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Bundesratsbeschluss über

den Rekurs des August Thieke, Architekt in Berlin, betreffend Abweisung seines Patentgesuches.

(Vom 13. Juni 1898.)

Der schweizerische Bundesrat, hat

über den Rekurs des A u g u s t T h i e k e , Architekt in Berlin, betreffend Abweisung seines Patentgesuches, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: A.

In thatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Den 3. April 1897 reichte Patentanwalt Ed. von Waldkirch in Bern, namens August Thieke in Berlin, beim eidgenössischen Amt für geistiges Eigentum ein Patentgesuch, Nr. 15,550, ein, für ,,Holzpflockhalter", welche Benennung später in ,,Neuartige Dübel" umgewandelt wurde. Nachdem die Patentunterlagen zweimal, den 30. Juli und den 29. September 1897, beanstandet worden waren, verfügte das eidgenössische Amt den 4. Oktober die Abweisung des Patentgesuches wegen Ablauf des äußersten zur Ordnung der Patentunterlagen zulässigen Termins.

II.

Mit Eingabe vom 1. November 1897 meldete der Vertreter des Patentbewerbers beim eidgenössischen Justiz- und Polizei-

858 département gegen die das Patentgesuch abweisende Verfügung des eidgenössischen Amtes für geistiges Eigentum, gestützt auf Art. 31 der Vollziehungsverordnung zum Patentgesetz, den Rekurs an; sich vorbehaltend, die eingehende Begründung des Rekurses in einigen Tagen einzureichen. Diese Begründung reichte er den 6. November ein ; er bestritt im wesentlichen, daß ein Grund zum Erlaß der zweiten Beanstandung seitens des eidgenössischen Amtes vorgelegen habe und verlangt daher das nachgesuchte Patent.

in.

Das eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement trat mit Beschluß vom 23. April 1898 auf den Rekurs wegen Verspätung nicht ein. Der Entscheid führt aus, daß die am 1. November eingereichte Eingabe nicht als ein dem Art. 17, Absatz l, des Patentgesetzes entsprechenden Rekurs könne betrachtet worden, da dieselbe weder die Anträge des Beschwerdeführers, noch irgend eine Begründung derselben enthalte. Dies müsse aber in analoger Anwendung der Art. 178, Ziffer 3, und 190 des Bundcsgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege gefordert worden.

Art. 31 der Vollziehungsverordnung zum Patentgesetz spreche zwar blos von der Anmeldung des Rekurses innerhalb der gesetzlichen Frist; unter diesem Ausdruck sei jedoch, wie der französische Text ergebe, nichts anderes zu verstehen, als der im Gesetz vorgesehene Rekurs.

IV.

Gegen diese Entscheidung hat Patentanwalt Ed. von Waldkirch, namens August Thieke, gestützt auf Art. 31 der Vollziehungsverordnung zum Patentgesetz, mit Eingabe vom 20. Mai 1898 den Rekurs an den Bundesrat ergriffen, mit dem Begehren: ,,der Bundesrat möge unter Aufhebung der Verfügung des eidgenössischen Amtes für geistiges Eigentum vom 4. Oktober 1897 das Erfindungspatent auf Grund des Patentgesuches Nr. 15550 erteilen, eventuell das schweizerische Justiz- und Polizeidepartement anweisen, auf den Rekurs vom 1. November 1897 einzutreten"1. Der Rekurrent bringt folgendes vor: Es ist unzulässig, die Bestimmungen dos Bundesgesotzes über die Organisation der Bundesrechtspflege auf das Rekursverfahren in Patentsachen anzuwenden, da der patentrechtliche Rekurs als ein rein administratives Verfahren vom staatsrechtlichen wesentlich verschieden ist. Die Beurteilung von Patentrekursen bildet keinen Teil der dem Bundesrate als der obersten politischen Behörde vom

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Gesetze zugewiesenen Staatsrechtspflege. Viel eher trifft die Analogie der in den Civilprozeßordnungen, z. B. der bernischen Civilprozeßordnung, vorgesehenen Appellationserklärung, oder die Analogie der im deutschen Patentrecht vorgesehenen Einlegung der Beschwerde zu. Zur Entscheidung von Patentrekursen ist keineswegs notwendig, daß der Rekurrent in ausdrücklichen Anträgen des näheren angebe, in welcher Richtung er den amtlichen Abweisungsbeschluß anfechte; sein Begehren geht naturgemäß auf Erteilung des nachgesuchten Patentes ; ebensowenig bedarf es einer besondern Begründung, denn diese liegt schon darin, daß der Rekurrent durch die Erhebung des Rekurses an seinem Patentgesuch festzuhalten, und gegenüber dem abweisenden Beschlüsse des eidgenössischen Amtes von seinem gesetzlichen Rechte auf Nachprüfung des Patentgesuches durch das Departement Gebrauch zu machen dokumentiert hat. Mit der rechtzeitigen Erklärung, daß die Verfügung des eidgenössischen Amtes an die vorgesetzte Verwaltungsbehörde weitergezogen werde, ist der Rekurs erhoben, und es hat das in dieser Weise angerufene Departement seinen Entscheid auf Grund der von ihm einzuholenden Akten zu fällen.

,,Die Rekursfrist von 4 Wochen, eine Kotfrist, wäre übrigens in vielen Fällen, namentlich wenn der Patentbewerber im Ausland wohnt, zur Ausarbeitung einer besonderen Begründung zu kurz. a Die hier vertretene Auffassung wird durch den klaren Wortlaut des Art. 31 der Vollziehungsverordnung zum Patentgesetz, dem die Eingabe des Rekurrenten vom 1. November 1897 genau entspricht, unterstützt.

D'ie rechtliche Begründung des Rekurses ergiebt sich aus den Akten des Patentgesuches Nr. 15550, insbesondere aus der Eingabe vom 6. November 1897 an das eidgenössische Justizdepartement.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: Art. 17 des Patentgesetzes bestimmt, daß gegen die Zurückweisung eines Patentgesuches ,,innerhalb der Notfrist von vier Wochen an die vorgesetzte Verwaltungsbehörde rekurriert1' werden kann. Über die Form, in welcher dieses Rekursrecht ausgeübt werden soll, ist im Patentgesetz nichts näheres gesagt. Daraus folgt, daß, abgesehen von der Rekursfrist, die im allgemeinen Organisationsgesetz der Bundesrechtspflege aufgestellten Bestimmungen über das Rekursverfahren auch in Patentsachen zur An-

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Wendung kommen müssen. Es ist irrtümlich, wenn der Rekurrent meint, für das Rekursverfahren in reinen Administrativsachen passe das Verfahren, das für die Staatsrechtspflege im Organisationsgesetz aufgestellt ist, nicht. Für das Verfahren als solches ist es belanglos, ob gegen die Verfügung einer eidgenössischen Amtsstelle oder gegen die Verfügung einer kantonalen Instanz Beschwerde erhoben wird.

Ebenso unhaltbar ist die Behauptung des Rekurrenten, im Beschwerdeverfahren in Patentsachen bedürfe es vor der Beschwerdeinstanz keines besonders formulierten Antrages und keiner Begründung. Mag auch der zu stellende Antrag dem Beschwerdeführer als selbstverständlich aus den Akten hervorgehend und deshalb als überflüssig erscheinen, so ist er das für die entscheidende Behörde schon der Ordnung halber nicht, ganz abgesehen davon, daß der Antrag vor der Beschwerdeinstanz nicht immer in notwendiger Weise übereinstimmt mit demjenigen vor der Verfügungsinstanz.

Der nicht ganz einwandfreie Ausdruck der Vollziehungsverordnung kommt, wie das Justizdepartement mit Recht hervorgehoben hat, gegenüber dem Gesetzestext nicht in Betracht, und daß die Notfrist von vier Wochen für den auswärtigen Patentbewerber zu kurz sei, ist nicht zutreffend, denn das eidgenössische Amt verkehrt nicht mit ihm, sondern nur mit seinem bevollmächtigten Vertreter in der Schweiz.

Demnach wird erkannt: Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 13. Juni

1898.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t : Rufty.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Rangier.

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Bundesratsbeschluss über den Rekurs des August Thieke, Architekt in Berlin, betreffend Abweisung seines Patentgesuches. (Vom 13. Juni 1898.)

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