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Kreisschreiben des

Bundesrathes an die schweizerischen Gesandtschaften und Konsulate in Europa, betreffend Ausweisschriften.

(Vom 20. Mai 1884.)

Geehrte Herren!

Unser Justiz- and Polizeidepartement hat uns, unter Vorlage bezüglicher Akten, auf die Erscheinung aufmerksam gemacht, daß in neuerer Zeit die Zahl solcher Individuen sich vermehrt, die im Auslande als angebliche Schweizer herumreisen und entweder durch Papiere auswärtiger Behörden mit Visa schweizerischer Repräsentanten oder auch mit gefälschten schweizerischen Papieren sich ausweisen, während sie gleichzeitig solche Ausweise von Repräsentanten anderer Staaten, und zwar oft auf verschiedene Namen lautend, besitzen, jedoch nirgends arbeiten, sondern von Land zu Land reisen und überall mildthätige Unterstützungen erschwindeln.

Es sind diese» ohne Zweifel Uebelstände, denen möglichst vorzubeugen im allgemeinen Interesse liegt.

Wir sehen uns daher veranlaßt, Sie daran zu erinnern, daß nach Art. 46 des schweizerischen Konsularreglementes von 1875 die Konsularbeamten unter keinen Umständen an Nichtschweizer Pässe ausstellen dürfen. Es versteht sich daher von selbst, daß es ihnen auch nicht; gestattet ist, sogenannte Nothpässe oder Vorweise zur Reise nach der Schweiz auszustellen oder solche von einer fremden Behörde ausgestellte Papiere zu visiren, b e v o r sie ü b e r die sch w e i z e r i s c h e A n g e h ö r i g k e i t der b e t r e f f e n den Personen sieh G e w i ß h e i t v e r s c h a f f t haben. Die Frage der schweizerischen Nationalität muß in jedem einzelnen

131 Falle geprüft werden, und zwar auch dann, wenn es einem Individuum durch irgend welche Umstände gelungen wäre; früher von einem andern Konsularbeamten einen Vorweis oder ein Visum zu erhalten, wodurch dasselbe irrthümlich als Schweizer anerkannt sein könnte.

Im Allgemeinen ist nicht außer Acht zu lassen, daß es den Beamten eines andern Staates nicht gestattet ist, Papiere auszustellen, wodurch der Inhaber als Schweizer legitimirt werden soll, mit andern Worten, daß die schweizerischen Behörden und Repräsentanten berechtigt und verpflichtet sind, solche Papiere gänzlich zu ignoriren. Es ist vor Allem aus Aufgabe jener Behörden des fremden Staates, auf dem Wege der Korrespondenz die Anerkennung des schweizerischen Heimat rech tes auszuwirken und Papiere für ein auf ihrem Gebiete lebendes Individuum zu beschaffen, sowie auch die Reisekosten zu bestreiten, wenn sie dasselbe aus dem Lande abschieben wollen.

In gleicher Weise ist auch mit Bezug auf solche Individuen zu verfahren, die zwar als Schweizer legitimirt sind, von denen aber konstatirt werden kann, daß sie arbeitsscheu herumreisen und auf Kosten der Mildthätigkeit leben. Auch solche Individuen sind lediglich der Obsorge der öffentlichen Organe des Landes zu überlassen, welche sie polizeilieh über die Grenzen transportireii werden.

Was diejenigen Individuen betrifft, welche gefälschte Papiere oder solche Papiere, die auf andere Namen lauten, besitzen, so sollen diese den Behörden des Landes, wo sie die Papiere gebraucht haben, mit dem Antrage auf deren Bestrafung signalisirt werden.

Die betreffenden Papiere sind dann diesen Behörden zu übergeben.

Indem wir Ihnen die genaue Beobachtung des Konsularreglementes unter Berücksichtigung vorstehender Bemerkungen bestens empfehlen, benutzen wir auch diesen Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommensten Hochachtung zu versiehern.

B e r n , den 20. Mai 1884.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Welti.

Der Stellvertreter des Kanzlers der Eidgenossenschaft :

Schatzmann.

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Kreisschreiben des Bundesrathes an die schweizerischen Gesandtschaften und Konsulate in Europa, betreffend Ausweisschriften. (Vom 20. Mai 1884.)

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Jahr

1884

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3

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29

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

07.06.1884

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130-131

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