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Schweizerische Bundesversammlung.

Dieselbe, welche am 4. Juni 1884 zu ihrer ordentlichen Sommersession zusammen getreten ist, hat ihre Sitzungen am 28. gleichen Monats geschlossen, und mit ihr die XII. Amtsperiode.

Zum Schlüsse hielt der Präsident des Nationalraths, Herr Gr. F a v o n von Genf, folgende Abschiedsrede : ,,Meine Herren!

,,Die Legislaturperiode hat ihr Ende erreicht. Wenn nicht ernste Ereignisse eintreten, die glücklicherweise nicht in Aussicht stehen, so wird der gegenwärtige Nationalrath nicht mehr zusammentreten. Gestatten Sie mir daher, einige Abschiedsworte au Sie zu richten.

,,Diese Legislaturperiode ist lebhaft angegriffen und lebhaft vertheidigt worden ; es werden sehr verschiedene Urtheile über sie gefällt; mir steht es nicht au, zu erklären, wer Recht hat; es ist dies Sache des Volkes, welches hiezu demnächst Anlaß haben wird.

,,Ich will nur konstatiren, daß diese Legislatur keine unfruchtbare war. In der soeben beendigten Sitzung haben die Käthe vier höchst wichtige gesetzgeberische Erlasse zu Stande gebracht : es sind dies die Gesetze über den Zolltarif und die Posttaxen, sodann die Beschlüsse über Gewährung von Subventionen für gewerbliche Schulen und über Förderung der Landwirtschaft. Wenn wir also unsern Nachfolgern ungelöste Fragen, Probleme vermachen, au die man nicht ohne Besorgniß denken kann, so lassen wir anderseits auch Schöpfungen zurück, welche nach unserer allseitigen Ueberzeugung die nationale Wohlfahrt fördern und dazu beitragen werden, uns besser und einträchtiger, weil gebildeter und glücklicher, zu machen.

,,Zwei dieser gesetzgeberischen Erlasse geben dem Bunde neue Kompetenzen und legen ihm neue Verbindlichkeiten auf. Die Vertreter der verschiedenen Parteien und der verschiedenen Gegenden der Schweiz scheinen nur Vortheile darin zu erblicken ; es darf

395 sogar daran erinnert werden, daß die erste Anregung zu dem Beschlüsse über gewerbliche und industrielle Berufsbildung, wie zu dem Beschlüsse über Förderung der Landwirthsohaft, von derjenigen Fraktion der Bundesversammlung ausgegangen ist, welche sonst besonders zähe an den Vorrechten der kantonalen Selbständigkeit festhält. Wir dürfen daraus den Schluß ziehen, daß eine natürliche Entwicklung des demokratischen Gedankens den republikanischen Staat der Jetztzeit immer mehr dahin führen wird, Wächter und Regulator der wirthschaftlichen Kräfte der Nation zu werden.

,,Allerdings ist die Arbeit dieser letzten Session von der Zustimmung des Volkes abhängig und wir dürfen, angesichts der gemachten Erfahrungen, auf dieselbe nicht unbedingt rechnen. Ich .

habe hier nicht nach den Gründen.zu forschen, welche die Annahme eines Gesetzes selbst dann als ungewiß erscheinen lassen, wenn sich in demselben nichts, was auf einen Mißerfolg hindeuten könnte, entdecken läßt ; ich beschränke mich vielmehr darauf, eine thatsächliche Erscheinung zu konstatiren. Sahen wir doch Gesetze verwerfen, welche von den Räthen einmüthig, in aufrichtigem Patriotismus, beschlossen worden waren. Indessen, wenn uns die Zuversicht versagt ist, so bleibt uns doch die Hoffnung. Und ich hoffe, daß der Sommer endlich in der Politik, wie in der Natur, angebrochen sei, und daß die 8onne der Volksgunst über den letzten Tagen unseres parlamentarischen Wirkens leuchten werde.

,,Ich weiß, daß der Horizont nicht ganz wolkenlos ist. Die Einen erblicken das Wohl des Landes in einer Aenderung des Systems; die Andern finden, es würde nur auf Irrwege führen, wollte man die im Jahr 1874 gesteckten Bahnen verlassen. Soll unsere Politik eine durchaus veränderte Richtung einschlagen ? Auch dies wird Sache der Würdigung des Volkes sein. Die Zukunft wird lehren, wer richtig gesehen und im Interesse des Landes gehandelt hat. Ueberlassen wir es denjenigen,'die uns mit ihrem Vertrauen beehrt haben, zwischen uns zu entscheiden. Unser letztes Wort soll kein Wort des Kampfes sein.

,,Während drei Jahren, meine Herren, haben wir mit einander gelebt, Mitarbeiter am gleichen Werk, Hüter der gleichen Ehre, bekleidet mit dem gleichen Mandate durch die Bürger eines Vaterlandes, welches weder in unserer Fürsorge noch in unserer Liebe als ein getheütes erscheint,
sondern für uns, mögen unsere Anschauungen noch so sehr aus einander gehen, ein gemeinsames und mächtiges Band ist und bleibt. Bewahren wir in unserem Inneren, neben unbedingtem Festhalten an der eigenen Ueberzeugung, ein Plätzchen, der Achtung der Personen und dem Wohlwollen gegen unsern Nächsten geweiht.

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,,Wenn wir, nachdem wir in diesem Saale gekämpft, uns in Bälde vor den Wählern gegenüberstehen, wollen wir, getreu den Grundsätzen, die uns stets leiteten, uns als Mitbürger bekämpfen, welche den Antagonismus nicht weiter treiben, als die Ueberzeugungstreue jedes Einzelnen es erheischt ; damit diejenigen unter uns, die in einigen Monaten, durch den Willen des Volkes berufen, sich hier wiederfinden, einander ohne Hintergedanken die Hand drücken dürfen, zwar als Gegner, die darauf verzichten müssen, -Freunde in eigentlichem Sinn zu werden, wenigstens aber dessen sicher, sieh niemals als Feinde gegenüber zu stehen.

,,Dies ist der Wunsch, mit dem ich schließe, dies der Gedanke, mit dem ich Ihnen allen, meine lieben und geehrten Kollegen, eine glückliche Heimkehr wünsche. a

Gedrängte Uebersicht der in der Session vom Mittwoch 4. bis Samstag 28. Juni 1884 zur Vorlage gelangten Verhandlungsgegenstände.

Näheres enthält die in separater Quart-Beilage erscheinende Uebersicht.

Pendentes ist mit + bezeichnet. -- NR = Nationalrathsbeschluss.

StR = Ständerathsbeschluss. BY = Bundesversammlung.

Die beigefügten Nummern bedeuten die Traktanden-Nummern.

t Abstimmungs-Gesetzgebung, Nr. 10.

+ Alkoholfrage, Nr. 6.

Begnadigungsgesuche (Strafnachlaßgesuche) : Henrioud, Aimé, von Biolley-Orjulaz (Waadt), betreffend Diebstahl im Militärdienst, Nr. 45. -- BV 27. Juni: Nachlaß eines Drittheils der Strafe.

Leutwyler, Job., von Reinach (Aargau), betreffend Buße wegen Auswanderungsagenturbetriebs, Nr. 26. -- BV 27. Juni : Ablehnung.

Eisenbahnwesen : Appenzeller-Bahn (Urnäsch-Appenzell), Fristverlängerung, Nr. 37. -- Letzte Vereinbarung: StR 27., Nil 27. Juni, nebst Zusatzartikel und mit abgeänderten Fristen zum BR-Entwurf.

397 (Eisenbahnen): Centralbahnhof Basel nach St. Louis (Elsaß), Betriebsvertrag, Nr. 46. -- StR 27., NR 27. Juni: Beschluß nach BREntwurf.

Frauenfeld-Wyl, Straßenbahn, Konzession, Nr. 42. -- NR 25., StR 27. Juni : Beschluß nach BR-Entwurf.

Fristverlängerungen durch den Bundesrath in der Zwischenzeit, Nr. 43. -- StR 24., NR 25. Juni: Beschluß nach BR-Entwurf.

f Reformtarif der Centralbahn, Nr. 22.

+ Tarifwesen der schweizerischen Bisenbahnen, Nr. 21. -- NR 18. Juni : Beschluß.

ö Geschäftsbericht des Bundesrathes und des Bundesgcrichts pro 1883, Nr. 4 a. -- Letzte Vereinbarung: NR 27., StR 27. Juni 1884 : Genehmigung nebst Aufstellung eines Postulats.

Gewerbliche Enquete, Nr. 18. -- Letzte Vereinbarung: NR 27., StR 27. Juni : Bundesbeschluß über gewerbliche und industrielle Berufsbildung.

+ Interessenvertretung im Auslande, Nr. 32.

Korrektionen : + Beckenried, Wildbachverbauungen bei -- (Lieli- und DrestliBach), Nr. 41.

+ Emme-Korrektion auf der Strecke von der Ilfis-Mündung bis zur Grenze Burgdorf-Kirchberg, Nr. 40.

Lorze-Verbauung, Nr. 7. -- StR 18., NR 27. Juni: Beschluß nach BR-Entwurf.

+ Rhonekorrektion, Nr. 8.

Landwirthschaft-Förderung, Nr. 19. -- Letzte Vereinbarung: StR 27., NR 27. Juni.

Militärwesen :

Kriegsmaterialbüdget für 1885, Nr. 13. -- StR 24., NR 25. Juni: Beschluß nach BR-Entwurf, nebst Aufnahme eines Postens für Positionsgeschütze.

+ Militärstrafgesetz, Nr. 15.

Munition der Handfeuerwaffen, Erhöhung des Bestandes, Nr. 31. -- StR 12., NR 27. Juni: Beschluß nach BREntwurf.

Positionsartillerie, Nr. 14. -- NR 18., StR 24. Juni: Aufnahme eines Postens von Fr. 400,000 in das Kriegsmaterialbüdget von 1885.

398 (Militärwesen) : Rekrutenausrüstung, Entschädigungen au die Kanton« für das Jahr 1885, Nr. 13. - StR 12., NR 27. Juni: liuschlnii nach BR-Bntwurf.

Motionen : Corna/,, Ständerath, 5. Juni 1884, betreffend Patenttaxen der Handelsreisenden, Nr. 34 a. -- StR 16. Juni: Ablehnung.

Joos, Nationalrath, 9. Juni 1884, betreffend unbedingte, Kündung des internationalen Münzvertrags, Nr. 36. -- NR 27. Juni : Ablehnung, t Moos-Siegwart, Nationalrath, 13. Marx 1884, betreffend lieber nähme der Versicherung von Immobilien und Mobilien durch den Bund, Nr. 28.

t Morel, Nationalrath, 10. Juni 1881, betreffend Postsparkassen, Nr. 27.

t Morel und Kous., Nat.-R,, 21. März 1884, betreffend Statistik der in eidgenössischen Angelegenheiten nicht stimmfähigen Schweizerbürger, Nr. 29.

Théraulaz, Ständerath, 11. Juni 1884, betreffend Putenttaxen der Handelsreisenden, Nr. 34 b. -- StR 1(5. Juni: Ablehnung.

Tissot und Kons., Nat,-R., 20. Juni 1884, betreffend Goldund Silbenvaaren, Nr. 44. -- Zurückgezogen am 27. Juni.

Zemp, Keol und Pedrazzini, Nationalräthe, (>. Juni 1884, betreffend Revision der Bundesverfassung, Nr. 35. -- NR 24. Juni : Ueberweisung sachbezüglicher Motionen an den Bundesrath zum Bericht.

Nachtragskredite für 1884, Nr. 16. -- NR 26., StR 27. Juni : nach BR-Entwurf nebst Nachtrag zu letzterem.

Petitionen : f Leichenverbreunung, Petition betreffend Gestattung der --, Nr. 24, -- NR 27. Juni : Ueberweisung an den Bundesrath zum Bericht.

Walther, David (Appenzell A.-Rh.), in civilrechtliehen Anständen, Nr. 25. -- StR 13., NR27. Juni: zur Tagesordnung geschritten wegen Inkompetenz.

t Politische Rechte, Nr. 9.

Posttaxengesetz, Nr. 20. -- Letzte Vereinbarung : NR 25..

StR 26. Juni.

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Rekurse und Beschwerden: Gutzwiller, Meduin (Basel-Landschaft), betreffend Schuldverhaft, Nr. 23. -- StR 13., NR 24. Juni: zur Tagesordnung geschritten wegen Inkompetenz.

Stettier, Gottlieb, in Bern, betreffend Unterstellung der Spiritusfabrik Demme unter das Fabrikgesetz, Nr. 38. -- StR 24., NR 27. Juni: zur Tagesordnung geschritten,, weil der Gegenstand in die Kompetenz des Bundesrathes fällt.

Van Vloten(Sohaff hausen), betreffend Vormundschaftsanstände, Nr. 39. -- StR 24., NR. 26. Juni: zur Tagesordnung geschritten wegen Inkompetenz.

Schwyz, Verfassungsgesetz, eidg. Gewährleistung, Nr. 11. -- NR 19., StR 25. Juni: Beschluß, etwas abweichend vom BR-Entwurf.

Staatsgelder-Anlage, Abänderung des betreffenden Bundesgesetzes, Nr. 30. -- Letzte Vereinbarung: NR 26., StR 26. Juni.

Staatsrechnung von 1883, Genehmigung.

Nr. 4 b. -- StR 10., NR 18. Juni:.

Vitznau-Gersau-Straße, Bundesbeitrag, Nr. 33. -- StR 26., NR 27. Juni: Beschluß nach BR-Entwurf.

Volksabstimmung vom 11. Mai 1884 über vier Legislativ-Erlasse, Nr. 5. -- NR 24., StR 26. Juni : formulirte Vormerkung vom Ergebnisse.

Wahlaktenprüfung, Nr. 1.

Wahlen: Büdgetkommission, StR, Nr. 3.

Bureau-Neubestellung beider Räthe, Nr. 2.

Zolltarif, Nr. 17. -- Letzte Vereinbarung: StR 25., NR 26. Juni..

(Beilage zum Bundesblatt Nr. 32.)

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05.07.1884

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