgeehrte Herren !

Von der Präsidentenkonferenz des Nationalrates ist dem Bundesrate der Wunsch ausgesprochen worden, er möchte auf Beginn der Dezerobersession einen Bericht vorlegen, worin er Stellung nimmt zu der Frage, ob auf den zurzeit in Strafuntersuchung stehenden Herrn Nationalrat Nicole der Artikel l des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1851 über die politischen und polizeilichen Garantien zugunsten der Eidgenossenschaft anzuwenden sei. Wir kommen im folgenden diesem Wunsche nach, der sich mit unserem eigenen Bedürfnis deckt, in einer bisher theoretisch und praktisch umstrittenen Auslegungsfrage auf Grund sorgfältiger Prüfung Abklärung zu schaffen.

Wir stellen fest, dass die Frage der Immunität erst in dem Zeitpunkte aufgerollt werden kann, wo das Parlament zusammentritt, bzw. in dem Zeitpunkte, wo der Deputierte die Reise zur Teilnahme an der Bundesversamm-lung antreten muss. Bis zudiesemm Zeitpunkte ist die Strafverfolgung in keiner Weise durch das Garantiegesetz gehemmt : die zu treffendenMassnahmeni werden gemäss den geltenden Grundsätzen über die Gewaltentrennung nach den für die Strafverfolgung aufgestellten Vorschriften, nach ihrem Zwecke, nach ihren Notwendigkeiten von der zuständigenStrafverfolgungsbehördee angeordnet. Ebenso selbstverständlich erschien es uns, dass Herr Nicole die Einladung zur Bundesversammlung erhalten musste, da im Zeitpunkte des Erlasses der Einladungsschreiben keineswegs feststand, ob am 5. Dezember der Teilnahme des Deputierten an der Session ein gesetzliches Hindernis im Wege stehen werde.

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Einigkeit herrscht darüber, dass, wenn die Strafverfolgung erst im Laufe der Parlamentssession eingeleitet wird, dies- nur mit ausdrücklicher Zustimmung desjenigen Rates geschehen kann, welchem das Mitglied angehört. Eine Ausnahme wird gemacht für den Fall, als der Deputierte bei Verübung eines Verbrechens auf frischer Tat betroffen wird. Dann ist nach Art. 2, AI. 2, die Verhaftung zulässig. Sie ist aber als vorsorgliche Massnahme gedacht, welche der nachträglichen Zustimmung der zuständigen Ratsbehörde bedarf.

Wie ist es, wenn im Zeitpunkte des Zusammentrittes der Bundesversammlung eine Strafverfolgung gegen einen Deputierten schwebt? Geben Art. l und 2 des Garantiegesetzes hierüber unzweideutig Auskunft ? -- Der Bundesrat vom Jahre 1919 hat bei Anlass des Strafprozesses gegen das Oltener Aktionskomitee in seiner an den Nationalrat gerichteten Botschaft vom 24. März 1919 (Bundesbl. I, S. 547 ff.) sieh mit der Textauslegung eingehend beschäftigt und festgestellt, dass der deutsche und italienische Text von AI. l des Art. l für den automatischen Eintritt der Immunität gegenüber einer schon schwebenden Strafuntersuchung sprechen, der französische Text eher dagegen. Er stellt aber auch fest, dass das AI. 4 von Art. l in allen drei Landessprachen und AI, l von Art. 2 zum mindesten im deutschen und wohl auch im französischen Text gegen die Einbeziehung der Immunitätsfrage in eine schon schwebende Untersuchung sprechen. Der Bundesrat hat damals erklärt, das Hauptgewicht auf den deutschen und italienischen Text von Art. l, AI. l, legen zu wollen und speziell mitRücksichtt auf den Zweck derImmunitätsbestimmungenn also die ipso jure Unterbrechung der bereits schwebenden Strafverfolgung anzunehmen. Er lugt ausdrücklich bei, dass auch die gegenteilige Auslegung möglich sei.

Wir sind bei erneuter Prüfung der drei Gesetzestexte zu einer abweichenden Auslegung gelangt. Es ist zuzugeben, dass der deutsche und italienische Text von Art. l, AI. 1. wonach die Rechtsverfolgung nur mit Zustimmung dos Parlamentes s t a t t f i n d e n -- aver luogo -- kann, die Auslegung ohne weiteres erlaubt, dass auch die F o r t s e t z u n g einer bereits begonnenen Rechtsverfolgung nur mit Zustimmung des Baien stattfindedürfee. "Er Kann aber ebensogut auch die Einleitung deRechtsverfolgungng im Auge haben, wie defran-anzösische
Text «ne pourra être dirigée» nahelegt. Diese Ausdrucksweise ist -- ohne absolut konkludent z u sein -- doch eher a u f d o n Beginn sonders, dass sowohl die deutsche als die französische und italienische Ausdrucks weiherübergenommenmen ist aus dem bundesratlichen Gesetzesentwurf (Bundesbl. 1851III, S. 236; F. féd. 1851III, S. 240), wo sie nur die Eröffnung und nicht die Fortsetzung dRechtsverfolgungung bedeuten konnte, weil in jenem Entwurfe die Immunität laut Art. l nur bewilligt werden wollte für die während der parlamentarischen Session begangenen Delikte! Es wurde dann offenbar in den Kommissionsberatungen geltend gemacht, dass bei solcher Beschränkung ein Kanton absichtlich mit der Einleitung des Strafverfahrens wegen eines wirklich oder angeblich früher begangenen Deliktes bis zParla-a 1 -

999 mentseröffnung warten und erst dann durch die hinausgeschobene Klageerhebung die Immunität sabotieren könnte. Dem ist mit Recht durch Fallenlassen des Satzes «welche während der Dauer der Versammlung der betreffenden Behörde begangen werden» (commis pendant la durée des sessions.,, ) ein Biegel gestossen worden in der endgültigen Fassung des Gesetzes. Wollte man aber damit noch weiter gehen und den Kantonen auch die F o r t s e t z u n g der f r ü h e r eingeleiteten Strafverfolgung untersagen? Dem widerspricht nun ausser dem bereits angerufenen französischen Texte der Abs. 4 von Art. l mit seiner Einleitung «wenn beschlossen wird, der Klage Folge zu geben» (s'il est décidé de donner suite à, la plainte; venendo ad essere deciso di dar corso all' istanza). Hier ist deutlich gesagt, dass es sich darum handelt, ob der Klage Folge gegeben werden solle oder nicht, und wenn dein etwa entgegengehalten werden wollte, es sei eben diese Ausdrucksweise versehentlich aus dem Entwurf des Bundesrates, Art. 4. herübergenommen worden trotz der in Art. l vorgenommenen Erweiterung, so kann eine solche Erklärung dann nicht gegeben werden für AI. l von Art. 2 des Gesetzes, wo das Parlament ausdrücklich wiederum bezeichnet wird als die Behörde, welche nach Art. l über Anhebung der Untersuchung entscheidet (accorde ou refuse la faculté de diriger les poursuites ; accorda o nega la facoltà di procedere). Diese namentlich im deutschen Texteganzi deutlicheBeschränkungg auf den Entscheid über Anhebung der Untersuchung kann deshalb nicht aus einem Versehen übernommen sein, weil diese ganze Bestimmung im Entwurfe des Bundesrates gar nicht existierte.

Wenn wir alle diese au± die Gesetzestexte sich gründenden Auslegungstaktoren zusammennehmen, so gelangen wir. auch wenn wir ebensowenig als der Bundesrat von 1919 apodiktisch sein wollen, doch zum Schluss, dass im Jahre 1851 nur Immunitätsbestimmungen für den Fall aufgestellt werden wollten, wo nach Beginn der Parlamentssession gegen ein Parlamentsmitglied eine Strafuntersuchung eingeleitet wird. Diese Anschauung wird auch von namhaften Rechtsgelehrten, wie Burckhardt und Fleiner, vertreten, ebenso in der Arbeit von Dr. Urs Schwarz über «Die parlamentarische Immunität der Mitglieder der schweizerischen Bundesversammlung», während Dr. Job. von Muralt in seiner Abhandlung
über «Die parlamentarische Immunität in Deutschland und der Schweiz» den gegenteiligen Standpunkt vertritt. Auch wir geben zu, dass dio Auffassung von 1919 vertretbar war.

Sobald man aber eine gewisse Unsicherheit in der Gesetzesauslegung zugeben muss, wird man, wie der Bundesrat von 1919, die Frage stellen nach der ratio legis, nach dem vernunftigen Z w e c k e der Immunitätsbestimmungen, um eine Wegleitung zu erhalten. Die Immunität bedeutet einen Einbruch der gesetzgebenden Gewalt in das Gebiet der richterlichen Gewalt, hervorgegangen aus der Überschneidung der beidseitigen Bedürfnisse. Die Justiz bedarf der Unabhängigkeit für die Erfüllung ihrer Aufgabe der Rechtsverfolgung; das Parlament, bedarf der Unabhängigkeit für die Erfüllung seiner Aufgabe der Rechtssetzung. Und wohl überall da, wo dein Parlamente bei den aus solcher

1000 Interessenkreuzung sich ergebenden Konflikten ein gewieser Vortritt vor der Justiz eingeräumt worden ist, verbirgt sich dahinter das Misstrauen woniger gegen die Rechtspflegeorgane als gegen die Exekutivbehörden mit deren wirklichem oder geargwohntem Einfluss auf die Strafverfolgungsorgane -- einem Einflüsse, der in gewissen organisatorischen Bestimmungen zum Ausdruck kommen kann. Vergessen wir nicht, dass dasGarantiegesetzz von 1851, wie schon sein vollständiger Titel andeutet, ein Schutzgesetz zugunsten der Eidgenossenschaft,alsoo gegen allfällige Übergriffe der K a n t o n o soin wollte. Es mit relativ geringem Aktionsradius geschaffen wurde; dieMilitärstrafrechts-pflege kam praktisch hier nicht in Betracht, da sie mit verschwindenden Ausnahmen nur dieMilitärpersonenn erfasste. Stellen wir deshalb gleich hier fest, dass in den sich erhebendenImmunitätsfragenn durchaus nicht etwa der Bundesrat als der Antipode des, eidgenossischen Parlamentes auftritt, mit dem ihn ja im Gegenteil gemeinsame eidgenossische Interessen verbinden. Da der gegen den Parlamentarier erhobeneStrafanspruchh nach der heute noch geltenden Kompetenzverteilung in den meisten Fällen ein kantonaler sein wird, kann der Bundesrat dann auch nur als Briefträger in Frage kommen, wenn er diese Bolle überhaupt etwa aus praktischen Gründen sich zuweisenlässt.. Aber auch dann, wenn ein eidgenössischer Strafanspruch auf dem Spiel steht, wie das.

nun zufällig in den paar zu Entscheiden führenden Fällen (Generalstreik, Platten) zutraf, sind es eigentlich dieUntersuchungs-,, Gerichts- und Strafvollzugsbehörden, welche mit ihren Ansprüchen dem Parlamentegegenüber-treten. Sie und nicht der Bundesrat bestimmen, ob sie den angeschuldigten Parlamentarier für irgendeinenRechtsverfolgungsaktt -- von der einfachen Vorladung bis zur tief einschneidenden Verhaftung -- für sich beanspruchen.

Ihren Anspruch vertritt der Bundesrat als negotiorumgestor..

Durfte und wollte nun das Misstrauen des Gesetzgebers gegenüber Justiz und Exekutive so weit gehen, dass es sich auch erstreckte auf die vor der Parlamentssession angebahnte Untersuchung oder Gerichtsverhandlung oder gar Urteilsvollstreckung? Wir sind der Meinung, dass dies nicht gerechtfertigt gewesen wäre und in der Ausführung zu unhaltbaren und bedauerlichen Missständen fuhren müsste. Die
Möglichkeit solcher Ungereimtheiten hat denn auch dazu geführt dass selbst in denjenigen Fallen, wo ein Entscheid über Immunität zweifellos gefallt werden muss, nämlich bei Klageeinleitungnach Zusammentritt der Bundesversammlung, sogar die schwerste Strafverfolgungsbehandlung, die Vorhaftung, ohne v o r a u s g e h e n d e parlamen-tarische Bewilligung stattfinden kann m dem Ausnahmetall der Ergreifung in flagranti. Hier soll es genügen, dass nachher die zuständige Kammer über die Fortdauer der Haft zu entscheiden habe. Wenn nun hier die Tatsache des Ergreifens auf frischer Tat die Misstrauensprasumtionen in den Hintergrund zu schieben vermag, so dürfte das wohl auch da gelten, wo die Verhaftung auf Grund eines ordentlichen Haftbefehls mit dessen gesetzlichen Voraussetzungen der Bundesversammlung um Wochen vorausging, wie in»

1001 Falle Nicole. Wir möchten nun aber hier dem parlamentarischen Unabhängigkeitsbedürfnis das gleiche Entgegenkommen beweisen, das der Gesetzgeber in Art. 2 den richterlichen Bedürfnissen gegenüber bewiesen hat. Wir wollen anerkennen, dass -- theoretisch gesprochen -- sowohl von Bundes- als kantonalen Strafverfolguugsorganen Missbrauch mit ihrer Gewalt in der Richtung getrieben werden k ö n n t e , dass auch durch eine kurz vor der Session eingeleitete Strafverfolgung mit ihren Wirkungen die Teilnahme des Parlamentariers an den Verhandhingen sabotiert werden könnte. Als Korrektiv ge&eii solchen theoretisch möglichen Missbrauch, genügt es nun aber sicherlich, die gleiche Kautol vorzusehen wie bei der Verhaftung auf frischer Tat, nämlich die Ermöglichung des Überprüt'ens und der Zustimmungsverweigerung sofort nach Eröffnung der Session b/w. in dem der Versammlung genehmen Zeitpunkte. Wir erklären uns bereit, in allen denjenigen fällen vorausgehender Verhaftung, wo der Parlamentarier ein Gesuch um Haftbefreiung gestellt hat, das von den zuständigen Justizbehörden abgelehnt wurde, der parlamentarischen Kammer einen Bericht mit unserm Autrag über Bewilligung oder Nichtbewilligung der Immunität zu unterbreiten, mit den Vorbehalten des Art. l, AI. S, und Art. 12, dos Garantiegesetzes. Damit stellen wir uns praktisch ungefähr auf den gleichen Boden wie die Nachbarstaaten Deutschland und Frankreich, wo eine bereits eingeleitete Strafverfolgung durch Beschluss des Parlamentes aufgehoben werden kann, also auch keine automatische Suspension eintritt. .Die automatische Suspension könnte übrigens namentlich dann zu sicherlich ungewollten Konsequenzen führen, wenn der unter Anklage gestellte Parlamentarier sie aus guten Gründen gar nicht wünscht. Wir müssen doch daran denken, dass es sich um die Verfolgung wegen gemeiner Vergehen handeln kann, dass jedenfalls die eigentlichen Vergehen gegen die Amtspflicht hier gar nicht in Frage stehen. In solchen Fällen könnte wohl auch nicht davon gesprochen werden, dass das Ansehen des Parlamentes einen Entscheid über die .Immunität erheische. -- Dass wir unsere Bereitschaft, allfälhge Begehren eines Angeschuldigten um Immunität dem Parlamente vorzulegen, auf die Mas^nahme dur Verhaftung und das Erscheinen zur Gerichtsverhandlung beschränken, entspricht wiederum dem
praktischen Bedürfnis. Es wäre doch wohl eine etwelche Übertreibung, zu behaupten, dass dem Eatsmitgliod mit Hinblick auf die Erfüllung seiner parlamentarischen Pflichten nicht zugemutet werden dürfe, wahrend der Session^dauer eine Vorladung entgegenzunehmen oder einem dringlichen Verhör beizuwohnen.

Wir ziehen die Konsequenzen unserer Untersuchungen und Erklärungen auf den Fall des Herrn Nicole. -- Das eidgenossische Justiz- und Polizeidepartement hat konform ungern oben dargelegten grundsätzlichen Anschauungen, als der eidgenössische Untersuchungsrichter ein Gesuch von M" Dicker um Haftentlassung seines Klienten Nicole für die Dauer der Bundesversammlung an den Bundesanwalt leitete, den Untersuchungsrichter anfragen lassen, ob der normale Gang der Ui itorsuchung die Freilassung gestatte. Es wurde dabei darauf hingewiesen, dass. wenn ohne Schädigung des Untersuchungszweckes

1002 die Untersuchungshandlungen zeitlich so gelegt werden könnten, dass bis zum Zusammentritt der Bundesversammlung die Gründe für Verhaftung des Parlamentsmitgliedes dahinfallen würden, die Vermeidung eines Interessenkonfliktes durch derartige Anordnungen wohl mit in der Aufgabe der Bundes,behörden liege. Eine Einmischung in die prozessualen Kompetenzen und Erwägungen des Untersuchungsrichters hat damit nicht stattgefunden. Der Untersuchungsrichter hat hierauf geantwortet, dass er seinerseits die Untersuchungshaft aufrechthalten niüsce und unmöglich vor Zusammentritt der Bundesversammlung die Zeugenverhöre abschliessen könne, welche notwendig seien, um die Eolle festzustellen, die der Angeschuldigte bei den Genfer Vorgängen gespielt habe. Er hebt hervor, eine vorzeitige Entlassung hätte zur Folge, dass Herr Nicole durch seine dann einsetzende Tätigkeit auf die Mentalität der noch nicht abgehörten Zeugen einen für die Tatbestandsfeststellung schädlichen Einfluss auszuüben vermöchte. Folgerichtig werde er ohne gegenteilige Weisung der Bundesbehörden Herrn Nicole zu seiner Verfügung behalten.

Diese Ausführungen des Untersuchungsrichters sind dem Bundesrat wegleitend für seine Anträgst ellung zum heutigen Berichte, Es besteht sicherlich Kolhisionsgefahr. solange nicht die zur Feststellung der Beteiligung Nicoles nötigen Verhöre der Zeugen und Angeschuldigten sowie allfällige weitere Erhebungen stattgefunden haben. Diese Gefahr wird nicht beseitigt durch die Erklärung, welche Herr Nicole durch seinen Verteidiger abgeben liess, dass er iin Falle der Freilassung während der Dauer der Bundesversammlung sich der Teilnahme au öffentlichen Volksversammlungen enthalten werde. Und wenn vielleicht kein Verdacht besteht, dass der Angeschuldigte die Flucht ins Ausland ergreifen werde, so besteht die Möglichkeit, sich der Justiz auch im Inland zu entziehen. Wir erinnern v. B. daran, dass der in Genf eingeleiteten Untersuchung sich bis auf den heutigen Tag die Anarchisten Tronchct und Lebet offenbar dadurch entzogen haben, dass sie von ihren Gesinnungsgenossen versteckt gehalten werden.

Und wenn in der öffentlichen Diskussion von der einen Seite geltend gemacht wird, die Freilassung Nicoles würde zur Beruhigung der politisch erhitzten Gemüter beitragen, so kann ebensogut das Gegenteil behauptet werden. Ganz
unbefriedigend würde es wohl politisch wirken, wenn Herr Nicole heute avif freien FUSS gestellt würde und nach wenigen Tagen sich herausstellen sollte, dass seine erneute Verhaftung aas Untersuchungsgründen doch dringend nötig sei. Ein solches Auf und Ab würde von keiner Seite verstanden. Das einzig Richtige ist deshalb, sich ohne Bücksicht auf wirkliche oder vermeintliche politische Erwägungen einfach an die Anforderungen der Rechtsverfolgung zu halten. Es versteht sich dabei von selbst, dass die Verhaftung sowohl als allfällige andere prozessuale Massnahmen nach allgemeinen Bechtsgrundsätzen nur solange aufrechterhalten werden, als eben der Zweck der Untersuchung dies erheischt.

1003 Wir beehren uns deshalb, dem Nationalrate den

Antrag zu unterbreiten: Es sei die für Herrn Nationalrat Léon Nicole nachgesuchte Immunität nicht zu bewilligen.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

Bern, den 2. Dezember 1932.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident : Motta.

Der Vizekanzler: Leimgruber.

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Bericht des Bundesrates an den Nationalrat über die Frage der Immunität für Herrn Nationalrat Nicole. (Vom 2. Dezember 1932.)

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