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Schweizerisches Bundesblatt.

36. Jahrgang. II.

Nr. 22.

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26. April 1884.

[Bericht des

Bundesrathes an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1883.

VII. Geschäftskreis des Justiz- und Polizeidepartements.

A. Justizverwaltung.

I. Allgemeine Verhältnisse und Geschäftsgegenstände.

1. Die im letztjährigen Geschäftsberichte (Bundesblatt 1883, II, 848} hervorgehobene fortwährende Zunahme der Geschäfte des Justiz- und Polizeidepartementes ist auch für das Berichtjahr 1883 zu verzeichnen. Gegenüber 1024 Geschäftsnummern des Jahres 1882 weist das Jahr 1883 deren 1116 auf; gegenüber 6737 einzelnen Geschäftsvorkehrungen des Vorjahres hat das Berichtjahr solche in der Zahl von 7636 veranlaßt.

2. Wir werden auch dieses Jahr der zahlreichen G u t a c h t e n u n d M i t b e r i c h t e , d i e d a s Departement a u f A n suchen anderer Departemente, beispielweise über beiläufig 30 vom Handels- und Landwirthschaftsdepartement ihm vorgelegte Fragen betreffend das Handelsregister, oder auf Einladung des Bundesrathes zu erstatten hatte,* nicht im Einzelnen ErwähnungÖ thun.

Es liegt uns nur daran, wiederholt zu konstatiren, daß der Geschäftskreis des Justiz- und Polizeidepartementes sich von Jahr zu Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. U.

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710 Jahr erweitert, weßhalb eine Reorganisation seiner Beamtungen auf der Grundlage des seit mehreren Jahren provisorisch bestehenden Zustandes als ein unabweisbares Bedürfniß der Verwaltung bezeichnet werden kann.

3. Das von den eidgenössischen Räthen am 30. Juni 1882 angenommene P o s t u l a t betreffend p e r i o d i s c h e Z u s a m m e n stellungen bundes r e c h t l i c h e r M a t e r i e n (PostulateSammlung Nr. 285) wird nach einer zwischen dem Bundesgerichte und dem Bundesrathe getroffenen Verständigung in Bezug auf seinen dritten Theil : ,, A n f e r t i g u n g e i n e s G e n e r alregiste r s zu den b u n d e s g e r i c h t l i c h e n Entscheidungen"1 bereits im Jahre 1884 seiner Vollziehung entgegen geführt werden.

Hr. Bundesrichter Dr. Hafner hat sich bereit erklärt, die Redaktion eines solchen Generalregisters, die bundesgerichtlichen Entscheide aus den Jahren 1875 bis und mit 1883 umfassend, zu übernehmen.

Das I. Heft dieses Werkes, dessen Inhalt dassachbezüglichee Gesetzregister bilden soll, wird voraussichtlich im Laufe des Jahres 1884 herausgegeben werden können, der Rest als II. Heft im Jahre 1885 folgen. Die Frage, ob und in welcher Weise eine französische und vielleicht auch italienische Uebersetzung zu veranstalten ist, wird bis zum Erscheinen des I. Heftes offen gelassen. Die der Eidgenossenschaft auffallenden Kosten der Publikation werden sich auf circa Fr. 4000 belaufen und sollen nach unserem Beschlüsse aus dem Spezialkredit des Justiz- und Polizeidepartementes für gesetzgeberische Arbeiten gedeckt werden.

Was die vom erwähnten Postulale geforderten Zusammenstellungen der in Kraft bestehenden Verträge mit ausländischen Staaten und der unter den Kantonen bestehenden Konkordate betrifft, sowie -nach Materien geordnete Zusammenstellungen (mit kurzer Inhaltsangabe) der die neue Bundesverfassung interpretirenden gedruckton Erlasse der Bundesversammlung und des Bundesrathes, so dürfte unser Justiz- und Polizeidepartement im Falle sein, im Jahre 1884 uns hierüber seine Anträge zu unterbreiten.

4. Anschließend mag hier der hauptsächlich auf das Gutachten des Justiz- und Polizeidepartementes gegründete Bundesrathsbeschluß vom 19. Januar 1883 erwähnt werden, durch welchen den HH. Advokat Gabuzzi in Bellinzona und Bundesgerichtssekretär Dr. Colombi in Lausanne als
Herausgebern der seit 1882 alle 14 Tage in Bellinzona erscheinenden Zeitschrift ,, R e p e r t o r i o di G i u r i s p r u d e n z a patria cantonale e federale" eine jährliehe Subvention aus der Bundeskasse von Fr. 1000 zuerkannt wurde gegen die Verpflichtung, diejenigen Er-

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lasse der Bundesbehörden in die italienische Sprache zu übersetzen und in ihrem Organe aufzunehmen, deren Publikation der Bundesrath jeweileu anordnen wird. Die eidgenössischen Räthe haben den hiefür erforderlichen Nachkredit pro 1883, sowie den bezüglichen Kreditposten pro 1884 genehmigt.

5. Im Geschäftsberichte für das Jahr 1880 (Bundesblatt 1881, II, 654) haben wir unter dem Titel ,,Konkordate" der Petition des S c h w e i z e r i s c h e n V e r e i n s f ü r S t r a f - und G e f ä n g n i ß w e s e n gedacht, durch welche dieser Verein das Gesuch an die Bundesbehörden richtete, sich gestützt auf Art. 23 der Bundesverfassung -- wenigstens prinzipiell -- für Erstellung eines s c h w e i z e r i s c h e n Z e l l e n g e f ä n g n i s s e s a u f Kosten der Eidgenossenschaft zur Aufnahme von lebenslänglichen und gefährlichen langjährigen Sträflingen auszusprechen. Wir hatten den petitionirenden Verein durch ablehnende Schlußnahme vom 11. Mai 1880 auf den Konkordatsweg verwiesen. Derselbe erneuerte aber ·sein Gesuch in den Jahren 1880 und 1881.

Mittelst eingehenden besondern Berichtes an die Bundesversammlung vom 5. Juni 1883 (Bundesblatt 1883, III, 72) beantragten wir, auf das Gesuch nicht einzutreten, jedoch nicht ohne den sehr verdienstlichen Bestrebungen des Vereins an sich volle Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.

In gleicher Weise hat die Bundesversammlung am 6.11. Juli 1883 die Petition durch eine motivirte Tagesordnung abgewiesen, in welcher betont wird, daß den Kantonen die Sorge für das Gefängnißwesen als Bestandteil der Strafrechtspflege und des Strafvollzuges zukomme und daß von keinem Kantone im Sinne der Petition ein Gesuch gestellt worden sei. Der ßundesbeschluß ist aufgenommen im Bundesblatt vom 21. Juli 1883, Seite 344.

II. Gesetzgebung.

1. Der vom Bundesrathe mit Botschaft vom 2. Juni 1882 (Bundesblatt 1882, III, l ff.) Ihnen vorgelegte Entwurf zu einem B u n d e s g e s e t z e ü b e r die politischen Rechte der 8 c h w e i z e r b il r g e r ist auch im letzten Jahre von den eidg.

Räthen nicht durchberathen worden, obgleich derselbe fortwährend auf deren Traktandenliste gesetzt war. Wir erblickten hierin eine verstärkte Aufforderung an uns, die Arbeiten für die Revision der Bundesgesetzgebung betreffend E i d g e n ö s s i s c h e W a h l e n und A b s t i m m u n g e n derart zu fördern, daß derselben die Priorität der Behandlung vor jenem Gesetzesentwurfe eingeräumt werden könne.

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Unser Justiz- und Polizeidepartement hatte seit dem Beginn des Jahres 1883 sich mit diesem Gegenstande beschäftigt. Nach eingehendem Studium des außerordentlich weitschichtigen Aktenmaterials, insbesondere der einschlagenden ausländischen und schweizerischen (kantonalen) Gesetzgebung, unterbreitete uns das Departement am 10. September seinen Entwurf.

Wir haben in mehrtägigen Berathungen, bei zweimaliger Lesung, unsererseits die Vorlage an die Bundesversammlung nebst ausführlicher Botschaft am 30. Oktober 1883 festgestellt (Bundesblatt 1883, IV, 193--240) und sofort der mit der Vorberathung dieses Traktandums betrauten nationalräthlichen Kommission zustellen lassen.

Auf unsere Veranlassung war, wie Sie wissen, von der Bundesversammlung in der Sommersession des verflossenen Jahres bereits über die Priorität der Behandlung Beschluß gefaßt und dieselbe dem Nationalrathe zugewiesen worden. Der Nationalrath seinerseits hatte sein Bureau ermächtigt, die vorberathende Kommission au ernennen, was durch Wahl vom 24. September und 13. Oktober geschehen ist.

Wie Ihnen bekannt, wurde dann aber in der Sitzung des Nationalrathes vom 26. November nach dem Antrage der betreffenden Kommission beschlossen, die Berathung der Vorlage auf die zweite Sessionsabtheilung (vom März 1884) zu verschieben. Der weitere Verfolg dieser Angelegenheit fällt deßhalb in das Jahr 1884.

2. Durch die Zustimmung des Nationalrathes zu der ständeräthlichen Fassung (vom 20. Dezember 1882) ist am 19. Dezember 1883 d a s Bundesgesetz b e t r e f f e n d d i e E r g ä n z u n g des B u n d e s s t r a f r e c h t e s vom 4. Februar 1853 zu Stünde gekommen. Danach soll sich die Befugniß des Bundesrathes, eine Strafklage wegen mangelnden Vertrauens in die Unabhängigkeit oder Unbefangenheit kantonaler Gerichte in Zeiten politischer Aufregung zur Untersuchung und Erledigung an das Bundesgericht zu überweisen, auf V e r b r e c h e n s f ä l l e beschränken. Die Mehrheit der nationalräthlichen Kommission hat jedoch die Bemerkung in's Protokoll des Rathes aufnehmen lassen, d a ß nach ihrer Ansicht d a s Wort i sondern in der Bedeutung zu nehmen sei, welche ihm nach den allgemeinen Grundsätzen des Strafrechts zukommt.

Das Bundesgesetz ist im Bundesblatt vom 12. Januar 1884 veröffentlicht; die Frist, für das Begehren der Volksabstimmung läuft am 11. April 1884 ab.

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3. Die Frage der F o r m u l i r u n g a l l g e m e i n e r G r u n d sätze zur P r ü f u n g der k a n t o n a l e n Hausirpatentg e s e t Ä e und zur Entscheidung darauf bezüglicher Rekursbeschwerden, die uns durch Bundesbeschluß vom 23. Juni 1882 (Bundesblatt 1882, III, 416) zur Untersuchung überwiesen wurde, bildet einen Bestandteil unseres Berichtes vom 9. November 1883 (Bundesblatt 1883, IV, 405). Wir erachten diesen Gegenstand für noch nicht hinlänglich abgeklärt und finden es deßhalb angemessen, denselben einer weitern Prüfung, unter Mitwirkung der kantonalen Behörden, zu unterstellen.

Dagegen stand nach unserer Auffassung der Erledigung der vom Ständerathe am 12. Juni 1882 erheblich erklärten Motion Cornaz (Postulat Nr. 276) betreffend die P a t e n t t a x e n d e r s c h w e i z e r i s c h e n H a n d e l s r e i s e n d e n nichts entgegen.

Wir beantragten Ihnen deßhalb in dem erwähnten Berichte vom 9. November einen -B u n d e s b e s c h l u ß zur Patenttaxenbefreiung der für ein inländisches Handelshaus die Schweiz bereisenden, keine Waaren mit sich führenden Handelsreisenden.

Der Ständerath trat unterm 6., der Nationalrath unterm 11. Dezember 1883 unserm Antrage bei. Der diesfällige Bundesbeschluß ist im Bundesblatt vom 22. Dezember 1883, Seite 995, abgedruckt.

Die Referendumsfrist dauert bis zum 21. März 1884.

5 4. Mit Botschaft vom 30. November 1883 (Bundesblatt 1883, IV, 773) legten wir der Bundesversammlung einen von uns bereits in einer Botschaft vom 11. April 1882 (Bundesblatt 1882, II, 349) in Aussicht gestellten, durch Ihr Postulat vom 22. Dezember 1882 (Sammlung Nr. 295) geforderten und von der ständeräthlichen Geschäftsprüfungskommission für 1882 als wohlbegründet und dringlich erklärten Gesetzesentwurf über die R e o r g a n i s a t i o n des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartem e n t s vor. Abgesehen von einer unwesentlichen, nicht die Sache selbst berührenden Differenz im Schöße des Ständerathes ist unser Vorschlag bei den gesetzgebenden Räthen auf keinen Widerstand gestoßen. Das demselben entsprechende Bundesgesetz, vom Nationalrathe am 6., vom Ständerathe am 11. Dezember 1883 angenommen, wurde im Bundesblatt Nr. 64 vom 15. Dezember 1883 (1883, IV, S. 970) bekannt gemacht; die Einspruchsfrist endigt am 14. März 1884.

5. In Bezug auf das Postulat (Sammlung Nr. 289) vom 3 0 . Juni 1882 betreffend M a ß n a h m e n z u m S c h u t z e d e r K o n s u m e n t e n vor g e f ä l s c h t e n oder gesundheits-

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s c h ä d l i c h e n G e t r ä n k e n theilten wir schon im vorjährigen Berichte mit, daß die Departemente der Justiz und Polizei und des Innern die ihnen speziell zugewiesenen Fragen in ablehnendem Sinne beantwortet haben.

Nachdem auch noch das Zolldepartement seinen sachbezüglichen Vortrag gehalten hatte, beschlossen wir, von der Mitwirkung der Zollverwaltung in Bezug auf die Kontrolirung der Lebensmittelund Getränkeeinfuhr abzusehen und überhaupt dem Postulate keine weitere Folge zu geben, wobei jedoch die Kompetenz des Bundes zur Aufstellung gesetzlicher Bestimmungen g e g e n u n e h r l i c h e K o n k u r r e n z (concurrence déloyale) vorzubehalten sei.

6. Die Entwürfe zu Bundesgesetzen über S c h u l d b e t r e i b u n g und K o n k u r s , über die z i v i l r e c h 11 i c h e u V e r h ä l t n i s s e der N i e d e r g e l a s s e n e n und die D o p p e l b e s t e u e r u n g haben im Berichtjahre nicht zum Abschlüsse gebracht werden können ; der Entwurf betreffend G e w ä h r l e i s t u n g b e i m V i e h h a n d e l ist von uns aus den im letzten Geschäftsbericht angeführten Gründen zurückgelegt worden.

Wir beabsichtigen, die Entwürfe über Schuldbetreibung und Konkurs und über Doppelbesteuerung in erster Linie zur Vorlage an die Bundesversammlung fertig zu stellen, was uns, wie wir annehmen, noch vor Schluß des Jahres 1884 möglich sein wird.

7. Auch in Beireff der "Ausdehnung des H äff, p f l i c h t g e s e t z e s vom 25. Juni 1881 (Amtliche Sammlung n. F., Bd. V, S. 562") auf solche Gewerbe, welche dem Gesetze über die Arbeit in den Fabriken vom 23. März 1877 (Amtliche Sammlung n. F., Bd. III, S. 241) nicht unterstellt sind" (Bundesbeschluß über die Motion Klein vom 28. April 1882; Postulaten-Sammlung Nr. 275), sind wir dermalen noch nicht im Falle, Ihnen unser materielles Gutachten vorzulegen.

8. Ein Rekursfall, der sich um die Anwendung des eidgenössischen und eines kantonalen J a g d g e s e t z e s durch den kantonalen Polizeirichter drehte und über welchen das Justiz- und Polizeidepartement einen Mitbericht abzugeben hatte, veranlaßte dasselbe, uns auf eine Reihe von Fragen im Gebiete der S t r a f und P o l i z e i g e s e t z g e b u n g des Bundes aufmerksam zu machen, in Bezug auf welche selbst in den berufensten Kreisen Meinungsverschiedenheit besteht und in Folge dessen eine bedauer-

715 liehe Rechtsunsicherheit herrscht, so namentlich in Hinsicht, auf die Anwendungssphäre des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1849 (Amtliche Sammlung 1, 87} über das V e r f a h r e n bei U e b e r t r e t u n g e n f i s k a l i s c h e r u n d polizeilicher B u n d e s g e s e t z e , i n Betreff d e r K o m p e t e n z v e r h ä l t n i s s e d e s e i d g e n ö s s i s c h e n K a s s a t i o n s g e r i c h t e s und der politischen B u n d e s b e h ö r d e n in Ansehung von k a n t o n a l g e r i c h t l i c h en U r t h e i l e n , b e t r e f f e n d U e b er t r e t u n g en d e r in den A r t i k e l n 25,33, 34, 39, 40 u n d 69 d e r B u n d e s v e r f a s s u n g v o r g e s e h e n e n B u n d e s g e s e t z e (Art. 18 des vorcitirten Bundesgesetzes vom 30. Juni" 1849, in Zusammenhaltung mit Art. 55 und Art. 59, Ziffer 8, des Organisationsgesetzes über die Bundesrechtspflege, vom 27. Juni 1874), und in Bezug auf den Einfluß des A r t i k e l s 20 d e s B u n d e s g e s e t z e s v o m 2 5 . Juni 1880 ü b e r d i e K o s t e n d e r B u n d e s r e c h t s p f l e g e (Amt). Samml. u . F . , V, 217) auf die Bestimmungen der verschiedenen eidgenössischen F i s k a l - u n d P o l i z e i g e s e t z e hinsichtlich d e r Zutheilung gerichtlich erkannter Geldbußen.

Wir genehmigten den Antrag des Departements, über diese Fragen die Ansicht des schweizerischen Bundesgerichts, eventuell auch der zuständigen Kantonsbehörden einzuholen und uns hernach einen zusammenfassenden Bericht in Verbindung mit gut erachteten Anträgen zu unterbreiten.

Das Departement stellt Berichterstattung und Antragstellung im Jahre 1884 in Aussicht.

III. Gewährleistung von Kantonsverfassungen.

1. Der Große Rath des Kantons T o s s i n hat am 10. Februar 1883 auf den Vorschlag des Staatsrathes ein Dekret übeiP a r t i a l r e v i s i o n d e r K a n t o n s v e r f a s s u n g erlassen, welches iu der Volksabstimmung vom 4. März 1863 von der Mehrheit der stimmenden Bürger angenommen wurde. Nachdem schon am 24. März die Gemeinderäthe des Bezirks Riviera , mit Ausnahme desjenigen von Claro, gegen dieses Verfassungsdekret Einsprache erhoben hatten, langte unterm 5. April das Gesuch des Staatsrathes betreffend die eidgenössische Gewährleistung ein. Wir haben darüber in der Botschaft vom 14. April (Bundesblatt 1883, II, 373) Ihnen einläßlichen Bericht erstattet und den hauptsächlichen Einwand der einsprechenden Gemeinderäthe, dahin gehend, daß dem Staatsrathe seit der Verfassungsrevision vom 20. November 1875 (,,Riformetta") das Recht der Initiative zu Verfas-

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sungsrevisionsvorschlägen nicht mehr zukomme, ein für allemal widerlegt.

Unserm Antrage gemäß wurden durch Bundesbeschluß vom 23. April 1883 die neuen Verfassungsartikel gewährleistet. (Amtliche Sammlung n. F., VII, 100.)

Als die wesentlichen Punkte dieser Revision erscheinen: Bestimmungen über die Gerichtsorganisation und die Wahlfähigkeit; zu den öffentlichen Amtsstellen ; die Ermöglichung einer außerordentlichen Einberufung des Großen Rathes auf Begehren der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder; das fakultative Referendum; die Abgabe der Standesstimme durch das Volk und die Aufhebung des Schwurgerichts.

2. Der K a n t o n A p p e n z e l l I n n e r - R h o d e n hat i D versammelter Landsgemeinde am 29. April 1883 z w e i V e r f a s s u n g s g e s e t z e angenommen, welche die Kantonsverfassung vom 24. November 1872 in mehreren gerichtsorganisatorischen Punkten abändern, insbesondere Vermittlerämter für Forderungsstreitigkeiten und Injuriensachen einführen, während bisher verfassungsgemäß der regierende Landarnmann für den innern Landestheil und der regierende Hauptmann für den Bezirk Oberegg zur Ertheilung der sogenannten Rechtsvorschläge kompetent waren.

Man vergleiche hiezu unsere Botschaft vom 29. Mai 1883 (Bundesblatt 1883, III, 17). Die bundesmäßige Garantie ist den beiden Verfassungsgesetzen durch Beschluß vom 3. Juli 1883 zu Theil geworden (Amt!. Samml. n. F., VII, 164).

IV. Verhältnisse zu auswärtigen Staaten, a. Verträge und Konventionen.

1. Nachdem die unterm 8. November 1882 mit I t a l i e n abgeschlossene U e b e r e i n k u n f t b e t r e f f e n d d i e g e g e n s e i t i g e B e w i l l i g u n g des A r me n r e c h t e s im P r o z e ß v e r f a h r e n von Seite des Königs von Italien genehmigt worden, hat auch die Bundesversammlung am 2. April 1883 derselben ihre Ratifikation ertheilt. Der Austausch der Ratifikationsurkunden hat am 14. April in Bern stattgefunden. Gemäß Artikel V ist diese Uebereinkunft mit dem gleichen Tage in Kraft getreten.

(Amtl. Samml. n. F., VII, 80.)

2. Die k. k. ö s t e r r e i c h i s c h - u n g a r i s c h e Ges a n d t s c h a f t machte im Auftrage ihrer Regierung den Antrag

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zum Abschlüsse einer gleichen U e b e r e i n k a u f t ü b e r g e g e n s e i t i g e B e w i l l i g u n g d e s A r m e n r e c h t e s i n Civil- u n d Strafsachen, wie sie zwischen der Schweiz und Italien im vorhergehenden Jahre abgeschlossen worden war. Wir nahmen das Anerbieten an und ernannten den schweizerischen Bevollmächtigten.

Die bezüglichen Unterhandlungen sind in den ersten Tagen des Jahres 1884 zum Abschlüsse gekommen.

3 . U e b e r e i n k u n f t m i t d e m Deutschen Reiche und den Königreichen Bayern und Württembergb e t r e f f e n d d i e F r a n k i r u ii g po r t o p f l i c h ti g e i - S e n d u n g e n , v o m 2 5. J a n u a r 1878 (Amt). Samml. n. F., III, 340).

Die Beschwerde einerKantonsregierunng, daß diese Uebereinkunft von Seite einzelner deutscher Behörden keine oder nicht genügende Beobachtungfinde,, hat zu einer bezüglichen Reklamation hei dem O ~ Auswärtigen Amte des Deutschen Reiches und bei den Regierungen der Königreiche Bayern und Württemberg geführt, Hiebei hat sich jedoch ergeben, daß auch schweizerische Behörden in den gleichen Fehler verfallen sind. Es wurden allseitig Anordnungen getroffen für die künftige genauere Beobachtung jener Bestimmungen (Bundesblatt 1883, II, 189).

4. Nachdem die Uebereinkunft m i t F r a n k r e i c h , betreffend unentgeltliche Verpflegung der G e i s t e s k r a n k e n u n d der v e r l a s s e n e n K i n d e r , vom 27. September 1882 die beidseitige Ratifikation erhalten , ist letztere am 26. Juli 1883 zu Paris ausgewechselt worden und das Verkommniß gemäß Art. 5 mit dem 26. Oktober gleichen Jahres in Kraft getreten (Arati. Samml. n. F., VII, 186.) Mit Kreisschreiben vom 7. August 1883 haben wir diese Uebereinkunft den Kantonen zur Vollziehung mitgetheilt (Bundesblatt 1883, III, 430).

5. Das Z u s a t z p r o t o k o l l zu d e m N i e d e r lass u n g s v e r t r a g e zwischen d e r S c h w e i z u n d D e u t s c h l a n d vom 21. Dezember 1881 (Amtl. Samml. n. F., VI, 275) hat zwei Modifikationen erlitten , wovon wir den Kantonen mit Kreissehreiben vom 9. Oktober 1883 und 24. Januar 1884 Kenntniß gegeben haben (.Bundesblatt 1883, III, 585, und 1884, I, 149).

6. Die im letzten Geschäftsbericht in Aussicht gestellten Unterhandlungen mit S p a n i e n , betreffend den Abschluß eines V e r trages über die A u s l i e f e r u n g von V e r b r e c h e r n und A n g e s c h u l d i g t e n , sind Anfangs 1883 in Bern ein-

718 geleitet worden und haben am 31. August gleichen Jahres mit der Unterzeichnung eines Auslieferungsvertrages ihren Abschluß gefunden.

Derselbe wurde mit Botschaft vom 30. November 1883 den eidgenössischen Räthen vorgelegt und erhielt ihre Ratifikation am 12. Dezember 1883. Nachdem auch Spanien ihn ratifizirt hatte, wurden die Ratifikationsurkunden am 1. Februar 1884 von den beidseitigen Bevollmächtigten in Bern ausgewechselt. Der Vertrag ist mit dem gleichen Tage in Kraft getreten, wovon den Kantonen durch Kreisschreiben Kenntniß gegeben wurde. Die bezüglichen Schriftstücke sind gedruckt im Bundesblatt 1883, IV, 755--772; Amt!. Samml. n. F., VII, 357.

7. Ende September 1883 hat der bei der schweizerischen Eidgenossenschaft akkreditirte außerordentliche Gesandte und bevollmächtigte Minister dei- centralamerikanischen R e p u b l i k S a l v a d o r beim Bundesrathe Namens seiner Regierung den Abschluß verschiedener Verträge in Anregung gebracht. Nach Prüfung der einschlägigen Verhältnisse haben wir uns dem Antrage unseres Justiz- und Polizeidepartements angeschlossen, indem wir den Vorschlag machten , in Unterhandlungen einzutreten über den Abschluß: 1) eines Freundschafts-, Niederlassungs- und Handelsvertrages imAnschlussee an die im Vertrage des Norddeutschen Bundes und des deutschen Zollvereins mit Salvador, vom 13. Juni 1870, enthaltenen Bestimmungen, soweit sie für die schweizerischen Verhältnisse von praktischem Werthe au sein schienen , 2) einer Uebereinkunft betreffend die gegenseitige Auslieferung von Verbrechern.

Der Repräsentant der Republik Salvador adoptirte diesen Vorschlag. Die behufs der Unterhandlungen aufgestellten Projekte hatten einerseits den Freundschafts-, Niederlassungs- und Handelsvertrag mit den Hawaischen Inseln, vom 20. Juli 1864, und anderseits den Auslieferungsvertrag mit Spanien vom 31. August 1883 zum Vorbilde. Die definitive Uebereinstimmung der Bevollmächtigten führte am 30. Oktober 1883 zur Unterzeichnung der beiden Verträge. Wir haben jedoch mit deren Vorlage au die Bundesversammlung behufs Einholung der vorbehalteneil Ratifikationen zugewartet bis nach Eingang eines Berichtes, wonach der Präsident und dos Ministerium von Salvador die beiden Verträge, soweit an ihnen, genehmigt und beschlossen haben, sie der gesetzgebenden Behörde zur Ratifikation zu empfehlen.

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8. In einigen Fällen mußten wir die Erfahrung machen, daß die A u s l i e f e r u n g von V e r b r e c h e r n aus einzelnen S t a a t e n nur erhältlich ist, wenn mit dem betreffenden Staate ein förmlicher Auslieferungsvertrag besteht. Auch hat sich im Verkehr mit andern Staaten das Bedürfniß geltend gemacht, die Formen und Bedingungen zu kennen, welche sie behufs Bewilligung einer Auslieferung nach ihrer Gesetzgebung fordere müssen. Zur Hebung der Uebelstände, die aus diesen Verhältnissen nothwendig entspringen mußten, haben wir uns veranlaßt gesellen , den Regierungen mehrerer Staaten in Europa und Amerika den Abschluß von Auslieferungsverträgen anzutragen. Zu diesem Ende wurde von uns ein Normalprojekt für Auslieferungsverträge, wie sie den schweizerischen Grundsätzen am besten entsprechen, festgestellt.

Wir sind jedoch zur Zeit noch nicht im Falle, über den Erfolg weitere Mittheilungen zu machen.

b. Spezielle Fälle internationaler Natur.

9. Die schweizerische Gesandtschaft in Paris theilte dem Justiz- und Polizeidepartement eine am 21. November vorigen Jahres erlassene Entscheidung des als Kammer für Justizgeschäfte versammelten erstinstanzlichen Civilgerichts des Seinedepartements mit, durch welche das Begehren um V o l l z i e h u n g e i n e s U r t h eil s des G e n f e r H a n d e l s g e r i c h t s vom 11. August 1883 in F r a n k r e i c h abgewiesen wurde.

Das Genfer Gericht hatte kraft des Gesetzes des Kantons Genf vom 2. Oktober 1880 betreffend Fristgewährung zu Nachlaßverhandlungen (,,sursis concordataire") der im Zustand materieller Insolvenz befindlichen Wittwe Elisabeth Franziska Soldano, geb. Bonifas, Uhrenfabrikantin in Genf, eine Frist ertheilt, um zur Verhütung des Falliments ihren Gläubigern einen Na ch laß vertrag vorzuschlagen, nachdem das Aufschubsbegehren von der gesetzlich vorgeschriebenen doppelten Mehrheit der ChirographarGläubiger (nach Zahl und Forderungssummen) unterstützt worden war.

Um diesem Urtheile die zur Erreichung seines Zweckes erforderliche Wirksamkeit zu sichern, war es geboten, dasselbe in Frankreich, wo eine gewisse Anzahl von Gläubigern der Wittwe Soldano wohnen, und wo dieselbe eine Filiale ihres Geschäftes- besitzt (Paris, rue de Genève, 124), vollstreckbar erklären zu lassen. Darauf war das Begehren gerichtet, welches durch das oben angeführte Erkenntniß der Pariser Civilgerichtskammer abschlägig beschieden wurde.

720 Die nach dem Antrage der Staatsanwaltschaft und dem Berichte des hiezu bezeichneten Richters redigirten Motive des französischen Erkenntnisses können von uns nicht unbeachtet gelassen werden.

Dieselben lauten: "In Erwägung, daß die Wittwe Soldano, Uhrenfabrikantin in Genf (Schweiz), welche in Paris eine Handelsniederlassung besitzt, sich im Zustande der Zahlungseinstellung befindet und das Begehren um Bewilligung der Vollstreckung eines vom Genfer Gericht unterm 11. August 1883 erlassenen Urtheils stellt, durch das ihr zur Anbahnung eines Nachlaßvertrages Frist gewährt wurde; ,,in Erwägung, daß das besagte, auf ein Gesetz des Kantons Genf vom 2. Oktober 1880 gegründete Urtheil in wesentlichen Punkten mit Bestimmungen des französischen Handelsgesetzbuches über das Falliment nicht in Uebereinstimmung steht und daß die französischen Gläubiger, wenn dasselbe in Frankreich vollstreckbar wäre, die Wittwe Soldano, obgleich sie ihre Zahlungen eingestellt hat, weder rechtlich betreiben noch f'allit erklären lassen könnten, was geradezu einer Aberkennung der ihnen durch die französische Gesetzgebung gewährten Garantien gleichkäme ; ,,in Erwägung übrigens, daß das gedachte Urtheil in Frankreich weder notifizirt noch publizirt worden, wie dies in Gemäßheit des Art. 442 des Handelsgesetzbuches (Code de commerce) und des Art. 16, Ziff. 2, des Staats Vertrages hätte geschehen sollen, und daß das vorliegende Gesuch den Parteien, gegen welche die Vollziehung an begehrt wird, ebenfalls nicht, wie es Art. 16, am Ende, des erwähnten Staatsvertrages verlangt, zur Kenntniß gebracht worden ist, -- aus diesen Gründen w i r d d e m G e s u c h e n i c h t S t a t t g e g e b e n .u Ein Motiv, das die Staatsanwaltschaft ihrem Antrage vorausschickte, findet sich in denjenigen des Gerichts nur implicite ausgesprochen; dasselbe ist aber offenbar ausschlaggebend gewesen und hat eine so prinzipielle Bedeutung, daß wir es wörtlich hieher setzen wollen: es lautet: ,,daß nach Art. 437 des Code de commerce jeder Kaufmann,, welcher seine Zahlungen einstellt, im Zustande des Fallimentes sieh befindet und gemäß Ait. 6 des Staatsvertrages zwischen Frankreich und der Schweiz vom 15. Juni 1869 von den französischen Gerichten der Konkurs eines Schweizers, der in Frankreich ein Handelsgeschäft besitzt, ausgesprochen werden kann."

Der Streitgegenstand hat seine Erledigung dadurch gefunden, daß die widerstrebenden französischen Gläubiger dem Accommode-

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ment schließlieh beilraten, so daß eine Weiterziehung desselben vor den Gerichten der Seine nicht nöthig war.

Wir enthalten uns, hier die Frage zu erörtern, ob wirklich die Civilgerichtskammer der Seine mit Recht angenommen habe, es seien die in Art. 16, Ziffer 2 und in fine, des Staatsvertrages aufgezählten formellen Erfordernisse der Vollstreckungsbewilligung nicht vorhanden. In materieller Beziehung aber liegt uns daran, zweierlei zu konstatiren : Das Prinzip der E i n h e i t des K o n k u r s e s ist von dem französischen Gerichte in einem Falle nicht anerkannt worden, in welchem ganz unzweifelhaft der Wohnort, der Mittelpunkt der Gesehäftsthätigkeit, die Hauptniederlassung des Schuldners in der Schweiz sich befand und wo das zuständige schweizerische Gericht in Anwendung der kantonalen Spezialgesetzgebung ein Urtheil erlassen hatte, das auf einem die Verhütung des Fallimentes bezweckenden besondern Verfahren beruht.

Wir erinnern daran, daß der Bundesrath in seinem Entscheide vom 20. Januar 1875 über den Konkursgerichtsstand in Sachen des C r é d i t f o n c i e r s u i s s e der Einheit des Konkurses zu lieb die von ihm sonst anerkannte Zuständigkeit des Handelsgerichtes von Genf (wo der formelle Gesellschaftssitz des Crédit foncier suisse gewesen) derjenigen des Handelsgerichtes zu Paris (wo ,,der Mittelpunkt, der wirkliche Hauptherd der Geschäfte und des Betriebes des Crédit foncier suissea warj untergeordnet und erkannt hat, die Liquidation habe in Paris zu erfolgen, (ßundesblatt 1876, II, 246, Ziffer 10.)

Dieses Prinaip der Einheit des Konkurses war schon in der bundesräthliehen Botschaft vom '28. Juni 1869 zum neuen Staatsvertrag mit Frankreich betr. zivilrechtliche Verhältnisse (Bundesblatt 1869, II, 494--496) hervorgehoben worden. ,,Die absolute Herrschaft des Gerichtsstandes des Wohnortes des Konkursiten -- heißt es dort -- hat die wichtige Aenderung zur Folge, daß künf'tig nur e i n Konkurs bestehen kann, daß ein Separatkonkurs im andern Staate unzulässig ist, und daß alle Aktiven, wo solche sich finden mögen, an den Konkursrichter abgeliefert werden müssen. tt Man kann jedoch nicht sagen, daß die französische Jurisprudenz im Allgemeinen auf einen der Theorie des Pariser Gerichts uud der dortigen Staatsanwaltschaft entsprechenden Standpunkt sich stelle. So wurde durch einen Spruch
des Handelsgerichts in Lyon vom 4. Mai 1882 anerkannt, daß die Grundsätze des Vertrages von 1869 aue,h mit Bezug auf die Genfer Gerichtsurtheile betreffend Nachlaßverhandlungsfristen zur Geltung kommen müssen. Ebenso

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beruhen Urtheilssprüche des Pariser Kassationshofes von 1882 und des Appellhofes von Rouen von 1883 auf der strikten Anwendung des Grundsatzes der Einheit und Universalität des Konkurses in und zwischen den beiden Vertragsstaaten in Gemäßheit der Konvention vom 15. Juni 1869. Trotzdem kann uns der gegenwärtige Zustand nicht befriedigen. Der Ursprung der sehwankenden Gerichtspraxis liegt in der mangelhaften Redaktion des Vertrages selbst.

Das neueste Pariser Urtheil wäre nicht möglich gewesen.

wenn der Art. 6, Absatz l, des Vertrages hinsichtlich der Voraussetzungen des Konkursgerichtsstandes, statt bloß von ,,établissement" und ,,résidence", von ,,établissement principal" und ,,domicile" sprechen würde.

In zweiter Linie liegt in den Erwägungen des Pariser Gerichts der Satz eingeschlossen, daß ein den Bestimmungen der französischen Civilreehts- oder Handelsrechtsgesetzgebung zuwiderlaufendes. Urtheil eines Schweizergerichts (,,un jugement qui déroge en des points essentiels aux dispositions que le code de commerce a édictées en matière de faillite dans l'intérêt des créanciers") in Frankreich nicht mit der Vollstreckungsklausel versehen werden, könne.

Diese Auffassung geht über den Sinn des Art. 17, Ziffer 3, des Vertrages hinaus, welcher eine Verweigerung der Vollziehung dann für statthaft erklärt, ,,wenn die Normen des öffentlichen Rechts oder die Interessen der öffentlichen Ordnung des Landes, wo die Vollziehung verlangt wird, einer "Vollziehung des Entscheides der fremden richterlichen Behörde entgegenstehen. a Ihre Quelle ist die das ganze französische Urtheil beherrschende Theorie, daß vertragsgemäß zur Begründung des Konkursgerichtsstandes das bloße Vorhandensein eines Handelsgeschäftes genüge, gleichviel ob die Hauptniederlassung des Schuldners sich im andern Vertragsstaate befinde und was die dortige Gesetzgebung hinsichtlich der Eröffnung des Konkurses vorschreibe.

Wir wollten nicht unterlassen, Ihnen diesen Vorgang zu signalisiren, da er einen Beitrag zu dem bereits reichlich vorhandenen kritischen Material betreffend den schweizerisch-französischen Staatsvertrag vom 15. Juni 1869 liefert. Eine Revision dieses Vertrages ist in bestimmte Aussicht zu nehmen. Es lässt sieh jedoch nicht verkennen, daß sachliche Gründe dafür sprechen, sie erst nach dem Inkrafttreten eines Bundesgesetzes über die civilrechtlichen Verhältnisse der schweizerischen Niedergelasseneu vorzunehmen.

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Mit einer gewissen Genugthuung haben wir in den letzten Tagen durch unsern Minister in Paris erfahren, dass der Deputirtenkammer Berieht und Antrag zu einer Reform der französischen Gesetzgebung über das Falliment vorliegen, wobei es sich wesentlich um dio Ersetzung des dritten Buches des Code de commerce (,,von Fallimenten und Bankerotten") durch eine Gesammtheit von Bestimmungen handelt, welche zum hauptsächlichen Zwecke die Herbeiführung einer zwischen der gänzlichen Freiheit des Handelstreibenden und dem Falliment in der Mitte liegenden g e r i c h t l i c h e n L i q u i d a t i o n , die Ermöglichung eines der gerichtlichen Falliterklärung vorausgehenden und nicht wie jetzt gezwungenerweise nachfolgenden Accommodements hat -- ein Verfahren, das sofort an die Genfer Einrichtung der Fristgewährung zur Nachlaßverhandlung erinnert. So wäre denn zu erwarten, daß Frankreich vielleicht binnen Kurzem die in dem oben behandelten Pariser Gerichtsspruch perhorreszirte Gesetzgebung des Kantons Genf betreffend ,,Sursis concordataires" im Grundsätze zu der seinigen gemacht haben wird.

10. Wie aus unserm Geschäftsberichte pro 1878 zu ersehen ist, hatte sich der f r a n z ö s i s c h e K a s s a t i o n s h o f unterm 1. Juli 1878 betreffend den G e r i c h t s s t a n d in E h e s c h e i d u n g s s a eh en dahin ausgesprochen, daß auf Grund von Art. 2 dos.

Staatsvertrages zwischen der Schweiz und Frankreich vom 15. Juni 1869 die französischen Gerichte zur Beurtheilung der Scheidungsklagen (demandes en séparation de corps) von schweizerischen Ehegatten, die in Frankreich wohnen, kompetent seien. (Bundesblatt 1879, II, 578, Ziffer 5).

Erfreulicherweise hat in neuerer Zeit das Civilgericht der Seine in mehreren ähnlichen Fällen den gegenteiligen Standpunkt vertreten und sich somit in dieser Beziehung der Anschauungsweise des schweizerischen Bundesgerichtes angeschlossen (Bundesgerichtliche Entscheidungen Band IV, 662).

So hat dieses Gericht unterm 13. Februar 1883 in Sachen der schweizerischen Ehegatten Kursteiner, wohnhaft in Paris, die Scheidungsklage der Ehefrau wegen Inkompetenz von der Hand gewiesen, indem es sich im Wesentlichen auf folgende Erörterungen stützte : Nach den allgemein geltenden Rechtsgrundsätzen können die französischen Gerichte nicht angehalten werden, über Fragen, welche den
Civilstand und die Handlungsfähigkeit von Ausländern betreffen,, zu entscheiden. Dieses Prinzip habe auch durch den Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Frankreich vom 15. Juni 1869 keine

724 Modifikation erlitten, indem der in Frage stehende Art. 2 nach dem offenbaren Sinne des Vertrages dahin interpretirt werden müsse, daß die französischen Gerichte bei Streitigkeiten zwischen Schweizern, die in Frankreich ihren Wohnsitz oder ein kaufmännisches Etablisse ment haben, nur insofern kompetent seien, als es sich, wie in Art. l, um bewegliche Sachen oder persönliche Ansprüche handle. Art. 2 finde demnach nur Anwendung bei dinglichen und persönlichen Klagen, nicht aber bei der Scheidungsklage. Die Richtigkeit dieser Ansicht ergebe sich vor Allem daraus, daß dem genannten Staatsvertrage kein anderer Zweck zu Grunde liege, als den bürgerlichen und Handelsverkehr zu fördern durch Feststellung des Gerichtsstandes für die aus diesen Verhältnissen allfällig entspringenden Rechtsstreitigkeiten. Selbst wenn man zugeben wollte, daß die französischen Gerichte nach dem Vertrage von 1828 zur Beurtheilung -der Ehescheidungsklagen schweizerischer Angehöriger zuständig gewesen seien, so dürfe man andrerseits nicht bestreiten, daß bei Abschluß des neuen Staatsvertrages insbesondere die Tendenz vorgeschwebt habe, die Kompetenz der französischen Gerichte zu beschränken. Auch würde die Annahme der entgegengesetzten Ansicht die französischen Gerichte zu Maßnahmen veranlassen, welche mit der öffentlichen Ordnung im Widerspruche stünden, indem sie thatsächlich gehalten wären, auf die schweizerischen Angehörigen die Vorschriften ihres Statut personnel anzuwenden, welche, wie aus dem Bundesgesetze vom 24. Dezember 1874 zu ersehen, die temporäre Scheidung (séparation de corps) nur als vorübergehende Maßregel kennen, die als Probe dem Ausspruche der definitiven Scheidung vorauszugehen habe -- Bestimmungen, welche mit der französischen Gesetzgebung: 3 O in offenem Widerspruche stehen.

Andererseits aber erklärte sich das Civilgericht der Seine mit Rücksieht darauf, daß beide Ehegatten Kursteiner ihren Wohnsitz in Frankreich haben, als kompetent, über die provisorischen Maßnahmen zu entscheiden.

Im Interesse einer einheitlichen Auslegung des Staatsvertrages vom 15. Juni 1869 wäre es daher nur zu begrüßen, wenn die Rechtssprechung des Civilgerichtes der Seine, die auch mit der schweizerischen Gerichtspraxis in vollem Einklänge steht, in FrankTeich die Oberhand gewinnen würde.

II. Nach einer privaten Mittheilung
soll es öfter vorkommen, daß I t a l i e n e r p er sön l i e h e A n s p r ü c h e an in d e r S c h w e i z domizilirte Schweizerbürger bei den italienischen G e r i c h t e n e i n k l a g e n , daß diese Gerichte auf solche Klagen eintreten und daß dann die Vorladungen durch italienische Konsulate den in der Schweiz wohnenden Beklagten zugestellt werden.

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Es sind uns indeß noch keine bezüglichen Reklamationen in Spezialfälleu zugekommen. Wir beschränkten uns darauf, diese allgemein gehaltene Mittheilung dahin zu beantworten, daß wir uns au keinen Maßnahmen veranlaßt sehen können, indem es sich zunächst um Privatinteressen handle, zu deren Besorgung die Betheiligten nach Gutfinden handeln mögen und daher auch auf allfällig ihnen zustehende Rechtsmittel verzichten können. Indeß könne der Beklagte in obigem Falle ganz wohl sich schützen, indem er die Annahme der Citation ablehne und dadurch die Einrede gegen die Rechtskraft des Urtheils sich sichere. Die Ablehnung der Citation könne begleitet sein mit der Protestation gegen die Kompetenz des Gerichtes und mit der Berufung auf Art. III des Protokolls zu den Verträgen mit Italien von 1868 (Amtl. Samml. IX, 757), wonach gemäß Art. IX des Niederlassungvertrages mit Italien (Amtl.

Samml. IX, 719) Citationen oder Notifikationen von Akten etc. in Civil- und Strafsachen durch die italienischen Appellationshöfe an die schweizerischen Obergerichte zu Händen der ßetheiligten vermittelt werden müssen. Wenn dieser Wea; beobachtet werde,T so o können die kantonalen Obergerichte ihre Mitbürger vor dem Entzüge des natürlichen Gerichtsstandes dadurch schützen, daß sie die Zustellung einer dahin zielenden Citation ablehnen.

12, In gleichem Sinne wäre auch mit C i t a t i o n e n vor solche f r a n z ö s i s c h e G e r i c h t e zu verfahren, welche gemäß den Bestimmungen des Vertrages mit Frankreich über den Gerichtsstanii und die Vollziehung von Civilurtheilen vom 15. Juni 1869 (Amtl.

Samml. IX, 1002) inkompetent sind. In dieser Beziehung ist auf Art. 20 des Vertrages und auf die Erläuterungen betreffend diesen Artikel im Protokoll zu dem Vertrage (am gleichen Orte S. 1031), · sowie auf das Kreisschreiben des Bundesralhes vom 10. Nov. 1869 (Bundesblatt 1869, III, 133) zu verweisen. Indeß scheint es, daß der erwähnte Vertrag in neuerer Zeit bei den französischen Gerichten eine richtigere Anwendung findet, als es früher der Fall gewesen.

Dennoch hatten wir uns im Laufe des Berichtjahres mit einem Falle zu befassen, in welchem das Handelsgericht des Seinedepartements gegenüber der Bernisehen Firma Gerber & Bürgi einer offenbaren Verletzung des Vertrages vom 15. Juni 1869 sich schuldig machte, indem es diese Firma
auf Klage eines Käsehändlers Bailleux au Paris in contumaciam zur Bezahlung einer gewissen Geldsumme als Schadensersatz verurtheilte, ohne nach Vorschrift von Art. 11 des Vertrages und der erläuternden Bestimmungen im Protokolle von Amtes wegen die Frage seiner Kompetenz zu prüfen.

Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. II.

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726 In einem solchen Falle bleibt nichts Anderes übrig, als daß die verurtheilte schweizerische Partei das Rechtsmittel der Opposition oder eventuell auch dasjenige der Appellation ergreift, um vor der hohem französischen Instanz die Vorschriften des Vertrages zur Anerkennung zu bringen. Wir müssen uns begnügen, die Aufmerksamkeit des französischen Ministers der auswärtigen Angelegenheiten auf den Fall hinzulenken, damit die Staatsanwaltschaft Instruktion erhalte, bei dem betreffenden Gerichte für die Beobachtung des Vertrages einzutreten. Im Spexialfalle waren diese Schritte von dem erwünschten Erfolge begleitet.

13. Zwischen den s c h w e i z e r i s c h e n und f r a n z ö s i schen Behörden k a n n nur auf diplomatischem Wege k o r r e s p o n d i r t w e r d e n . Der Statthalter des Bezirkes Horgen (Zürich) hatte sich direkt an den Präf'ekten des Rhonedepartements gewendet, um zu der Strafuntersuchung gegen einen Italiener einige Aufschlüsse über die Person des Angeklagten zu erhalten. Die bezügliche Antwort wurde durch die französische Botschaft zurückgesendet, welche gleichzeitig im Auftrage ihrer Regierung darauf aufmerksam machte, daß die Versuche eines derartigen direkten Verkehrs in rascher Zunahme begriffen seien und daß aus diesem ungehörigen Verfahren Inkonvenienzen entstehen könnten.

Wir sahen uns hiedurch veranlaßt, sämmtlichen eidgenössischen Ständen mit Kreisschreiben vom 22. Mai 1883 (Bundesblatt 1883, II, 1031") in Erinnerung zu rufen, daß zur Vermittlung von Rogatorien an französische Amtsstellen sowohl strafrechtlicher wie civilrechtlicher Natur ganz ausnahmslos der diplomatische Weg einzuschlagen sei. (Vergleiche die Verträge mit Frankreich vom 15. Juni und 9. Juli 1869, Amtliche Sammlung, Bd. IX. S. 1002 ff, und Bd. X, S. 35 ff.)

Obschon wir keineswegs der Ansicht sind, daß aus dem direkten Verkehre der Behörden, wie er zwischen der Schweiz mit Oesterreich-Ungarn, Italien und Deutschland besteht, zumal in untergeordneten Angelegenheiten, Inkouveuienzen entstehen können, so mußten wir nun in Folge obigen Vorganges gemäß dem Grundsätze der Parität der Staaten die Beobachtung der Reziprozität von.

Seiten der französischen Behörden verlangen.

14. Die Gesandtschaft in Paris hat mit Depesche vom 25. Juni 1883 Bericht erstattet über das am 29. Januar 1883 in Nogent-sur-Marne
erfolgte Ableben des J o s e p h M a r i a B i s i g , von Einsiedeln, Kts, Schwyz, und über den Inhalt des Testaments desselben. Sie hat hieraus Anlaß genommen, alle Eventualitäten y

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die bei der Theilung der Verlassenschaft des Bisig zwischen der Wittwe und den drei Kindern gedenkbar sein möchten, zu erörtern.

Zum Schlüsse kommt Herr Lardy zu dem Antrage, der Bundesrath möchte die Regierung des Kts. Schwyz veranlassen: 1) zur Ernennung eines Vormundes für die Kinder Bisig durch die kompetente Behörde; 2) zur Ausstellung einer Urkunde, durch welche mit Rücksicht auf die besonderen Verumständungen im speziellen Falle und auf die juristischen Schwierigkeiten die kompetente schwyzerische Behörde ihre Zustimmung ertheilt hätte, daß die Liquidation der Erbsehaft Bisig in Frankreich und nach französischem Gesetze vorgenommen werde.

Das Justiz- und Polizeidepartement hat sich veranlaßt gesehen, Hrn. Minister Lardy darauf aufmerksam zu machen, daß mit der Behandlung dieser Angelegenheit im Sinne seines Antrages der Bundesrath unnöthigerweise in Verhältnisse, die privatrechtlicher Natur seien, sich einlassen würde, bei deren Behandlung die Interessenten oder ihre gesetzlichen Repräsentanten allein berechtigt seien , auf wirkliche oder vermeintliche Rechte, die aus der Gesetzgebung oder aus Staatsverträgen abgeleitet werden könnten, zu verzichten. Von diesem Standpunkte aus würde der Bundesrath nicht kompetent sein, die oben unter Ziffer 2 erwähnte Erklärung zu provoziren.

Das Departement fand deshalb, es sei zur Zeit lediglich die Bestellung einer Vormundschaft für die Kinder Bisig zu veranlassen, womit sich Hr. Minister Lardy einverstanden erklärte.

15. Die Vollziehung der U e b e r e i n k u n f t mit F r a n k reich betreffend die Nationalität der K i n d e r und den M i l i t ä r d i e n s t d e r S ö h n e v o n i n d e r Schweiz n a t u r a l i s i r t e n F r a n z o s e n vom 23. Juli 1879 (Amtl. Samml. n. F., V, 178) hat seit der ergänzenden Vereinbarung von 1881 über das formelle Verfahren zur Sicherung der rechtlichen Folgen der Optionserklärungen (Bundesblatt 1882, II, 744, Nr. 27) guten Erfolg gehabt. Leider kommen hie und da Verspätungen vor, welche zur Folge haben, daß die betreffenden Individuen Franzosen werden.

Wir sahen uns daher veranlaßt, mittelst Kreisschreiben vom 4. Dezember 1883 (Bundesblatt 1883, IV, 838) neuerdings die Vorschriften in Erinnerung zu rufen, welche von den Betheiligten während der festgesetzten Termine zu erfüllen sind, wenn sie die Absicht haben, Schweizer zu bleiben.

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Auf der andern Seite kommen auch in der Richtung Fehler vor, daß in Frankreich geborne S ö h n e v o n S c h w e i z e r n irrthümlich auf dem Wege der Option ihre schweizerische Nationalität zu wahren suchen, während die Uebereinkunft von 1879 auf sie keine Anwendung findet, sondern das französische Gesetz vom 16. Dezember 1874 (Kreisschreibendes Bundesrathes vom 8. Jan. 1875, Bundesblatt 1875, I, 40--44). Hienach haben die letztern bei Eintritt des militärpflichtigen Alters in Prankreich darüber sich auszuweisen, daß sie ihre schweizerische Nationalität beibehalten haben und am ursprünglichen Heimatorte anerkannt sind.

Im Laufe des Jahres 1883 sind 56 definitive Optionserklärimgen und 53 Anzeigen von der Absicht zur Option nach ein Mal eingetretener Majorennität abgegeben und an die französische Botschaft vermittelt worden.

16. Im Juli 1880 ist z u P r e n z l a u , P r e u ß e n , d e r K ä s e r T h o m a s S t a l d e r v o n S c h a c h e n , K a n t o n s L u z e r n , ohne eine letztwillige Verfugung gemacht zu haben, gestorben. Er hinterließ eine Wittwe und drei minderjährige Kinder. Das kgl. preußische Amtsgericht Prenzlau bestellte den letztern einen daselbst wohnenden Vormund und vollzog die Regulirung des Nachlasses gemäß den Bestimmungen des märkischen Provinzialrechtes. Hiernach gehührt dem überlebenden Ehegatten, nach Einweisung seines eigenen Vermögens, die Hälfte der gemeinschaftliehen Masse, während die andere Hälfte den übrigen Erben zufällt. Die Regierung des Kantons Luzern glaubte jedoch, die Erbtheilung gemäß der heimatliehen Gesetzgebung beanspruchen zu können, wonach der ganze Nachlaß Eigenthum der Kinder wäre und der überlebenden Ehegattin bloß der vierte Theil desselben zur lebenslänglichen Nutznießung zukäme.

Ebenso beanspruchte die Regierung des Kantons Luzern die Vormundschaft über die Kinder und die Aushingabe des Vermögens in die Depositalkasse der Heimatgemeinde.

Wir konnten zwar den ersten Theil dieses Ansuchens nicht unterstützen, da zwischen der Schweiz und Deutschland über erbrechtliche Verhältnisse ein Vertrag nicht besteht und in diesem Falle nach völkerrechtlichen Grundsätzen und in Uebereinstimnmng mit der in mehreren andern ähnlichen Fällen zwischen der Schweiz und Deutschland geübten Praxis jeder Staat berechtigt ist, seine eigene Gesetzgebung anzuwenden.
Dennoch war es für uns von Interesse, die Ansicht des Auswärtigen Amtes des Deutschen Reiches über diese prinzipielle Frage zu kennen. Dasselbe sprach sich, wie zu erwarten war, wie folgt aus:

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Das Amtsgericht in Prenzlau war nach den in Preußen geltenden gesetzlichen Bestimmungen sowohl zur Einleitung der Vormundschaft über die Kinder Stalder, als auch zur Vornahme der Nachlaßregulirung befugt, da der verstorbene Thomas Stalder, welcher bereits mindestens 13 Jahre vor seinem Ableben aus der Schweiz nach Preußen verzogen war, zur Zeit seines Todes in Prenzlau seinen W o h n s i t z gehabt hat. Nach § 6, Absatz 3 der preußischen Vormundschaftsordnung vom 5. Juli 1875 wird zwar die Vormundschaft auf Verlangen der Behörden des Heimatstaates an diese abzugeben sein. Bis eine solche Abgabe erfolgt ist, sind jedoch die in Preußen bestellten Vormünder als die gesetzlichen Vertreter der Kinder anzusehen.

Auch in materieller Beziehung entscheidet nach dem inländischen Rechte das Gesetz des letzten Wohnortes, nicht dasjenige des Heimatstaates des Verstorbenen, über die Intestaterbfolge. Die Theilung des Nachlasses konnte demgemäß auch nur auf Grund der in Prenzlau gültigen gesetzlichen Bestimmungen erfolgen.

Ebenso wurde die Herausgabe des Erbtheiles der Kinder Stalder zum Zwecke der Ablieferung in die Depositalkasse der Heimatgemeinde zur Zeit nicht als begründet anerkannt. Dagegen wurde in Aussicht gestellt, daß die Auslieferung dieses Vermögens dann beansprucht werden könne, wenn den Kindern in der Schweiz ein Vormund bestellt worden und die Abgabe der Vormundschaft an die schweizerischen Behörden verlangt werde. Jedoch wurde darauf aufmerksam gemacht, daß in diesem Falle die Wittwe Einspruch erheben würde gegen die Entfernung des Vermögens der Kinder nach dem Auslande, indem nach dem Theilungsakte die Kinder für die der Mutter cedirten Forderungen zur Nachwährschaft verpflichtet seien und die Sicherheit der Mutter durch den Verzug des Vermögens in's Ausland vermindert würde.

17. Einige Kantonsregierungen nahmen im Interesse von Ang e h ö r i g e n des D e u t s e h e n Reiches, welche auf ihren Gebieten wohnen und E h e s c h e i d u n g s k l a g e n am W o h n o r t e durchführen wollten, unsere 'Vermittlung in Anspruch, uni auf diplomatischem Wege die nach Art. 56 des Bundesgesetzes über Civilstand und Ehe, vom 24. Dezember 1874, erforderlichen Nachweise zu erhalten, daß die Staaten, denen die Bheleute angehören, die zu erlassenden Urtheile anerkennen werden. Wir mußten jedoch unsere
Mitwirkung ablehnen, indem es nicht in unserer Stellung liegt, die Frivatinteressen von Ausländern zu besorgen. Vielmehr ist es Sache der betreffenden Partei, die Voraussetzungen für die Einleitung der Scheidungsklage in der Schweiz nachzuweisen. Uebrigens steht die

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Prüfung der Frage der Rechtskraft, resp. der Vollziehharkeil auswärtiger Urtheile, nach der deutschen Prozeßordnung den Gerichteil zu, für welche bezügliche Erklärungen der Administrativbehörden nicht verbindlich wären.

Die Richtigkeit dieses Standpunktes ergibt sich auch aus einer Eröffnung der kaiserlich deutschen Gesandtschaft, welche wir mit Kreisschreiben vom 22. Januar 1884 sämmtlichen Kantonsregierungen zur Kenntniß gebracht haben (Bundesblatt 1884, l, 130). Hiernach müssen sowohl die Gesandtschaft, als auch die deutschen Konsulate die Ausstellung bezüglicher Bescheinigungen ablehnen.

18. In der Gemeinde Bühler, Kantons Appenzell A.-Rh., starb im Juli 1881 der dort, niedergelassene Flaschnermeister H e i n r i c h Kronmüller v o n G a i l d o r f , K ö n i g r e i c h W ü r t t e m b e r g .

Er hinterließ eine Wittwe und zwei Kinder im Alter von sechs und acht Jahren. Nach Feststellung des Nachlasses wurde der Vermögensbestand den heimatlichen Behörden zur Kenntniß gebracht, mit dem Gesuche, die weitern Verfügungen über den Nachlaß zu treffen. Die Gemeinde Bühler erhielt indeß keine Antwort. Im Dezember 1882 ging die Wittwe Kronmüller eine zweite Ehe ein.

Infolge dessen erneuerte die Gemeinde Bühler ihr Gesuch um Regelung der Vermögensverhältnisse der Kinder aus der ersten Ehe; allein die Gemeinde Gaildorf gab auch auf dieses Gesuch keine Antwort.

Die hierauf in Anspruch genommene diplomatische Vermittlung lehnten wir ab, weil die Behörden des Kantons Appenzell A.-Rh.

befugt seien, nach Maßgabe ihrer Gesetzgebung zu verfahren und den Kindern Kronmüller einen Vormund zu bestellen, welcher auch seinerseits nach derselben Gesetzgebung zu verfahren berechtigt erscheine. Dagegen erklärten wir uns bereit, später die diesfälligen Verfügungen dem württembergischen Ministerium zu Händen der Heimatgemeinde zu übermitteln und eine offizielle Erklärung darüber zu veranlassen, ob die appenzellische Vormundschaft durch eine andere von Seite der heimatlichen Behörden ersetzt werden wolle.

Diese Angelegenheit fand hernach auf die eben angedeutete Weise ihre Erledigung dadurch, daß die Heimatgemeinde Gaildorf mit der Bestellung eines Vormundes in Bühler sieh einverstanden erklärte.

19. Im Juli 1882 starb in Ballwil, Kantons Luzern, F r i e d r i c h O d o n i , B a u u n t e r n e h m e r , v o n Cugliate, I t a l i e n , m i t Hinterlassung einer Wittwe und sechs minderjähriger Kinder. Die Gemeindebehörde von Ballwil bestellte den Kindern Odoni behufs

731 vorläufiger Wahrung ihrer Interessen einen provisorischen Vormund in der Person eines dortigen Bürgers. Auf Veranlassung der Regierung des Kantons Luzern brachten wir diese Verhältnisse den italienischen Behörden zur Kenntniß, deren Verfügung hinsichtlich der definitiven Vormundschaft gewärtigend und mit dem Gesuche, über die güterrechtliche Stellung der Wittwe Odoni Auskunft zu geben.

In Antwort hierauf wurde uns mitgetheilt, daß die Wittwe durch ihre Verheirathung mit Friedrich Odoni ipso jure das Recht erworben, nach dessen Tode die Vormundschaft über ihre Eluder auszuüben (Art. 220 des italienischen Civilgesetzbuches). Besondere Maßnahmen hinsichtlich dieser Vormundschaft können daher seitens der italienischen Behörden nicht getroffen werden, indem die Wittwe Odoni gesetzliche Vertreterin der Kinder sei und während deren Minderjährigkeit auch die Verwaltung ihres Vermögens besitze.

Was ferner die hier anwendbaren erbrechtlichen Bestimmungen betreffe, so habe die Wittwe Odoni, in Ermanglung einer letztwilligen Verfügung des Erblassers, Anspruch auf den lebenslänglichen Nießbrauch an einem Kindestheile, d. h. im Spezialfalle an dem siebenten Theile der Verlassenschaft (Art. 753"). Außerdem komme ihr während der Minderjährigkeit ihrer Kinder die gesetzliche Nutznießung an deren Vermögen zu, welche sie jedoch im Falle der Wiederverheirathung verliere.

20. Im Jahr 1882 ist die Vorschrift erlassen worden, daß jeder Fremde, um eine A u f e n t h a l t s b e w i l l i g u n g in R u ß l a n d zu e r h a l t e n , e i n e n N a t i o n a l p a ß v o r l e g e n m ü s s e , welcher ihm von seiner Regierung ausgestellt worden, unter der Androhung, andernfalls nach einer bestimmten Frist Rußland verlassen oder russischer Unterthan werden zu müssen. Diese Vorschrift hatte zur Folge, daß eine große Anzahl in Rußland wohnender Schweizer ihre Beziehungen zur schweizerischen Heimat ordnen mußte. Es entstanden hieraus mannigfache Schwierigkeiten, namentlich , wenn es sich um Personen handelte, die selbst oder deren Eltern schon in Rußland geboren sind, ohne daß die Civilstandsakten in die Heimat gesendet worden.

Mit einem neuen Circular vom 26. September 1883 suchte das russische Ministerium solchen Verhältnissen möglichst Rechnung zu tragen. Für Ausländer, welche der d e u t s c h e n N a t i o n a l
i t ä t angehören, wurde ein Uebereinkommen mit Deutschland aus dem Jahre 1874 als maßgebend erklärt, wonach die in Rußland sich aufhaltenden deutschen Reich sangehörigen verpflichtet sind, sich in die Matrikel der deutschen Konsulate eintragen zu lassen, und die russische Regierung eingewilligt hat, die diesfälligen Bescheinigun-

732 gen der Konsulate als faktischen Nachweis der deutschen Reichs angehörigkeit der Inhaber anzuerkennen. Mit Bezug auf Ausl ä n d e r a n d e r e r N a t i o n a l i t ä t e n wurde in ähnlichem Sinne verfügt, indem es als zulässig erklärt wurde, daß die Polizeibehörde anstatt Nationalpässe zu verlangen, sich mit Bescheinigungen der in Rußland residirenden Konsulate ihres Heimatlandes begnügen könne. Es wurde daher gestattet, auf Grund dieser Bescheinigungen russische Aufenthaltsscheine zu ertheilen, sofern über die rechtmäßige und gesetzliche Erlangung der gedachten Bescheinigungen keine Zweifel obwalten.

Im Interesse der in Rußland wohnenden Schweizer haben sich in Folge dessen die schweizerischen Konsulate in Rußland veranlaßt gesehen, Matrikel anzulegen über die in ihren Kreisen wohnhaften Schweizer.

21. Im Interesse einer seit längerer Zeit in der Schweiz domizilirenden Engländerin, welche Grundeigenthum in England und verschiedene Vermögensobjekte in der Schweiz besitzt, sind wir ersucht worden, auf diplomatischem Wege die Bevormundung dieser Dame in England zu erwirken. Wir lehnten dieses Ansuchen mit folgender Begründung ab : Die Bestellung der vormundschaftlichen Verwaltung über das Vermögen der Frau E. G. in E n g l a n d müsse nach Maßgabe der englischen Gesetzgebung vollzogen werden, während über das im K a n t o n W a a d t liegende Vermögen eine Vormundschaft naeh Maßgabe der waadtländischen Gesetzgebung bestellt werden könne, wobei nicht ausgeschlossen bleibe, daß das Vermögen im Kanton Waadt, im Einverständnisse mit den kompetenten Behörden dieses Kantons und mit Zustimmung der muthmaßlichen Erben der Frau E. G., auch der englischen Verwaltung überlassen werden könne.

Die Bestellung eines Vormundes oder eines sog. ,,Committee" finde in England durch das kompetente Gericht statt und müsse daher auf privatem Wege betrieben werden. Ob das Gericht derjenigen Grafschaft kompetent sei, welcher diese Dame angehöre, oder dasjenige, wo das ihr zustehende Grundeigenthum liege, sei auf gleichem Wege zu ermitteln.

22. Unter Vorlage des Jahresberichtes der i n t e r n a t i o n a l e n K o m m i s s i o n f ü r das G e f ä n g n i ß w e s e n hat der schweizerische Delegirte für die Session zu Paris im November 1880, Herr Dr. Guillaume in Neuenburg, mitgetheilt, daß es der italienischen Regierung, welche den Kongreß zu der dritten Generalversammlung eingeladen, nicht möglich gewesen, dieser Einladung früher Folge zu

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geben, weßhalb auch die Kommission ihre Thätigkeit habe suspendiren müssen. Nachdem nun der Zusammentritt des Kongresses in Rom für den Herbst 1884 gesichert sei, habe sieh das Bureau in Luzern versammelt und die vorbereitenden Arbeiten kräftig an die Hand genommen. In monatlichen Heften erscheint nun ein ,,Bulletin de la Commission pénitentiaire internationale", in welchem die Réglemente, Entwürfe, Verhandlungen etc. publizirt werden.

Der Beitrag der Schweiz an die Kosten dieser Kommission von Fr. 67 per Jahr ist mit Fr. 134 für die Jahre 1881 und 1882 bezahlt worden. Mit Note vom 19. September 1883 übermachte die italienische Gesandtschaft die offizielle Einladung ihrer Regierung zur Abordnung einer Delegation an den Kongreß, welcher nun definitiv im Monat Oktober 1884 in Rom stattfinden werde, und bestätigte, daß ein Bureau, bestehend aus den Herren Kommandeur BeltraniScalia, Generaldirektor der Gefängnisse des Königreiches, Präsident, Baron Franz von Holtzendorff, Professor an der Universität München, Vicepräsident, und Dr. Guillaume, Strafhausdirektor in Neuenburg, Sekretär, die Vorarbeiten besorgen werde.

In Uebereinstimmung mit frühem Beschlüssen bestätigten wir Herrn Dr. Guillaume als Mitglied der internationalen Kommission und ernannten ihn auch gleichzeitig als Delegirten der Schweiz bei dein Kongresse in Rom.

23. Wie schon in unserm letztjährigen Geschäftsberichte bemerkt worden, hat die Société générale de p r o t e c t i o n p o u r l ' e n f a n c e a b a n d o n n é e o u c o u p a b l e i n Paris welche sich auf den Schutz; verwahrloster Kinder beziehen, zur Behandlung kommen sollten. Dieser Kongreß trat wirklich am 15. Juni 1883 in Paris zusammen. Die fünf Sektionen, in welche er sich theilte, hielten gleichzeitig ihre Sitzungen ab. Herr Dr. Ladame von Neuenburg, den wir um Abfassung eines bezüglichen Berichtes ersucht hatten, wohnte dem Kongresse vom 15. bià 24. Juni bei und nahm insbesondere an den Berathungen der zweiten Sektion, sowie an den Generalsitzungen Theil. Er ist jedoch noch nicht im Falle gewesen, einen bezüglichen Bericht zu erstatten, weil der Druck des aligemeinen Berichtes über die Verhandlungen des Kongresses in unvorgesehener Weise sich verzögert hat.

2 4 . D i e Frage d e r M i l i t ä r p f l i c h t d e r S ö h n e v o n I t a l i e n e r n , die s i c
h in d e r S c h w e i z h a b e n na t ur a l i s i r e n l a s s e n , hat in neuerer Zeit wieder einige Verhandlungen veranlaßt, da in zwei Fällen v o r d e r N a t u r a l i -

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sa ti o n geborne Söhne von Italienern zum Militärdienst in Italien angebalten worden waren, obschon sie ihre schweizerischen Legitimationspapiere besaßen und auch in der Schweiz der Militärpflicht genügten.

Zu unserm Bedauern müssen wir unsere Intervention iu solchen Fällen ablehnen, weil sie erfolglos und seihst im Widersprüche wäre mit einer bezüglichen Bestimmung im Niederlassungsvertrage o O mit Italien. -- Nach der schweizerischen Gesetzgebung erwerben die minderjährigen Söhne von Italienern mit der Naturalisirung des Vaters auch die schweizerische Nationalität und werden daher nach Eintritt des militärpflichtigen Alters iu der Schweiz mit Recht zur Erfüllung ihrer Militärpflicht herangezogen, zumal auch gemäß Art. 11 des italienischen Civilgesetzbuches der Italiener, welcher sieh in einem andern Lande naturalisiren läßt, die Eigenschaft eines italienischen Bürgers verliert. Aber dennoch wird er dadurch gemäß Art. 12 des gleichen Gesetzbuches von der Militärpflicht gegenüber seinem ursprünglichen Heimatlande nicht befreit, indem dieser Artikel ihn mit den Strafen bedroht, welche denjenigen treffen, der gegen das Vaterland die Waffen trägt. Dieser Art. 12 hat auch hei Abschluß des Niederlassungsvertrages mit Italien vom 22. Juli 1868 in einer zu Art. 4 des Vertrages gehörigen Erklärung (Amtl.

Samml., IX, 715 und 729) von der schweizerischen Bundesversammlung anerkannt werden müssen. Die Gründe sind in der bezüglichen Botschaft des Bundesrathes (Bundesblatt 1868, III, 434 ff.)

näher dargelegt.

25. Die Eintrage des Militärdepartementes des Kantons Wallis, ob die vor der N a t u r alisi r ung von Franzosen u n d I t a l i e n e r n g e b o r ne u S ö h n e in de r S c h w e i z als d i e n s t p f l i c h t i g b e h a n d e l t werden d ü r f e n , wenn sie in der Schweiz wohnen und von ihrem frühern Heimatlande nicht reklamirt werden, wurde wie folgt beantwortet : Was die Franzosen betrifft, so ist die Uebereinkunft vom 23. Juli 1879 (Amtl. Samml. n. F., V, 178) maßgebend. Darnach bleiben die v o r der Naturalisation ihrer Eltern geborneu Söhne Franzosen, wenn sie nicht während des Jahres, das dem Eintritte in die Majorennität folgt, also während ihres zweiundzwanzigsten Altersjahres, in der durch Kreisschreiben des Bundesrathes vom 27. Juli 1880 (Rundesblatt 1880, III, 523) vorgeschriebenen
Form für die schweizerische Nationalität optirt haben. Da jedoch die Militärpflicht früher eintritt, so dürfen die optionsberechtigten jungen Männer gemäß Art. 3 der erwähnten Uebereinkunft vor zurückgelegtem zweiundzwanzigstem Altersjahre zum Militärdienste in Frank-

735 reich nicht angehalten werden. Sie können sich vor allfälligen Inkonvenienzen schützen durch eine im Laufe desjenigen Jahres, in welchem sie das zwanzigste Altersjahr zurücklegen, zu machende Anzeige (vergi. Kreisschreiben vom 14. April 1882, Bundesblatt 1882, II, 364). Diese Personen sind daher erst nachdem sie das "22. Altersjahr erfüllt und zudem für die Schweiz optirt haben, in der Schweiz militärpflichtig. Unter den angeführten Voraussetzungen sind sie bezüglich des persönlichen Dienstes, wie auch bezüglich der Militärsteuer, zu behandeln wie alle andern Schweizer. Vorher aber können aie in keinem der beiden Staaten zu solchen Leistungen angehalten werden (vergl. auch die Botschaft zu der Uebereinkunft mit Frankreich, Bundesblatt 1879, III, 909).

Bezüglich der Italiener verhält es sich dagegen anders. Diest werden mit ihrer Naturalisation Schweizer und haben somit auch ihre Militärpflicht in der Schweiz zu erfüllen, sei es persönlich, sei es durch Bezahlung der Militärs!euer. Allerdings sind sie gemäß der ,,Erklärung" zu dem Niederlassungsvertrag mit Italien (Amtl.

Samml. IX, 729) und gemäß Art. 12 des italienischen Civilgesetzbuehes nicht befreit von ihrer Militärpflicht in Italien 5 allein dieser Umstand hat keinen Einfluß auf ihre Pflichten gegenüber der Schweiz.

Es ist ihre Sache, diese Folgen zu würdigen, bevor sie sich in der Schweiz naturalisiren lassen. Wir verweisen auf die im Bundesblatt über dieses Verhältniß periodisch erscheinende Publikation ; siehe z. B. Bundesblatt 1882, III, 517.

Da die gleiche Frage auch in andern Kantonen auftauchen dürfte, so haben wir sämmtlichen Kantonsregierungen mittelst Kreisschreibens vom 19. Januar 1883 von diesem Entscheide Kenntniß gegeben (Bundesblatt 1883, I, 128).

V. Rekurswesen.

1. Statistik.

Im Jahre 1883 waren mit Einrechnung der aus dem Vorjahre pendent gebliebenen Fälle 158 R e k u r s e (1882: 175; 1881: 139} zu behandeln, von welchen 146 erledigt, 2 zurückgezogen und 10 als pendent auf das Jahr 1884 übergetragen wurden.

In 100 Rekurse traten wir materiell nicht ein, theils weil ausschließlich die kantonalen Behörden oder das Bundesgericht für den Entscheid kompetent waren, theils weil da, wo unsere Kompetenz materiell wirklich begründet gewesen wäre, der kantonale InstanzenZug noch nicht erschöpft war.

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18 3 21 3 l

Die übrigen 46 Rekurse betrafen dem Gegenstande nach : Verweigerung und Entzug der Niederlassung ; ,, von Ausweissehriften durch die Heimatbehürde und Rückhaltung von solchen am letzten Wohnort; Beeinträchtigung der Handels- und Gewerbef'reiheit ; Stimmrecht und Wahlen; Beeinträchtigung der Glaubens- und Gewissensfreiheit.

Sechs dieser Rekurse wurden dadurch erledigt, daß die kantonalen Behörden von sich aus den Rekurrenten entsprachen. Es blieben demnach 40 Beschwerden übrig, welche materiell zu entscheiden waren (1882: 75; 1881: 56); 34 derselben wurden abgewiesen und 6 begründet erklärt.

Die Bundesversammlung hatte sich im Jahre 1883 mit 14 Beschwerden und Rekursen gegen Entscheide aus dem Geschäftskreise des Justiz- und Polizeidepartements zu befassen (1882: 18 ^ 1881: 14). Ein Rekurs wurde als begründet erklärt; 3 wurden erledigt durch Nichteintreten. In 9 Fällen wurden die Beschlüsse des Bundesrathes gänzlich und in l Falle theilweise bestätigt. Ein Rekursfall wurde dadurch erledigt, daß die respektive kantonale Behörde von sich aus dem Rekurrenten entsprach.

Außerdem hatte sich unser Justiz- und Polizeidepartement mit 3 direkt an die Bundesversammlung gerichteten P e t i t i o n e n zu befassen.

Endlich ist hier zu verzeichnen ein auf Art. 14 der Bundesverfassung gegründetes I n t e r v e n t i o n s g e s u c h einer Kautonsregierung, von welchem unten des Nähern die Rede sein wird.

2. Suspensiv-Effekt der Rekurse.

Der Regierungsrath des Kantons Luzern richtete anläßlich eines Rekursfalles betreffend Ausweisung eines Niedergelassenen die Eintrage au den Bundesrath, ob die Einlegung des Rekurses bei den Bundesbehörden in allen Fällen Suspensiveffekt habe.

Wir erwiederten : Die Suspension der Verfügungen kantonaler Behörden, gegen welche an die Bundesbehörden rekurrirt wird, liege unzweifelhaft in der rechtlichen Stellung und Kompetenz der letzteren ; dieselbe müsse jedoch nicht in jedem einzelnen Falle von Rechtswegen eintreten, sondern es sei von jeher den Bundesbehörden anheimgestellt gewesen, hierüber jeweilen in Würdigung der konkreten Verhältnisse zu beschließen. Es bestehe nun allerdings eine gewisse

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Praxis, zufolge welcher je nach der Natur der Sache und dem Gewichte der in Frage stehenden Interessen die Suspension regelmäßig oder nur ausnahmsweise verfügt werde. Regelmäßig sei dieses der Fall z. B. bei Rekursen betreffend Entzug der Niederlassung, weil hier die Natur der Sache den suspensiven Effekt des Rekurses verlange. Allein auch hier erleide die Regel Ausnahmen ; dann nämlich, wenn auf Vorstellung einer Kantonsbehörde oder von sieh aus der Bundesrath nach Lage der Akten findet, daß die Suspension nur einer gemeine Trölerei Vorschub leisten würde.

Mit dieser Auseinandersetzung steht die Praxis der frühem Bundesbehörden (vergi, üllmer I, Nr. 362 und 364; n, Nr. 709, Ziffer 2; 877 in fine) in vollkommener Uebereinstimmung. Wir haben im Berichtjahre wiederholt die Gelegenheit wahrgenommen, unsere Auffassung zur Anwendung zu bringen. So in zwei Fällen, wo gegen den Entzug der Niederlassung in offenbar grundloser, trölerhafter Weise an uns rekurrirt worden war; wir beschlossen, den Rekurrenten gleichzeitig mit der schriftlichen Mittheilung unseres Rekursentscheides zu eröffnen, daß einer allfälligen Weiterziehung der Sache an die Bundesversammlung von Seite des Bundesrathes kein Suspensiveffekt würde beigemessen werden.

Es sind darauf in diesen Fällen Rekurserklärungen an die eidgenössischen Käthe nicht erfolgt. Wir würden aber unsern Standpunkt auch bei solcher Eventualität festgehalten haben ; denn wie der Bundesrath in einem Entscheide vom 7. März 1862 (v.

Üllmer II, 709) ausführte -- y>die Anschauungsweise, es habe ein bundesräthlicher Entscheid den Charakter eines erstinstanzlichen, gegen weichen an die Bundesversammlung als au die Oberinstanz mit Suspensiveffekt appellirt werden könne, steht mit den elementarsten staatsrechtlichen Begriffen und mit der ganzen Praxis der Bundesbehörden im vollständigsten Widerspruche.tt In gleicher Weise behalten wir uns vor, hinsichtlich der Vollziehung und Wirksamkeit von Anordnungen und Erlassen der kantonalen Behörden vom Momente einer Rekurseinlegung an oder sobald wir uns sonst mit der Sache zu befassen haben nach freiem Ermessen, d. h. in Berücksichtigung aller Umstände des einzelnen Falles, eine Suspensionsverfügung zu erlassen oder hievon abzusehen. Der Bundesrath trifft auf Grund des Art. 102, Ziffer 2, der Bundesverfassung die für Beobachtung
der Verfassung, der Gesetze und Beschlüsse des Bundes erforderlichen Verfügungen von sich aus oder auf eingegangene Besehwerde. Darauf beruht sein E n t s c h e i d u n g s r e c h t über die einschlagenden Fragen, und allfällige, gemäß Art. 85, Ziffer 12, der Bundesverfassung gegen bundesräthliehe Entscheide bei der Bundesversammlung erhobene

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Beschwerden haben mit einem aufschiebenden und weiterziehenden Rechtsmittel im civilprozessualischen Sinne nichts geinein.

3. Rekursgegenstände.

a. Niederlassungsrecht (Freizügigkeit), a a. E r w a r b u n d E n t z u g d e r N i e d e r l a s s u n g .

1. In drei Fällen haben wir, gestutzt auf die bisherige bundesrechtliche Praxis (vergi. Bundesblatt 1859, I, 364; 1871, II. 364), Ausweisungsmaßregeln kantonaler Behörden gegenüber B h e f r a u e n durch unsern Entscheid bestätigt, von dem Satze ausgehend, daß die Bedingungen für den Erwerb und den Entzug der Niederlassung individualrechtlichen Charakters sind und deshalb, wenn sie z. B.

bei dem einen Ehegatten vorliegen, bezw. mangeln, nicht ohne Weiteres auch von dem andern Theile in Anspruch genommen oder auf den andern Theil bezogen und gegen ihn geltend gemacht werden können.

Der eine dieser Fälle (Brandenberger) ist an die Bundesversammlung gezogen worden. Beide Räthe haben jedoch in Zustimmung zu unserer Argumentation den Rekurs als unbegründet abgewiesen. (Bundesblatt 1883, III, 571 ; 1884, I, Nr. 2, enthaltend Uebersicht der Verhandlungen derschweizerischenn Bundesversammlung: Wintersession ["November-Dezember] 1883, unter Nr. 34.)

In einem andern Falle (Frauenfelder) hat die Bundesversammlung den Rekurs des Ehemannes als begründet, denjenigen der Ehefrau als unbegründet erklärt, -- in diesem Punkte von unserer Beschlußfassung, die bezüglich des Ehemanns auf der irrigen Annahme zweimaliger Verurtheilung beruhte, abweichend (vergi. Bundesbiatt 1883, DI, 31, und 1884, I, Nr. 2, Uebersicht der Verhandlungen etc., unter Nr. 33).

2. Die von den Behörden des Kantons B e r n gegen eine E h e f r a u , deren Mann in Folge seines Berufes einen großen Theil des Jahres vom Niederlassungsorte enfernt wohnt, wegen wiederholter gerichtlicher Bestrafung für schwere Vergehen verfügte Ausweisung ist von uns auch in ihrer Ausdehnung auf den m i n d e r j ä h r i g e n S o h n aus aufgelöster erster Ehe der Rekurrentin gut geheißen worden, unter Annahme folgender Motive: ,,Daß die Kantonsbehörde nicht bloß die Frau F., sondern gleichzeitig auch deren, durch schlechtes Betragen gleichfalls zu öffentlicher Klage Anlaß gebenden minderjährigen und ihr gerichtlich zugesprochenen Sohn aus erster Ehe ausgewiesen hat, erweist

739 sich nicht bloß als eine in der Natur der Verhältnisse liegende, sondera auch als eine rechtlich wohlbegründete Maßnahme, und ist in concreto um so weniger anfechtbar, als der von Bern abwesende Stiefvater des Knaben denselben thatsächlich ganz der Mutter überlassen und auf jeden Antheil an dessen Erziehung verzichtet hat."

,,Ob es nicht angezeigt und geboten wäre, den Knaben dem notorisch schlechten Einflüsse seiner Mutter zu entziehen, ist eine Frage, die in das Gebiet der vormundschaftsrechtlichen Beziehungen zwischen Wohnorts- und Heimatgemeiude einschlägt und nicht der Burtheilung der Bundesbehörde unterliegt.11 3. In dem Rekursfalle des F. G. aus dem Kanton Waadt, betreffend dessen durch die Regierung des Kantons B e r n am 9. September 1882 beschlossene A u s w e i s u n g aus dem K a n t o n s g e b i e t , haben wir in Festhaltung der bisherigen Auslegung des Artikels 45, Absatz 3, der Bundesverfassung folgende Erwägungen zu unserm den Entzug der Niederlassung bestätigenden Entscheide vom 24. April 1883 (Bundesblatt 1883, III, 28) aufgestellt: 1) Der Bundesrath nimmt zum Maßstab seiner Beurtheilung.

ob ein Vergehen als ein schweres im Sinne des Art. 45 der Bundesverfassung zu betrachten sei, nach konsequenter Praxis nicht die in den Strafgesetzbüchern vorgesehenen Unterscheidungen, und er behält sich auch gegenüber der durch die gerichtliche Strafsentenz ausgesprochenen Anschauung die selbstständige Würdigung des einzelnen Falles vor, wobei die für die öffentliche Sicherheit und Sittlichkeit zu Tage tretende Gefahr jeweilen ganz besonders in Berücksichtigung fallen muß.

2) Von diesem Standpunkte aus kann es nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, daß die Vergehen, wegen deren der Rekurrent in den Jahren 1866 , 1868 und 1880 bestraft wurde (Diebstahl, Beihülfe zur Prostitution , unsittliche Handlungen mit Kindern), zu den schweren, ja zu den schwersten gehören und der Entzug der Niederlassung deßhalb den Rekurrenten mit vollem Rechte getroffen hat.

3) Da unbestreitbar mehrere selbstständige und von einander unabhängige Strafurtheile gegen den Rekurrenten vorliegen, ist im gegenwärtigen Falle der Umstand von keinem rechtlichen Belang, daß die beiden letzten Urtheile strafrechtlich wie ein zusammenhängendes Urtheil anzusehen sind (vergleiche den Bundesrathsbeschluß vom 26. Juni 1882 in Sachen J, B. Schoch, Bundesblatt 1883, III, 503 u. ff.)-

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Sie haben durch Ihre Beschlüsse vom 29. Juni und 5. Juli 1883 unsern Entscheid aufrecht erhalten.

4. Durch die Zustimmungserklärung des Nationalrathes vom 14. April 1883 zum Bundesrathsbesehluß vom 16. Dezember 1882 ist auch der im letztjährigen Geschäftsberichte (Bundesblatt 1883, II, 854) bereits erwähnte Rekurs Sch och definitiv nach unserm Antrage im Sinne der Abweisung erledigt worden.

Aus unsern Motiven, die in erster Linie sich wie in dem soeben unter Ziffer 3 besprochenen Falle mit der verfassungsmäßigen Qualifikation eines ,,schwerenergehens"- befassen , ist der Satz hervorzuheben, daß die Bundesverfassung in Artikel 45, Absatz 3, R ü c k f ä l l i g k e i t des Verurtheilten im weitesten Sinne des Wortes, d. h. Begehung einer strafbaren Handlung nach erfolgter Verurtheilung wegen eines frühem Verbrechens oder Vergehens voraussetze; unter dieser Voraussetzung können zwei Strafurtheile, von denen auch das zeitlich spätere eine Handlung beschlägt, die der Niedergelassene v o r dem Zeitpunkt der ersten Verurtheilung begangen hat, nicht als wiederholte Bestrafungen im Sinne des Artikels 45 , Absatz 3 , der Bundesverfassung aufgefaßt werden.

(Bundesblatt 1882, ITI, 503.)

5. Der Rekurs des Tessiners Alexander M o s e t t i - B a r d gegen seine Wegweisung aus Begnins, Kanton Waadt, auf Grund seiner gerichtlichen Einstellung in den bürgerlichen Ehrenrechten auf zwei Jahre als Zusatzstrafe für ein Forstvergehen ist zufolge einer das frühere Dekret aufhebenden Verfügung der waadtländischen Regierung vom 2. August 1883 gegenstandslos geworden und wurde auf der Traktandenliste der eidgenössischen Räthe gestrichen. (Vergleiche Bericht des Bundesrathes vom 20. Februar 1883 im Bundesblatt 1883, I, 247.) Durch Ständerathsbeschluß vom 10. April 1883 war der Rekurs als unbegründet abgewiesen worden.

6. Durch die Verhandlungen der eidgenössischen Räthe ist der Rekurs der Eheleute F r a u e n f e l d e r , von Flaach, Kantons Zürich, gegen deren durch Bundesrathsbesehluß vom 27. April 1883 (Bundesblatt 1883, III, 31) bestätigte Wegweisung aus der Gemeinde Außersihl allgemeiner bekannt geworden.

Die Mehrheit der ständeräthlichen Kommission (Berichterstatter: Dr. Schoch) hatte sich für Begründeterklärung des Rekurses der beiden Ehegatten ausgesprochen (siehe den gedruckten Bericht im Bundesblatt 1883, IV, 982); die Minderheit der Kommission des Ständerathes (Berichterstatter: Muheim) beantragte dagegen aus

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dem schon oben (Seite 30) angedeuteten faktischen Grunde, den Rekurs mit Bezug auf den Ehemann für begründet anzusehen, milBezug auf die Ehefrau aber zu verwerfen. Der Minderheitsbericht ist abgedruckt im Bundesblatt 1883, IV, 739. Dieser letztere Antrag siegte im Ständerathe wie im Nationalrathe.

Wir heben aus den von beiden gesetzgebenden Räthen durch ihre Schlußnahme gebilligten Motiven des bundesräthlichen Entscheides als für die künftige Praxis besonders bedeutsam die folgenden heraus: ,,In rechtlicher Hinsicht fällt nicht in's Gewicht, ob die der Frau F. seit ihrer Niederlassung in Außersihl zur Last fallenden Thatsachen im Gebiete der Gemeinde Außersihl selbst oder in demjenigen einer andern Gemeinde vorgekommen seien. DieWohnsitzgemeinde bann nicht zur Duldung eines Niedergelassenen verhalten werden, welcher, bei vorübergehender Abwesenheit, anderwärts Mich derartige Handlungen zu Schulden kommen läßt, die nach dem geltenden Rechte die ßefugniß zur Ausweisung begründen. Es leuchtet die Richtigkeit dieser Auffassung ganz besonders dann ein, wenn es sich um zwei Gemeindegebiete handelt, die, wie Außersihl und Zürich, unmittelbar an einander grenzen.

,,Dagegen läßt sich allerdings die rechtliche Frage aufwerfen, ob eine Gemeinde zur Rechtfertigung einer Ausweisungsverfügung sich auf solche strafgerichtliche Urtheile gegen den Niedergelassenen berufen dürfe, die vor der Niederlassungsbewilligung ausgefällt worden sind.

,,Der Bundesrath hat in dieser Beziehung in einem andern Falle (Bundesblatt 1881, II, 671 ff.) erkannt, es genüge, wenn der Niedergelassene an seinem Wohnsitze zwar nur eines schweren Vergehens sich schuldig gemacht habe, aber infolge früherer Bestrafung im Ruckfalle sich befinde.

,,Im vorliegenden Falle nun steht fest, daß die Rekurrenten seit ihrer Niederlassung in Außersihl zwar nicht mehr strafgerichtlich verurtheilt worden, daß jedoch Frau F. sich eines fortgesetzten sittenlosen Lebenswandels schuldig gemacht hat. Es entsteht deßhalb die Frage, ob die Gemeindebehörde von Außersihl sich auf diese letztere Thatsache in Verbindung mit den frühern Strafurtheilen zur Rechtfertigung der Ausweisung berufen dürfe.

,,Diese Frage ist zu bejahen. Es liegt im Sinne und in der Konsequenz des zitirten bundesräthlichen Entscheides, daß gegen einen Niedergelassenen frühere Strafurtheile nur dann nicht geltend gemacht werden können, wenn derselbe an seinem neuen Wohnorte Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. II.

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742 sich nicht des Niederlassungsrechtes durch seine Handlungen unwürdig macht. Die Züricher Gemeindegesetzgebung bezeichnet als Handlungen, welche in Verbindung mit den Voraussetzungen des Art. 45 der Bundesverfassung die Behörden zum Entzug der Niederlassung berechtigen sollen, solche, die unter dem Begriffe eines die öffentliche Sicherheit oder Sittlichkeit gefährdenden Lebenswandels zusammengefaßt werden können.

"8e y,Der Bundesrath hält dafür, daß, wenn der polizeiamtliche Nachweis eines unsittlichen Lebenswandels vorliegt, die Kantone, beziehungsweise die Gemeindebehörden, gegenüber einem Niedergelassenen berechtigt seien, auf Strafurtheile, die der Niederlassung vorausgegangen, zurückzugreifen und dieselben, in Verbindung mit der sittenwidrigen Aufführung, zur Grundlage eines Ausweisungsbeschlusses zu nehmen, wie dies im konkreten Falle seitens der Züricher Behörden geschehen ist.tt bb. A u f e n t h a l t s r e c h t von Ausländern.

1. Schweizerisch-englischer Mederlassungsvertrag. Salulisten.

7. In einem umfangreichen Memorial, welches uns am 24. April 1883 Übergeben wurde, hat die Engländerin Fräulein E a t h a r i u e B o o t h , ,, M a r s c h a l l i n d e r H e i l s a r m e e " , gegen eine Verfügung des Justiz- und Polizeidepartements des Kantons Genf, durch welche ihr die Aufenthaltsbewilligung in diesem Kantone entzogen wurde, den Rekurs an uns ergriffen. Die erwähnte Verfügung stützte sich darauf, daß die Heilsarmee, für deren Treiben Fräulein Booth verantwortlich sei, auf dem Gebiete des Kantons Genf ohne die hiezu erforderliche Ermächtigung mehrfache Geldsammlungen veranstaltet habe. Außerdem wurde geltend gemacht, daß Fräulein Booth trotz verschiedener Aufforderungen unterlassen habe, über die Verwendung der Geldsammlungen einen Ausweis zu leisten, obgleich sie wohl im Stande gewesen wäre, dieser Verpflichtung nachzukommen.

Bevor Fräulein Booth sich an den Bundesrath gewendet hatte, war sie beim Staatsrathe des Kantons Genf mit einer Beschwerde über die Maßnahme des Justiz- und Polizeidepartementes eingekommen, jedoch vom Staatsrath abgewiesen worden. In seinem Beschlüsse (vom 2. März) zieht der Staatsrath in Betracht, daß Fräulein Booth in Genf unter den Mitgliedern der Heilsarmee die höchste hierarchische Stellung eingenommen habe, daß sie daher für das Treiben der unter ihren Befehlen stehenden Gruppe verantwortlich sei, und endlich, daß die Heilsarmee in Genf die Ursache schwerer Unruhen geworden sei.

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In ihrem Rekurse an den Bundesrath stützt sich Fräulein Booth im Wesentlichen auf folgende zwei Betrachtungen : 1) Der Niederlassungsvertrag zwischen der Schweiz und Großbritannien räume den englischen Unterthanen in den Kantonen die nämliche Stellung ein, welche den Schweizerbürgern zukomme; 2) könne sie, Fräulein Booth, für die Handlungen der übrigen Mitglieder der Heilsarmee nicht verantwortlich gemacht werden> Was den ersten Punkt betrifft, so konnte hierüber kein Zweifel bestehen. Allerdings stellt der Niederlassungsvertrag zwischen der Schweiz und Großbritannien die englischen Unterthanen in der Schweiz auf den gleichen Fuß mit den eigenen Bürgern ; allein nur unter der Bedingung, daß jene den Landesgesetzen Genüge leisten.

Im entgegengesetzten Falle sind die kantonalen Behörden befugt, dieselben aus ihrem Gebiete wegzuweisen. Es ist dies ein Recht, welches in der Souveränität der Kantone liegt und außerdem durch eine konstante Praxis begründet ist. Von dem Augenblicke an, wo Fräulein Booth erwiesenermaßen gegen eine polizeiliehe Vorschrift des Kantons Genf sich vergangen hatte, war auch die betreffende kantonale Behörde berechtigt, ihr die Aufenthaltsbewilligung zu entziehen, und zwar ohne daß die Bundesbehörden dieses Vorgehen hätten verhindern oder die Anwendung des in Frage stehenden Rechtes ihrer Kritik hätten unterwerfen können.

Fräulein Booth hat indeß jede Uebertretung einer polizeilichen Vorschrift des Kautons Genf bestritten. Es ist dies der zweite Punkt, auf den sie sich in ihrem Rekurse stützt. Vor Allem lehnt sie die Verantwortlichkeit für die Handlungen und das Treiben der übrigen Mitglieder der Heilsarmee von sich ab. Diese Einrede erwies sich mit Rucksicht auf die ganze Organisation der Heilsarmee und ihre strengen Statuten, insbesondere im Hinblick auf die vorgeschriebene Disziplin und den zu beobachtenden Gehorsam, nicht als stichhaltig. Fräulein Booth, welche die oberste Stelle in der Heilsarmee bekleidete und ein unbedingtes Kommando handhabte, konnte sich der Verantwortlichkeit betreffend die Handlungen, welche von den ihren Befehlen unterstellten Personen begangen worden, nicht entschlagen. Diese Personen hatten im Gebiete des Kantons Genf öffentliche Kollekten veranstaltet. Als nun Fräulein Booth wiederholt ersucht wurde, über die Verwendung der Kollekten Rechenschaft
abzulegen, kam sie dieser Einladung nicht nach. Die Regierung des Kantons Genf hat sie für dieses Verhalten verantwortlich gemacht.

Der Bundesrath seinerseits hat gefunden, daß die rekurrirte Maßregel den Bestimmungen des NiederlassungsVertrages mit Groß-

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britannien nicht zuwiderlaufe, und gestützt darauf den Rekurs der Fräulein Booth abgewiesen. Derselbe ist nicht vor die Bundesversammlung gezogen worden.

Wir heben bei dieser Gelegenheit hervor, daß uns in Ansehung der Heilsarmee wegen Verletzung der Kultusfreiheit, d. h. wogen Mißachtung von Artikel 49 und 50 der Bundesverfassung keinerlei Beschwerden zugekommen sind. Der einzige Rekurs, anläßlich dessen wir uns mit der Heilsarmee zu befassen hatten, ist der soeben angeführte Fall. Dieser bezog sich, wie ersichtlich ist, nur auf die Frage des polizeilichen Kontrolrechts betreffend öffentliche Geldsammlungen und ließ somit alle Fragen, die sich auf die Kultusfreiheit beziehen, unberührt. (Unser Entscheid ist in extenso abgedruckt im Bundesblatt von 1883, III, 401 ff.)

2. Niederlassungsvertrag zwischen der Schweiz und dem deutschen Reiche.

8. Johann Heinrich Friedrich B e n e d i x aus Zörbig , Regierungskreis Merseburg, in der preußischen Provinz Sachsen, hatte sich im September 1882 in Heiden (Kanton Appenzell A.-Rhoden) als ,,homöopathischer Arzt" niedergelassen. Zum Erwerb der Niederlassung war von ihm ein Heimatschein deponirt worden.

Durch das berufliche Gebahren des Benedix veranlaßt verlangte aber der Gerneinderath von Heiden und der Regierungsrath von Appenzell A.-Rh. in Bestätigung des Gemeinderathsbeschlusses die Einlegung des nach Art. 2 des Niederlassungsvertrages zwischen Deutschland und der Schweiz vom 27. April 1876 zur Wohnsitznahme und Niederlassung erforderlichen Leumundszeugnisses. Das Zeugniß eines ,,unbescholtenen Leumundes" sei n e b e n dem Nachweis der bürgerlichen Rechts- und Ehrenfähigkeit beizubringen und werde durch polizeiliehe Bescheinigungen, welche blos besagen, daß Jemand bisher nicht gerichtlich bestraft worden sei, nicht ausreichend ersetzt.

Da Benedix von seiner zuständigen Heimatsbehörde ein solches Leumundszeugniß nicht erlangen konnte, wurde ihm die Niederlassung in Heiden entzogen.

Der Bundesrath wies durch Schlußnahme vom 14. September 1883 den gegen die Verfügung der appenzellischen Behörden (Gemeinderath und Regierungsrath) erhobenen Rekurs des Benedix ab, indem er die Requisite des Artikel 2 des deutsch-schweizerischen Niederlassungsvertrages als in vorliegendem Falle nicht erfüllt betrachtete und im Weitern daran die Bemerkung knüpfte: ,,Die Handlungen, deren sich der Rekurrent während seines Aufenthaltes in Heiden schuldig gemacht hat, indem er sich in

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öffentlichen Ankündigungen fälschlich als ,,Dr. med." bezeichnete und überdem sogar seinen bürgerlichen Namen nicht nur im privaten Verkehr, sondern auch öffentlich (z. B. in einem Zeitungsinserat vom 20. Dezember 1882) unrichtig als ,,Bendik", statt Benedix, angab, sind sowohl in allgemein bürgerlicher Beziehung, als auch vorn Standpunkt des Berufs- und Geschäftslebens aus unehrenhaft und ganz geeignet, die Behörden im konkreten Falle zu einer besonders strengen Handhabung der Bedingungen betreffend die Wohnsitznahme eines Deutschen in der Schweiz zu veranlassen ; es kann daher die appenzellischen Behörden weder der Vorwurf eines ungesetzlichen, d. h. vertragswidrigen, noch derjenige eines ungerechtfertigt harten Vorgehens gegenüber dem Rekurrenten treffen."

cc. Dauer und Kosten der Niederlassungsbewilligung.

9. Kaspar I t e n , Mechaniker, von Unter-Aegeri, wohnhaft in Cham, Kautons Zug, beschwerte sich mit Eingabe vom 19. März d.J.

über die Höhe der Gebühren für Niederlassung, die er in der Gemeinde Baar im Betrage von Fr. 6. 30 und in Cham im Betrage von Fr.'4. 15 hatte bezahlen müssen.

Wir haben in E r w ä g u n g gezogen: 1) Nach Art. 113, Absatz 2, der Bundesverfassung und Art. 59, Ziffer 5, des Organisationsgesetzes über die Bundesrechtspflege steht die Erledigung von Beschwerden betreffend die Rechte der Niedergelassenen (Art. 43, 45 und 47 der Bundesverfassung) dem Bundesrathe, eventuell der Bundesversammlung zu. Der Bundesrath hat sich deßhalb materiell mit der Prüfung der vorliegenden Beschwerde zu befassen.

2) Das Recht der Niederlassung hat durch die Kundesverfassung von 1874 gegenüber dem durch die Verlassung von 1848 begründeten Zustande auch darin eine Umgestaltung erfahren, daß die Niederlassung nicht mehr auf eine gewisse Zeitdauer beschränkt und ebenso wenig deren Erneuerung gefordert werden darf. Die Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 10. Dezember 1849 über die Dauer und die Kosten der Niederlassungsbewilligung (Amtl.

Samml. I, 271) sind bezüglich der Dauer der Niederlassungsbewilligung mit der Annahme der neuen Bundesverfassung außer Kraft getreten (vergi. Bundesblatt 1875, IV, l u l l ; 1876, II, 261).

Nicht so verhält es sich nach der bisherigen rechtlichen AufFassung und Praxis der Bundesbehörden mit den auf die Maximalkosten der Niederlassung bezüglichen Bestimmungen (Art. 2 und 3) des vorerwähnten Gesetzes. Dieselben haben ihre Rechtskraft nicht

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verloren. (Vergl, z. B. Bundesblatt 1876, I, 245 ; II 267 j 1877, II, 520, 526; ferner die Bundesgesetzentwürfe über die politischen Rechte der Schweizerbürger, beziehungsweise Niederlassung und Aufenthalt, vom 28. März 1877 und vom 2. Juni 1882, insbesondere die bundesräthliche Botschaft zu ersterem vom 25. Oktober 1875, im Bundesblatt 1876, IV, 28.)

3) Nach den zitirten Artikeln des Bundesgesetzes vom 10. Dezember 1849, in Verbindung mit Art. 45 der Bundesverfassung, haben die Kantone, beziehungsweise die Gemeinden, so lange nicht ein neues Bundesgesetz abweichende Bestimmungen getroffen haben wird, das Recht, für die Niederlassungsbewilligung eine Kanzleigebühr von höchstens Fr. 6 zu fordern, in welchem Betrage-alle Gebühren enthalten sein müssen, welche für die Bewilligung an den Staat, an Bezirksbeamte oder an die Gemeinden zu entrichten sind.

4) Es folgt hieraus, daß die in § 138 des zugerischen Gemeindegesetzes vorgesehene ,,mäßige Kanzleigebühr" zu Händen der Gemeinden sich innerhalb des unter Ziffer 3 genannten Maximalbetrages zu halten hat.

Dieser Vorschrift widerspricht aber der Bezug einer Stempelgebühr von 30 Cts. nebst der Kanzleitaxe von Fr. 6 in Baar; und demnach unterm ll. Mai 1883 b e s c h l o s s e n : Der Rekurs wird im Sinne der vorstehenden Erwägungen für begründet erklärt mit Bezug; auf die dem Rekurrenten für die Niederlassung in der Gemeinde Baar auferlegte Kanzlei- und Stempelgebühr von zusammen Fr. 6. 30, dagegen als un begründet abgewiesen hinsichtlich der von der Gemeinde Cham in Rechnung gebrachten Gebühren von Fr. 4. 15.

10. In gleichem Sinne beantwortete unser Justizdepartement die Eintrage eines Herrn Paul J a c c a r d , Uhrenfabrikant in Genf, d. d. 20. Dezember 1883.

b. Handels- und Gewerbefreiheit.

aa. S t a t i s t i k .

Die Zahl der Rekurse betreffend die Handels- und Gewerbefreiheit hat sich im Vergleich zum Vorjahre gesteigert; sie beträgt im Berichtjahre 39 (1882: 31; 188l: 30). [Jeher die Rekursgegenstände und deren Erledigung gibt, die nachstehende Uebersicht Auskunft.

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Vom Kanton 1 entsprochen. 1

Hausirwesen Wirthsehaftsbetrieb . .

Besteuerung des TabakHandels Apothekerberuf . . . .

Eingangsgebühren auf Wein und geistigen Getränken (Ohmgeld) Brodverkauf Metzgergewerbe . . . .

Beruf der Effektensensale und Börsenagenten .

Beruf der Hebammen .

Beruf von herumziehenden Schauspielern . . . .

Beruf von herumziehenden Sängern Beruf von herumziehenden Musikanten . . . .

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Im Einzelnen werden folgende Entscheide herausgehoben: bb. H a n d e l s f r e i h e i t .

1. Hypothekarschuldenabzug in Steuersachen.

11. Der gegen den Bundesrathsbeschluß vom 12. Juni 1882 (Bundesblatt 1882, IV, 527) an die Bundesversammlung weitergezogene Rekurs des Herrn Theodor C u r t i, von Rapperswyl, in Zürich, ist vom Nationalrath unterm 25. Juui und vom Ständerath unterm 27. November 1883 abgewiesen worden. Nach diesem Entscheide kann die ungleiche Behandlung der Grundbesitzer in Betreff des Hypothekarschuldenabzugs in Steuersachen, je nachdem jene innerhalb oder außerhalb eines Kantons wohnen, vom Gesichtspunkt der Handelsfreiheit aus nicht angefochten werden. (Vergl. Geschäftsbericht für 1882 im Bundesblatt 1883, II, 865.)

748

2. Eingangsgebühren von Wein uud geistigen Getränken.

12. Namens des Herrn Alois S t u b e r in Eschenbach und 13 anderer Getränkehändler des Kautons Luzern hut Herr Fürsprecher Jost Weber in Luzern unterm 20. März 1883 einen staatsrechtlichen Rekurs eingelegt, in welchem er das Begehren stellt, der Bundesrath wolle die §§ 32, 34, 35, 36, 37 und 41, Ziff. 10 des luzernischen Finanzgesetzes, vom 9. März 1859, soweit sie sich auf Veränderung und Vermehrung des in den Kanton Luzern eingeführten, zur Wiederausfuhr bestimmten Weingeistes und auf die mit der Wiederausfuhr und Rückerstattung des als Sicherheit hinterlegten Ohmgeldbetrages verbundenen Belästigungen beziehen, als mit Art. 31 und 32 der Bundesverfassung unvereinbar erklären und die luzernischen Behörden anweisen, eine Revision dieser gesetzlichen Bestimmungen vorzunehmen.

Die Quintessenz der angefochtenen Bestimmungen besteht darin, daß nur dasjenige Getränke, welches beim Eingang in den Kanton Luzern sofort, als solches bezeichnet wird, als transitirendes Getränke anzusehen ist, daß die Einkellerung desselben in Gegenwart, des Ortsohmgeldaufsehers stattzufinden hat und während der Einkellerung jede Veränderung, Vermehrung oder Ergänzung des Getränkes, so lange die Erklärung, dass es zur Wiederausfuhr bestimmt sei, nicht zurückgezogen worden, als Ohmgeldunterschlagungqualifizirt und bestraft wird, daß endlich die Rückvergütung de» sicherheitsweise für transitirendes Getränke hinterlegten Ohmgeldes nur dann eintreten soll, wenn das Getränke in unverändertem Zustande den Kanton wieder verläßt. Will der Eigenthümer von eingekellertem transitirendem Getränke ausführen, so hat er genauen, ziemlich umständlich gehaltenen KontrolVorschriften sich zu unterziehen.

Die Rekurrenten sagen nun, daß die Anwendung dieser gesetzlichen Bestimmungen den Handel mit Weingeist, welcher zum Konsum dienen und in die angrenzenden Kantone ausgeführt werden solle, geradezu unmöglich mache. Sie erblicken darin eine faktische Aufhebung der Handels- und Verkehrsfreiheit und überdem eine dem Art. 32, litt, a und b, der Bundesverfassung zuwiderlaufende Belästigung des Transitverkehrs.

Nach Kenntnißnahme der Vernehmlassung der Regierung des Kantons Luzern vom 27. April haben wir i n E r w ä g u n g g e zo g e n : 1) Unter den Vorbehalten, welche Art. 31 der Bundesverfassung gegenüber dem von ihm ausgesprochenen Grundsätze der Handels- und Gewerbefreiheit macht, sind auch die Eingangs-

749 gebühren von Wein und geistigen Getränken aufgezählt und zwar mit dem Zusätze, daß diese wie andere vom Bunde ausdrücklich anerkannte Verbrauchssteuern "nach Maßgabe des Art. 32" zugelassen werden.

Es folgt hieraus, daß wenn di<; Kantone beim Bezug solcher Eingangsgebühren den Vorschriften bezw. Beschränkungen des Art. 3'2 der Bundesverfassung Genüge leisten, aus dem Titel der Handels- und Gewerbefreiheit dagegen nichts einzuwenden ist.

2) Nun hat wirklich, wie der Regierungsrath von Luzern es sagt, das luzernische Reglement über den Ohmgeldbezug vom 21. Juni 1874 nach stattgehabter Prüfung am 21. September 1874 die in Art. 32, litt, e, der Bundesverfassung vorgesehene Genehmigung des Bundesrathes erhalten. Die von den Rekurrenten angefochtenen §§ 32, 34, 35, 36, 37 und 41, Ziff. 10, des luzernischen Finanzgesetzes vom 9. März 1859 sind aber in den §§ 14, 16, 20, 21, 22 und 26, Ziff. 10 des allegirten Reglements wörtlich reproduzirt und es ist sonach die Sanktion des Bundesrathes auch den Bestimmungen des Gesetzes zu Theil geworden.

3) Bei dieser Sachlage kann es sich einzig fragen, ob der Bundesrath aus konstitutionellen Gründen sich veranlaßt sehe, auf seinen Beschluß vom 21. September 1874, durch welchen die luzernischen Vorschriften über den Ohmgeldbezug genehmigt wurden, zurückzukommen.

Hiezu ist nun aber (nach der Ansicht des Bundesrathes) kein Grund vorhanden ; denn es kann weder in der im Kanton Luzern geltenden strengen Auffassung des Begriffes von Transit, noch in dem daraus folgenden Wegfall der Rückerstattung des Ohmgeldes in denjenigen Fällen, wo der eingeführte Gegenstand (Sprit) nicht unverändert wieder ausgeführt wird, noch endlich in den diesbezüglichen Kontroivorschriften des Kantons Luzern ein Verstoß gegen Art. 32 der Bundesverfassung erblickt werden.

Danach fehlt der vorliegenden Rekursbeschwerde von vornherein die rechtliche Grundlage, um aus verfassungsmäßigen Gesichtspunkten die fraglichen Bestimmungen der Luzerner Gesetzgebung zu bekämpfen, -- und am 13. Juli 1883 b e s c h l o s s e n , den Rekurs als unbegründet abzuweisen.

3. Verkauf von Lebensmitteln.

13. Auf eine Anfrage des Polizeipräsidenten von R o m o n t , Kantons Freiburg, vom 19. März 1883, über die Verfassungsmäßigkeit

750

des dortigen Meß- und Marktpolizeireglements, welches das Kaufen von Lebensmitteln vor einer bestimmten Stunde (9 Uhr im Sommer und 9 1/2 Uhr im Winter), in der Absicht, wucherliche Aufkäufe zu verhindern, untersagt,hat unser Justiz- und Polizeidepartement einfach daran erinnert, daß durch Beschlüsse des Bundesrathes von 1875 und 1877 das in den Polizeireglementen von Chaux-de-Fonds und von Delsberg enthaltene Verbot des Vorkaufes von Lebensmitteln als dem Art. 31 der Bundesverfassung zuwiderlaufend erklärt, worden sei (Bundesblatt 1876, II, 582; 1877, IV, 723).

Bekanntlich konnten sich in der Beurtheilung des vom GeGevon D e l s b e r g erhobenen Rekurses die eidgenössischen Räthe nicht einigen. Der Nationalrath beharrte am 16. Dezember 1878 definitiv auf der Abweisung des Rekurses (in Zustimmung zum bundesräthlichen Entscheid vom 7. September 1877, oben zitirt), der Ständerath hielt am 19. Dezember 1878 definitiv an der Begründeterklärung des Rekurses (Zulassung des Vorkaufsverbotes) fest. Infolge dessen ist der das Verbot des Vorkaufs als verfassungswidrig erklärende Bundesrathsbeschluß vom 7. September 1877 in Kraft geblieben.

ec. G e w e r b e f r e i h e i t.

1. Wirthschaftswesen.

14. In zehn Fällen hat der Bundesrath auf Art. 31 der Bundesverfassung sich stützende Beschwerden gegen kantonalbehördliche Verweigerung von W i r t h s c h a f t s p a t e n t e n aus dem Grunde mangelnder persönlicher Qualifikation der Bewerber zur Betreibung einer ordentlichen Wirthschaft abgewiesen. In einem Falle waren für unsern abweisenden Entscheid lokale Gründe (die der örtlichen Lage wegen schwierige polizeiliche Ueberwachung des zum Wirthschaftsbetrieb bestimmten Hauses und die ungenügende Höhe der betreffenden Räumlichkeiten) maßgebend.

Es sind hierbei die Wirthschaftsgesetze der Kantone Zürich, Bern, Zug, Freiburg und Obwalden in Frage gekommen, welche dießfalls ziemlich übereinstimmende Vorschriften enthalten. Die im Interesse der Sittenpolizei liegenden Anforderungen an die Patentbewerber und die mit ihnen in ungetrennter Haushaltung lebenden Familien- und Berufsgenossen haben jeweilen besondere Beachtung gefunden. Es ist jedoch zu bemerken, daß das allgemeine Bestreben, dem Ueberwuchern der Wirthschaften und den verheerenden Wirkungen des übermäßigen Alkoholgenusses entgegenzutreten, zu einer
in früherer Zeit, ja noch im Jahre 1882, nicht gekannten Strenge in der Praxis der Bundesbehörden betreffend die persönlichen Requisite der Patentbewerbung geführt, hat.

751

15. Die unter der vorhergehenden Ziffer angedeutete neuere Richtung der bundesrechtlichen Praxis wird sehr scharf beleuchtet durch unsern Beschluß im Rekursfalle des Joseph Wy ß von Hämikon, Kantons Luzern, Bäcker im Melchthal, Gemeinde Kerns (Obwalden).

Unser ganz auf das persönliche Moment der erforderlichen Gewähr für eine ordnungsmäßige Wirtschaftsführung abstellender, den Rekurrenten abweisender Entscheid vorn 7. September 1883 ist abgedruckt im Bundesblatt 1883, IV, 365 ff. Beide Räthe haben demselben zugestimmt, indem sie den Rekurs des Wyß an die Bundesversammlung als unbegründet erklärten.

16. Ebenso wurde der Rekurrent J. Grilléron-Dafflo n, in Bestätigung unseres Beschlusses vom 14. März 1882 (Bundesblatt 1882, III, 360), von der Bundesversammlung abgewiesen. (29. November/6. Dezember 1883.) Es verdient hervorgehoben zu werden, daß die Mehrheit der nationalräthlichen Kommission die Abweisung des Rekurses aus zu Protokoll erklärten Motiven beantragt hat, die von denjenigen des Bundesrathes abweichen und ausschließlich auf p e r s ö n l i c h e Verhältnisse des Rekurrenten sich beziehen.

17. Hinwieder haben beide gesetzgebende Räthe bei Entscheidung der bekannten Rekurssache des G. A. G r ä m i g e r oder richtiger der K a n t o n a l b a n k von A p p e n z e l l A./Rh. gegen eine Verfügung der Regierung von S(, Gallen durch ihre Schlußnahme vom 6./7. Juli 1883 den Art. 4, Absatz 2, des st. g a l l i s c h e n Gesetzes ü b e r die B e t r e i b u n g von W i r t h s c h a f t e n , vom 17. Mai / 5. Juli 1881, als dem Art. 31 der Bundesverfassung widersprechend, außer Kraft gesetzt. (Der Ständerath hatte zuerst, am 24. April 1883, beschlossen, es werde der jenen Artikel des kantonalen Gesetzes betreffende Theil des Bundesrathsbeschlusses aufgehoben, weil Art. 4, Absatz 2, des st. gallischen fassung nicht involvire.)

Die mehrerwähnte Gesetzesbestimmung lautet : ,,Wenn bei zu starker Vermehrung dei- an einem Orte bestehenden Wirthschaften ernstliehe Besorgnisse für das öffentliche Interesse begründet sind, so ist der Regierungsrath berechtigt, die Ertheilung neuer Wirthschaftspatente bis auf Weiteres einzustellen."

Der Bundesrath fand, daß die einer kantonalen Behörde eingeräumte Fakultät, die Wirtschaften auf eine Normalzahl zu beschränken, gegen das bestehende, durch eine konsequente
Praxis seit 1874 festgestellte Bundesrecht verstoße. Die Bundesversammlung hat dieser Anschauungsweise durch ihren oben angeführten Beschluß beigepflichtet. Unser Beschluß datirt vom 16. Januar 1883

752 und ist abgedruckt im Bundesblatt von 1883, I. Band, S. 219 ff.

Der Bundesbeschluß vom 7. Juli 1883 findet sich im Bundesblatt von 1883, III. Band, Seite 346.

18. In Folge des eben erwähnten Bundesbeschlusses hat der Regierungsrath des Kantons St. Galleu einem Wirthschaftspatentgesuch für die Gemeinde Tablat, das er vorher mit der Motivirung, daß die Zahl der Wirthschaften in dieser Gemeinde in Besorgniß erregender Weise sich vermehrt habe (l Schankstelle auf nicht ganz 100 Einwohner), abgewiesen hatte, nachträglieh entsprochen, so daß der bei uns eingelegte Rekurs in diesem Falle gegenstandslos wurde.

ü. Bäckerei und Brodverkauf.

19. Wir erinnern hier an unsere vorjährige Berichterstattung (Bundesblatt 1883, II, 868 und 869) und namentlich an unsern Spezialbericht vom 9. März 1883 (Bundesblatt 1883, I, 359), der eine Z u s a m m e n s t e l l u n g d e r k a n t o n a l e n V o r s c h r i f t e n über Maß und G e w i c h t beim Verkauf der Lebensrnittel, insbesondere des B r o d e s , enthält und die Ansichten der Kantonsregierungen über die praktische Wirksamkeit und die Wünschbarkeit des Fortbestandes der bezüglichen Bestimmungen im Wesentlichen wiedergibt.

Die gesetzgebenden Räthe haben, der Nationalität!) am 2. April und der Ständerath am 9. April 1883, auf den Rekurs der Regierung des Kantons Bern unsere beiden Entscheidungen vom 27. Januar 1882 (Bundesblatt 1882, III, 703 und 709) ohne Diskussion aufgehoben und dadurch im Gegensatz zu der seit 1874 bis dahin eingeschlagenen Praxis anerkannt, daß die Vorschrift eines obligatorisch bestimmten Gewichtes für den Brodverkauf mit Art. 3l der Bundesverfassung verträglich sei.

Drei bei uns anhängig gemachte Rekurse aus dem Kanton Z ü r i c h gegen gerichtliehe Verurtheilungen auf Grund der dortigen Gesetzgebung betreffend B r o d g e w i c h t sind hierauf zurückgezogen worden.

3. Metzgergewerbe.

20. Heinrich S c h u m a c h e r , Grundbesitzer, in Holligen bei Bern, und der V e r e i n der M e t z g e r m e i s t e r in Bern wurden von den bernischen Behörden in letzter Instanz am 29. September 1881 vom Regierungsrath des Kantons Bern mit ihrem Gesuche, es sei ihnen die Bau- und Einrichtungsbewilligung behufs Erstellung einer

753 Schlachtanstalt in Holligen unter angemessenen Vorbehalten in aanitätspolizeilieher Richtung zu ertheilen, abgewiesen.

Gegen diesen Entscheid rekurrirte unterm 6. November 1882 Namens der Genannten Herr Fürsprecher Hofer in Bern, wegen angeblicher Verletzung der in Art. 3l der Bundesverfassung gewährleisteten Handels- und Gewerbefreiheit.

Nach Einsichtnahme der Vernehmlassung der Regierung des Kantons Bern vom 16. April 1883 wurde auf den Antrag des Justizund Polizeidepartements, gestützt auf folgende E r w ä g u n g e n : 1) Der Bundesrath hat schon durch seinen Entscheid vom o. April 1882 (in Sachen Barmettler contra Nidwaiden, s. Bundesblatt 1883, II, 869, Nr. 20) anerkannt, daß kantonale Verordnungen, durch welche die Gemeinden ermächtigt werden, für das Schlachten von Groß- und Kleinvieh besondere Lokale zu bezeichnen, in denen allein geschlachtet werden darf, nach Art. 31, litt, e, der Bundesverfassung vollkommen zuläßig und vorn sanitätspolizeilichen Standpunkte aus gerechtfertigt seien, und daß in dieser, in allen größern Ortschaften der Schweiz bestehenden Einrichtung eine Beeinträchtigung des Grundsatzes der Gewerbefreiheit nicht gefunden werden könne.

2) Die Frage, ob im Kanton Bern und speziell in der Gemeinde Bern derartige Bestimmungen gegenwärtig zu Ree.ht bestehen oder ob sie durch ein kantonales Gesetz aufgehoben seien, entzieht sich der Kognition der Bundesrathes.

Es genügt für die rechtliche Beurtheilung des Rekursfalles, soweit sie dem Bundesrathe anheimfällt, hierorts zu konstatiren, daß von Bundes wegen gegen dieselben nichts einzuwenden ist, wobei jedoch immerhin die Bemerkung angebracht werden mag, daß eine diesfällige Unterscheidung zwischen sogen, konzessionirten und nicht konzessionirten Metzgern keine Geltung mehr haben kann.

3) Wenn demnach unter der von der Kantonsregierung bestätigten Voraussetzung, daß durch vollkommen rechtskräftige Bestimmungen im Kanton und speziell in der Gemeinde Bern für das gewerbsmäßige Schlachten von Groß- und Kleinvieh die ausschließliche Benützung der seit 1882 eröffneten öffentlichen Schlachthausanlage vorgeschrieben ist, der Rekurs ohne Weiteres dahinfallen muß, so kann sich der Bundesrath einer Untersuchung der Frage entschlagen, ob die von den ßekurrenten projektirte Privatschlachtanlage in Holligen den im öffentlichen Interesse liegenden baulichen und sanitätspolizeilichen Anforderungen entsprechend wäre oder ob und eventuell welche Vorbehalte von der Kantonalbehörde

754

io dieser Richtuug an die Brrichtungs- und Baubewilligung geknüpft werden dürfen und sollen.

Es erhellt übrigens aus den Akten zur Genüge, daß der Abweisungsbeschluß der Direktion des Innern und der Regierung des Kantons Bern auch in dieser Richtung materiell wohlbegründet ist und dem Art. 31 der Bundesverfassung keineswegs widerstreitet, -- der Rekurs als unbegründet abgewiesen.

4. Gewerbesteuer (Banknotenbesteuerung).

21. Der Rekurs des Kleinen Käthes des Kantons G r a u b i i n d e n gegen unsern Entscheid vom 2l. Februar 1879 (Bundesblatt 1879, III, 683) betreffend das Gesetz dieses Kantons über A u s g a b e von B a n k n o t e n wurde, wie bekannt ist, durch formulirten Bundesbeschluß vom 28. Juni 1881 (Bundesblatt 1881, III, 559) theilweise, nämlich soweit er die Notenbesteuerung betrifft, als begründet erklärt, gestützt darauf, daß der § 12 des kantonalen Gesetzes betreffend die Banknotenbesteuerung bis zur Zeit des Inkrafttretens des Bundesgesetzes über Ausgabe und Einlösung von Banknoten (1. Januar 1882) gegen keinerlei Bestimmungen der Bundesverfassung und der Bundesgesetzgebung verstoße.

Mittelst eines Memorials vom 16. Juli 1881 führte hierauf Herr Professor Di'. Hilty in Bern Namens und im Auftrage des Verwaltungsrathes der Bank für Graubünden, dessen Mitglied Herr Hilty ist, gegen die Rechnungsaufstellung der Finanzverwaltung des Kantons Graubünden vom 6. Juli 1881 beim Bundesrathe Beschwerde. Nach dieser Aufstellung wurde von der Bank für Graubünden nachträglich eine Konzessionsgebühr für 3 Jahre, im Betrag von Fr. 33,750, überdies Verzugszins zu 5 °/o und eventuell noch eine weitere Zahlung für die Konzession des laufenden Jahres gefordert. Alle diese Konsequenzen, sagt das Memorial, können dem (oben allegirten) Bundesbeschlusse nicht entnommen werden.

Nach Anhörung der Berichte des Justiz- und Polizeidepartements und des Finanzdepartements haben wir unterm 23. Januar 1883, in Erwägung ziehend : 1) Der einzige rechtliche Gesichtspunkt, von welchem aus der Bundesrath die vorliegende Rekursbeschwerde materiell seiner Beurtheilung unterwerfen kann, stellt sich in der Frage dar, ob die Besteuerung der Notenemission der Bank für Graubünden pro 1878, 1879 und 1880 mit einer Konzessionsgebühr von l °/o, wie

755

aie die Finanzvervvaltung des Kantons Graubünden vornehmen will, gegen den Grundsatz des Artikels 31 der Bundesverfassung verstoße.

Die Prüfung und Entscheidung aller übrigen von der Rekurrentin aufgeworfenen Fragen -- dahingehend, ob das Banknotengesetz des Kantons Graubünden von 1877 auf die Rekurrentin überhaupt, eventuell seit welchem Zeitpunkte und bis wann es auf sie anwendbar sei, wie hoch die zu besteuernden Emissionssummen in Wirklichkeit sich belaufen, ob und in welchem Verhältnisse von den rückständigen Steuerbeträgen Verzugszinse berechnet werden dürfen -- entzieht sich, weil in die Kompetenz der kantonalen Behörden, eventuell des Bundesgerichtes, fallend, der Zuständigkeit des Bundesrathes (Art. 102, Ziffer 2, und 113, Absatz 2, ' der Bundesverfassung in Verbindung mit Art. 59, Ziffer l--10, des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege).

2) Die unter Ziffer l erwähnte Frage hat durch den Bundesbeschluß vom 28. Juni 1881 ihre definitive Beantwortung in dem Sinne gefunden, daß der Erhebung einer Banknotensteuer in Form einer jährlichen Konzessionsgebühr von l °/o der Emissionssumme nach Maßgabe von § 12 des Banknotengesetzes von Graubüuden bis zum Inkrafttreten des Bundesgesetzes über Ausgabe und Einlösung von Banknoten (1. Januar 1882) keinerlei Bestimmungen der Bundesverfassung und der Bundesgesetzgebung entgegenstehen, die Rekurabeschwerde der Bank für Graubünden -- aus den vorstehenden Motiven -- a l s u n b e g r ü n d e t a b g e w i e s e n .

5. Hausirwesen.

22. Eine Reihe von Eintragen und Beschwerden über den Fortbezug der kantonalen P a t e n t t a x e n gegenüber schweizerischen, nicht mit Waaren hausirenden H a n d e l s r e i s e n d e n haben wir durch einfache Verweisung auf unsern Bericht an die Bundesversammlung über diesen Gegenstand, vom 9. November 1883 (abgedruckt im Bundesblatt 1883, IV, 405), erledigt.

Ueber den daherieen Bundesbeschluß vom 11. Dezember 1883 O und weiteres Vorgehen in Bezug auf das Hausirwesen, wurde von uns bereits beim Abschnitte ,,Gesetzgebung"1 berichtet.

23. Joseph Simon C a s t i n e l aus Maube, Departement Vaueluse (Frankreich), welcher mit Niederlassungsbewilligung in Peterlingen, Kantons Waadt, wohnt und dort die jährliche Kopfsteuer bezahlt, wurde wegen Eröffnung eines Waarenlagers (Grand Bazar

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Francais im Saale einer Wirthschaft iü Peterlingen während der Zeit vom 28. September bis 7. Oktober vorigen Jahres) ohne vorgängige Patenterhebung gemäß Art. l und 9 des waadtländischen Hausirgesetzes vom 28. Mai 1878 in letzter Instanz vom Kassationsgericht des Kantons Waadt zu einer Buße von 100 Fr. und den Kosten verurtheilt. Castinel glaubte in seiner Eigenschaft als Franzose und weil in Peterlingen fest niedergelassen, zur Lösung eines Patentes für den vorübergehenden Betrieb eines Waarenlagers daselbst nicht verpflichtet zu sein und beschwerte sich mit Eingabe vom 17. v. Alts, wegen Beeinträchtigung der in Art. 31 der Bundesverfassung gewährleisteten Handels- und Gewerbefreiheit.

Gestützt auf folgende Erwägungen : 1) Der Art. l des NiederlassungsVertrages zwischen der Schweiz und Frankreich sichert den in der Schweiz sich aufhaltenden Franzosen die Gleichbehandlung mit den Angehörigen des betreffenden Kantons, insonderheit auch in Bezug auf die Ausübung jeder Art von Handel und Gewerbe zu.

Die Eigenschaft des Rekurrenten, als eines Franzosen, ist deshalb kein Grund, den vorliegenden Rekurs nach irgend welchen andern Gesichtspunkten zu behandeln, als wenn es sich um den Rekurs eines Angehörigen des Kantons Waadt handeln würde.

2) In der Sache selbst aber kann der Bundesrath kein Motiv auffinden, dem Rekurs begehren zu entsprechen.

Denn einmal entzieht sich eine Prüfung des vom Kassationshofe des Kantons Waadt seinem Urtheile vom 16. November 1882 zu Grunde gelegten Thatbestandes der Kompetenz des Bundesrathes.

Anderntheils aber enthält die Bestimmung des Art. 9 des waadtländischen Hausirgesetzes in der ihm vom Kassationshofe gegebenen Auslegung keinen Widerspruch mit Artikel 31 der Bundesverfassung, indem der Erwerb einer Niederlassung nicht die Möglichkeit und Zulässigkeit eines Gewerbbetriebes nach dem Begriffe und der Art des Hausirens, des bloßen Ausverkaufs, des zeitweiligen Feilbietens von Waaren in Lagern u. s. w. ausschließt, weshalb auch auf einen Niedergelassenen, nach der ausdrückliehen Bestimmung des allegirten Artikels, die Vorschriften über das Hausirwesen schlechterdings Anwendung finden dürfen, -- haben wir am 16. März 1883 den Rekurs als u n b e g r ü n d e t abgewiesen.

24. Der Rekurs des M o s e s D i t i s h e i m in Gelterkinden wegen gerichtlicher Bestrafung infolge Bestell ungsaufnahme ohne

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Patentbesitz, gerichtet gegen den abweisenden Bundesrathsbeschluß vom 19. Januar 1883 (Bundesblatt 1883, II, 514), wurde von Ihnen gleichfalls als unbegründet erklärt (24. April / 23. Juni 1883).

6. Apothekerberuf.

25. Durch Eingaben vom 5. Mai und 2. Dezember 1882 erhob der t e s s i n i s c h e A p o t h e k e r v e r e i n Beschwerde gegen das Verfahren der dortigen Regierungsbehörde, wonach auch NichtApothekern gestattet wird, Heilmittel zu halten, zu bereiten und zu verkaufen.

Unser Departement des Innern, welchem das Geschäft zur Vorberathung zugewiesen war, hat, von der Ansicht geleitet, daß dieser Rekurs der speziell rechtlichen Würdigung des Justiz- und Polizeidepartements unterstellt werden solle, die bezüglichen Akten dem letztgenannten Departemente im Laufe des Jahres 1883 übermittelt.

Das Justiz- und Polizeidepartement erklärt nach Prüfung der Akten, daß es demnächst darüber sein Gutachten abgeben werde.

26. Wir erwähnen unter dieser Kategorie der Geschäfte auch die vom Regierungsrath des K a n t o n s Z ü r i c h am 28. Oktober 1882 Angesichts der bevorstehenden Revision des z u r cherisch en M ed iz i n al ge se t z es an den Bundesrath gerichtete Einfrage, ob nach der Auffassung des Bundesrathes die bisher durch die Züricher Gesetzgebung statuirte Taxordnung für die Medikamente (sogen. Apotheker- oder Rezepturtaxen) gegenüber Art. 31 der Bundesverfassung noch ferner aufrecht erhalten werden könne.

Unter vollkommener Wahrung der Entscheidungsfreiheit des Bundesrathes als Rekursbehörde wurde in Genehmigung des vom Justiz- und Polizeidepartement vorgelegten Antwort-Entwurfes der «infragenden Regierung vom Bundesrath am 6. Februar 1883 im Wesentlichen Folgendes erwiedert : Die Frage der Zulässigkeit von Apotheker-Taxordnungen stehe seines Erachtens in natürlichem Zusammenhang mit der allgemeinen Frage, welche Stellung der Pharmazie als solcher anzuweisen sei, ob man sie als ein einfaches kaufmännisches Gewerbe betrachte und demgemäß wie ein solches vollständig durch Artikel 31 der Bundesverfassung beherrschen lasse, oder ob mau ihr den Charakter einer wissenschaftlichen Berufsart a u s s c h l i e ß l i c h oder l i e b e n dem gewerblichen Charakter zuerkenne. Diese Frage müsse als eine offene bezeichnet werden und der Bundesrath anBundesblatt. 36. Jahrg. Bd. II.

52

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erkenne insbesondere, daß die Pharmazie nicht kurzweg als das eine o d e r das andere, als bloßes kaufmännisches Gewerbe o d e r als wissenschaftliche Berufsart, mit andern Worten, nicht ausschließlich nach Art. 31 oder nach Art. 33 der Bundesverfassung behandelt werden könne.

Der Bundesrath halte die vorwürfige Frage auch nicht für präjudizirt durch seinen Entscheid in Sachen Sauter contra Zürich vom 28. Juni 1881, welcher die a u s s c h l i e ß l i c h e Unterordnung des Apothekerberufes unter Art. 31 der Bundesverfassung nicht statuire.

7. Schauspielerberuf.

27. Wittwe Anna Margaretha F r i c k von Knonau, Kantons Zürich, Direktorin einer umherziehenden Schauspielertruppe, hatte im Kanton St. Gallen behufs Ausübung ihres Berufes das nach dem dortigen Gesetze über den Marktverkehr und das Hausiren, vom 13. Januar 1879, hiezu erforderliche kantonale Patent erworben.

Infolge davon beabsichtigte sie, in der st. gallischen Gemeinde Ebnat eine Reihe von theatralischen Vorstellungen zu geben und suchte zu diesem Zwecke um die Genehmigung der lokalen Behörde nach. Allein der Gemeinderath von Ebnat entsprach ihrem Begehren nicht, erklärte sich jedoch bereit, ihr die Bewilligung zur Niederlassung in der Gemeinde zu ertheilen.

Eine Beschwerde gegen diese Verfügung wurde vom Regierungsrath des Kantons St. Gallen am 9. Juni 1883 abgewiesen, woraufhin Wittwe Frick unterm 27. Juni wegen Beeinträchtigung der in Art. 31 der Bundesverfassung gewährleisteten Gewerbefreiheit an den Bundesrath rekurrirte.

Nach Antrag des Justiz- und Polizeidepartements wurde in Erwägung: 1) Das st. gallische Gesetz über den Mark t verkehr und das Hausiren, vom 23. November 1878, in Kraft getreten am 13. Januar 1879, reiht in Art. 4, Ziffer 5, den Beruf eines herumziehenden Schauspielers unter den Begriff der sogenannten künstlerischen Hausirgewerbe ein, welche nicht nur der staatlichen Patenttaxe unterliegen und einer gleich hohen Taxe zu Händen der Gemeindepolizeikasse unterworfen werden können, sondern überdem gemäß Art. 16, zweitletztes Lemma, ohne Visirung des Patents durch die betreffende (Gemeinde-) Polizeibehörde nicht ausgeübt werden dürfen, wobei es der Behörde freistehen soll, das Visum zu ertheilen oder zu verweigern.

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Es fragt sich n u n , ob in dieser Gesetzesbestimmung, welche in concreto vom Gemeinderathe von Ebnat auf die Rekurrentin als Direktorin einer herumziehenden Schauspielertruppe in prohibitivem Sinne angewendet wurde, ein Verstoß gegen den bundesverfassungsmäßig gewährleisteten Grundsatz der Gewerbefreiheit liege oder nicht.

2) Nun steht es aber nicht nur theoretisch fest, sondern ist auch ein praktisch überall, zumal in den schweizerischen Kantonen, beziehungsweise Gemeinden, von jeher anerkannter und durchgeführter Grundsatz, daß die Ausübung des Schauspielerberufes nicht als der Betrieb eines Gewerbes im gewöhnlichen Sinne des Wortes aufgefaßt werden kann, weil das Bühnenspiel vor Allem in moralischer und ästhetischer Richtung auf das Publikum einzuwirken bestimmt ist.

Es ist darum nichts dagegen einzuwenden, wenn in einer Gemeinde theatralische Aufführungen ohne vorgäugige Bewilligung der zuständigen Polizeibehörde nicht stattfinden dürfen und wenn die Behörde nach freiem Ermessen, einzig von Gründen der Zweckmäßigkeit geleitet, ihre diesfällige Verfügung trifft.

Ob bei denjenigen, welche berufsmäßig oder ausnahmsweise öffentliche Schauspiele veranstalten, die künstlerische Tendenz oder ·die Absicht auf materiellen Gewinn vorwiege, hat weder für die Sache selbst, noch für die Würdigung eines konkreten Falles seitens der Behörde irgend welche Bedeutung.

3) Demnach stehen die unter Ziffer l allegirten Bestimmungen des st. gallischen Gesetzes mit Art. 31 der Bundesverfassung keineswegs im Widerspruche, und es ist die in Anwendung dieser Bestimmungen vom Gemeinderathe von Ebnat ausgegangene Nichtgestattung theatralischer Aufführungen nicht, wie die Rekurrentin es verlangt, als eine bundesrechtswidrige Verfügung zu erklären, -- durch Beschluß vorn 14. August 1883 der Rekurs als unbegründet abgewiesen.

o. Konfessionelle Verhältnisse.

28. In Sachen des P h i l i p p A n d e r m a t t , Landwirth in Baar, Kantons Zug, der wegen Nichtgestattung der landwirtschaftlichen und gewerblichen Arbeiten an den Festtagen, an denen die Fabriken arbeiten dürfen, gegen die Verordnung des Kantons Zug über S o n n t a g s. p o l i z e i vom 18. Oktober 1876 an uns rekurrirt hatte, jedoch durch unsern Beschluß vom 12. September 1882 (Bundesblatt 1883, I, 416) abgewiesen worden war, haben

760

wir bereits im letztjährigen Berichte der Weiterziehung des Rekurses au die Bundesversammlung gedacht. Da die Rekursschrift des Andermatt an die Bundesversammlung Neuerungen tatsächlicher und rechtlicher Natur vorbrachte, so hat der Ständerath am 21. April den Rekurs zu vorgängiger neuer Beschlußfassung an uns zurückgewiesen. Wir kamen diesem Auftrage nach und erstatteten unterm 15. Mai 1883 einen die ganze Frage der Sonntagspolizei und des Verbotes der Arbeit an Sonn- und Festtagen nach der bisherigen bundesrechtlichen Praxis beleuchtenden Bericht, mit Anwendung der feststehenden Grundsätze auf den konkreten Fall, im Sinne der Abweisung des Rekurses Andermatt. Dieser Bericht ist im Bundesblatt 1883, II, 1013 erschienen. Beide Räthe schlössen sich unseren Ausführungen an und erklärten den Rekurs für unbegründet. Der ständeräthliche Kommissionalbericht findet sich gleichfalls abgedruckt im Bundesblatt, Jahrgang 1883, Bd. IV, S. 746.

d. Stimmrecht; Wahlen und Abstimmungen.

29. Da die Regierung des Kantons Z u g durch Schreiben vom 17. April 1883 an ihren von uns als unrichtig befundenen Ansichten über den N a c h w e i s d e r S ti m m b e r e c h ti g un g in. eidgenössischen Angelegenheiten (siehe Geschäftsbericht pro 1882, im Bundesblatt 1883, II, 885) festzuhalten und für künftige eidg.

Abstimmungen, sofern inzwischen nicht ein Bundesgesetz die Frage definitiv regle, sich die Wahrung ihres Standpunktes vorzubehalten erklärte, so antworteten wir unterm 23. April 1883, daß der Bundesrath auf einen solchen Vorbehalt keine Rücksicht nehmen könne, es wäre denn, daß die höhere Instanz der Bundesversammlung eine von der bundesräthlichen Verfügung abweichende Schlußnahme treffen sollte.

30. Auf den Rekurs des S t a a t s rat h es des K a u t o n s T es s i n vom 28. November 1881 (Bundesblatt 1881, IV, 706, 978; 1882, I, 148) gegen den Bundesrathsbeschluß vom 22. November 1881, betreffend die provisorische Einberufung des Herrn C. Battaglini zu den Nationalrathssitzungen durch den Bundesrath, wurde von der Bundesversammlung aus dem Motive, daß der Rekurs infolge der seitherigen Verhandlungen und Beschlüsse gegenstandslos geworden sei, nicht eingetreten. (Bundesbeschluß vom 11. April 1883; Bundesblatt 1883, II, 517.)

31. Bin Rekurs der Herren Glanzmann und Genossen in Es e h o l z m a t t , K a n t o n s L u z er n, betreffend die Kassation

761

einer am 21. Januar 1883 im Kreise Escholzmatt stattgehabten B e z i r k s r i c h t e r w ä h l hat den Bundesrath veranlaßt, die Regierung des Kantons Luzern anzuweisen, die von ihr auf 18. März 1883 angesetzte neue Wahlverhandlung bis zum Entscheide des Bundesrathes über die eingelegte Beschwerde zu verschieben.

Der Sachverhalt ist folgender: Am 21. Januar 1883 wurde Hr. Gerichtssuppleant und Kirchmeier Anton Husistein von und in Escholzmatt mit 453 Stimmen bei einem absoluten Mehr von 435 Stimmen zum Mitgliede des Bezirksgerichts Eseholzrnatt gewählt. Ein Kassationsgesuch, das gegen diese Wahl bei der Regierung des Kantons Luzern einging, wurde von letzterer abgewiesen ; dagegen hob die Regierung die Wahl von Amtes wegen auf, weil das Stimmregister der im Wahlbezirk gelegenen Gemeinde Marbach auf die Wahl vom 21. Januar abhin nicht bereinigt worden war, was im Hinblick auf § 29 der Kantonsverfassung, §§ 3, 59 und 208 des Organisationsgesetzes und § 3 des Gesetzes über das Verfahren bei den Bezirksrichterwahlen zur Kassation führen müsse, zumal das für die Wahl vom 21. Januar in Marbach benützte Stimmregister zuletzt auf die eidgenössische Abstimmung vom 26. November 1882 hin bereinigt worden sei und die Vorschriften über die Stimmbereehtigung in eidgenössischen Angelegenheiten für kantonale Wahlen nicht maßgebend seien.

Eine Beschwerde der HH. Glanzmann und Genossen an den Großen ßath des Kantons Luzern, in welcher sie die Aufhebung des Beschlusses der Regierung vom 23. Februar, eventuell, gestüt/t auf § 219 des Organisationsgesetzes und § 9 des Gesetzes über die Bezirksrichterwahleu, die Beschränkung der Kassation auf die Wahlverhandlung der Gemeinde Marbach verlangten, wurde am 10. März abgewiesen.

In ihrer hierauf an den Bundesrath gerichteten Beschwerde, in welcher die Aufrechterhaltung der Wahl verlangt wird, berufen sich die Rekurreuten darauf, daß die §§ 67 und 4 der Kantonsverfassung wie auch Art. 4 dei1 Bundesverfassung durch die Entscheide der Regierung und des Großen Rathes des Kantons Luzern verletzt worden seien. § 67 der Kantonsverfassung schreibe vor, daß die Verordnungen und Beschlüsse des Regierungsrathes der Verfassung und den bestehenden Gesetzen nicht zuwiderlaufen dürfen. Die von der Regierung angeordnete Kassation der Wahl sei aber nicht gesetzlich; denn der Regierungsrath
könne nach § 219 des Organisationsgesetees die Rieh ter wählen allerdings wegen wesentlicher Unförmlichkeiteu ,,bei der Wahlverhandlung a kassiren; die Stimmregister müssen aber v o r der Wahl bereinigt werden und gegen dieselben sei kein Einspruch erhoben worden. Sodann

762 habe die Regierung von Luzern, wenn konservative Wahlen in Frage gekommen, dem Gesetz eine andere Bedeutung beigelegt, und hierin liege eine Verletzung des in § 4 der luzernischen und Art. 4 der eidgenössischen Verfassung aufgestellten Grundsatzes der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetze. (Die Rekurrenten versuchten für ihre Behauptung mittelst einiger Spezialfalle den Nachweis zu erbringen.)

Der Regierungsrath des Kantons Luzern bestritt iu seiner Vernehmlassung vom 2. Mai 1883 dem Bundesrath die Kompetenz zur Sistirung der angeordneten Neuwahl. Der Bundesrath habe sich inner den Grenzen des Art. 85, Ziffer 12, und des Art. 102, Ziffer 2, der Bundesverfassung und Art. 59 des Organisationsgesetzes über die Bundesrechtspüege nur mit Beschwerden über die G ü l t i g k e i t von W a h l e n , also bloß mit bereits vollzogenen Wahlen zu befassen. Er nimmt sodann das von ihm beobachtete Verfahren in Schutz, hebt insbesondere hervor, daß nach dem Bericht des Statthalteramts Entlebuch vom 5. April abhin auf den» für die Abstimmung benutzten Stimmregister 28 Bürger figurirten, welche bloß zu eidgenössischen, nicht aber kantonalen Abstimmungen berechtigt seien, und weist unter Anführung der Verhältnisse der von den Beschwerdeführern besprochenen Fälle, in welchen eine andere Rechtssprechung zur Geltung gekommen sein soll, den Vorwurf der ungleichen Behandlung der Bürger je nach deren Parteistandpunkt zurück.

Nach Einsichtnahme des Berichtes und Antrages des Justizund Polizeidepartements und i n E r w ä g u n g ziehend: * A. In B e t r e f f d e r K o m p e t e n z f r a g e .

1) Der unter dei- Herrschaft der Bundesverfassung von 1848 zur allgemeinen Anerkennung gelangte Rechtssatz, daß es Sache der kompetenten Behörden der Kantone ist, über Beschwerden betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen zu entscheiden, und daß ein Rekurs an die Bundesbehörden erst nach Durchlaufung der kantonalen Instanzen und nur dann als begründet erscheint, wenn durch die Entscheidung der Kantonsbehörden Rechte verletzt worden, die durch die Bundesverfassung gewährleistet sind, hat durch die Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 und das Bundesgesetz, vom 27. Juni 1874 über die Organisation der Bundesrechtspflege, sowie durch die seitherige bundesrechtliche Praxis seine volle Bestätigung gefunden.

Kraft der Bestimmungen der Art. 5, 85, Ziffer 8 ; 102, Ziffer 3, der Bundesverfassung und nach Maßgabe von Art. 102, Ziffer 2,

763

und Art. 113, Absatz 2, derselben hat das oben angeführte Bundesgesetz dem Bundesrathe, beziehungsweise der Bundesversammlung, im Art. 59, Ziffer 9, die Erledigung von Beschwerden gegen die Gültigkeit kantonaler Wahlen und Abstimmungen als eine Admiuistrativsache vorbehalten, sofern solche Rechte von Privaten oder Korporationen in Frage kommen, welche ihnen entweder durch die Bundesverfassung oder die in Ausführung derselben erlassenen Bundesgesetze oder durch die -- vom Bunde gewährleistete -- Verfassung ihres Kantons garantirt sind, und die Bundesbehördeu haben ihrerseits in der Praxis diese ihrer Kompetenz gezogene Grenzlinie stets auf das Genaueste beachtet. (Bundesblatt 1875, IV, 437 ff; 1876, l, 103, 953; III, 191; 1877, IV, 144 ; 1878, II, 503 u. a. m.)

2) Wenn auch das Bundesgesetz vom 27. Juni 1874 a. a. 0.

von Beschwerden ,,gegen" die Gültigkeit kantonaler Wahlen und Abstimmungen spricht, so ist doch das Beschwerderecht immer auch in den Fällen eingeräumt worden, wo gegenüber den Beschlüssen der Kantonalbehörden, wegen Verletzung verfassungsrechtlicher Normen durch dieselben, die G ü l t i g k e i t einer Wahl von einem oder mehreren Bürgern behauptet und durch Anrufung der Bundesintervention zur Anerkennung gebracht werden wollte (cf. z. B.

Bundesblatt 1876, I, 953, und III, 191; 1877, II, 529).

83 Ein solcher Fall liegt hierorts vor. Wenn der Regierungsvath des Kantons Luzern die Wahl Verhandlung vom 21. Januar 1883 als eine rechtlich nicht vollendete Thatsache darstellt, so muß ihm entgegengehalten werden, daß sie jedenfalls eine rechtlich in Betracht fallende Thatsache ist. Der Regierungsrath selbst hat ihren formellen Abschluß durch Proklamation des Wahlresultates irn Kautonsblatt vom 25. Januar 1883 anerkannt. Darüber eben herrscht nun Streit, ob das proklamirte Wahlresultat vom Regierungsrathe nachträglich verfassungsgemäß mit Recht kassirt wurde oder ob nicht vielmehr der Regierungsrath durch diese seine Schlußnahme verfassungsmäßige Rechte der Bürger verletzt habe. W e i l der Regierungsrath seinen Kassationsentscheid als einen rechtlich begründeten ansieht, erblickt er in dem Wahlakte vom 21. Januar keine rechtlich vollendete Thatsache, kurz gesagt, k e i n e W a h l , und glaubt deßhalb gegen die provisorische Verfügung des Bundesrathes, welche die Vollziehung einer Neuwahl
vor dem bundesmäßigen Entscheide über die stattgehabte Wahlverhandlung verhindert hat, sich auflehnen zu müssen. Seine Argumentation läuft jedoch auf eine petitio principii hinaus und es steht ihm daher nicht zu, die Kompetenz des Bundesrathes zum Erlaß einer den status quo wahrenden, den thatsächlich und formell v o l l z o g e n e n Wahlakt vom 21. Januar einstweilen als vorhanden anerkennenden

764

und intakt erhaltenden Zwischenverfügung zu bestreiten. Die von der Regierung von Luzern zum Nachweis einer gegenteiligen bisherigen Bundespraxis angeführten Beispiele betreffen sammt und sonders Rekursbeschwerden gegen kantonalbehördliche Verfügungen über Stimmrechtsverhältnisse mit Rücksicht auf b e v o r s t e h e n d e Wahlen und Abstimmungen und können daher für ihre Behauptung keine Stützpunkte bilden. Uebrigens würde, wenn die Anschauungsweise des luzernischen Regierungsrathes richtig wäre, dem Bundesrathe nicht nur die Kompetenz zur provisorischen Sistirung einer zweiten Wahlverhandlung, sondern diejenige zu einem materiellen Entscheide in der Sache überhaupt zur Zeit abgehen, worauf jedoch die luzernische Behörde ihren Schluß nicht gerichtet hat.

4) Die Bemerkung des Regierungsrathes von Luzern, daß durch die Vornahme einer Neuwahl am 18. März; keinerlei Rechte verletzt worden wären, indem es dem Bundesrathe freigestanden hätte, bei der Beurtheilung des Rekurses auf alle Vorkommnisse seit dem Beginne dieser Wahlverhandlung Rücksicht zu nehmen,, ist weder theoretisch begründet noch praktisch richtig.

Ein nach Anordnung der kompetenten Behörde vorgenommener W a h l a k t , beziehungsweise das aus demselben hervorgegangene W a h l r e s u l t a t , bildet eine rechtliche Thatsache, deren w i l l k ü r l i c h e Vernichtung seitens einer kantonalen Behörde ebensowohl eine Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte der Bürger,, die an der Wahl theilgenommen haben, involviren würde, als wenn die Behörde unter Mißachtung spezieller verfassungsrechtlicher Vorschriften die Wahl als aufgehoben erklären und einen neuen Wahlakt anordnen wollte.

Wenn es aber, auch nach Ansicht der Luzerner Regierung, unbestritten in der rechtlichen Befugniß der Bundesbehörde gelegen war, die zweite Wahlverhandlung wegen ungerechtfertigter Aufhebung, also wegen der G ü l t i g k e i t der ersten zu annulliren.

so mußte es auch in praktischer Richtung als etwas Unzukömmliches erscheinen, trotz und während der Anhängigkeit der Rechtsfrage betreffend die Gültigkeit der ersten Verhandlung eine zweite anzusetzen.

Die von der Luzerner Regierung signalisirte Inkonvenienz in Betreff des Amtsantrittes neuer Behörden nach Ablauf der Amtsdauer der alten kann infolge von Rekurserklärungen durch solche Sistirungsverfügungen
allerdings eintreten, sofern die Kantone nicht die alten Behörden ihre Funktionen so lange fortsetzen lassen, bis der Amtsantritt der neuen in rechtlich vollgültiger Weise erfolgen kann. Allein dieser Uebelstand, wenn ein solcher wirklich vor-

765 banden ist, müßte sich auch im Falle des nach der Luzerner Regierung korrekten Verfahrens ergeben, wenn z. B. der Bundesrath eine zweite Wahlverhandlung vor sich gehen ließe* dann aber auf erhobenen Rekurs selbstverständlich den Amtsantritt sowohl der in der ersten als der in der zweiten Verhandlung Gewählten einstweilen untersagen würde.

B. I n B e t r e f f d e r H a u p t s a c h e .

1) Die Vorschrift des § 67 der Luzerner Verfassung, daß die Verordnungen und Beschlüsse des Regierungsrathes der Verfassung und den bestehenden Gesetzen nicht zuwiderlaufen dürfen, enthält einen so allgemein gültigen und selbstverständlichen Grundsatz, daß dieselbe nicht als eine besondere Verfassungsbestimmung mit eigenem Inhalt aufgefaßt werden kann, auf Grund welcher nun gegen jede in Anwendung von gesetzlichen Bestimmungen erlassene Verfügung der kantonalen Behörde wegen Verfassungsverletzung an die Bundesbehörden rekurrirt werden könnte. Die allegirte Verfassungsvorschrift ändert an dem feststehenden bundesrechtlichen Satze nichts, daß die Auslegung und Anwendung kantonalgesetzlicher Bestimmungen Sache der Kantonsbehörden ist und die Bundesbehörden sich nur unter der zur Kompetenzfrage hievor (Lit. A, Ziffer 1} angegebenen Voraussetzung mit diesfälligen Beschwerden zu befassen haben.

2) Demnach könnte die Anwendung, welche die Luzerner Regierung vom kantonalen Organisationsgesetze (§§ 3, 59, 208, 219} und dem Gesetze betreffend das Verfahren bei den Bezirksrichterwahlen (§§ 3, 8 und 9) zur Begründung ihres Kassationseutscheides vom 23. Februar 1883, bezüglich der Bezirksrichterwahl in Escholzmatt vom 21. Januar d. J. gemacht hat, die Grundlage eines bundesrechtlichen Rekurses nur dann bilden, wenn in jener Anwendung ein Einbruch in verfassungsrechtliche Grundsätze läge. Im Hinblick auf die positiven Bestimmungen der §§ 25, 27, 29 und 83 der Luzerner Verfassung betreffend den politischen Stand der Bürger und die Bezirksrichterwahlen kann aber hievon nicht die Rede sein; es muß vielmehr die volle Verfassungsmäßigkeit des Entscheides anerkannt werden.

3) Was den von den Rekurrenten geltend gemachten weitern rechtliehen Gesichtspunkt anlangt, wonach der angefochtene Entscheid der Regierung von Luzern gegen § 4 der Kantons- und Art. 4 der Bundesverfassung (Gleichheit der Bürger vor dem Gesetze) verstoßen
würde, so scheint freilich im Kanton Luzern bis jetzt eine bestimmten Normen folgende, feste Praxis bei der Erledigung von Wahlbesehwerden in mehrfacher Beziehung sich noch

166

nicht ausgebildet zu haben, wie denn auch der rekurrirte Entscheid mit der von der Regierung anläßlich eines frühem Falles geäußerten Rechtsansicht nicht übereinstimmt; wenn aber die Behauptung aufgestellt wird, daß durch den fraglichen Entscheid der die Rechtsgleichheit der Bürger postulirende Artikel der kantonalen und eidgenössischen Verfassung verletzt sei, so erachtet sich zwar der Bundesrath im vorwürfigen Falle, da es sich um die Gültigkeit einer kantonalen Wahl handelt, zur Beurtheilung dieses sonst der Kognition des Bundesgerichtes anheimfallenden Beschwerdepunktes als kompetent, er hält jedoch weder den rechtlichen und thatsächlichen Nachweis, daß unter den gleichen Verumständungen bis anhin für eine gewisse Klasse von Bürgern im Kanton Luzern ein anderes Recht angewendet worden ist, für erbracht, noch würde er, wenn dies wirklich der Fall wäre, dadurch zur Aufhebung eines, wie der vorliegende, v e r f a s s u n g s r e c h t l i c h u n a n f e c h t b a r e n u n d eine a l l g e m e i n a n w e n d b a r e R e c h t s n o r m für künftige Fälle aufstellenden Entscheides einer Kantonsregierung sich veranlaßt sehen ; aus diesen Motiven hat der Bundesrath am 1. Juni 1883 b es c h l o s s e n , d e n Rekurs a l s u n b e g r ü n d e t a b z u w e i s e n .

e. Interventionsbegehren auf Grund von Art. 14 der Bundesverfassung.

32. In der durch die Motion des Herrn R. Brunner vom 20. Dezember 1882 vor das Forum des schweizerischen Nationalrathes gezogenen Frage der N a t i o n a l bahn-Garantie hat der Regierungsrath des Kantons Zürich mit Zuschrift vom 20. Januar 1883 dem Bundesrathe Angesichts der Haltung des Kantons Aargau ein I n t e r v e n t i o n s b e g e h r e n eingereicht. Die zürcherische Kantonsregierung rief den Entscheid des Bundes gemäß Art. 14 der Bundesverfassung an, welcher folgende Vorschrift enthält: ,,Die Kantone sind verpflichtet, wenn Streitigkeiten unter ihnen vorfallen, sich jeder Selbsthülfe, sowie jeder Bewaffnung zu enthalten und sich der bundesmäßigen Entscheidung zu unterziehen. a Es ist gegenwärtig und an diesem Orte die Veranlassung nicht vorhanden, dieses Interventionsgesuch in formeller (verfassungsrechtlicher) und materieller Richtung einer nähern Prüfung zu unterwerfen. Allgemein bekannt sind die Verhältnisse, die zu demselben geführt haben ; ihr
Ausgangspunkt liegt in der solidarischen Garantieleistung der vier Städte Winterthur, Baden, Lenzburg, und Zofingen für das im Jahre 1874/1875 zu Stande gekommene Neunmillionen-Anleihen der seither in Konkurs gefallenen schweizerischen Nationalbahngesellschaft.

767

Wir wollen hier bloß erwähnen, daß wir in Würdigung der eminent staatsrechtlichen Seite der Frage durch Beschluß vom 6. Februar 1883 die Behandlung der äußerst schwierigen und durch ihre politische wie nationalökonomische Tragweite hochwichtigen Nationalbahnangelegenheit dein Justiz- und Polizeidepartemeat zugewiesen haben, welchem für die rein finanziellen Fragen das Finanzdepartement mitwirkend zur Seite gestanden ist.

Durch Schlußnahme vom 23. Februar 1883 sprachen wir uns dahin aus, es sei vorgängig jeder Erörterung der Frage, ob den Bundesbehörden gemäß dem Interventionsbegehren der Regierung von Zürich und entgegen den vom aargauischen Regierungsrathe in zwei Memorial en an den Bundesrath vom 5. und 12. Februar geltend gemachten Anschauungen ein EatscheidungsrechPüber den Konfliktfall zustehe, durch eine unparteiische Untersuchung das Maß der in den vier Garantiestädten vorhandenen und zur Erfüllung ihrer Schuldverbindlichkeiten verwendbaren finanziellen Kräfte festzustellen. Nachdem die beiden Kantonsregierungen ihre Zustimmung zu dem Vorgehen des Bundesrathes erklärt hatten, bestellten wir die Finanzexpertenkommission ad hoc aus den Herren Ständeräthen S c h e u r e r (Bern) und B o r y (Waadt) und Herrn Nationalrath Dr. Z e m p (Luzern).

Der sehr verdankenswerthe, umfangreiche und von genauer Durchdringung des weitschichtigen Untersuchungsmaterials zeugende Bericht der Experten an den Bundesrath datirt vom 15. Oktober 1883 und ist abgedruckt im Bundesblatt 1883, IV, 241.

Unsere Botschaft a,n die Bundesversammlung vom 23. November 1883 (Bundesblatt 1883, IV, 524) erörtert nach einem historischen Rückblick alle Faktoren, welche für den Bundesrath und nach dessen Antrag für die h. eidgenössischen Käthe in dieser Sache bestimmend sein mußten und welche die Begründung des B u n d esb e s c h l u s s e s vom 21. Dezember 1883 betreffend D a r l e i h e n a n d i e K a n t o n e Z ü r i c h u n d A a r g a u behufs Erledigung d e r Nationalbahnschuld der vier Garaatiegemeinden ausmachen. Dieser von den Käthen als dringlich erklärte und daher der fakultativen Volksabstimmung nicht unterstellte Bundesbeschluß ist veröffentlicht im Bundesblatt vom 29. Dezember 1883.

Mit dem Momente der allseitigen Erfülluag der an das Bundesdarleihen geknüpften Bedingungen wird das Interventionsgesuch des Zürcher Regierungsrathes vom 20. Januar 1883 gegenstandslos geworden sein.

768

B. Polizeiverwaltung.

I. Auslieferung von Verbrechern und Angeschuldigten.

1. Einleitung.

1. Die Zahl der von Seite der Schweiz bei auswärtigen Staaten nachgesuchten Auslieferungen hat sich etwas gesteigert, nämlich von 98 des Jahres 1882 auf 101 im Berichtjahre (diese Zahl betrug 1881: 130; 1880: 90), und die Zahl derjenigen, welche von auswärtigen Staaten an die Schweiz gestellt wurden, vermehrte sich von ISO^im Jahre 1882 auf 177 im Jahre 1883 (1881 : 183 > 1880: 205). Diese Vermehrung betrifft hauptsächlich die Auslieferungsbegehren von Seiten Italiens und Frankreichs.

Die von Seite der S c h w e i z bei auswärtigen Staaten verlangten Auslieferungen betrafen : l Mord, l Versuch von Vatermord, 6 Körperverletzung, 4 Verbrechen gegen die Sittlichkeit, l Brandstiftung, 23 Unterschlagung, 12 Betrug, 10 Fälschung, 9 betrüglichen Bankerott, 34 einfachen und ausgezeichneten Diebstahl.

101

Die von auswärtigen Staaten bei der Schweiz verlangten Auslieferungen betrafen : a. D e u t s c h l a n d .

l Raubmord, l Mord, l Todtschlag im Zweikampf, 3 Verbrechen gegen die Sittlichkeit, l falsches Zeugniß, 15 Unterschlagung, 14 Betrug, 3 Fälschung, l betrüglichen Bankerott, 27 einfachen und ausgezeichneten Diebstahl.

67

7(59 3 5 5 11 6 10 8 17

b. F r a n k r e i c h .

Mord und Mordversuch, Körperverletzung, Verbrechen gegen die Sittlichkeit, Vertrauensmißbrauch, Betrug, Fälschung und Gebrauch von Fälschungen, bezüglichen Bankerott, einfachen und ausgezeichneten Diebstahl.

65

c. I t a l i e n .

3 Mord und Mordversuch, l Todtschlag, 4 Körperverletzung, l Nothzucht, l falsches Zeugniß, l Vertrauensmißbrauch, l Betrug, 6 Fälschung, ( 1 betrügliehen Bankerott, 2 Straßenraub, 19 einfachen und ausgezeichneten Diebstahl.

40 d. O e s t e r r e i eh.

4 Diebstahl.

e. B e l g i e n .

l Fälschung.

Das weitere Detail ergibt sich aus den folgenden Tabellen :

770

2. Statistik

. . .

. . . .

. . . .

S t a a t e n , bei denen diese Auslieferungen nachgesucht wurden : Belgien Deutschland Frankreich Griechenland Großbritannien ,, Kolonie Victoria Italien Oesterreich Spanien Vereinigte Staaten von Amerika i

5 1 1 1 9, 2 ?, 19 11 1 1 1 1 1 3 4 2 2 3 1 -- 1 1 9, 5 3 13 5 5 1 1 4 2 1 6 101 55 16

1

Pendent.

9, 4 1

Verweigert. 1

13 8

Unentdeckt.

14 17

Zurückgezogen.

Zürich Bern Luzern Uri Freiburg Solothurn .

Baselstadt . .

Baselland Appenzell A.-Rh Appenzell I.-Rh St. Gallen Graubünden Aargau 1 Thurgau Tessin Waadt Wallis Neuenburg Genf

Bewilligt.

Kantone.

Anzahl der Individuen.

A. der von Seite de r S c h w e i z bei auswärtigen Staaten nachgesuchten Auslieferungen :

?, 1

2 3 1

4 1

2 1 -- l 1 l

--

1

·j l

3 -- 1

12

2 5 17 1

3 ?, 33 19 5 9 48 ?,4 1 2 2 -- 1 1 6 4 2 9l 2 2 3 1 101 55 16

R 9

1 6 6

1

--

2 2 -- 1 12

--

17

771

Verweigert. 1

Unentdeckt.

Pendent.

1

67 65 40 4

Zurückgezogen.

Belgien Deutschland Frankreich Italien 0 esterreich

Bewilligt.

Staaten.

Anzahl der Individuen.

B. der v o n S e i t e a u s w ä r t i g e r S t a a t e n bei der Schweiz, nachgesuchten Auslieferungen :

?, 1

3 9, 1

4 R _ 1

31

3

6

8 t

1 1

1

1 1 57 47 1?, 21 18 3

1

177

129

K a n t o n e , bei denen diese Auslieferungen verlangt wurden : Zürich Bern Luzern Schwyz Grlai'us Solothurn i Baselstadt . . . .

Baselland Schaffhausen S t . Gallen . . . .

Graubünden Aargau Thurgau Tessin Waadt Wallis Neuenburg Genf Schweiz im Allgemeinen

20 11 3 1 i 1 23 1

3 11 4 2 2 22

12 2 9 42 7 177

13 9 3 1 1 1 20 1 3 9 2 2 2 15 6 2 7

32 129

1 1 1

--

5 1

2 1 1

7 6

1 _ 1 -- !

j !

j

1

7 7

--

31

3

1 1 6

2 i

_ !1 8 !

1

772

3. Verfahren.

2. In 16 Fällen, in welchen die Verfolgten nur aus dem Grunde gegen ihre Auslieferung protestirten, w e i l s i e u n s c h u l d i g s e i e n , haben wir gemäß der bisherigen Praxis diese Einrede nicht als eine Einsprache gegen die Anwendbarkeit des betreffenden Staatsvertrages im Sinne von Art. 58 des Gesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege behandelt, sondern, wie früher, diese Fälle ohne Ueberweisung an das Bundesgericht, von uns aus durch Bewilligung der Auslieferung erledigt, da jeweils die formellen Vorschriften der Verträge erfüllt waren und das Urtheil über Schuld oder Unschuld lediglich dem kompetenten* Richter des requirirenden Staates zusteht.

Dagegen lagen in vier Fällen wirkliche Einsprachen gegen die Anwendbarkeit der betreffenden Staatsverträge vor. Sie wurden deßhalb gemäß dem erwähnten Art. 58 au das Bundesgericht gewiesen, welches in drei Fällen die Auslieferung bewilligte, dagegen in einem Falle sie ablehnte. Im Jahresberichte des Bundesgeilchtes sind diesfalls nähere Nachweise gegeben.

3. Mit Bezug auf einen Deutschen und vier Franzosen, welche wegen gemeiner Verbrechen verfolgt wurden, aber gleichzeitig auch der D e s e r t i o n sich schuldig gemacht hatten, wurde die Auslieferung nur unter der Bedingung bewilligt, daß diese Individuen wegen der Fahnenflucht nicht bestraft werden dürfen. Hiervon wurde nicht nur den betreffenden Regierungen, sondern auch den Ausgelieferten Kenntniß gegeben, damit letztere behufs ihrer Verteidigung darauf sich berufen können. -- In ähnlicher Weise wurde in einem andern Falle verfahren, in welchem der Verfolgte des Diebstahls und des Ehebruches angeklagt war. Die französische Botschaft erklärte ohne Weiteres, daß ihre Regierung sich verpflichte, den Angeklagten wegen des Ehebruches nicht zu verfolgen, indem dieses Verbrechen im Ausliefernngsvertrage nicht vorgesehen ist.

4. Auf unser Gesuch wurde von d e u t s c h e n Staaten in zwei Fällen und von I t a l i e n in zwei Fällen die Untersuchung gegen Angehörige dieser Staaten, und zwar gestützt auf Art. 2, Lemma 2, des Auslieferungsvertrages mit Deutschland, und gestützt auf Art. 5, Lemma 2, dès Auslieferungsvertrages mit Italien, von den Regierungen dieser Staaten übernommen und an die kompetenten Gerichte zur Aburtheilung eingeleitet.

Auf der andern Seite waren wir im Falle, die in Württemberg angehobene Untersuchung wegen Diebstahls gegen ein Individuum, das in Zürich verhaftet werden konnte, auf Gesuch der

773

württembergischeu Regierung an seine heimatlichen Gerichte zu überweisen, nachdem es sich herausgestellt, daß das verfolgte Individuum ein Bürger des Kantons Graubünden ist.

5. Der Italiener T o r n a s i schoß, auf französischem Gebiete stehend, aber hart an der schweizerischen Grenze, gegen den Knecht Frichet einen Revolverschuß ab, während der Letztere mit dem rechten Fuße ebenfalls auf französischem, mit dem linken dagegen auf schweizerischem Boden gestanden. Tornasi kam in Pruntrut in Untersuchung unter der Anklage des Mordversuches und wurde daselbst verhaftet. Auf Veranlassung der Regierung des Kantons Bern erhielt die französische Regierung Gelegenheit, über die Annahme der Beurtheilung dieses Falles sich auszusprechen. Sie überließ jedoch die Gerichtsbarkeit dem Gerichte zu Pruntrut, mit Rücksicht auf den Umstand, daß dasselbe die Untersuchung begonnen hatte.

6. Gemäß Art. 15 des A u s l i e f e r u n g s V e r t r a g e s z w i s c h e n der S c h w e i z u n d D e u t s c h l a n d sind die beiden Regierungen verpflichtet, die rechtskräftigen Urtheile über die Angehörigen des andern Staates wegen Verbrechen und Vergehen jeder Art der heimatlichen Regierung tnitzutheilen. Durch die Praxis ist festgestellt, daß diese Vorschrift n i c h t A n w e n d u n g finde, wenn das Urtheil auf F r e i s p r e c h u n g des Angeklagten lautet.

7. In dem zur Begründung eines Auslieferungsbegehrens bei dem Auswärtigen Amte des Deutsehen Reiches produzirten Verhaftsbefehle des Statthalteramtes Zürich war der Vorbehalt eingetragen, daß die Verfolgten auch wegen anderer, allfällig erst später an den Tag kommender gemeiner Verbrechen bestraft werden dürfen. Das Auswärtige Amt machte jedoch die Bemerkung, daß gemäß Art. 4, Absatz 3 des schweizerisch-deutschen Auslieferungsvertrages vom 24. Januar 1874 die Ausgelieferten wegen eines in diesem Vertrage nicht vorgesehenen Verbrechens oder Vergehens nicht zur Untersuchung gezogen oder bestraft werden können.

8. In solchen Fällen, wo ein Individuum, dessen Auslieferung verlangt worden, gleichzeitig im requirirten Staate in Untersuchung steht oder bereits verurtheilt ist, kann es für den die Auslieferung verlangenden Staat von Interesse sein, die betreffende Untersuchung früher durchführen und zur Aburtheilung bringen zu können, als es möglich wäre, wenn er
zuwarten müßte, bis das in Frage stehende Individuum die möglicherweise viele Jahre dauernde Strafe im requirirten Staate erstanden hätte. Um dem requirirenden Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. II.

53

774

Staate die Aburtheilung der bei ihm pendenten Untersuchung jetzt, d. h. in einem Zeitpunkte zu ermöglichen, wo ihm die Zeugen und alle andern Beweismittel noch leicht zur Verfügung stehen, ist in neuerer Zeit öfter die p r o v i s o r i s c h e A u s l i e f e r u n g in dem Sinne verlangt und gestattet worden, daß das betreffende Individuum vorläufig nur zum Zwecke der Durchführung und Aburtheilung der Untersuchung, welche Anlaß zu dem Auslieferungsbegehren gegeben hat, dem requirirenden Staate übergeben werde, jedoch unter dem Vorbehalt, daß der Angeschuldigte nach der Aburtheilung wieder an den requirirten Staat abzugeben und erst dann definitiv auszuliefern sei, wann er die ihm hier zugemessenen Strafen erstanden hat. -- Dieses Verfahren ist im Berichtjahre in einem Falle mit Italien betreffend einen Italiener und in drei Fällen mit deutschen Staaten betreffend zwei Deutsche und einen Italiener vereinbart und ausgeführt worden. Der Italiener hätte erst im Jahre 1890 von Colmar nach Zürich ausgeliefert werden können. Die kaiserlich deutsche Regierung anerbot daher von sich aus die provisorische Auslieferung desselben nach Zürich. -- In einem andern Falle wünschte die württembergische Regierung die provisorische Auslieferung eines in Schafifhausen verhafteten Württembergers unter Zusicherung seiner Rücklieferung nach geschehener Aburtheilung und in der Meinung, daß er erst nach Erstehung der Strafe in Schaffhausen definitiv an Württemberg ausgeliefert werden soll. -- Die königlich bayerische Regierung dagegen erachtete dieses Verfahren auf deutsche Augehörige nicht anwendbar, indem sie geltend machte, daß das Reichsstrafgesetzbuch in § 9 die Ueberlieferung eines Deutschen an eine ausländische Regierung zur Verfolgung oder Bestrafung ganz allgemein und ohne Rücksicht darauf, in welcher Weise derselbe in das Jurisdiktionsbereich des Deutschen Reiches gekommen, verbiete. Es werde diese Vorschrift sogar allseitig dahin aufgefaßt, daß das gesetzliche Verbot auch dann Platz greife, wenn der betreffende Reichsangehörige s e l b s t die Auslieferung wünschen sollte.

Wir haben der Regierung von Bayern geantwortet, daß nach unserer Ansicht der Auslieferungsvertrag im Allgemeinen die beiden Staaten zu gegenseitiger Rechtshülfe im Strafrecht verpflichte und eine provisorische Auslieferung eines im andern
Staate verhafteten Individuums zum Zwecke des Abschlusses der Untersuchung und Beurtheilung unter Vorbehalt nachheriger Rücklieferung keineswegs ausgeschlossen sei. Dieses Verfahren sei zwischen der Schweiz o O und Deutschland, sowie auch mit andern Staaten schon sehr häufig angewendet worden.

775 9. Die A u s l i e f e r u n g s a n g e l e g e n h e i t e n veranlaßten im Berichtjahre besonders viel Arbeiten. Sie wurden dadurch noch erschwert, daß oft die Vorschriften nicht beobachtet werden, welche für die Ausstellung der Verhaftsbefehle bestehen und sowohl im Auslieferungsverfahren, als auch zum Zwecke der provisorischen Verhaftung mittelst Telegramm, beobachtet werden müssen. In der Hoffnung, daß die hieraus nothwendig entspringende Vermehrung der Korrespondenz und der Kosten allmälig vermindert werden könne, verweisen wir hier neuerdings auf die wichtigern bezüglichen Instruktionen: Kreisschreiben vom 14. Januar 1870 (Bundesblatt 1870, I, 61) -- Geschäftsbericht pro 1871 (Bundesblatt 1872, U, 516) -- Kreisschreiben vom 3. Juli 1874 (Bundesblatt 1874, II, 535) -- Kreisschreiben vom 12. Dezember 1874 (Bundesblatt 1874. III, 885) -- Geschäftsberichte pro 1874, 1875, 1876 und 1879'(Bundesblatt 1875, II, 616; 1876, 11,293; 1877, E, 540, und 1880, II, 638) -- Kreisschreiben vom 11. Sept. 1876 (Bundesblatt 1876, III, 564) und Kreisschreiben vom 12. Jan. 1882 (Bundesblatt 1882, I, 45).

Ein eigentümlicher Zufall bewirkte, daß theilweise gleichzeitig in 9 Fällen 10 Angeklagte außer dem europäischen Festlande verfolgt werden mußten, nämlich l in Egypten, 6 in Nord- und Südamerika, 2 in England und l in Australien. Dem in Egypten Verfolgten ist es gelungen, der Vollziehung der Auslieferung durch Selbstmord sich zu entziehen. Die 2 in England arretirten Individuen wurden ausgeliefert, sowie auch jenes Individuum, das bis in die großbritannische Kolonie Viktoria in Australien flüchten konnte.

Von den in Amerika Gesuchten wurden 2 in Deutschland und l in New-York arretirt und ausgeliefert, 3 sind noch nicht entdeckt worden.

II. Bundesstrafrecht.

10. Im Jahre 1883 wurden 26 neue Fälle von G e f ä h r d u n g d e s E i s e n b a h n b e t r i e b e s den kantonalen Gerichten zur Untersuchung und Beurtheilung überwiesen (1882: 27, 1881: 52). 11 Fälle waren aus dem Vorjahre pendent geblieben, so daß im Ganzen 37 Untersuchungen gegen 61 Personen in gerichtlicher Behandlung lagen.

Diese Untersuchungen vertheilen sich auf die Kantone : Zürich 3, Bern 5, Luzern 3, Freiburg 4, Baselstadt l, Baselland l , Appenzell A./Rh. l, St. Gallen 4, Graubünden l, Aargau 3, Tessin 4, Waadt 4, Wallis l, Neuenburg 2.

776

9 Untersuchungen wurden durch Verfügung kantonaler Gerichtsbehörden gänzlich aufgehoben. 14 Untersuchungen sind durch gerichtliches Urtheil erledigt worden. 16 Personen wurden freigesprochen und 17 in 9 Urtheilen zu größern oder geringern Strafen, zusammen zu 204 Tagen Gefängniß und Fr. 405 Buße verurtheilt.

Gegen 2 Knaben wurde lediglich ein ernstlicher Verweis ausgesprochen. Die übrigen 14 Untersuchungen gingen auf das Jahr 1884 über.

Die Urtheile aus den frühern Jahren sind sämmtlich vollzogen.

11. Am Abend des 7. Januar 1882 ist der auf der S t a t i o n M a i e n f e l d gestandene offene Güterwagen Nr. 6030 vom Sturmwind in Bewegung gesetzt und auf der Bahn bis unterhalb der Station Landquart getrieben worden. Der später von dieser Station abgehende Bahnzug stieß auf den Wagen und trieb ihn vor sich her, wobei er zur Hälfte von den Schienen gehoben wurde. Die Wagen des Zuges entgleisten sämmtlich. Die Reisenden und das Personal blieben zwar unverletzt, dagegen wurden das Betriebsmaterial und das Geleise ziemlich beschädigt.

Das Kreisgericht Maienfeld trat auf die Beurtheilung des Falles ein, ohne daß die Feststellung des Gerichtsstandes durch den Bundesrath nach Vorschrift von Art. 74 des Bundesstrafrechtes eingeholt worden. Das Gericht konstatirte, daß die zwei Weichenwärter auf der Bisenbahnstation Maienfeld sich einer strafbaren Unterlassung schuldig gemacht, indem sie unterlassen haben, den Güterwagen Nr. 6030 gemäß Art. 18 der Instruktion an zwei andere Wagen anzukuppeln, und daß auch der Verwalter die Ausübung der Kontrole unterlassen habe. Das Gericht urtheilte jedoch nicht nach Maßgabe von Art. 67, litt, b des Bundesstrafrechtes vom 4. Februar 1853, wie in Art. 74 dieses Gesetzes ausdrücklich vorgeschrieben ist, sondern es stützte sein Urtheil auf Art. 32 des Polizeigesetzes des Kantons Graubünden und verurtheilte die drei Angeklagten zu je Fr. 30 Buße.

In Betracht, daß in diesem Urtheile ein unrichtiges Gesetz angewendet wurde und daß dasselbe mit bestimmten gesetzlichen Vorschriften und zwar insbesondere mit Art. 74 und 67, litt, b des Bundesstrafrechtes im Widerspruche stand, ermächtigten wir unser Justiz- und Polizeidepartement, die Kassation desselben zunächst bei den zuständigen Behörden des Kantons Graubünden, eventuell aber auch beim schweizerischen Bundesgerichte zu betreiben und dessen Ersetzung durch ein der Bundesgesetzgebuug entsprechendes Urtheil zu veranlassen.

777

In Vollziehung dieses Auftrages und gemäß Art. 73 des bündnerischen Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Strafsachen wurde bei der Regierung des Kantons Graubünden die Kassation des erwähnten kreisgerichtlichen Urtheiles beantragt und gleichzeitig für den Fall der Kassation die definitive Beurtheilung dieser Untersuchung im Sinne von Art. 74 des Bundesstrafrechtes demjenigen Gerichte des Kantons Graubünden übertragen, welches die Regierung bezeichnen würde. Dabei wurde die letztere darauf aufmerksam gemacht, daß abermals die Vorschriften über die Einleitung der Untersuchung und die Bestimmung des Gerichtsstandes nicht beobachtet worden seien. Es wurde daher die Einladung an sie gerichtet, die betreffenden Behörden und Beamten allen Ernstes anzuweisen, künftig die Akten einer wegen Gefährdung des Eisenbahnbetriebes eröffneten Untersuchung sofort ihr (der Regierung) mitzutheilen und ihrerseits dieselben gemäß Kreisschreiben vom 8. August 1873 (Bundesblatt 1873, III, 373) an uns zu übersenden behufs Bezeichnung des Gerichtsstandes im Sinne von Art. 74 des Bundesstrafrechtes.

Die Regierung des Kantons Graubünden kassirte in der That das Urtheil des Kreisgerichtes Maienfeld und überwies die strafrechtliche Behandlung dieses Falles an das Kreisgericht Chur, welches die Angeklagten der fahrlässigen Gefährdung des Eisenbahnbetriebes schuldig erklärte und den Stationsverwalter zu acht Tagen Gefängniß und Fr. 20 Buße, die beiden Weichenwärter dagegen je zu sechs Tagen Gefangenschaft und Fr. 20 Buße verurtheilte.

12. In der Nacht vom 29./30. Juli 1883 wurden zwischen V u i s t e r n e n s und Sales Steine auf die Schienen der Eisenbahnlinie Bulle-Romont gelegt. Nach Vorlage der Akten überwiesen wir diesen Fall au die Gerichte des Kantons Freiburg. In den Akten kam die auffallende Thatsache zur Sprache, daß schon fünf Male früher in der gleichen Gegend Steine auf die Schienen gelegt worden seien, ohne daß Anzeigen an die Staatsbehörden gemacht worden wären.

Im Verlaufe der Untersuchung wegen des Vorfalles vom 29./30. Juli wurde Clemens S e y d o u x von Sales, Kantons Freiburg, in Untersuchungshaft gesetzt. Das Bezirksgericht der Gruyère sprach ihn jedoch von dieser Anklage frei und verurtheilte den Staat (l'Etat) zur Bezahlung einer Entschädigung an ihn im Betrage von Fr. 100 für unschuldig
ausgestandene Haf't. Bei Uebersendung dieses Urtheiles verlangte die Regierung von Freiburg, daß die Entschädigung gemäß Artikel 20 des Bundesgesetzes über die Kosten der Bundesrechtspflege, vom 25. Juni 1880 (Amtl. Samml. n. F., V, 217), aus der Bundeskasse bezahlt werden müsse. Wir wiesen jedoch diese Forderung von der Hand, weil nach Artikel 20 des erwähnten

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Gesetzes die Bundeskasse im Falle der Freisprechung eines Angeklagten nur die P r o z e ß k o s t e n , zu welchen offenbar eine Entschädigung für unschuldig ausgestandene Haft nicht gehöre, zu vergüten habe. Eine solche Forderung könne an den Bund um so weniger gestellt werden, als mit Bezug auf Eisenbahngefährdungen seine Kompetenz sich darauf beschränke, zu prüfen, ob im Speziaifalle die einen oder andern Voraussetzungen von Artikel 67 des Bundesstrafrechts vorliegen und , wenn j a , den Gerichtsstand im Sinne von Artikel 74 des gleichen Bundesstrafrechts au bestimmen.

Ein solcher Entscheid schließe keineswegs eine persönliche Anklage in sich; vielmehr sei es Sache des Richters, den Urheber zu ermitteln, um ihn nach Maßgabe der Prozeßgesotze zu behandeln und zu beurtheilen. Für ungerechtfertigtes, beziehungsweise unvorsichtiges Verfahren des Richters könne aber der Bund nicht verantwortlich gemacht werden.

13. In einem Falle betreffend die G e f ä h r d u n g e i n e s E i s e n b a h n z u g e s durch unrichtige Weichenstellung hat das Gericht den Angeklagten lediglich aus dem Grunde freigesprochen, weil derselbe die Dienstpflichten eines Weichenwärters nicht gekannt habe , indem er in anderer Eigenschaft angestellt gewesen sei und nur v o r ü b e r g e h e n d die Funktionen eines solchen habe verrichten müssen.

Angesichts der Geringfügigkeit des Spezialfalles nahmen wir von der Appellation gegen das Urtheil Umgang, machten aber andererseits die betreffende Kantonsregierung darauf aufmerksam, daß die vom Angeklagten vorgeschützte Nichtkenntniß der Dienstpflichten vom Richter in solchen Fällen nicht berücksichtigt werden dürfe, indem mit der Uebernahme einer Punktion ebenso wohl die Kenntniß des Dienstes als auch das Bewußtsein der Verantwortlichkeit für fahrlässige oder absichtliche Verletzung der daraus entspringenden Pflichten vorausgesetzt werde, eventuell die Vorgesetzten für die unterlassene Instruktion verantwortlich zu machen seien.

14. Bei Anlaß von Arbeiten, welche an der B i s e n b a h n l i n i e i m O b e r g r u n d bei L u z e r n in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai 1882 vorgenommen werden mußten, wurde, entgegen den bestehenden Vorschriften, der dortige Gradieutenzeiger nicht versetzt. In Folge dessen stieß schon am nächsten Morgen ein Knabe, der aus dem Waggonfenster
hinausschaute, mit dem Kopfe an denselben und wurde nicht unerheblich verwundet.

Am gleichen Tage verunglückte noch ein Zugführer auf ähnliche Weise. Erst um 5 Uhr Abends wurde der Gradientenzeiger behufs

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Verhütung weitern Unglücks entfernt. Das Statthalteramt Luzern leitete hierauf gegen den B a h n m e i s t e r U l r i c h R i t z m a n n , unter dessen Aufsicht die betreffenden Arbeiten ausgeführt worden, Strafuntersuchung ein. Nach Vorlage der Akten überwiesen wir den Fall an die G e r i c h t e des K a n t o n s L u z e r n zur Beurtheilung.

Indessen wurde diese Ueberweisung nicht vollzogen; vielmehr prozedirte das Statthalteramt Luzern in Gremäßheit von Artikel 43 des luzernischen Strafrechtsverfahrens vom 7. Juni 1865 und beantragte gegen Ritzmann einen Tag Gefangenschaft und Fr. 20 Buße, welchem Antrage der Angeklagte freiwillig sich unterzog.

Wir konnten uns jedoch mit dieser Erledigung des Straffalles nicht einverstanden erklären und insbesondere nicht billigen, daß derselbe der B e u r t h e i l u n g eines S t r a f g e r i c h t e s entzogen worden, zumal die Untersuchung des Amtsstatthalters erhebliche Lücken und Mängel darbot, die zu einer falschen strafrechtlichen Würdigung des Falles führen mußten. Wir sahen uns daher veranlaßt, bei der Regierung des Kantons Luzern das bestimmte Begehren zu stellen , daß der Fall gemäß Artikel 74 des Bundesstrafreehts der g e r i c h t l i c h e n K o g n i t i o n unterstellt werden müsse, indem die Eisenbahngefährdungen, auch wenn sie leichtsinniger oder fahrlässiger Weise herbeigeführt worden, nicht zu der Gattung der Reichten Vergehen gehören, deren Beurtheilung nach § 43 des luzernischen Strafverfahrens kurzer Hand abgethan werden könne.

Es erfolgte nun wirklich die Ueberweisung des Ritzmann an das Bezirksgericht Luzern, welches denselben in Anwendung der Artikel 67, litt, b, und Artikel 74 und 8 des Bundesstrafreehts vom 4. Februar 1853 zu einer Gefängnißstrafe von acht Tagen und Fr. 20 Buße, eventuell für letztere zu weitern vier Tagen G-efängniß und zur Bezahlung sämmtlicher Kosten verurtheilte.

15. Auf Grund des Bundesstrafrechtes wurden zwei Untersuchungen wegen S t ö r u n g des T e l e g r a p h e n v e r k e h r e s erhoben. In dem einen Falle hatte der Angeklagte eine Telegi-aphenstange umgehauen und den Draht zerschnitten. Er wurde zu 3 Monaten Grefängniß und Fr. 100 Buße verurfcheilt. Der andere Angeklagte hatte in 12 Telegraphenstangen tiefe Einschnitte gemacht und wurde zu 6 Wochen Gefangenschaft und Fr. 50 Buße verurtheilt.
16. Gregen mehrere Knaben, die an der T e l e g r a p h e n l i n i e L a n g w i e s e n - F e u e r t h a ï e n, Kantons Zürich, Isolatoren zerstört hatten, wurde ebenfalls Strafuatersuchung eingeleitet. Wir

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sahen uns jedoch nicht veranlaßt, im Sinne von Art. 74 des Bundesstrafrechtes die Ueberweisung an die Gerichte zu beschließen, indem wir fanden, daß der Thatbestand von Art. 66 des gleichen Gesetzes nicht vorliege, sondern nur eine einfache Eigenthumsbeschädigung, die nach den kantonalen Gesetzen zu beurtheilen sei.

17. Die Mitglieder des W a h l b ü r e a u s der S t a d t F r e i b u r g , welche laut unserm Berichte pro 1882 wegen Mißachtung: des Bundesgesetzes betreffend die eidgenössischen Wahlen und Abstimmungen vom 19. Juli 1872 den kompetenten Behörden des Kantons Freiburg zur Beurtheilung überwiesen worden waren, wurden mit Bußen bestraft. Sie petitionirten an den Staatsrath um Nachlaß der Bußen, welcher diesem Gesuche entsprach, jedoch die Erklärung beifügte, daß die Unkenntniß des Gesetzes künftig nicht mehr geltend gemacht werden dürfe, um irgend welche Unregelmäßigkeiten, deren sich die Wahlbüreaux bei eidgenössischen oder kantonalen Abstimmungen schuldig machen würden, zu entschuldigen.

18. Nachdem die R e g i e r u n g des K a n t o n s L u z e r n die bezüglichen Akten vorgelegt, wurden : 1) J o s e p h P e t e r von Pfaffnau und 2) I s i d o r Ä f f e n t r ä n g e r von Fischbach, weil sie an den N a t i o n a l r a t h s w a h len vom 30. O k t o b e r 1881 in Ettiswil unbefugt Theil genommen, und 3) J o h a n n A c h e r m a n n in Großwangen, weil er unbefugt an der eidgenössischen Volksabstimmung vom 26. November 1882 in Großwangen Theil genommen (Art. 74 der Bundesverfassung von 1874, Art 10 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 und § 27, litt, d, der Verfassung des Kantons Luzern), in Anwendung des Art. 74 des Bundesstrafreehtes den Gerichten des Kantons Luzern zur Beurtheilung gemäß Art. 49 des Bundesstrafreehtes (Amtl.

Samml. III, 404) überwiesen, mit dem Bemerken, daß gemäß dem allegirten Art. 74 nur die Bestimmungen des Bundesstrafgesetzes in Anwendung gebracht werden dürfen und eventuell die ausgesprochenen Bußen im gleichen Urtheile nach dem in Art. 8 aufgestellten Maßstabe in Gefängnißstrafe umzuwandeln seien.

In der Untersuchung ·wurde festgestellt, daß die genannten drei Bürger nicht stimmberechtigt gewesen, aber dennoch das Stimmrecht ausgeübt haben.

Das Bezirkgericht Willisau verurtheilte den Joseph Peter und den Isidor Affentranger je in eine Geldbuße von Fr. 5, eventuell zu einem Tag Gefängniß und zur Bezahlung der Untersuchungs-

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kosten. -- Das Bezirksgericht Rußwyl dagegen verurtheilte den Johann Achermann zu einer Gefängnißstrafe von 3 Tagen und zu einer Geldbuße von Fr. 20, eventuell zu 4 weitern Tagen Gefangenschaft.

19. Eine weitere Untersuchung wegen U e b e r t r e t u n g de» Art. 44 des Bundesgesetzes Ü b e r die e i d g e n ö s s i s c h e n W a h l e n und A b s t i m m u n g e n , vom 19. Juli 1872, bei Anlaß der eidgenössischen Wahlen vom 30. Oktober 1881 wurde gemäß Art. 74 des Bundesstrafrechtes ebenfalls an die Gerichte des K a n t o n s L u z e r n zur Beurtheilung überwiesen. In diesen Akten sind beschuldigt: 1) Der Gemeinderath von Kottwyl (XIII. Kreis), daß er mehrere Bürger von Nottwyl und Großwangen (XIV. Kreis) auf das Stimmregister aufgetragen und zur Abstimmung zugelassen habe, obschon sie in Großwangen und Nottwyl wohnhaft gewesen, dort noch ihre Familien gehabt und auch daselbst auf den Stimmregistern aufgetragen waren ; sowie mehrere Bürger in Großwangen und Nottwyl, daß sie unberechtigt an der fraglichen Wahl in Kottwyl Theil genommen haben.

2) Einige andere Bürger von Großwangen (XIV. Kreis") sind beschuldigt, daß sie am 26. Oktober nach Ettiswyl, im XIII. Kreise, gegangen, hier an der Wahl vom 30. Oktober Antheil genommen haben und ohne Verzug wieder an ihren gewöhnlichen Wohnsitz in Großwangen zurückgekehrt seien, und ein Bürger in Ettiswyl, daß er die Erstem habe kommen lassen und mit Instruktionen an die Wahl geschickt habe.

3) Mehrere Bürger, daß sie unter gleichen Umständen in Alberswyl (XIII. Kreis) gestimmt haben, obschon sie nicht in diesem Kreise wohnen.

Auf eine erläuternde Anfrage des Obergerichtes des Kantons Luzern wurde geantwortet, daß die Schlußnahme des Bundesrathes betreffend die Ueberweisung dieses Falles an die Gerichte des Kantons Luzern selbstverständlich.auch die Genehmigung der ohne seine vorherige Weisung vom Statthalteramte Willisau geführten Untersuchung in sich schließe. Diese Genehmigung bilde sogar die Voraussetzung für den Entscheid über den Gerichtsstand, zumal ohne jene vorangegangenen Untersuchungshandlungen, zu denen gemäß Art. 12, 13 und 14 des Bundesgesetzes über die Bundesstrafrechtspflege vom 27. August 1851 die kantonalen Behörden

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und Beamten kompetent erklärt seien, der objektive Thatbestand nicht festgestellt und somit die Ueberweisung an die luzernischen Gerichte nicht möglich gewesen wäre.

20. Anläßlich des B e g n a d i g u n g s g e s u c h e s eines durch Urtheil des Bezirksgerichts Baden vom 16. August 1881 der Uebertretung des B u n d e s g e s e t z e s vom 24. Dezember 1880 betreffend den Geschäftsbetrieb von Auswanderungsa g e n t u r e n schuldig befundenen Josef Leonz Bächli in Würenlingen, Kantons Aargau, hatte der Ständerath am 27. Juni 1882 uns die Frage zur Begutachtung überwiesen, ob die Bundesbehörden auch in den Fällen zur Erledigung von Begnadigungsgesuchen zuständig seien, wo das Strafurtheil von einem kantonalen Gerichte auf Grund eines Bundesgesetzes ausgegangen, und auch dann, wenn die Gerichtsbarkeit durch das betreffende Bundesgesetz den Kantonen übertragen ist.

Wir gaben unser Gutachten in einem Berichte, der in das Bundesblatt aufgenommen ist (Bundesbl. 1883, I, 525), in bej a h e n d e m Sinne ab.

Es mag hier übrigens an unsere Bemerkung unter Nr. 8 der Abtheilung A, Ziffer II, des gegenwärtigen Berichts erinnert werden. Zu den Fragen, welche im polizei- und strafrechlichen Gebiete des Bundes einer legislativen Regelung bedürfen, gehört wohl auch die Ausübung des Begnadigungsrechtes.

Die vereinigte Bundesversammlung hat am 24. April 1883 unsern Schlüssen sowohl in grundsätzlicher Richtung als in Bezug auf den Spezialfall beigestimmt. Dem Strafnachlaßgesuche des J. L. Bächli wurde entsprochen.

III.

Fremdenpolizei. -- Werbung.

21. Der Gebrauch des M i l i t ä r d i e n s t b ü c h l e i n s z u r L e g i t i m a t i o n auf Reisen im Auslande ist trotz wiederholter Abmahnungen noch oft vorgekommen. Wir sahen uns daher veranlaßt, mit Kreisschreiben vom 5. Januar 1883 -an die schweizerischen Gesandtschaften und Konsulate, sowie an sämmtliche eidgenössische Stände (Bundesblatt 1883, I, 17), darauf aufmerksam zu machen, daß das Militärdienstbüchlein nicht als Reiseschrift gelten und weder den Paß noch einen Heimatschein ersetzen könne. Die Gesandtschaften und Konsulate wurden angewiesen, die Militärdienstbüchlein, welche ihnen künftig als Heimats- oder Reiseausweis vorgewiesen werden sollten, zurückzuhalten und dem eidgenössischen Militärdepartement in Bern einzusenden.

783 22. Die Regierung des K a n t o n s Uri führte darüber Beschwerde, daß seit Eröffnung der Gotthardbahn die Polizeibehörde des K a n t o n s S c h w y z p o l i z e i l i c h e T r a n s p o r t e in der Weise zur Ausführung bringe, daß die betreffenden Individuen erst mit dem letzten Bahnzuge (im Winter um 9 Uhr, im Sommer um 8 Uhr 17 Min.) auf dem Bahnhofe zu Altorf eintreffen, und zwar ohne vorherige Anzeige und ohne Begleiter, welche sie vom Bahnhofe an die Polizeistation in Altorf zu führen hätten. Durch dieses Verfahren werde die öffentliche Sicherheit gefährdet, indem das Bahnpersonal um solche Individuen sich nicht weiter bekümmere, sondern sie auf freien Fuß setze. Die Regierung des Kantons Uri erklärte, sie müsse sich weigern, solche Individuen in Empfang zu nehmen, weil damit dem mißbräuchlichen Zuschieben von Uebernächtlern Vorschub geleistet würde, zumal die meisten dieser Transporte nach Tessin und Italien und nur selten für den Kanton Uri bestimmt seien.

Die Regierung des Kantons Schwyz glaubte das Verfahren der dortigen Polizei durch den Hinweis entschuldigen zu können, daß solche Transporte aus den Kantonen Zürich, Zug, Aargau, St. Gallen etc. auch mit den letzten Abendzügen nach Schwyz kommen und daß der Kanton Schwyz nicht verpflichtet sein könne, die direkten Transporte zu unterbrechen und die Kosten des Nachtlagers zu tragen.

Unser Justiz- und Polizeidepartement glaubte auf die Anregung der Regierung des Kantons Uri, daß behufs Regelung der polizeilichen Transporte auf der Gotthardbahn eine Konferenz von Abgeordneten der betheiligten Kantone angeordnet werden möchte, zur Zeit nicht eintreten zu sollen. In einem Kreisschreiben an die Kantonsregierungeu vom 5. September 1883 (Bundesblatt 1883, III, 519) sprach sich das Departement über seinen Standpunkt aus wie folgt: ,,Man darf mit vollem Vertrauen annehmen, daß die Kantone allfälligen direkten Reklamationen von sich aus gerecht werden, zumal das eigene Interesse gegenseitige billige Rücksichtnahme erfordert. Es scheint uns indeß, daß solche Reklamationen kaum nöthig werden, wenn die polizeilichen Transporte per Eisenbahn in der Weise angeordnet werden, daß die betreffenden Individuen am gleichen Tage entweder in den Kanton kommen, dem sie zugeführt werden sollen, oder über die schweizerische Grenze gebracht werden können. Bei
der jetzigen Entwicklung der Eisenbahnen kann beinahe in allen Fällen nach diesem Grundsatze verfahren werden. Wenn es aber thatsächlich nicht möglich sein sollte, so wäre dann zu erwarten, daß diese Individuen nicht einfach in

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andere Kantone übergesetzt, sondern daß sie polizeilich begleitet und mit gehörigen Transportbefehlen den Behörden dieser andern Kantone übergeben werden, welche selbstverständlich auf allen wichtigern Eisenbahnstationen Polizeiposten aufzustellen haben."

,,Uebrigens ist nicht zu übersehen, daß es sieh um ein interkantonales Verhältniß handelt, dessen prinzipielle Regulirung eventuell in der Kompetenz des Bundesrathes läge und daher nicht wohl den Beschlüssen der Mehrheit einer Konferenz von kantonalen Abgeordneten anheimgegeben werden kann."

23. Bezüglich derjenigen Schweizer, welche sich im Jahr 1882 nach E g y p t e n h a b e n a n w e r b e n l a s s e n , i s t a n d e m schon im letzten Geschäftsberichte erwähnten Grundsatze festgehalten worden, wonach wir keine Unterstützungen für die Rückreise in ihr Vaterland an solche Leute gewähren, die im Widerspruch mit den Gesetzen gehandelt hahen. Auf bezügliche Anfragen haben auch die schweizerischen Konsulate in Genua und Marseille, welche von einzelnen dieser Individuen um Unterstützung angegangen worden waren, diese Instruktion erhalten. Im November waren noch 28 angeworbene Schweizer in Alexandrien, welche mit der Regierung im Prozesse standen über Bezahlung eines Handgeldes von Fr. 75, das ihnen in Genf von dem Chef der Werbung, Portier, versprochen worden sein soll.

24. Der schon wiederholt wegen Werbung bestrafte Joh. Jakob C o t t i e r , von Arni bei Biglen (Kanton Bern), Schneider in Bern, ist auch dieses Jahr wieder der Strafjustiz verfallen. Die Polizeikamrner des Appellations- und Kassationshofes des Kantons Bern verurtheilte ihn in zweiter Instanz wegen Werbung und Gebrauchs eines falschen Zeugnisses zu 5 Monaten Gefangenschaft, Fr. 100 Buße und dreijähriger Einstellung in der bürgerliehen Ehrenfähigkeit.

IV. Politische Polizei. - Flüchtlinge.

25. Auch im Laufe des Jahres 1883 fanden mehrfache Verhandlungen statt, welche dem Gebiete der p o l i t i s c h e n P o l i z e i angehören.

Neben Anderem wurden verbotene Aufkäufe von Waffen und Konspiration gegen das Leben des Oberhauptes eines benachbarten Staates denunzirt. Die angestellten Nachforschungen haben jedoch Nichts zu Tage gefördert.

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Bezüglich der p o l n i s c h e n F l ü c h t l i n g e sind keine Veränderungen eingetreten. Die zu ihren Gunsten in üblicher Weise gewährten Unterstützungen betragen Fr. 719.

V. Heimatlosenwesen.

26. Folgender Fall brachte uns die m a n g e l h a f t e V o l l ziehung des Bundesgesetzes über die Heimatlosigk e i t im K a n t o n G r r a u b ü n d e n zur Kenntniß.

A n d r e a s Z i e g e r e r ist am 9. August 1848 zu Maienfeld geboren, als unehelicher Sohn der Margaretha Ziegerer, Bürgerin von Maienfeld. In neuerer Zeit verlangte er seinen Antheil an dem Bürgernutzen, dea die Bürgergemeinde Maienfeld auch an gemeinde- oder landesabwesende Bürger jährlieh baar ausbezahlen soll. Gegen die Ablehnung der Gemeinde beschwerte er sich bei der Regierung des Kantons Graubünden, welche ihm unterm 22. Februar 1882 die Antwort zukommen ließ, daß er nicht V o l I b ü r g e r von Maienfeld, sondern nur A n g e h ö r i g e r o d e r b e d i n g t Ve r b ü r g e r t e r sei, mithin am Gemeindegutsnutzen keinen Antheil habe, so lange er nicht das volle Bürgerrecht erwerbe.

Mit Schreiben vom 3. Februar 1883 wandte sich Ziegerer an den Bundesrath und verlangte einen Entscheid darüber, ob nach der Bundesverfassung die Unterscheidung zwischen Vollbürgern und Angehörigen zulässig sei.

Nach Einsichtnahme des Berichtes des Kleinen Käthes von Graubünden haben wir in E r w ä g u n g : 1) Nach Vorschrift des Bundesgesetzes über die Heimatlosigkeit vom 3. Dezember 1850 muß jeder Schweizer in einem Kanton und in einer Gemeinde des gleichen Kantons B ü r g e r s e i n . Gemäß Artikel 2 des erwähnten Gesetzes zählen auch die ,,Angehörigen"1, welche in dieser Eigenschaft in einem Kantone anerkannt waren, gleichviel ob sie in Gemeinden eingetheilt sind oder nicht, zu den Heimatlosen, für welche nach Vorschrift von Artikel 3 die Bundesbehörden ein Kantonsbürgerrecht und durch die betreffenden Kantone ein Gemeinde-B u r g e r r e c h t ausmitteln müssen.

2) Die Regierung des Kantons Graubünden macht zwar geltend, daß das Bundesgesetz vom 3. Dezember 1850 auf den Beschwerdeführer keine Anwendung finde, weil derselbe im Jahre 1848, d h.

vor dem 1. Januar 1855, geboren worden. Allein diese Ansicht ist absolut unrichtig, indem Artikel 56 der Bundesverfassung von 1848 (gleich Artikel 68 der neuen Bundesverfassung) und das zu seiner

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Vollziehung erlassene Bundesgesetz gerade den Zweck haben, die Bundesbehürden mit der Kompetenz und den nöthigen Hülfsrrritteln auszustatten, um allen schweizerischen Angehörigen, die in Folge f r ü h e r e r kantonaler Verfassungen, Gesetze oder Gebräuche nicht volle Kantons- und Gemeindebürger waren, diese beiden Bürgerrechte zu verschaffen und alle frühern Ausnahmsverhältnisse, soweit SÌ& nicht im Sinne des erwähnten Bundesgesetzes als zulässig erscheinen, zu heseitigen.

3) Auch der Kanton Graubünden hat zur Ausführung dieser Vorschriften des Bundes am 28. Juli 1856 ein Gesetz erlassen.

Dasselbe durfte aber naturgemäß nicht blos gewisse Grundsätze zur Verhütung k ü n f t i g e r F ä l l e von Heimatlosigkeit aufstellen, vielmehr liegt das Schwergewicht auch dieses Gesetzes darin, die Grundsätze anzugeben, nach welchen die in Erwägung 2 bezeichneten Personen eingebürgert und den andern Bürgern gleichgestellt werden sollen. In Artikel 9 desselben sind speziell die Verhältnisse der Unehelichen geordnet, und zwar in der Weise, daß die unter der Herrschaft des Paternitätsgrundsatzes, d. h. v o r dem 1. Januar 1855 Geborenen dem Heimatrechte des ermittelten Vaters folgen sollen und, wenn der Vater nicht bekannt oder auswärts angehörig wäre, demjenigen Heimatrechte, w e l c h e s der M u t t e r z u r Z ei t der G e b u r t des K i n d e s z u s t a n d , während die Unehelichen, die n a c h dem 1. Januar 1855 geboren worden oder noch geboren werden, ohne Ausnahme dem Heimatrechte der Mutter folgen.

4) Nach dieser ganz klaren gesetzlichen Vorschrift kann es nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, daß der Beschwerdeführer B ü r g e r (nicht Angehöriger) der Gemeinde Maienfeld sein muß, indem seine Mutter zur Zeit seiner Geburt anerkanntermaßen Bürgeria dieser Gemeinde war.

5) Der Artikel 18 des Gesetzes des Kantons Graubünden über die Behandlung der Heimatlosen vom 25. Nov. 1819 [Amtliche Gesetzessammlung des Kantons Graubünden, Bd. IV, S. 25) kann im Spezialfalle nicht zur Anwendung kommen, da er nur die Einbürgerung der d a m a l s s c h o n l e b e n d e n unehelichen Kinder bezweckt.

Uebrigens enthält dieser Artikel 18 die auch hier bedeutungsvolle Vorschrift, daß die unehelichen Kinder die gleichen Rechte erhalten, die ihren Eltern zustehen, indem sie dem Heimats- o d e r Angehörigkeitsorte
des ermittelten graubündischen Vaters, oder wenn dieser nicht ermittelt ist, dem Heimat- o d e r Einwohnungsrechte der Mutter angehören sollen. Die Benennungen ,,Heimats- o d e r Angehörigkeitsortea sind hier offenbar nicht als gleichbedeutend verstanden, vielmehr bezeichnen sie die beiden von der damaligen Gesetzgebung anerkannten verschiedenen Klassen von Personen,,

781 nämlich der Bürger und der Angehörigen, erstere mit einem Heimatsorte und letztere mit einem Angehörigkeitsorte. Hiernach kann der Artikel 18 des Gesetzes von 1819 keinen andern Sinn haben, als denjenigen, daß die unehelichen Kinder eines Bürgers oder eventuell einer Bürgerin auch Bürger sein und das Bürgerrecht (gleich Heimatsrecht) des Vaters oder der Mutter erwerben sollen, während, wenn der Vater oder die Mutter blos Angehörige waren, ihre unehelichen Kinder auch nur Angehörige werden konnten. Es ist somit auch nach dem Gesetze von 1819 Adi-eas Ziegerer durch Geburt wirklicher Bürger in Maienfeld geworden und seine Degradirung zum bloßen Angehörigen war unstatthaft.

6) Es ergibt sich aber aus diesem Spezialfall, daß das Gesetz des Kantons Graubünden vom 28. Juli 1856 und somit auch das Bundesgesetz vom 3. Dezember 1850 nicht in gehöriger Weise vollzogen worden sind, wie denn auch die Regierung des Kantons Graubünden in ihrem bezüglichen Berichte anerkennt, daß die Unehelichen, welche vor dem kantonalen Gesetze vom 28. Juli 1856 geboren, heute noch blos ,,Angehörige"1 sind, während diese Bezeichnung durch die gehörige Vollziehung der Bundes- und Kantonalgesetzgebuug, wonach es nur noch ,,Bürger"1 geben darf, schon längst hätte verschwinden müssen. In dieser Beziehung ist allen Kantonen gegenüber daran festgehalten worden, daß es nicht genüge, wenn die Personen, welche in Folge früherer Verfassungen oder Gesetze in ausnahmsweisen Verhältnissen lebten, blos wie Bürger behandelt werden, sondern daß ihre förmliche Einbürgerung nöthig sei mittelst offizieller leicht nachweisbarer Akte und Eintragung in die Bürgerregister.

7) Das Bundesgesetz über die Heimatlosigkeit muß auch im Kanton Grraubünden in diesem Sinne seine Vollziehung erhalten, und zwar um so mehr, als die soeben erwähnten Grundsätze nicht blos vom Bundesrathe überall festgehalten worden sind, sondern auch die Zustimmung der Bundesversammlung erhalten haben (siehe Geschäftsbericht pro 1859 und ständeräthlichen Kommissionsbericht, Bundesblatt 1860, II, S. 66 ff. und S. 453 in fine).

8) Es fragt sich daher nur noch, ob bei der Einbürgerung der unehelichen Kinder von B ü r g e r o d e r B ü r g e r i n n e n und der Nachkommen von solchen Unehelichen der Einkauf in die Bürgernutzungen im Sinne von Artikel 4 des Bundesgesetzes und
Artikel 2 des kantonalen Gesetzes vorbehalten bleibe. Diese Frage muß in Uebereinstimmung mit den Entscheiden des Bundesrathes gegenüber den andern Kantonen, deren Gesetzgebungen die unehelichen Kinder ebenfalls zurückgesetzt hatten, verneint werden (Geschäftsbericht pro 1872, im Bundesblatt pro 1873, II, 71 ff). Es

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muß auch hier als entscheidend in Betracht kommen, daß diese Zurücksetzung der Unehelichen, wenn sie auch innerhalb der Familie anerkannt werden muß, doch im Verhältniß zu der Gemeindî als naturwidrig und unbillig erscheint und deßhalb, weil von Anfang mit den allgemeinsten Grundsätzen des Familienrechtes im Widerspruche stehend, nicht anerkannt werden kann, zumal gemäß Artikel 23 des Bundesgesetzes auch den Findelkindern sofort das volle Gemeindebürgerrecht ertheilt werden mußte.

9) Was dagegen die Frage betrifft, ob die Gemeinden angehalten werden können, auch an auswärts wohnende Bürger die gleichen Nutzungen aus den Gemeindegütern abzuliefern, welche die in der Gemeinde wohnenden Bürger beziehen, so sind diesfalls lediglich -die Gesetze des Kantons Graubünden maßgebend und eine Reklamation, welche auf die Thatsache der ungleichen Behandlung basirt werden wollte, wäre gemäß Artikel 59, litt, a des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 27. Juni 1874 .{Amtl. Samml. n. F. I, 186) bei dem Buodesgerichte anzubringen ; beschlossen : I. Andreas Ziegerer wird als vollberechtigter Bürger der Gemeinde Maienfeld erklärt und ist als solcher in die Register dieser Gemeinde einzuschreiben.

II. Dagegen wird auf sein Begehren um Verabfolgung von Nutzungen aus den Gemeindegütern im Sinne der Erwägung 9 nicht eingetreten.

III. Die Regierung des Kantons Graubünden ist eingeladen, die Bekanntmachung dieses Beschlusses und dessen Vollziehung im ganzen Kanton im Sinne der Erwägungen anzuordnen, sowie seiner Zeit darüber Bericht zu erstatten (8. Juni 1883).

Die Regierung des Kantons Graubünden hat diesen Entscheid erst im Amtsblatte für das Jahr 1884 und zwar in der Beilage zu Nr. 9 publizirt, mit einer im Amtsblatte selbst eingerückten Weisung an die Gemeinden zu allgemeiner Naehachtung.

27. Der S t a a t s r a t h des K a n t o n s T e s s i n berichtete, daß auch im Laufe des Jahres 1883 mehrere neue Fälle aufgetaucht seien, in denen das Heimatrecht der betreffenden, meistens im Auslande wohnhaften, Personen habe festgestellt werden müssen. Das Departement des Innern habe über diese Fälle ohne Zögerung nähere Untersuchungen angeordnet. Davon seien 13 Familien und einzelne Personen durch freiwillige Anerkennung von Seite der Gemeinden erledigt worden. In andern 17 Fällen habe das ge-

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nannte Departement dem Stuatsrathe Bericht erstattet, welcher sie sämmtlich entschieden habe. In 5 Fällen sei die Anerkennung der betreffenden Personen als Tessiner verweigert worden. Mehrere ältere Fälle liegen immer noch beim Großen Rathe, welchem der höchste Entscheid zustehe. Der Staatsrath lasse es sich jederzeit angelegen sein, auf möglichste Beförderung dieser Entscheide zu dringen.

Gleichwohl habe der Große Rath im Jahre 1883 nur 6 Fälle erledigen können, und es seien noch 13 bei demselben pendent.

28. Auch unser Justiz- und Polizeidepartement war im Laufe des Jahres 1883 mit einer großen Zahl von Fällen zur F e s t s t e l l u n g d e s H e i m a t r e c h t e s beschäftigt. Einzelne derselben veranlaßten weitläufige Untersuchungen behufs Peststellung der Identität, der Personen, in Folge der fehlerhaften oder absichtlich geänderten Sehreihart der Geschlechtsnamen im Auslande, oder des Mangels jeder Civilstandsakten, oder der Verheimlichung der wahren Namen etc. Mehrere Fälle rechtfertigten die diplomatische Verwendung bei ausländischen Staaten behufs Feststellung der dortigen Angehörigkeit der betreffenden Personen. In dieser Weise wurden in 7 Fällen 25 Personen als Ausländer ermittelt, während für 33 Personen iu 19 Fällen das Bürgerrecht in einzelnen Kantonen zur Anerkennung gebracht werden konnte. Mehrere Fälle dieser Art sind pendent geblieben.

8 weitere Fälle fanden im förmlichen Heimatlosenverfahren durch motivirte Entscheide ihre Erledigung. Nur einer dieser Entscheide ward an das Bundesgericht rekurrirt, die andern wurden von den betreffenden Kantonen anerkannt und vollzogen. Der aus dem Jahre 1882 bei dem Bundesgerichte pendent gebliebene Fall ist nun in Uebereinstimmung mit unserm Entscheide erledigt.

Endlich ist eine Anzahl älterer Untersuchungen, soweit es die Geschäfte des Departementes erlaubten, ihrem Abschlusse entgegengeführt worden.

& Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 22. April 1884.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft, ßlngier.

Bundesblatt.

36. Jahrg. Bd. II.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrathes an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1883.

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