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Schweizerische Bundesversammlung.

Die gesetzgebenden Räthe der Eidgenossenschaft sind am 1. Dezember 1884 zur ersten Session der XIII. Amtsperiode zusammengetreten .

Herr Joseph V o n m a 11, Oberst, von und in Luzern, geboren am 23. Mai 1815, eröffnete als Alterspräsident die Sitzung des Nationalrathes mit folgender Anspräche : "Herren Nationalräthe !

,,In ganz unerwarteter Weise sind mir bei meinem Eintreffen in der Bundesstadt die Funktionen des Alterspräsidenten für die konstituirende Sitzung des Nationalrathes übertragen worden; ich sage ganz unerwartet, weil drei Mitglieder Ihres Rathes in der durch das Alter normirten Rangordnung mir vorausgehen, die aber aus allerdings maßgebenden Gründen von dieser reglementarischen Obliegenheit entbunden zu werden wünschten; ich muß daher für die Leitung Ihrer Verhandlungen, welche die Prüfung der Wahlakten und die Konstituirung des Rathes zum Gegenstand haben, Ihre Nachsicht in Anspruch nehmen. Die Ergebnisse aus den 49 eidgenössischen Wahlkreisen sind nahezu sämmtliche unbeanstandet geblieben, indem gegen die Gültigkeit der Großzahl derselben in der durch Art. 10 des Bundesgesetzes vom 19. Heumonat 1872 gegebenen Frist von sechs Tagen keine Einsprachen gemacht worden sind.

,,Die Wahlen selbst hatten im Allgemeinen einen der Bedeutung dieses republikanischen Aktes würdigen Verlauf und legen Zeugniß dafür ab, daß das Schweizervolk des hohen Werthes seines Selbstbestimmungsrechtes sich klar bewußt ist.

,,Gegen die Ergebnisse d r e i e r Wahlkreise liegen dagegen Einsprachen, in gesetzlicher Frist geltend gemacht, vor, und es wird der Nationalrath dieselben zu prüfen und den endgültigen Entscheid zu geben haben, ob diese Wahlen zu validiren seien oder nicht.

,,Indem ich Sie nun, Herren Nationalräthe, als die Vertrauensmänner der schweizerischen Nation in der Bundesstadt willkommen heiße, möchte ich in Ihnen den Geist aufrichtiger Vaterlandsliebe wachrufen, in der Ueberzeugung, daß nur dann, wenn Sie aus

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dieser reinen Quelle schöpfen, Ihre der Wohlfahrt des Volkes geltenden Bestrebungen fruchtbringende Erfolge haben werden.

,,Der ernste Mahnruf der Zeit gebietet aber, daß der Gesetzgeber den Nothständen der Gegenwart sein Auge und Ohr nicht verschließe, sondern den Schöpfungen auf sozialem Gebiet vor allen andern den Vorrang einräume. Wenn monarchische Regierungen an dieses Werk sozialer Institutionen bereits rüstig Hand angelegt haben, so werden die Vertreter eines freien Volkes, das ihnen die Lenkung seiner Geschicke anvertraut hat, dieser Aufgabe sich nicht entziehen können.

,,Sodann wird die Gesetzgebung auch auf dem Gebiete des Handels und Verkehrs arbeiten müssen.

,,Das schweizerische Obligationenrecht enthält die einheitlichen Normen für E i n g e h u n g rechtlicher Verbindlichkeiten; zur Erf ü l l u n g derselben, wenn nöthig mittelst Exekution, bedarf es aber auch eines einheitlichen Organs, und dieses kann nur geschaffen werden durch ein Bundesgesetz für Schuldbetreibung und Konkurs.

Der Erlaß eines solchen, und zwar in nächster Zeit, wird von allen am Verkehrsleben auch nur einigermaßen betheiligten Bürgern dringend verlangt.

,,Nachdem ich mir erlaubt hube, meinen Anschauungen über die Aufgaben der heute beginnenden Legislatur-Periode in Ihrem Kreise Ausdruck zu geben, erkläre ich die konstituirende Sitzung des Nationalrathes für eröffnet.a Von den 145 Nationalräthen, welche nach dem Bundsgesetz vom 3. Mai 1881 den Nationalrathbilden,, sind 25 ganz neu gewählt (mit Einrechnung der 7 Bundesrathe).

Diese letztern vertheilen sich auf die Kantone wie folgt : 2 auf Zürich, 5 n Bern, 1 n Glarus, 1 ·n Zug, 3 n Frei bürg, 1 n Solothurn, 3 ·n St. Gallen, 3 ·n Aargau, 1 n Thurgau, 1 ·n Waadt, 1 n Neuenburg, 3 n Genf.

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526 Neun Neuwahlen sind noch zu validiren, nämlich 5 vom Kanton Bern, 2 von Freiburg und 2 aus dem Tessin.

Im S t ä n d e r a t h e erschienen als neue Mitglieder : .

Für Freiburg: Herr Alois Bossy, Staatsrath, von und in Frei bürg.

,, Genf: ,, Pierre M o r i a u d , Advokat, von Genf, in Plainpalais.

,, Alexandre G a v a r d , Staatsrath, von und in Carouge.

Am 1. Dezember 1884 hat der Ständerath .sein Bureau bestellt und gewählt: Hr. Theodor W i r z, Landesstatthalter, von und als Präsident: in Sarnen (Obwalden), gew. Vizepräsident.

,, Esajas Z w e i f e l , Landammann, von Linth,, Vizepräsident: thal, in Glarus.

" Stimmenzähler: ,, Job. Jakob H o h l , Landammann, von Heiden, in Herisau.

,, Joseph C h a p p e x, Staatsrath, von Massongez, in Sitten.

Am 2. Dezember 1884 bestellte der Nationalrath sein Bureau und wählte : zum Präsidenten: Hrn. Dr. Johannes S t ö ß e l, Regierungspräsident, von Bäretsweil, in Zürich; ,, Vizepräsidenten: ,, Andreas B e z z o l a , Advokat, von und in Zernetz (Graubünden); ,, Robert D ü r r er, LandesstatthaLter, von zu Stimmenzählern: Thalwyl (Nidwalden), in Stans; ,, Johannes M o s e r , Bezirksstatthalter, von und in Kleinandelfingen (Zürich) ; ,, Adrien T h é l i n , Handelsmann, in La Sarraz (Waadt); ,, Johann Z ü r c h e r , Bezirks - Ingenieur, von Eriswyl (Bern), in Thun.

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04.12.1884

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