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Kreisschreiben des

Bundesrathes an sämmtliche eidgenössische Stände, betreffend die Ausweisschriften von deutschen Handwerkern und Andern, welche in die Schweiz kommen.

(Vom 31. Oktober 1884.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Die kaiserlich deutsche Gesandtschaft hat uns auf die, übrigens allgemein bekannte Thatsache aufmerksam gemacht, daß unter den die Schweiz zahlreich besuchenden deutschen Handwerksburschen, Arbeitern u. s. w. vielfach Vertauschungen, Entwendungen und Fälschungen von Legitimationspapieren vorkommen und daß hierdurch die beßern Elemente unter denselben empfindlich geschädigt werden, während andererseits dem Umsichgreifen und der Straflösigkeit der schlechtem Vorschub geleistet wird.

Um diesen Uebelständen so viel als möglich zu begegnen, ist die Anordnung getroffen worden, daß sowohl die kaiserliche Gesandtschaft als auch die kaiserlich deutschen Konsulate in der Schweiz an solche Deutsche, die in der Schweiz nicht ansäßig sind, nur folgende Legitimationen ausstellen : 1. Zwangs- oder Laufpässe zur direkten Rückkehr in die Heimat, gültig auf zwei bis höchstens zehn Tage, für diejenigen, welche sich über ihre Person und den Zweck ihrer Reise nicht gehörig ausweisen können.

2. Provisorische Legitimationen, gültig zum Aufenthalte in der Schweiz bis zur Beschaffung eines Heimatscheines (in der Regel vier bis sechs Wochen) für diejenigen, welche in der Schweiz Wohnsitz nehmen wollen und sich gehörig legitimirt haben.

Diese Ausweisschriften enthalten die Unterschrift dessen, für den sie ausgestellt sind, die Zwangs- und Laufpässe außerdem noch ein genaues Signalement. Sie sind für die kaiserliche Gesandtschaft und die kaiserlichen Konsulate von einheitlicher Form und durch besondere Einrichtung gegen Nachahmung geschützt.

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Schließlich machte die kaiserlich deutsche Gesandtschaft noch die Mittheilung, daß zwischen ihr, den Konsulaten und den deutschen Hülfsvereinen in der Schweiz die Anordnung bestehe, daß sie sich die ihnen bekannt werdenden Fälle von Mißbräuchen in Betreff von Legitimationspapieren gegenseitig zur Kenntniß bringen.

Die Gesandtschaft hegt jedoch die Ansicht, daß eine erfolgreiche Bekämpfung des erwähnten Uebels nur durch ein einheitliches Zusammenwirken mit den schweizerischen Polizeibehörden zu erreichen sein dürfte. Zu diesem Ende macht sie, die Anregung, daß die schweizerischen Polizeibehörden, sowie die Gesandtschaft und die deutschen Konsulate alle nachweisbaren 'Fälle von Paßvertauschungen, Entwendungen und Fälschungen von Legitimationspapieren sich gegenseitig zur Kenntniß bringen sollten, indem bei Durchführung dieses Verfahrens die Möglichkeit sich ergeben würde, vor den unrechtmäßigen Inhabern von Ausweisschriften rechtzeitig zu warnen, dieselben zu erkennen und zur Verantwortung zu ziehen.

Besondern Werth würde die kaiserlich deutsche Gesandtschaft auch darauf legen, wenn ihr alle nachweislich gefälschten Ausweisschriften mitgetheilt würden, um heurtheilen zu könneu, ob die Fälschungen etwa von einem bestimmten Centrum ausgehen.

Indem wir Ihnen von den oben erwähnten Anordnungen Kenntniß geben, glauben wir nicht daran zweifeln y.u dürfen, daß Sie auch Ihrerseits gerne bereit sind, an der Hebung der bestehenden Uebelstände mitzuhelfen. Wir empfehlen Ihnen daher, Legitimationspapiere, die im Besitze von Deutschen gefunden werden und sich als gefälscht oder auch nur als verdächtig erweisen, der Kanzlei der kaiserlich deutschen Gesandtschaft in Bern direkt und so bald als möglich mittheilen zu wollen. Wenn der Inhaber solcher Papiere dem Strafriehter überwiesen wird (was sehr zu empfehlen ist), so wäre es angezeigt, diese Mittheilung vor der gerichtlichen Aburtheilung zu machen, zumal auf diese Weise werthvolle Indizien für die Untersuchung erlangt werden können und die Rücksendung beförderlich erfolgen wird.

Im Uebrigen benutzen wir den Anlaß, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, samrat uns in Gottes Machtschutz zu empfehlen.

B e r n , den 31. Oktober 1884.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Vizepräsident:

Schenk.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Kreisschreiben des Bundesrathes an sämmtliche eidgenössische Stände, betreffend die Ausweisschriften von deutschen Handwerkern und Andern, welche in die Schweiz kommen. (Vom 31. Oktober 1884.)

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Jahr

1884

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4

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54

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

08.11.1884

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203-204

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