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Kreisschreiben des
Bundesrates an die Kantonsregierungen betreffend Ermässigung: des Hypothekarzinsfusses.
(Vom 12. März 1932.)
Getreue, liebe Eidgenossen!
Die Weltwirtschaftskrise, deren Dauer nicht abzusehen ist, sucht auch unser Land heim. Die Arbeitslosigkeit hat beunruhigenden Umfang angenommen, und manchenorts mussten die Löhne herabgesetzt werden. Seit langen Jahren schon leidet die Landwirtschaft unter gedrückten Preisen;: nicht genug damit, drohen sie noch weiter zu fallen.
Unter solchen Verhältnissen versteht man es, dass Mieter und Bauer einen billigen Ausgleich verlangen, der eine im Mietzins, der andere im Hypothekarzins. Ein tieferer Hypothekarzins wurde den Hausbesitzern erlauben,, die Mieten herabzusetzen, den Landwirten wäre er etwelcher Ersatz, für den geringer gewordenen Erlös ihrer Erzeugnisse.
Mit Befriedigung stellen wir fest, dass der Zinsfuss für neue Hypothekardarlehen seit etwa zwei Jahren um rund % zurückgegangen ist. Da aber die Banken ausser mit billigen Spargeldern auch mit dem Ertrag von langfristigen Anleihen und Kassenobligationen arbeiten, die noch nicht verfallen und in der Mehrzahl verhältnismässig teuer sind, so halten sie vielfach im Zinsabbau namentlich bei altern Darlehen zurück. Sie fürchten, der Abstand zwischen den Aktiv- und den Passivzinsen werde kleiner und schmälere den Beinertrag.
Es ist jedoch daran zu erinnern, dass die Banken eine Beihe guter Jahrehinter sich haben. Nicht nur konnten die Kantonalbanken bedeutende Beträge an die kantonalen Staatskassen und die Privatbanken schöne Dividenden an die Aktionäre abliefern, sondern es gelang ihnen gleichzeitig, auch dieBeserven beträchtlich zu äufnen. Diese in den guten Jahren angesammelten, bedeutenden Beserven sollten es nun ermöglichen, die jährlichen Bückstellungen zu vermindern.
Die gegenwärtigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten auferlegen uns diedringende Pflicht, die Zinsermässigung möglichst rasch auf alle Grundpfand-
609 darlehen, die alten sowohl als die neuen, auszudehnen. Vermindern die Kantonalbanken ihre Ablieferungen an die Staatskassen und ihre Einlagen in dieEeserven, und mutet sich der Aktionär in gewissen Fällen ein Opfer zu, so kann der Hypothekarzins zum Wohle aller ermässigt werden.
Zumal erwartet der Bundesrat, dass die Kantonalbanken, die auf dem Gebiete des schweizerischen Hypothekarwesens stets eine überaus nützlicheund führende Eolle innegehabt haben, allen andern Finanzinstituten mit gutem Beispiel vorangehen. Wohl mag dabei die Ablieferung an die Staatskasse vorübergehend etwas zurückgehen, und das zu einer Zeit, wo die öffentlichen Finanzen unter der Krise leiden. Die dringende Notwendigkeit, den Hypothekarzins zu ermässigen, verlangt jedoch unter den gegenwärtigen Umständen, dass diese Opfer gebracht werden. Übrigens soll der Hypothekarschuldner nicht den Eindruck haben, als ob der Kanton von ihm eine indirekteSteuer in Form eines überhöhten Hypothekarzinses eintreibe. Zu besteuern sind Vermögen und Erwerb und nicht etwa die Zinsen, welche die Schuldner den Kantonalbanken zu entrichten haben. Auch die Aktionäre der privaten Hypothekenbanken sollen zu dieser Erleichterung beitragen, wissen sie doch, dass, wenn die Dividende mässig ist, immerhin bestimmt auf sie gerechnet werden kann.
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Um seinerseits ein Beispiel zu geben und die erforderliche Opferwilligkeit zu ermutigen, hat der Bundesrat beschlossen, den Zinsfuss für die Hypothekardarlehen des Bundes von 4% % auf 4 % zu ermässigen.
Der Bundesrat ersucht daher die Kantonsregierungen höflich und eindringlich, sie möchten die erforderlichen Schritte bei den staatlichen und privaten Bodenkreditbanken und Sparkassen tun, um sie zu einem raschern Abbau der Hypothekarzinse zu veranlassen.
Indem wir Ihnen für Ihre Mitwirkung beim Zinsabbau zum voraus unsern Dank zum Ausdruck bringen, benutzen wir den Anlass, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samt uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.
Bern, den 12. März 1932.
Im Namen des Schweiz. Bundesrates,.
Der Bundespräsident: Motta.
Der Bundeskanzler:
Kaeslin.
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Kreisschreiben des Bundesrates an die Kantonsregierungen betreffend Ermässigung des Hypothekarzinsfusses. (Vom 12. März 1932.)
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Bundesblatt
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Jahr
1932
Année Anno Band
1
Volume Volume Heft
11
Cahier Numero Geschäftsnummer
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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum
16.03.1932
Date Data Seite
608-609
Page Pagina Ref. No
10 031 618
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