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Bericht des

Bundesrathes an den Ständerath, betreffend die Motion Zschokke über den Reformtarif der Centralbahn.

(Vom 27. Mai 1884.)

Tit.

Durch Beschluß vom 13. Dezember 1883 haben Sie unsern Bericht vom 23. November gl. J. betreffend die Motion Zschokke und Konsorten über den Reformtarif der schweizerischen Centralbahn mit der Einladung zurückgewiesen, bis zur nächsten Session darüber Bericht zu erstatten, ob und eventuell in welcher Weise wir den zahlreichen, an uns gelangten Beschwerden über den Gütertarif der Central bahngesellschaft Abhülfe zu verschaffen gedenken.

Speziell gegen den Reform tarif der Centralbahn gerichtete Klagen sind beim Bundesrath, beziehungsweise beim Eisenbahndepartement, nur zwei eingegangen, die eine von der Regierung des Kantons Basel landschaft, vom 7. Februar 1883, die andere von derjenigen des Kantons Luzern, vom 28. März 1883. Dieselben wurden vom Eisenbahndepartement sofort und einläßlich beantwortet und sind, da keine Gegenäußerungen erfolgten, als erledigt zu betrachten.

Die zahlreichen Beschwerden, von denen in Ihrem Beschlüsse vom 13. Dezember 1883 die Rede ist, bilden, von vereinzelten Vorstellungen abgesehen, diejenigen Petitionen, welche auf Veranlaßung einer am 3. Juni 1883 in Ölten unter dem Präsidium des Herrn Ingenieur Bächle von Aarau stattgehabten Versammlung Gewerbetreibender in den Kantonen Zürich, Bern, Luzern, Solothurn,

39 Baselstadt, Basellandschaft, Aargau und Neuenburg in Circulation gesetzt und, mit circa 2200 Unterschriften versehen, uns übermittelt wurden.

Diese Petitionen befassen sich aber keineswegs,, wie aus dem Wortlaute Ihres Rüekweisungsbeseh lusses gefolgert werden könnte, mit der Centralbahn allein, sondern mit den ,,großen schweizerischen Eisenbahngesellschaftena, welche den Reformtarif eingeführt haben, insgesammt.

Es wird darin die Erhöhung der Stückguttaxen und die daherige Schädigung des kleinen Verkehrs, des kleinen Handels und des kleinen Gewerbes zu Gunsten des Massen Verkehrs, des Großhandels, sowie der Mangel eines den Voraussetzungen des Reformtarifs entsprechenden Wagenmaterials gerügt und das Gesuch gestellt, ^es möchte der Bundesrath die betreffenden schweizerischen Bahngesellschaften veranlaßen, die Anwendung des sogenannten Reformsystems für den Transport der Güter sofort einzustellen und wenigstens vorläufig auf den Boden des bisher bestandenen Tarif- und Trausportsystems zurückzukehren, beziehungsweise unter allen Umständen die Taxen auf das konzessionsgemäße Maximum zurückzuführen. a Auf den ersten Theil dieses Gesuches konnte der Bundesrath selbstverständlich nicht eingehen. Einmal sind die Gütertarife der Eisenbahnen nicht darnach angethan, um grundsätzliche Aenderungen von einem Tag zum andern durchzuführen, und anderseits hatte der Bundesrath Rücksicht zu nehmen auf den Bundesbeschluß vom 26. Juni 1883, der ihn beauftragte, auf beförderliche Einführung einer einheitlichen Waarcnklassifikation bei den schweizerischen Eisenbahnen zu dringen und das Tarifvvesen derselben überhaupt einer gründlichen Prüfung zu unterstellen (Postulat des Herrn Nationalrath Gramer-Frey). Diese Rücksicht gestattete uns nicht, stille zu stehen oder gar, wie verlangt worden, zum alten Chaos zurückzukehren; denn unserer Auffassung nach deutete vielmehr jener Beschluß darauf hin, das begonnene Werk der Unifikation nicht bloß der Waarenklassifikation und der Tarifbestimmungen, sondern auch der Taxen weiter zu fördern.

Mit dem zweiten Theil des Gesuches, die Rückführung der Reformtarife auf die konzessionsgemäßen Maximaltaxen betreffend, konnte der Bundesrath sich deßwegen nicht befassen, weil er in seinen beiden, den Reformtarif im Speziellen und das gesammte Gütertarifwesen im Allgemeinen behandelnden
Berichten vom 23. November 1883 über die Motion Zschokke und Konsorten und das Postulat Cramer-Frey den Nachweis geleistet hat, daß die bewilligten Taxen weder vom Standpunkt der Konzessionen, noch von demjenigen des Eisenbahngesetzes aus angefochten werden können.

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Eine andere Antwort, als die Verneinung auf diese beiden Berichte, vermögen wir den Petenten zur Stunde um so weniger zu ertheilen, als dia Bundesversammlung noch nicht in der Lage war, sieh über denjenigen der genannten Berichte, welcher von der Einführung einer einheitlichen Waarenklassifikation und dem Tarifwesen der schweizerischen Bahnen überhaupt handelt, auszusprechen.

Die Diskussion desselben ist vom Nationalrath in der Dezembersession auf Wunsch der dafür bestellten Kommission namentlich aus dem Grunde verschoben worden, um auch die kommerzielle und volkswirtschaftliche Seite der Frage eingehender prüfen zu können. Dieser Prüfung kann und will der Bundesrath nicht vorgreifen, und zu dieser Haltung bestimmt ihn noch ein weiterer Umstand.

Es hat nämlich der Vorort des schweizerischen Handels- und Industrievereins eine umfassende Enquete über die Wirkungen des Reformtarifs veranstaltet, bei welchem Anlaße auch diejenigen, welche sich speziell durch den Tarif der Centralbahn in ihren Interessen verletzt glauben, ihre Beschwerden und Begehren haben anbringen können, and deren Resultate wir gewärtigen, um auf Grund derselben nicht mit der Centralbahn allein, sondern mit allen schweizerischen Bahnverwaltungen über die als nothwendig und gerechtfertigt erscheinenden Modifikationen in Verhandlung zu treten.

Hinsichtlich der am Reformtarif bereits angebrachten Verbesserungen verweisen wir auf den Geschäftsbericht des Eisenbahndepartements pro 1883, und fügen bei, daß der seinerzeit der Centralbahn als Kompensation für die Tarifberechnung nach Kilometern statt nach Stunden gewährte Zuschlag von 4 °/o auf 2% herabgesetzt worden ist, was einer Reduktion der Streckentaxen für Eilgut von 35 auf 34 und für die Stückgutklasse von 17'2 auf 17 Cts. per Tonne und Kilometer gleichkommt.

Dieser Reduktion sind, wie wir mit Befriedigung melden können, infolge Verwendung des Eisenbahudepartements auch die Jura-BernLuzern-Bahn, die Emmenthalbahn, die Gotthardbahn und die Vereinigten Schweizerbahnen beigetreten ; die Tößthalbahn wird ein Gleiches thun, so daß damit die Einheit aller Reformtarif bahnen in der Taxirung der Eil- und ordinären Stückgüter hergestellt ist.

Die Einheit bezüglich der Wagenladungs- und Spezialtarifklassen ist unseres Erachten» nur mehr eine Frage der Zeit. Dazu ist aber nothwendig,
daß man den Bahnen sowohl als der Aufsichtsbehörde Zeit lasse, über die Tragweite des gegenwärtig bestehenden Reformtarifs im gesummten internen und direkten schweizerischen Verkehr an der Hand hinlänglicher Erfahrungen ein maßgebendes

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Urtheil sich bilden zu können. Zur Stunde, wo der Reformtarif in den direkten Verkehren theils noch gar nicht, theils erst seit kurzer Zeit eingeführt worden, ist dies noch nicht möglich. Das Eisenbahndepartement hat zwar über die Ergebnisse desselben im internen und gegenseitigen direkten Verkehr der Centralbahn, der Jura-Bern-Luzern-Bahn und der Emmenthalbahn pro 1883 statistische Erhebungen angeordnet, ist aber nach Prüfung derselben zu dein Schlüsse gelangt, daß der Zeitpunkt noch nicht gekommen sei, um von einer der genannten Bahnen Modifikationen arn Taxschema zu verlangen.

Gestützt auf diese Auseinandersetzungen und in Erwägung, daß das Tarifwesen der schweizerischen Centralbahn nicht getrennt von demjenigen der übrigen schweizerischen Bahnen, dessen gründliche Prüfung dem Bundesrath durch Annahme der Motion CramerFrey übertragen und von ihm bereits an Hand genommen worden ist, behandelt werden sollte, beehren wir uns, Ihnen zu beantragen, die Motion Zschokke und Konsorten, vom 17. April 1883, sowie Ihren Rüekweisungsbesehluß vom 13. Dezember 1883 einstweilen von Ihren Traktanden abzusetzen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 27. Mai 1884.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes.

Der Bundespräsident:

Welti.

Der Stellvertreter des Kanzlers der Eidgenossenschaft: Schutzmann.

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Bericht der

nationalräthlichen Kommission betreffend das

Güter-Tarifwesen der schweizerischen Eisenbahnen im Allgemeinen und den

Reformtarif im Besondern.

(Vom

29. Mai 1884.)

Tit.

In Ausführung desjenigen Theiles des nationalräthlichen Beschlusses vom 26. Juni 1883, welcher die E i n f ü h r u n g e i n e r e i n h e i t l i c h e n W a a r e n k l äs s i f i k a t i o n und sodann die Prüfung des Gütertarifwesen der schweizerischen Eisenbahnen überhaupt zum Zwecke hatte, ist der Bundesversammlung ein vom 23. November v. J. datirter Bericht des Bundesrathes vorgelegt worden.

Unterm gleichen Datum hat sodann auch der Bundesrath seinen besonderen Bericht an den Ständerath betreffend die Motion Zschokke und Mitunterzeichner über den Reformta rif eingereicht.

Bei dem innigen Konnex, in welchem die beiden Fragen zu einander stehen, glaubte die Kommission die Berichterstattung über dieselben zusammenfassen zu sollen, wobei dem Reformtarif so wie so eine eingehendere Beachtung zu Theil werden wird.

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Bericht des Bundesrathes an den Ständerath, betreffend die Motion Zschokke über den Reformtarif der Centralbahn. (Vom 27. Mai 1884.)

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07.06.1884

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