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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch der wegen Übertretungviehpolizeilicher Vorschriften bestraften Viehinspektoren : Theodor Berberat in Montignez, Théophile Chapuis in Bonfol, Xavier Pape in Asuel, Céléstin Pétignat in Alle, Alphonse Henry in Damphreux, Joseph Choulat in Ocourt, Joseph Laville in Chevenez, Jules Kühler in Seleute und Jean-Pierre Daucourt in Bressaucourt, Bezirks Pruntrut.

(Vom 11. Dezember 1903.)

Tit.

Die oben genannten bernischen Viehinspektoren haben für die auf 11. März und 8. Mai 1903 im Hauptorte ihres Bezirkes angeordneten Viehschauen zur Prämiierung von Pferden entgegen den Vorschriften der kantonalen Landwirtschaftsdirektion den beteiligten Viehbesitzern Gesundheitsscheine nach Formular A/I statt solche nach Formular C/I ausgestellt. Hierfür wurden ihnen vom Polizeirichter von Pruntrut infolge Anzeige der bernischen Regierungsbehörde Bußen auferlegt, und zwar im Verhältnis von je Fr. 5 auf ein unrichtig ausgestelltes Zeugnis, nämlich: Berberat Fr. 15 für 3 Scheine, Chapuis ., 15 ,, 3 ,, Pape ,, 45 ,, 9 Pétignat ,, 15 ,, 3 ,, Henry ,, 35 ,, 7 Choulat ,, 10 ,, 2 ,, Laville .. 75 ,, 15' ., Kubier ,, 10 ,, 2 Daucourt ,, 15 ., 3 ,, jeweilen unter Beifügung von Kosten nach Maßgabe der kantonalen Taxen.

267 Die Gebüßten ersuchen um gnadenweisen Erlaß der ihnen auferlegten Strafen. Einzelne von ihnen bringen vor, sie hätten keine Kenntnis gehabt von den Anweisungen der Landwirtschaftsdirektion betreffend Verwendung der Formulare G/L Alle aber wollen nicht daran gedacht haben, daß sie sich einer Gesetzesübertretung schuldig machen.

Von der Staatskanzlei des Kantons Bern ist durch Einsendung der Nummern des Amtsblattes vom 7. Februar und 28. April 1903 und Abzügen von Spezialpublikationen der Nachweis geleistet worden, daß sowohl durch Einsendung im Amtsblatt als durch öffentliche Anschläge im Bezirke Pruntrut rechtzeitig allgemein bekannt gegeben wurde, daß* für die Prämienschauen nur Gesundheitsscheine nach Formular G/l verwendet werden dürfen.

Die Landwirtschaftsdirektion berichtet ferner: die Ausstellungbesonderer Atteste für Prämiierungen werde im Kanton Bern bereits seit 1888 ausgeübt und sei den Viehinspektoren schon damals durch die Regierungsstatthalter zur Kenntnis gebracht worden; nachdem aber für die besondern Schautage vom März und Mai 1903 Publikationen im Amtsblatt und durch öffentlichen Anschlag erfolgt seien, können die fehlbaren Inspektoren sich jedenfalls nicht auf Unkenntnis der Vorschriften berufen.

Durch Spezialgesetz vom 25. Oktober 1896 sind im Kanton Bern Bestimmungen betreffend Förderung und Veredlung der Pferde-, Rindvieh- und Kleinviehzucht aufgestellt worden unter Aussetzung eines jährlichen Kredites von mindestens Fr. 25,000 : a. zur Prämiierung von Zuchthengsten, Hengstfohlen und Zuchtstuten ; b c. zur Deckung der Schau-, Druck- und Sekretariatskosten.

In diesem Gesetze ist vorgeschrieben, daß zum Zwecke der Zuerkennung und Ausrichtung der Prämien alljährlich im Monat März öffentliche Pferdeschauen abgehalten werden, und es ist den Eigentümern prämiierter Tiere verboten, dieselben durch Veräußerung der Verwendung zur inländischen Zucht innerhalb einer bestimmten Frist zu entziehen (§§ l, 2, 3, 4 und 8 des zitierten Gesetzes").

Die von der bernischen Landwirtschaftsdirektion für die Pferdeschauen in Pruntrut vom März und Mai 1903 durch öffentliche Publikationen getroffenen Anordnungen betreffend die Verwendung von Gesundheitsscheinen nach Formular C/I waren nicht eine Ausführung des eidgenössischen Gesetzes über polizeiliche

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Maßregeln gegen Viehseuchen, denn nach diesem hat jeder Viehbesitzer das Recht, für Vieh, dessen sanitarischer Zustand die Veräußerung au Dritte erlaubt, die Ausstellung von Gesundheitsscheinen nach Formular A und B zu verlangen. -- Ob ihnen verboten werden kann, mit solchen Scheinen versehenes Vieh auf Prämiierungsschauen aufzuführen, wenn die kantonale Behörde anordnet, daß hierfür nur Formular C/I verwendet werden dürfe, ist keine Angelegenheit eidgenössischen Rechtes ; die Viehbesitzer sowohl als die Viehinspektoren, welche einem solchen Verbote zuwider handeln, könnten nur dann, und zwar nach kantonalem Rechte bestraft werden, wenn dieses bezügliche Strafandrohungen ·enthielte.

Die auf Grund des Art. 36 des eidgenössischen Viehseuchenpolizeigesetzes, resp. Art. 10 und 11 der Vollziehungsverordnung zu demselben, vom bernischen Richter über die Potenten ausgesprochenen Bußen entbehren daher einer rechtlichen Grundlage.

Die Bundesbehörden haben die Verpflichtung, dies von sich aus zu prüfen, auf welchem Wege immer derartige, aus Bundesrecht hergeleitete Strafentscheide vor sie gebracht werden ; die richtige Folge aber der Konstatierung solcher Verhältnisse ist die Aufhebung der rechtlich nicht haltbaren Entscheidungen.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den A n t r ag:

Es seien den Petenten die ihnen vom Polizeirichter von Pruntrut auferlegten Bußen in Gnaden zu erlassen.

B e r n , den 11. Dezember 1903.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

-^K>^e.-

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16.12.1903

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266-268

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