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Schweizerisches Bundesblatt.

36. Jahrgang. II.

Nr. 24.

3. Mai 1884.

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Druck und Expedition der Stämpflischen Buchdruckerei in Bern.

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Bericht des

schweizerischen Bundesgerichtes an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1883.

(Vom

29. März 1884.)

Hochgeehrter Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Wir beehren uns, Ihnen hiemit unsern Bericht über die Verwaltung der Bundesrechtspflege im Jahre 1883 zu übermachen.

I. Allgemeiner Theil.

In unserm letztjährigen Berichte haben wir mitgetheilt, daß wir auf eine Anfrage des Bundesrathes, vom 21. April 1882, über die Opportunität einer Revision des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege uns dahin ausgesprochen haben, es seien vor Anhandnahme einer solchen Revision erst noch weitere Erfahrungen in Anwendung des gegenwärtigen Gesetzes, namentlich bezüglich des Verfahrens vor dem Bundesgerichte, abzuwarten.

Wir fügten immerhin bei, daß wir bereit seien, dem ßundesrâthe, wenn er es wünsche, Bericht und Antrag über eine solche Revision zu hinterbringen, und daß wir uns vorbehalten, auch unsererseits die Initiative zu ergreifen, sobald wir den Augenblick für Anhandnahme der Revisionsarbeit als gekommen erachten.

Bundesblatt. 36. Jahrg. Bd. II.

57

816 Nachdem wir nun im Laufe des Jahres 1883 wiederholt über diese Frage beratheu haben, sind wir kürzlich schlüssig geworden, es erscheine nunmehr als angezeigt, die Initiative zu ergreifen und beim Bundesrathe die Ausarbeitung eines Gesetzentwurfes über Abänderung des Bundesgesetzes betreffend die Organisation der Bundesrechtspflege zu beantragen.

Die Gründe, welche uns zu dieser Schlußnahme geführt haben?

lassen sich im Wesentlichen folgendermaßen zusammenfassen: A. Nach Art. 29 und 30 des Bundesgesetzes über die Organisatioii der Bundesrechtspflege hat das Bundesgericht als C i v i l g e r i c h t s h o f über die Abänderung letztinstanzlicher kantonaler Haupturtheile zu entscheiden, sofern die Anwendung bundesgesetzlicher Bestimmungen durch die kantonalen Gerichte in Frage liegt und sofern der Streitwerth mindestens Fr. 3000 beträgt.

Die Erfahrung hat nun gezeigt, daß diese Bestimmung nicht genügt, um den Zweck, welchen die Bundesverfassung (Art. 114) im Auge hat, nämlich die Sicherung der einheitlichen Anwendung des eidgenössischen Rechtes im ganzen Gebiete der Eidgenossenschaft, zu erreichen.

Es ist vorerst sicher, daß Urtheile kantonaler Gerichte wegen falscher Anwendung privatrechtlicher Bestimmungen des Bundesrechtes nicht im Wege des staatsrechtlichen Rekurses nach Art. 59 des Bundesgesetzes beim Bundesgerichte angefochten werden können, sondern daß der verletzten Partei wegen falscher Anwendung des eidgenössischen Privatrechtes durch die kantonalen Gerichte nur das civilrechtliche Rechtsmittel der Art. 29 und 3l) cit. unter den daselbst aufgestellten Voraussetzungen und Beschränkungen zusteht (vergi.

Entscheid in Sachen Baumgartner, IX, S. 234; Schärer, ibid. S. 285 und 476; Oppliger, ibid. S. 556).

Im Laufe des Jahres 1883 nun haben wir konstatiren können, daß nicht in allen Kantonen die Gerichte allein über Streitigkeiten, in welchen die Anwendung des eidgenössischen Obligationenrecht» in Frage liegt, zu entscheiden haben, sondern daß im summarischen oder Vollziehungsverfahren, in Wechselbetreibungssachen u. drgl.

häufig administrative oder politische Behörden (Justizdepartement und Kantonsregierung) zur Entscheidung berufen sind.

Das hat denn aber zur Folge, daß gegenüber derartigen Entscheidungen, da diese sich eben nicht als Urtheile der l e t z t e n kantonalen G e r i c
h t s i n s t a n z qualiflziren, das Bundesgericht nicht kompetent ist und Beschwerden gegen dieselben auch dann wegen Inkompetenz von der Hand weisen muß, wenn die angefochtene

817 administrative Schlußnahme, nach seiner Anschauung, auf offenbarer Verletzung des eidgenössischen Privatrechtes beruht. So haben wir uns K. B. gegenüber von zwei Entscheidungen aus dem Kanton Aargau als inkompetent erklären müssen, wovon die eine die Exmission eines Pächters ohne Rücksicht auf die sechsmonatliche Frist des Art. 314 des Obligationenrechts anordnete und die andere die Anordnung der schnellen Wechselbetreibung in einem Spezialfalle verweigerte.

In andern Kantonen haben in dem sog. summarischen Verfahren und in andern Spezialprozeduren der Bezirksgerichtspräsident und sine Rekurskommission des Obergerichtes zu entscheiden.

Gegen eine Entscheidung dieser Behörden ist uns eine Beschwerde aus dem Kauton Luzern zugegangen, welche sieh ebenfalls auf Exmission eines Pächters im Falle des Art. 324 des Obligationenrechts bezog; wir hatten über diesen Fall, da er durch Vergleich der Parteien erledigt wurde, nicht zu entscheiden. Allein die Frage, ob eine derartige Entscheidung sich als Haupturtheil des letztinstanzlichen kantonalen Gerichtes qualiflzire, ist bestritten und eine verneinende Beantwortung derselben zöge die Inkompetenz des Bundesgerichtes nach sich.

Wir glauben daher, daß im Gesetze ein Rechtsmittel gegen derartige Entscheidungen ausdrücklich einzuführen und daß eine Revision des bestehenden Gesetzes in dieser Richtung eine Nothwendigkeit sei.

B. Art. 30 des Bundesgesetzes über Organisation der Bundesrechtspflege schreibt vor, daß das Bundesgericht sein Urtheil auf Grund des von den kantonalen Gerichten festgestellten Thatbestandes zu fällen und daß dasselbe eine Aktenvervollständigung nur dann anzuordnen habe, wenn von dem kantonalen Gerichte die Erhebung von Beweisen über bestrittene erhebliche Thatsachen verweigert worden ist. Diese Bestimmung gibt, wie wir bereits in unserem Geschäftsberichte für 1881, 8. 5, bemerkt haben, in der Praxis zu zahlreichen Schwierigkeiten Anlaß, weil die von den kantonalen Gerichten festgestellten Thatbestände oft mangelhaft oder unvollständig sind. Eine befriedigende Ergänzung derselben aus den Prozeßakten ist oft unmöglich, weil in einzelnen Kantonen die Zeugenaussagen nicht protokollirt werden und die Akten manchmal nichts anderes als eine bloße Skizze der mündlichen Parteibehauptungen enthalten.

Wir müssen daher wiederholt dem Verlangen Ausdruck geben, daß das neue Gesetz über die Befugnisse des Bundesgerichtes in derartigen Fällen sich ausdrücklich ausspreche oder ein neues

818 Rechtsmittel einführe, nach welchem das Bundesgerieht zur Zurückweisung der Sache au die letzte kantonale Instanz behufs Aktenvervollständigucg befugt wäre; denn ein alle wesentlichen Thatsachen umfassender Thatbestand ist für die richtige Anwendung des Bundesrechtes durchaus unerläßlich.

Wir haben denn auch im Jahre 1883 wiederum zwei kantonale Obergerichte auf die mangelhafte Abfassung der Thatbestände in den Urtheileu der Gerichte ihres Kantons aufmerksam machen und sie einladen müssen, für die Beobachtung der Bestimmungen unseres Kreisschreibens vom 22. September 1882 zu sorgen.

C. Die Kompetenz des Bundesgericbtes in Civilsachen ist nur dann begründet, wenn der Streitvverth mindestens Fr. 3000 beträgt.

Diese Bestimmung hat zur Folge, daß unserer Gerichtsbarkeit nur eine beschränkte Zahl derjenigen Streitigkeiten untersteht, welche von den kantonalen Gerichten nach dem Obligationenrechte oder nach andern Bundesgesetzen entschieden werden ; denn ein Streitwerth von Fr. 3000 ist gerade bei den am meisten vorkommenden Vertragsarten (wie auch z. B. beim Eisen bahntransport vertrag) eine Ausnahme.

Es ist daher wahrscheinlich, daß das ßundesrecht in der Gerichtspraxis der verschiedenen Kantone verschieden angewendet werden wird ; die Urtheilssammlungen geben schon jetzt hiefür sichere Anhaltspunkte.

Wir glauben demnach, daß die Frage einer Abänderung der oben bezeichneten Gesetzesbestimmung von Neuem nach allen Richtungen geprüft werden sollte, wobei auch speziell die Einführung eines gleichmäßig in allen Streitsachen von einem gewissen Belange anwendbaren Kassationsrekurses vom Studium nicht auszuschließen wäre.jj D. Nach Art. 55 des gegenwärtigen Gesetzes hat das eidg.

Kassationsgericht als Strafgericht u. A. über Kassationsbeschwerdeu gegen kantonale Urtheile betreffend Uebertretungen der fiskalischen Bundesgesetze (Art. 18 des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1849) zu entscheiden.

Die fiskalischen Bundesgesetze, auf welche sich dieser Artikel bezieht, sind das Pulverregalgesetz vom 20. April 1849, das Postregalgesetz vom 2. Juni 1849, das Zollgesstz vom 27. August 1851 und die Telegraphengesetze vom 20. Dezember 1854 und 10. Dezember 1867.

Die Thätigkeit des eidgenössischen Kassationsgerichtes, die nur einen Ring in der Kette der ganzen, die ver-

819 schiedenen Stadien des eidgenössischen Administrativ- und des kantonalen Strafverfahrens durchlaufenden Prozedur bildet, greift nur in denjenigen Fällen Platz, welche in Art. 18 des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1849 vorgesehen sind und wo also das Verfahren die verschiedenen in diesem Gesetze vorgeschriebenen Etappen durchlaufen hat. Dagegen bezieht sich die Kompetenz des Kassationsgerichtes nicht auf die seit 1874 erlassenen Bundesgesetze, welche Strafbestimmungen gegen Vergehen oder Uehertretungen enthalten.

Wir haben diese Anschauung in einem an das eidgenössische Justiz- und Polizeideparteinent auf sein Begehren am 20. Juli 1883 erstatteten Berichte entwickelt und es ist dieselbe auch in dem Urtheile des Kassationsgerichtes vom 25. Januar 1879 in Sachen Messerli, V, S. 43 (vergi. Bd. IX, S. 476, Entscheid in Sachen Schärer), festgehalten.

"Wir glauben daher, daß, wenn die Bundesversammlung die Einführung eines Rechtsmittels gegen Urtheile kantonaler Gerichte, welche in Anwendung strafrechtlicher Bestimmungen der neuen Bundesgesetze erlassen werden, als nöthig oder zweckmäßig erachtet, zu diesem Zwecke eine Revision des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vorzunehmen sei; denn Art. 18 des Bundesgesetzes von 1849 kann, wie bemerkt, nicht angewendet werden, da er von den ihm vorhergehenden Bestimmungen über das administrative und gerichtliche Verfahren, mit denen er in innigster Verbindung steht, nicht getrennt werden kann.

Die neuen, hier in Betracht fallenden Bundesgesetze sind 16 an der Zahl; die wichtigsten sind: die Gesetze von 1872 und 1873 über die polizeilichen Maßnahmen gegen Viehseuchen, das Gesetz vom 3. Juli 1875 über Maß und Gewicht, das Gesetz vom 17. September 1875 über Jagd und Vogelschutz, das Fischereigesetz vom 28. September 1875, das Gesetz vom 24. März 1876 über die Forstpolizei im Hochgebirge, das Gesetz vom 23. März 1877 über die Arbeit in den Fabriken, das Bahnpolizeigesetz vom 28. Februar 1878, das Markenschutzgesetz vom 19. Dezember 1879, das Gesetz über die Auswunderungsagenturen vom 24. Dezember 1880 und das Gesetz vom 23. Dezember 1880, betreffend Kontrolirung und Garantie des Feingehaltes der Gold- und Silberwaaren.

Bezüglich mehrerer dieser Gesetze (nämlich bezüglich derjenigen, welche in Anwendung der Art. 25, 33, 34, 39, 40 und 69
der Bundesverfassung erlassen wurden) gehen die Beschwerden nach Art. 59 Nr. 8 des Bundesgesetzes über Organisation der Bundesrechtspflege an Bundesrath und Bundesversammlung; es wäre daher nothwendig, die neue Kompetenz des Kassationsgerichtes auf diejenigen Fragen, welche die Anwendung der Straf-

820 bestimmungen dieser Gesetze betreffen, zu beschränken, während die übrigen Streitigkeiten als Administrativstreitigkeiten der Kompetenz der Bundesversammlung vorbehalten bleiben würden.

Endlich wäre es angezeigt, bei Neugestaltung der Kompetenzen des eidgenössischen Kassationsgerichtes auch zu untersuchen, ob die Kompetenz dieses Gerichtes nicht auch auf die wichtigen Fälle des Art. 74 des Bundesstrafrechtes, welche in der Regel den kantonalen Gerichten zugewiesen werden, ausgedehnt werden sollte.

Am 10. Mai vor. Js. theilte uns das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement die von uns verlangten und im Jahre 1882 nach und nach aus den Kantonen eingelangten statistischen Daten über die Zahl der im Jahre 1881 von den obersten kantonalen Instanzen beurtheilten Prozesse mit, welche nach Inkrafttreten des Obligationenrechts an das Bundesgericht hätten gezogen werden können.

Mit Schreiben vom 5. Juni machten wir indeß das Departement darauf aufmerksam, daß die betreffenden Angaben zu einem erheblichen Theile unzuverläßig seien, weil die in dem Kreisschreiben vom 22. Mai 1882 formulirte Frage nicht von allen kantonalen Obergerichten gleich aufgefaßl worden war.

Am 21. November theilte uns hierauf das Departement neue, berichtigte Antworten der Kantone mit, und wir haben, auf diese gestützt, folgende berichtigte Tabelle aufgestellt: K a n t on e :

Zürich Bern Luzern .

.

Uri Schwyz .

.

Obwalden .

Nidwaiden .

Glarus .

.

Zug Frei bürg .

Solothurn .

Basel-Stadt .

Basel-Landschaft Schaffhausen .

Appenzell A./Rh.

,, I./Rh.

S t . Gallen .

Zahl der im Jahre 1881 beurtheilten oder anhängigen Prozesse:

54 19 .

.

. 2 3 -- .

.

.

2 .

.

.

-- .

.

.

-- .

.

.

6 .

.

.

25 .

.

.

3 .

.

.

1 9 .

.

.

5 .

.

.

8 .

.

.

3 .

.

.

2 .

.

.

21 Uebertrag 190

821 Grrauhünden Aargau .

Tessin Waadt Wallis Neuen bürg Genf Thurgau

Uebertrag 190 .

.

11 .

. 1 9 7 10 -- .

.

.

9 18 7

.

.

.

.

.

Total

271

Aus dieser Tabelle, die indeß wohl auch nicht in allen Theilen Anspruch auf vollständige Genauigkeit wird machen können, kann auf die Zahl der Civilprozesse über obligationenrechtliche Fragen, welche in Zukunft rekursweise an das Bundesgericht gelangen werden, nicht mit Sicherheit geschlossen werden. Sie bestätigt indessen immerhin die von uns oben aufgestellte Behauptung, daß ein Streitwerth von Fr. 3000 eine Ausnahme ist.

Vergleichungsweise fügen wir die folgende den von der Bundesverwaltung publizirten statistischen Erhebungen entnommene Tabelle bei: Eheacheidungsprozesse, welche im Jahre 1881 richte beurtheilt wurden : In erster Instanz 1058

Im Jahre 1882: 1031

durch die Ge-

In zweiter Instanz 100

Durch das Bundesgericht 13

119

11

Die Zahl der in Eisenbahn- und Fabrikhaftpflichtsachen bei den kantonalen Gerichten anhängig gemachten Prozesse läßt sich aus der eidgenössischen Statistik nicht entnehmen; es sind sogar, was zu bedauern ist, die statistischen Angaben über die Zahl der getödteten oder verwundeten Personen ungenügend.

Durch Schreiben vom 9. Oktober brachten wir beim Bundesrathe neuerdings in Anregung, daß die Anfertigung eines Generalregisters zu den bisherigen Entscheidungen des Bundesgerichtes nothwendig geworden sei und machten von Neuem auf unsere, in unserm letzten Jahresberichte erwähnten Vorschläge betreffend diese, auch von der Bundesversammlung gewünschte Publikation aufmerksam, mit dem Beifügen, daß wir im Interesse der raschern Erledigung der Sache bereit seien, unsererseits eine zu der fraglichen

822 Arbeit geeignete Person zu suchen und den Plan des Werkes, sowie die Bedingungen seiner Veröffentlichung festzusetzen. Der Bundesrath erklärte sich mit letzterem Anerbieten einverstanden und wir haben in Folge dessen alle zur Ausführung der fraglichen Arbeit nöthigen Maßnahmen getroffen.

Das Register wird die Entscheidungen des Bundesgerichte» aus den Jahren 1875--1883 inklusive, also 9 Jahrgänge, umfassen; ein Grund, das Jahr 1883 auszuschließen, lag nicht vor; denn trotz des Inkrafttretens des eidgenössischen Obligationenrechtes ist in diesem Jahve von uns noch kein dieses Gesetzbuch betreffendes Civilurtheil gefällt werden.

Die Publikation des Registers wird in zwei Lieferungen erfolgen; die erste, das Gesetzesregister enthaltende Lieferung wird wahrscheinlich noch im Laufe dieses Jahres erscheinen können; die zweite (das systematische Register enthaltend) wird möglichst bald nachfolgen.

II. Besonderer Theil.

Statistische Angaben.

Staats- p. ., Fälle frei w.

rechtliche fälle. Gerichts-

Fälle.

Es gingen aus dem Jahre 1882 auf das Jahr 1883 über 21 30 Im Jahre 1883 gingen neu e i n ...

. 159 91 Es waren also im Ganzen in Behandlung .

.

.180 121 Davon wurden in 93 Sitzungen erledigt .

. 146 87 Es gehen demnach auf 1884 über .

.

.

. 34 34

barkeit.

.

fälle.

Total.

l

--

52

3

l

254

4

l

306

4

l

238

--

-- 6 8

A. Civilrechtliche Entscheidungen.

Die 121 civilrechtlichen Fälle, von denen 72 durch Urtheil des Bundesgerichtes, 15 durch Beschluß (Vergleich, Rückzug oder Annahme des Urtheilsantrages des Instruktionsrichters in Expropriationsfällen) erledigt wurden, und 34 auf 1884 übergehen, 121 vertheilen sich wie folgt:

823

5 Prozesse zwischen Bund und Kantonen oder Privaten, von denen 2 (infolge Vergleichs) durch Beschluß erledigt wurden und 3 sich noch in Instruktion befinden ; 34 Prozesse zwischen Kantonen und Korporationen oder Privaten, von welchen 19 durch Urtheil, 6 durch Beschluß erledigt wurden und 9 auf das Jahr 1884 übergehen; 2 Prozesse zwischen Kantonen, welche sich beide noch in Instruktion befinden; 1 Bürgerrechtsstreitigkeit zwischen Gemeinden, die durch Urtheil erledigt wurde; 2 Heimatlosenprozesse, von denen einer durch Urtheil erledigt wurde, l sich noch in Instruktion befindet; 28 Expropriationsstreitigkeiten, von denen 5 durch Urtheil, 13 durch Beschluß erledigt wurden und 10 sich noch in Instruktion befinden ; l Prozeß betreffend die Anwendung des Bundesgesetzes über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, durch Urtheil erledigt; 3 Weiterziehungen kantonaler Urtheile betreffend die Anwendung des Bundesgesetzes über den Schutz der Fabrik- und Handelsmarken, sämmtlich durch Urtheil erledigt; l Beschwerde betreffend die Anwendung des Bundesgesetzes über die Kosten der Bundesrechtspflege, durch Uvtheil erledigt; l Weiterziehung betreuend die Anwendung des Bundesgesetzes über den Transport auf Eisenbahnen, durch Urtheil erledigt; 10 Weiterziehungen mit Bezug auf das Eisenbahnhaftpflichtgesetz, von denen 8 durch Urtheil erledigt wurden und 2 noch anhängig sind ; 1 Weiterziehung betreffend Haftpflicht aus Fabrikbetrieb, durch Urtheil erledigt; 22 Weiterziehungen betreffend das Bundesgesetz über Civilstand (1) und Ehe (21), von denen 17 durch Urtheil, l durch Beschluß erledigt wurden und 4 noch anhängig sind; 2 Beschwerden betreffend das Bundesgesetz über die persönliche Handlungsfähigkeit, durch Urtheil erledigt; 3 Beschwerden gegen Urtheile oder Beschlüsse kantonaler Behörden betreffend das Obligationenrecht, von denen l durch Vergleich, l durch Inkompetenzerklärung des Gerichtes erledigt wurde und l auf das Jahr 1884 übergeht; 116 üebertrag.

824 116 Uebertrag.

2 Fälle, in denen der Kläger keine bundesrechtliche Bestimmung anrief und in denen sich daher das Gericht inkompetent erklärte, beide durch Beschluß erledigt; 3 Prozesse, in welchen das Bundesgericht als forum prorogatum angerufen wurde, von denen l durch Urtheil erledigt wurde und 2 sich noch in Instruktion befinden.

121

B. Staatsrechtliche Streitigkeiten.

Von den 180 staatsrechtlichen Streitigkeiten bezogen sich 113 auf Verletzungen der Bundesverfassung, und zwar: 65 auf Rechtsverweigerung oder ungleiche Behandlung (Art. 4); 7 ,, Doppelbesteuerung (Art. 46); l ,, Kultussteuern (Art. 49) · l ,, Trennung von Religionsgenossenschaften (Art. 50) ; l ,, Preßfreiheit (Art. 55); l ,, Petitionsrecht (Art. 57); 31 ,, Gerichtsstandsfragen (Art. 58 und 59); 3 ,, Schuldverhaft (Art. 59, Abs. 2); l ,, Gleichbehandlung von Schweizern aus andern Kantonen (Art. 60); l · ,, Vollzug rechtskräftiger Urtheile (Art. 61); 1 ,, Kompetenz des Bundesgerichtes in Civilsachen (Art. 110); 113 18 auf Verletzung von Kantonsverfassungen ; 10 ,, ,, ,, Kantons- und Bundesverfassung; 2 staatsrechtliche Streitigkeiten zwischen Kantonen; 26 ,, Verletzung von Bundesgesetzen, und zwar : 2 auf das Expropriationsgesetz; 6 ,, ,, Gesetz über Civilstand und Ehe ; 3 ,, ,, ,, ,, Auslieferung von Verbrechern ; 11 Uebertrag.

825 11 Uebertrag.

2 auf das Gesetz über Bürgerrechtsverzicht ; 1 ,, ,., ,.

,, Arbeit in den Fabriken ; 8 ,, ,, ,, persönliche Handlungsfähigkeit; 2 ,, ,, ,, ,, Schutz von Fabrik- und Handelsmarken ; 2 ,, ,, ,, ,, das Obligationenrecht; 26

2 auf Verletzung der konkursrechtlichen Konkordate; 9 auf Anwendung von Staats ver trägen mit dem Auslande, und z (var : 2 auf den Niederlassungsvertrag mit Deutschland vom 21. Dezember 1881; l auf den Vertrag mit dem Großherzogthum Baden vom 6. Dezember 1856 ; 1 auf den Vertrag mit den Vereinigten Staaten von Amerika vom 25. November 1850; l auf den Niederlassungsvertrag mit Italien vom 22. Juli 1868; l auf die Verträge mit Frankreich vom 15. Juni 1869 und 18. Juli 1878; 3 sind Auslieferungsbegehren.

9 180

Diese letztern vertheilen sich unter Deutsches Reich (1), Bayern (1), Frankreich (1) und betreffen: 1) Die Auslieferung des Ernst Max Bergius, gewesenen Marinelieutenants, von Düsseldorf, von Deutschland wegen Betrugs verlangt und durch Urtheil vom 16. Juni 1883 bewilligt.

2) Die Auslieferung des Bugen Lennig aus Philadelphia, von Bayern verlangt wegen Tödtung im Duell. Das Bundesgericht hat am 27. August 1883 entschieden, eine Pflicht zur Auslieferung des Lennig nach dem deutsch-schweizerischen Vertrage bestehe nicht, und es werde daher dem Begehren nicht entsprochen.

3) Die Auslieferung des Adolf Renoux von Treitudens, von

826 Frankreich wegen Fälschung amtlicher Stempel verlangt und durch Urtheil vom 28. Dezember 1883 bewilligt.

Von diesen 180 staatsrechtlichen Streitigkeiten wurden 126 durch Urtheil, 20 durch Beschluß erledigt, 34 sind noch unerledigt.

Von den durch Urtheil erledigten Beschwerden wurden, abgesehen von den Auslieferungsbegehren, 24 (ganz oder theilweise) begründet erklärt. Davon beschlagen: 5 den Art. 4 der Bundesverfassung; 8 die Art. 58 und 59 der Bundesverfassung (Gerichtsstandsfragen); l den Art. 60 der Bundesverfassung; l ,, ,,110 ,, 4 die Verletzung von Kantonsvevfassungen ; l das Gesetz über den Verzicht auf das Schweizerbürgerrecht ; l das Gesetz betreffend die persönliche Handlungsfähigkeit; 3 das Gesetz über Civilstand und Ehe.

24

C. Freiwillige Gerichtsbarkeit.

Das Bundesgericht hat im Jahre 1883 über vier hieher gehörige Fälle entschieden. Ein Liquidationsbegehren gegen eine Eisenbahngesellschaft , welches im vorhergehenden Jahre eingegangen war, wurde infolge gütlicher Verständigung als erledigt abgeschrieben.

Die drei andern Fälle waren Klagen von eidgenössischen Schatzungskommissionen oder gegen solche; zwei derselben wurden durch Urtheil, einer durch Beschluß erledigt.

0. Strafrechtspflege.

Das Kassationsgericht hatte einen Kassationsrekurs des eidgenössischen Zolldepartements in einer Zolldefraudationssache zu beurtheilen ; dassejbe kassirte das angefochtene kantonale Urtheil.

Nach Obigem hat das Bundesgericht im Jahre 1883 201 Urtheile gefällt, von denen 72 Civilfälle, 126 staatsrechtliche Streitigkeiten, 2 Fälle der freiwilligen Gerichlsbarkeit und l einen Straffall betrafen.

201

827 Im vorhergehenden Jahre wurden 210 Urtheile gefällt, wovon 67 Civilfälle, 143 staatsrechtliche Streitigkeiten betrafen.

210 E. Mittlere Dauer der Streitfälle.

1. C i v i l r e c h t l i c h e S t r e i t i g k e i t e n .

Durchschnittliche Dauer.

Monate.

Tage.

a. Fälle, welche direkt oder nach vorheriger Entscheidung von Schatzungskommissionen beim Bundesgericht anhängig gemacht wurden.

1) Von der Abgabe der Klage auf die Post bis zum Urtheil 10 3 2.) Vom Erlaß des Urtheils bis zur Zustellung desselben -- 15 Va b. Fälle, welche nach Art. 29 des Bundesgesetzes über Organisation der Bundesrechtspflege an das Bundesgericht weitergezogen wurden : 35.

1) Von Absendung der Akten durch das kantonale Gerieht bis zum Urtheil l 22 2) Vom Erlaß des Urtheils bis zur Zustellung desselben -- 22 Va II. S t a a t s r e c h t l i c h e ( S t r e i t i g k e i t e n .

(146 Fälle, wovon 126 Urtheile und 20 Beschlüsse.)

Durchschnittliche Dauer Monate.

Tage.

1) Von der Abgabe der Beschwerde auf die Post bis zum Urtheil 2 11 2) Vom Erlaß des Urtheils bis zur Zustellung desselben -- ISVz B e m e r k u n g e n . 1. Bei obiger Berechnung der mittleren Dauer der Streitfälle wurden die Fälle der freiwilligen Gerichtsbarkeit und der Strafgerichtsbarkeit nicht berücksichtigt; hätte man dieselben bei den Civilfällen (mit welchen sie im gleichen Register figuriren) mitberechnet, so wäre dadurch das Mittel nicht merklich beeinflußt, doch eher verbessert worden.

828 2. Unter den Civilfällen sub I a figurirt in erster Linie der große Prozeß betreffend das St. Ursusstift in Solothurn, welcher mehr als sechs Jahre gedauert hat; sodann ein Prozeß aus dem Tessin, welcher eine lange Instruktion und zwei Expertisen erforderte (3x/4 Jahre); der schließlich durch Vergleich erledigte Prozeß betreffend das Polytechnikum (Bund contra Zürich) (drei Jahre zwei Monate); endlich der Prozeß gegen die St. Galler Bank Verwaltung (zwei Jahre zehn Monate).

Diese Fälle sind der Grund, daß das Mittel ein so hohes ist.

3. Unter den sub I b erwähnten Civilfällen findet sich einer, welcher an das kantonale Gericht zu neuer Beurtheilung zurückgewiesen werden mußte und welcher infolge dessen ein ganzes Jahr gedauert hat. Ohne diesen Fall würde das Mittel bloß ein Monat vierzehn Tage betragen.

4. Daß bei den Civilfällen sub litt, b für die Zustellung des Urtheils eine ziemlich lange Zeit in Anspruch genommen wurde, rührt hauptsächlich davon her, daß die Zeit für Ausfertigung mehrerer der betreffenden Urtheile mit den Gerichtsferien zusammenfiel.

F. Liquidation der Nationalbahn.

Die Rechnung der Bank von Winterthur betreffend die Hinterlage für die von den Gläubigern des Neunmillionen-Anleihens noch nicht erhobenen Konkursdividenden ergibt auf 31. Dezember 1883 einen Aktivsaldo von Fr. 11,819. 06.

Aus den darüber gemachten Aufzeichnungen ergibt sich auf 31. Dezember 1883 noch nicht erhoben waren : für 63 Titel von Fr. 500 die Dividende von 8.3 °/o, ,, 51 ,, ,, ,, 1000 ,, ,, ,, ,, » 8 * ,, ,, 5000 ,, ,, ,, 6 ,, ,, ,, 500 ,, ,, ,, 0.8%, ,, 41 ,, ,, ,, 1000 ,, ,, ,,

daß

Ueberdies sind 18 verfallene Coupons noch nicht zur Zahlung des auf sie entfallenden Betreffnisses vorgewiesen worden.

829 Genehmigen Sie, hochgeehrter Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer ausgezeichneten Hochachtung.

L a u s a n n e , den 29. März 1884.

Im Namen des schweizerischen Bundesgerichtes, DerPräsident:

Jules Roguin.

Der G e r i c h t s s c h r e i b e r :

Rott.

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Kreisschreiben des

Bundesrathes an sämmtliche eidgenössische Stände, betreffend die auf den 11. Mai d. J. festgesetzte Volksabstimmung.

(Vom 30. April 1884.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Mit Rücksicht auf die am 11. Mai nächsthin stattfindende Volksabstimmung ersuchen wir Sie, auch dieses Mal wieder die nöthigen Weisungen dahin zu erlassen, daß die Abstimmungsergebnisse möglichst rasch auf telegraphischem Wege einer kantonalen Zentralstelle und von dieser der Bundeskanzlei mitgetheilt werden.

Unsererseits haben wir die nöthigen Anordnungen getroffen, daß derartige Depeschen, wie üblich, taxfrei befördert werden.

Im Uebrigen benutzen wir den Anlaß, Sie, getreue, liebe Eidgenossen, sammt uns in den Machtschutz Gottes zu empfehlen.

B e r n , den 30. April 1884.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Welti.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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Bericht des schweizerischen Bundesgerichtes an die Bundesversammlung über seine Geschäftsführung im Jahre 1883. (Vom 29. März 1884.)

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1884

Année Anno Band

2

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24

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

03.05.1884

Date Data Seite

815-829

Page Pagina Ref. No

10 012 314

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