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Bundesblatt 102. Jahrgang

Bern, den 15. Juni 1950

Band II

Erscheint wöchentlich Preis 38 Franken Im Jahr, 15 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- and Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 50 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpfli £ de. in Bern

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Zwischenbericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über Massnahmen der Arbeitsbeschaffung (Vom 12. Juni 1950) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Als wir Ihnen ani 22. Mai 1944 unseren ersten Zwischenbericht über die vorbereitenden Massnahmen der Arbeitsbeschaffung unterbreiteten, lebte die schweizerische Öffentlichkeit unter dem unmittelbaren Eindruck der Wechselvollen Kriegsereignisse und ihrer tiefgreifenden Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben unseres neutralen Landes. Die Beschaffung der unentbehrlichen Nahrungsmittel und Rohstoffe für Volk und Armee stand damals im Vordergrund der wirtschaftlichen Anstrengungen. Hinzu trat die Befürchtung, dass die zunehmende Verknappung des industriellen ßoh- und Hilfsmaterials die Beschäftigung bei längerer Kriegsdauer mehr und mehr beeinträchtigen könnte.

Die erste Sorge der mit der Arbeitserhaltung und -beschaffung betrauten Behörden galt daher der Vermeidung kriegs- und mangelbedingter Arbeitslosigkeit. Über dio Entwicklung des Kriegsgeschehens, über die Dauer des Krieges, über die Formen des Überganges von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft waren zu jener Zeit bloss Vermutungen möglich. Dennoch erschien es als ein dringendes Gebot, den bei Kriegsende weitherum als unvermeidlich erachteten Schwierigkeiten im Bereiche des Arbeitsmarktes wohlvorbereitet entgegenzutreten. Dass der Bundesrat aber unter jenen Umständen auf kein festumrissenes Programm fussen konnte, sondern von Fall zu Fall das Notwendige vorkehren musste, ergab sich ohne weiteres aus dem damaligen Stand der Dinge.

Bundesblatt. 102. Jahrg. Bd. II.

22 I.Teil

Die Entwicklung der Wirtschaft und die Konjunkturpolitik des Bundes seit 1944 1. Abschnitt Wirtschaftslage und Beschäftigungspolitik im letzten Kriegsund ersten Nachkriegsjabr 1. Von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft Zu Beginn des Jahres 1944 konnte die Wirtschaftslage unseres Landes bei allen Schwierigkeiten, die die unzureichende Eohstoff- und Lebensmittelversorgung den Betrieben wie den Behörden bereitete, in konjunktur- und beschäftigungspolitischer Hinsicht keineswegs als ungünstig bezeichnet werden.

Die kriegsbedingte Beschäftigungskrise, die seit 1940 gleich dem Schwerte des Damokles über unserer Wirtschaft hing und zu verschiedenen vorsorglichen Vorbereitungen, Plänen und Massnahmen Anlass gegeben hatte, war uns bis dahin glücklicherweise erspart geblieben. Aber um die Jahresmitte 1944 begann eine Beihe von Ereignissen den Beschäftigungsgang nachteilig zu beeinflussen.

Allgemein war das Eindringen der Alliierten in die Normandie und in Südfrankreich von der schweizerischen Bevölkerung mit dem Gefühl grosser Erleichterung aufgenommen worden: stand doch das Ende der Umklammerung unseres Landes durch die Achsenmächte, die vier Jahre gedauert hatte, bevor.

Entgegen allen Erwartungen trat jedoch fürs erste statt der erhofften Entspannung ganz im Gegenteil eine weitere Verschärfung jener Versorgungsund Beschäftigungsprobleme ein, die die Öffentlichkeit schon seit Kriegsbeginn beunruhigten und in Spannung hielten. Die verstärkten Luftbombardemente beeinträchtigten nicht bloss die Leistungsfähigkeit der mitteleuropäischen Verkehrswege, sondern vor allein auch die Lieferfähigkeit der kontinentaleuropäischen Industrien. Da der Güteraustausch mit unserem damals wichtigsten Handelspartner, mit Deutschland, bilateral geregelt war und die Schweiz danach trachtete, das Clearing selbsttragend zu gestalten, verringerten sich die Ausfuhrmöglichkeiten ganz empfindlich. Auch mit Südosteuropa fiel der Warenaustausch vollständig dahin, nachdem sich Eussland im Herbst 1944 des Balkans bemächtigt hatte. Das Erscheinen amerikanischer und französischer Verbände an der savoyischon und der Juragrenze war vielerorts als Vorzeichen einer baldigen Wiederaufnahme regulärer Handelsbeziehungen mit dem Westen gedeutet worden; in Wirklichkeit zog dieses Ereignis innert kurzem eine vollkommene Unterbindung jeglicher
Güterbeförderung zwischen der Schweiz und den Mittelmeerhäfen bzw. der Pyrenäenhalbinsel nach sich -- eine Massnahme, die vermutlich nicht allein militärische, sondern auch wirtschaftliche Beweggründe hatte. Erwähnt sei überdies, Jass die grundlegende Wandlung der Machtverhältnisae auf dem europäischen Festlande den Bundesrat veranlasste, gegenüber den kriegführenden Staaten im Herbst

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1944 ein totales Waffenausfuhrverbot zu verkünden, während die Waffenausfuhr nach neutralen Ländern kontingentiert wurde. Auch dieser Beschluss blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Dispositionen verschiedener industrieller Unternehmungen.

Die Folge solcher Veränderungen war eine deutlich wahrnehmbare E lie kbildung unseres Aussenhandels. Unsere gesamte Einfuhr erreichte in der zweiten Jahreshälfte 1944, gemessen am Aussenhandelsindex, kaum viel mehr als die Hälfte dessen, was in der ersten Hälfte des gleichen Jahres importiert werden konnte. In den drei letzten Monaten des Jahres 1944 sank die Einfuhr auf weniger als ein Fünftel ihres Standes von 1938. Die Ausfuhr verringerte sich in ganz ähnlichen Ausmassen: auch hier erfolgte von der ersten zur zweiten Jahreshälfte ein Bückfall um nahezu die Hälfte. Während aber der Export sich bereits im Frühling 1945 ziemlich schnell zu erholen begann, weil namentlich die von den Alliierten befreiten Länder eine starke Nachfrage nach Wiederaufbaugütern entfalteten, verhinderte der Zustand der Transportwege wie auch der grosse Warenbedarf der kriegsführenden und kriegsgeschädigten Staaten eine Erholung unserer Einfuhr bis tief ins Jahr 1945 hinein. Das Ende des Krieges in Europa brachte uns keine merkliche Milderung der Versorguiigs- und BesehaffimgBtìuhvvierigkeileii; erst/ ala der Waffenstillstand mit Japan grosse Mengen Schiffsraum für den Warentransport freistellte and die Lieferfähigkeit der angelsächsischen Beiche für zivile Zwecke wieder zunahm, gelang es auch unserem Lande, wenigstens seine vordringlichsten Bedürfnisse an Lebensmitteln, Kohmaterialien und Treibstoffen zu decken. Zu Beginn des Jahres 1946 hatte unser Aussenhandel den Vorkriegsumfang zwar noch nicht erreicht, näherte sich aber deutlich jenem Stande.

In der Zwischenzeit waren den Bundesbehörden wie der Wirtschaft bange Stunden nicht erspart geblieben. Die Vorräte an Bohstoffen und Lebensmitteln, die vorsorglicherweise für den Fall einer wirtschaftlichen Abschnürung angelegt worden waren, schrumpf ton ganz bedenklich zusammen. Die Zuteilungen wurden fortschreitend gekürzt und erreichten im Sommer 1945 einen während der ganzen Dauer des Krieges nicht erreichten Tiefstand. Besonders empfindlich machte sich der Mangel an Kohle und Eisen bemerkbar : wurden vor dem Kriege alljährlich rund drei
Millionen Tonnen Kohle aus dem Ausland bezogen, so sank der Import im Jahre 1944 auf ca. !1/3 Millionen Tonnen, um in den ersten zehn Monaten des Jahres 1945 nahezu völlig zu versiegen. Die Einfuhr von Eoheisen und Bohstahl fiel von 104 000 Tonnen im Jahre 1938 auf 39 000 Tonnen im Jahre 1944 und auf 42 500 Tonnen im Jahre 1945; die Einfuhr von Walzwerkerzeugnissen sank sogar von 228 000 Tonnen auf 100 000 bzw. 82 300 Tonnen. Am schwierigsten gestaltete sich die Versorgungslage zwischen Mitte 1944 und Mitte 1945, als die für unsere Ernährung und Erzeugung entscheidenden Einfuhrgüter überhaupt nicht oder nur noch tropfenweise ins Land golaiigltìn. Unsere Wirtschaft ging damals um Haaresbreite an einer Katastrophe vorbei. Aber die Anspannung aller verfügbaren Kräfte, die eingesetzt werden musston, um in Ermangelung ausreichender Importe möglichst grosse Mengen

24 an Lebensmitteln, Brennstoffen, industriellen und gewerblichen Ersatzmaterialien im eigenen Lande hervorzubringen, trug in weitem Umfange dazu bei, dass die Beschäftigung auch nach der Beendigung der Feindseligkeiten in Europa und der Deinobilmachung der schweizerischen Armee nahezu unvermindert aufrechterhalten werden konnte.

Z. Neuer Aufschwung nach Kriegsende Das Ausbleiben krisenhafter Erschütterungen nach Kriegsende bildete eine um so grössere Überraschung, als man weitherum an die Entwicklung nach dem ersten Weltkrieg zurückdachte, wo der Übergang von der Kriegszur Friedenswirtschaft schwere Störungen der Beschäftigung mit sich brachte.

Davon war im Jahro 1945 so gut wie gar nichts wahrzunehmen. Ungeachtet der Truppenontlassungon zählte man im Sommer 1945 bloss ein paar hundert Arbeitslose und Stellensuchende mehr als im Sommer des Vorjahres, der noch im Zeichen starker militärischer Aufgebote stand; auch im darauffolgenden Herbst und Winter gestaltete sich die Lage auf dem Arbeitsmarkt keineswegs ungünstig. Mit dem Beginn des Jahres 1946, das bei fortschreitender Besserung der TraiiBporljverhältinsse zur Set> wie aul dem Lande eine schnulle Wiederbelebung unseres Aussenhandels sah, gewann die wirtschaftliche Entwicklung erneute Schwungkraft. Der vom Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit ermittelte Beschäftigungskoeffizient stieg von 110 im ersten und 115 im zweiten Quartal 1945 auf 131 im ersten und 188 im zweiten Quartal 1946 (50 = schlecht, 100 = befriedigend, 150 = gut). Die Statistik der Stellensuchenden aber zeigte in der ersten Jahreshälfte 1946 einen Tiefstand, wie er seit Bestehen der Arbeitslosenstatistik in unserem Lande noch nie festgestellt worden war. Die Zahl der begutachteten Fabrikbauvorhaben war im ersten Vierteljahr 1946 beinahe doppelt so hoch wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres, was darauf hindeutet, dass die Furcht vor konjunkturellen Euckscblägen nach Beendigung des Krieges ziemlich schnell überwunden wurde.

Auch der Wohnungsbau verzeichnete ungeachtet des Zementmailgels eine deutliche Zunahme.

i Die unverhofft gunstige Entwicklung nach Kriegsende kann freilich nicht einfach als ein Geschenk des Schicksals angesehen werden, das der Schweiz ohne jedes Dazutun in den Schoss fiel. Gewiss wirkten eine Eeihe von Umständen mit, die in der Natur der Dinge lagen
und sich der Einflussnahme durch die Organe der Wirtschaft und dos Staates entzogen. Dass die ungenügenden Zufuhren eine starke Beanspruchung der einheimischen Arbeitskraft bedingten, die nach Kriegsende keineswegs nachliess, ist bereits erwähnt worden.

So waren im Juli 1945, zwei Monate nach Kriegsende, beinahe dreissigtausend Arbeitskräfte zusätzlich in der Landwirtschaft eingesetzt, um der bäuerlichen Bevölkerung bei der Erfüllung des mangelbedmgten Mohranbauprogramms zu helfen; bei Bauten von nationalem Interesse waren gleichzeitig über dreizehntausend Arbeiter tätig, die teils an der Erstellung neuer Kraftwerke, teils

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an der Gewinnung einheimischer Brennstoffe (Torf, Kohle), teils an der Ausführung von Bodenverbessorungen aller Art mitwirkten.

Bin anderer Umstand, der den reibungslosen Übergang von der kriegsbedingten zur friedensmässigen Beschäftigung begünstigte, lag in der Unversehrtheit des schweizerischen Fabrikationsapparates begründet. Kaum waren die Kampfhandlungen in Europa beendigt und die Transportmittel wieder für zivile Bedürfnisse verfugbar, als aus den verschiedensten Ländern Aufträge in die Schweiz zu strömen begannen, um den während des Krieges aufgestauten Bedarf zu decken. Aber auch iu der Schweiz selber wirkte der Nachholbedarf, der mit der von der Lohnbegutachtungskommission empfohlenen fortschreitenden Anpassung der Arbeiterlohne und Angestelltengehälter an die Teuerung in zunehmendem Masse befriedigt werden konnte, eindeutig im Sinne der Erhaltung und Belebung der industriellen und gewerblichen Beschäftigung.

Diese Kräfte und Tendenzen hätten jedoch keineswegs ausgereicht und wären vermutlich kaum zur vollen Entfaltung gekommen, wenn nicht Staat und Wirtschaft ihrerseits durch zielbewusste Massnahmen die Arbeit zu erhalten und den Übergang von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft zu erleichtern gesucht hatten. Obwohl es in manchen Betrieben vorübergehend an Beschäftigung mangelte, verzichteten die Arbeitgeber im allgemeinen auf Personalentlassungen, weil sie damit rechneten, dass nach erfolgter Umstellung auf die Friedenswirtschaft ein der Firma verbundener Stamm von Arbeitern und Angestellten der weiteren geschäftlichen Entwicklung sehr zustatten kommen würde. Manche Unternehmungen entschlossen sich, zeitweilig auf Lager zu arbeiten, wenn ihre Exportmöglichkeiten unterbunden waren, sei es, weil der Transport behindert war, sei es, weil ihr Name auf der Schwarzen Liste der Alliierten figurierte. Andere Betriebe bemühten sich, die Arbeitskräfte, die sie nicht im eigentlichen Produktionsprozess zu verwenden vermochten, für betriebsinterne Umstellungen und Verbesserungen einzusetzen. Erwähnung verdient auch die Bereitstellung grosser Vorräte an Lebensmitteln und Eohstoffen durch unsere Industrie- und Handelsunternehmungen in Übersee. Die vorsorgliche Anlegung dieser Lager in fremden Ländern war mit erheblichen Eisiken verbunden, trug aber nicht wenig dazu bei, nach Öffnung der Transportwege
die Produktion rasch auf vollen Touren laufen zu lassen.

3, Anstrengungen des Bundes zur Erleichterung des Überganges Die Anstrengungen, die der Bund ganz allgemein unternahm, um durch Sicherung der Versorgung und Verteüung, Förderung der heimischen Erzeugung und zweckmassige und sparsame Verwendung rarer Eohstoffe die Wirtschaft im Gang zu halten, beschäftigen uns in diesem Zusammenhange nicht; sie werden in einem besonderen Bericht, der die Tätigkeit der schweizerischen Kriegswirtschaft während des zweiten Weltkrieges darstellt, einlässlich geschildert. Einige besondere Vorkehrungen, die dazu dienten, die Eohstoffachwierigkeiten einigermasseu erträglich zu gestalten und nach Beendigung

26 der Kampfhandlungen baldmöglichst zu beseitigen, bedürfen an dieser Stelle jedoch oiner kurzen Erläuterung. So waren z. B, die Kreditabkommen mit, einer Reihe von Regierungen (auf die wir weiter unten noch zurückkommen werden) an die Voraussetzung geknüpft, dass die kreditnehmenden Staaten der Schweiz nicht bloss grösstmöghche Erleichterungen für die Durchfuhr ihrer Importgüter einräumten, sondern ihr auch angemessene Mengen der in ihrem eigenen Bereiche gewonnenen Rohstoffe lieferten (z.B. Kohle aus Frankreich, Belgien und Polen; Eisen, Stahl und Metalle aus Belgien/Luxemburg, Frankreich und Grossbritannien; Textilrohstoffe und -halbfabrikate aus Frankreich und Italien usw.). Der beschleunigten Überwindung des Rohstoffmangels dienten mancherlei weitere Verhandlungen und Vereinbarungen mit auswärtigen Regierungen: wir erwähnen als ein Beispiel unter vielen das Kohlenlieferungsabkommen mit den Vereinigten Staaten, das der Industrie über die ärgste Brennstoffkalamität hinweghalf. Ins gleiche Kapitel gehört die Bereitstellung eines Bundeskrcdites für Arbeiten an der Schleuse des Kraftwerkes Kembs" und zur Beseitigung anderer Hindernisse im Flussbett dos Rheins, um die für die schweizerische Versorgung und Beschäftigung unentbehrliche Schiffahrt nach Basel wieder in Gang zu bringen. Auch für die beschleunigte Wiederherstellung der Eisenbahnlinien von dor Schweizer Grenze nach den französischen Mittelmeerhäfen (Wiederherstellung zerstörter Brücken) wurden aus ganz ähnlichen Erwägungen gewisse Bundesmittel eingesetzt. Solange wirtschaftswichtige Roh-,-Treib- und Hilfsstoffe allen Bemühungen zum Trotz knapp blieben, galt es vor allen Dingen, durch geeignete ProduktionsunTstellungen, sparsame Erzeugungsmethoden und Verwendung minder knappen Ersatzmaterials diesen Mangel so erträglich als möglich zu gestalten. Neben andern Branchen sah auch das Baugewerbe sich vor die Aufgabe gestellt, mit wesentlich geringeren Materialzuteilungen ein grösstmögliches Bauvolumen &u erzielen, um die Gefahr der Arbeitslosigkeit in diesem Bereiche zu bannen.

In der Absicht, den Bauunternehmungen beizustehen, liess dor Delegierte für Arbeitsbeschaffung von führenden Fachleuten eino Schriftenreihe «Bauen in Kriegszeiten» ausarbeiten, in der ausführliche Anleitungen für materialsparende Baumethoden gegeben werden.

Die für
unsere Wirtschaft besonders kritische Zeit kurz vor und kurz nach Beendigung der Kampfhandlungen in Europa forderte vom Bund vielerlei andere Vorkehrungen zur Erhaltung der Arbeit und zur Vermeidung von Produktionsrückschlägen. Dass manche Unternehmungen zeitweilig genötigt waren, in grösserem Umfange auf Lager zu arbeiten, weil die Ausfuhr ihrer Erzeugnisse aus transporttechnischen oder politischen Gründen unterbunden war, haben wir bereits erwähnt. Um die finanziellen Unzuträglichkeiten der Fabrikation auf Vorrat zu lindern, sprang in einigen Fällen die Eidgenössische Darlehenskasse ein und gewährte den Firmen gegen Einräumung eines Pfandrechtes an den auf Lagor gologton Fabrikaten einen angemessenen Vorschuss.

Wiederholt gelang es dem Delegierten für Arbeitsbeschaffung, vollbeschäftigte Unternehmungen zur Erteilung von Bearbeitungsaufträgen an unterbeschäftigte

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Firmen der gleichen Branche zu veranlassen, wodurch gleichfalls geplante Entlassungen von Arbeitskräften vermieden wurden. Später befassten sich verschiedene Fachverbände auf Veranlassung des Delegierten mit der Vermittlung solcher Lohnaufträge. Als im Herbst 1944 wegen Transportschwierigkeiten einige elektrotechnische Unternehmungen von Beschäftigungsmangel bedroht waren, entschlossen sich die Betriebe der Elektrizitätsversorgung auf Veranlassung des Delegierten vorzeitig zehntausend Elektrizitätszähler zu bestellen und solcherart den Fabrikationsfirmen genügende Aufträge bis zur Wiedereröffnung der Exportwege zu sichern.

Manchen Unternehmungen, die hauptsächlich auf den Export angewiesen waren, bereiteten die Schwarzen Listen der Alliierten grosse Sorgen. Die Firmen, gegen welche alliierterseits solche Sanktionen ergriffen wurden, traf vom schweizerischen Standpunkt keinerlei Schuld, hatten sie ihre Exportlieferungen an die Achsenländer doch durchaus im Eahmen der schweizerischen Handelsvereinbarungen getätigt. Der Bund fühlte sich daher verpflichtet, ihnen vor allem im Jahre 1945, als ihre bisherigen Kunden ausgeschieden waren, Lieferungen' nach dem alliierten Machtbereich aber wegen der Schwarzen Listen ausgeschlossen erschienen, durch Zuwendung von Bundesaufträgen beizustehen. Insbesondere gelang es den eidgenössischen Militärbehörden, durch Auftragsvergebungen grössere Arbeiterentlassungen zu verhindern.

Aber auch abseits dieser Sondcrfälle wurde die Auftragsvergebung seitens der Armee nicht, wie es im Herbst 1918 nach dem Waffenstillstand geschehen war, unverzüglich unterbrochen und vergebene Bestellungen zum Teil sogar rückgängig gemacht. Die Kriegstechmsche Abteilung war diesmal angewiesen worden, die Bestellungen von Heeresmaterial schrittweise auf den voraussichtlichen Friedensbedarf abzubauen, dabei aber die Lieferfristen zu strecken, um der Industrie zu erlauben, die militärischen Aufträge und Arbeiten der Beschäftigungslage anzupassen. Dieses Vorgehen erleichterte die Umstellung der für die Eüstung und Landesverteidigung tätigen Betriebe auf die friedensmäseige Erzeugung und half mit, unsere Wirtschaft vor krisenhaften Erschütterungen zu bewahren.

Nicht vergessen sein soll, dass nach Beendigung der Feindseligkeiten --· also im Zeitpunkt der grössten Materialknappheit -- das
Eidgenössische Militärdepartement der Wirtschaft sofort grössere Mengen an Boh- und Betriebsstoffen, Halbfabrikaten und Lebensrnitteln aus den Armeereserven zur Verfügung stellte und damit wesentlich zur Milderung der äusserst angespannten Versorgungslage beitrug.

4. Förderung des Außenhandels Entscheidend für die Erhaltung und Ausweitung der industriellen Absatzmöglichkeiten wurden die Vorkehrungen des Bundes auf dem Gebiete des Aussenhandels. Als der Krieg seinem Ende zuging, trat immer deutlicher zutage, dass die kriegsgeschädigteü Länder und Gebiete, die der Befreiung von

28 deutscher Besetzung entgegensahen, einen umfassenden Bedarf an Industriegütern für den wirtschaftlichen Wiederaufbau geltend machen würden. Einzelne Länder und Begierungen -- so z. B. die holländische, die sich damals noch im Exil befand, -- waren schon im Jahre 1944 bereit, bestimmte Aufträge in die Schweiz zu vergeben, die erst nach Beendigung des Krieges in Europa auszuliefern wären. Auch mit Frankreich konnten ähnliche Übereinkommen erzielt werden. Natürlich war die Ungewissheit der Bezahlung bei Geschäften mit späterer Lieferung besonders gross. Darum boschloss der Bundesrat im August 1944, die Finanzierung solcher Geschäfte dadurch zu begünstigen, dass er ihnen die staatliche Exportrisiko-Garantie zubilligte. Um die Verpflichtungen des Bundes nicht über Gebühr anschwellen zu lassen, setzte er allerdings die Höchstgrenze für die Garantierung derartiger Bestellungen auf 140 Millionen Franken fest. Auch mit einem nichtkriegfuhrenden Lande, nämlich mit Spanien, wurden Geschäfte mit späterer Lieferung abgeschlossen, als dio alliierte Invasion den Warentransport durch Frankreich lahmlegte.

Die Einräumung dor Exportrisiko-Garantie für solche Bestellungen hat os unserer Industrie ermöglicht, die fortschreitende Verringerung der aus Deutschland stammenden Aufträge und die zeitweilige Unterbrechung der Ausfuhr nach der iberischen Halbinsel und Übersee ohne schwerwiegenden Beschäftigungsausfall zu viberstehen.

Als besondere Massnahme zum Zwecke der Arbeitserhaltung mittels Übernahme von Aufträgen aus dem Auslande sei die Vereinbarung zwischen der Generaldirektion der Schweizerischen Bundesbahnen und der Société nationale des Chemins de Fer français erwähnt, durch welche den schweizerischen Lokoraotiv- und Waggonbauanstalten beschädigte französische Dampflokomotiven und Güterwagen zur Wiederherstellung anvertraut wurden. Die Reparaturaufträge wurden den beteiligten Firmen durch dio Generaldirektion der SBB übermittelt, die den Unternehmungen gleichzeitig iliro technische Mitarbeit anbot, die Überprüfung der ausgeführten Reparaturen übernahm und alle erforderlichen Unterhandlungen mit der französischen Eisenbahngesellschaft führte.

Der für die Entwicklung der schweizerischen Ausfuhr nach Kriegsende ausschlaggebende Schritt war der Entschluss des Bundesrates, den kriegsgeschädigten Staaten umfassende
W i e d e r a u f b a u k r e d i t e einzuräumen.

Clearingvorschùsse musste die Schweiz bereits während des Krieges in erheblichem Umfange bewilligen. Das geschah nicht allein deswegen, weil nur auf diese Weise die schweizerische Ausfuhr aufrechterhalten werden konnte. Vielmehr erwiesen solche Vorschüsse sich als die einzig wirksame Handhabe, um aus dem Herrschaftsbereich der Achsenmächte jene Rohstoffe und Fabrikate zu importieren, die für den Fortbestand unserer heimischen Industrie und Volkswirtschaft wie auch für den Ausbau der Landesverteidigung und die Verstärkung der Heeresbewaffnung unentbehrlich waren. Tatsächlich überstieg denn auch die Einfuhr von Waren aus den Achsenlandern die Ausfuhr dorthin wahrend des ganzen Krieges beträchtlich. Der Charakter jener Clearingvorschüsse, über

29 die im Inland wie im Ausland zum Teil vielerorts vollkommen falsche Vorstellungen herrschen (für Einzelheiten verweisen wir auf den Schlussbericht der Kriegswirtschaft, Abschnitt «Handelsabteilung und Handelspolitik in der Kriegezeit»), geht besonders anschaulich daraus hervor, dass ein Teil der bewilligten Kredite in ein festes Verhältnis zu den aus Deutschland in die Schweiz gelieferten Kohlenmengen gebracht wurde. Obgleich sich die Krediterteilung an das Ausland in Form von Clearingvorschüssen als rocht kostspielig erwies (Ende Oktober 1945 betrug die Summe der Clearing-Fehlbeträge rund !1/3 Milliarden Franken, an denen sowohl Deutschland wie Italien "wie auch die von Deutschland besetzten Gebiete beteiligt waren), besteht doch Übereinstimmung darüber, dass unserem Volke nur auf diese Weise Arbeit und Brot erhalten blieben und die schweizerische Wirtschaft bis zum Ende der Feindseligkeiten vor tiefgreifenden und folgenschweren Erschütterungen bewahrt werden konnte.

Hatte die Schweiz während des Krieges verschiedenen Staaten Kredite eingeräumt, um ihre eigene Wirtschaftstätigkeit aufrechtzuerhalten, so zeigte sich nach Kriegsende, zum Teil aber auch schon in der letzten Kriegsphase die Notwendigkeit, schweizerisches Kapital denjenigen Ländern zur Verfügung zu stellen, die zur Deckung ihres Nachhol- und Wiederaufbaubedarfes Erzeugnisse unserer Industrie benötigten, aber ausserstande waren, ihre Warenbezüge Zug um Zug mittels Gegenlieferungen oder mittels Gold- bzw. Devisenuberweisungon abzugelten. Teils vor, teils nach dem Waffenstillstand schloss die Schweiz üu diesem Zwecke verschiedene Finanzabkommen mit dem Ausland ab, in denen den kriegsgeschädigten Staaten Kredithilfe zugesichert wurde, und zwar nicht in Gestalt eigentlicher Darlehen, sondern in Form von Zahlungsabkommen; diese sahen vor, dass die beteiligten Eegierungen bei mangelndem Ausgleich der gegenseitigen Zahlungen in Vorschuss treten und auf eine Umwandlung des Saldos in Gold oder Devisen verzichten, solange dieser einen bestimmten Betrag nicht übersteigt.

Abkommen dieser Art wurden am 22. März 1945 mit Frankreich, am 25, Juli 1945 mit der belgisch-luxemburgischen Wirtschaftsunion, am 24. Oktober 1945 mit den Niederlanden, am 1. März 1946 mit Norwegen, am 12. März 1946 mit Grossbritannien und am 15. März 1946 mit der Tschechoslowakei
unterzeichnet. Hiezu trat ein Kredit, der der holländischen Eegierung von schweizerischen Banken eingeräumt und von der Eidgenossenschaft zu 85 % garantiert wurde. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass im Sommer 1945 auch mit Italien ein Zahlungsabkommen abgeschlossen, sein Inkrafttreten aber durch den Einspruch der Alliierten, die die Apenninenhalbinsel damals noch besetzt hielten, verhindert wurde. Die Gesamtsumme der Wiederaufbaukredite, die dem Ausland auf diese Weise eingeräumt wurde, beträgt (einschliesslich des Bankenkredits an Holland, aber ohne das nicht in Kraft gesetzte Abkommen mit Italien) rund 700 Millionen Franken, Kein Zweifel besteht, dass durch die genannten Vereinbarungen die Wirtschaftsbeziehungen der Schweiz zu den kriegsgeschädigten Staaten in hohem Masse belebt wurden. Sie ermöglichten es, den unversehrten Produktions-

30 apparat unseres Landes in den Dienst des wirtschaftlichen Wiederaufbaus zu stellen. Den schweizerischen Industriebetrieben aber erleichterten die auf Grund der Kreditabkommen vergebenen ausländischen Aufträge den Übergang von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft, Diesen Vereinbarungen mit dem Auslande ist es zu einem wesentlichen Teil zuzuschreiben, dass die Umstellung reibungslos erfolgte und Störungen auf dem Arbeitsmarkt überhaupt nicht eintraten. Da und dort wurde die Krediterteilung als einseitige Begünstigung der schweizerischen Exportindustrie kritisiert; doch soll man dabei nicht ausser acht lassen, dass die Zahlungsabkommen grossenteils eine Vorbedingung bildeten, um von den kriegsgeschädigten Staaten die für unsere Wirtschaft unentbehrlichen Eohstoffe zu erlangen und die Transportwege von und zu den Seehäfen benutzen zu können. Abseits aller ökonomischen Erwägungen war es aber auch eine Pflicht internationaler Solidarität, den kriegsgeschädigten Staaten mittels Einräumung von Krediten vermehrte Bezugsmöglichkeiten für Wiederauf bau-Güter in unserem Land zu öffnen.

5. Binnenwirtschaftliche Förderungsmassnahmen Neben solchen Bemühungen der Bundesbehörden, die der gesamten Wirtschaft oder wenigstens breitern Wirtschaftsgruppen zugute kamen, verdienen noch einige Sonderaktionen Erwähnung, die vorübergehende Schwierigkeiten einzelner Erwerbszweige oder Unternehmungen zu lindern suchten. Die Bauw i r t s c h a f t hatte unter der Verknappung der meisten Baustoffe wie unter den unsichern Zukunftsaussichten zu leiden. Wegen den Bauten, die im nationalen Interesse errichtet wurden, und andern durch den Krieg bedingten Arbeiten trat die Beschäftigungslücke während der Sommermonate nicht in Erscheinung; im Winter dagegen spürte namentlich das Kleingewerbe den Auftragsmangel, weil die Hausbesitzer in Anbetracht der bei unveränderten Mietpreisen stark erhöhten Baukosten mit Eeparaturen und Eenovationen zurückhielten. Es erwies sich daher als notwendig, die aus der Vorkriegszeit stammenden Beihilfen für Eeparaturen, Eenovationen und Unterhaltsarbeiten auch während des Krieges fortzuführen, freilich unter Beschränkung auf die auftragsarme Zeit im Winter. Als der Zementmangel sich verschärfte, wurden die Subventionen auf solche Arbeiten begrenzt, die bei möglichst kleinem Zementverbrauch ein Höchstmass
an Arbeitsvolumen auszulösen vermochten.

Mit erhöhten Beiträgen wurden Hotel- und Kurbädererneuerungen bedacht, ferner Stallrenovationen sowie bauliche und betriebliche Werkstattverbesserungen. Die Eeparatur- und Eenovationsaktion wurde eingestellt, als die Bautätigkeit im Jahre 1946 wieder normalen Umfang erreichte. Der baugewerblichen Arbeitserhaltung und -beschaffung diente ausserdem die Wohnbauförderung, die von 1942 bis 1945 aus besonderen, zu diesem Zwecke bereitgestellten Krediten, von 1945 bis 1947 aber aus Arbeitsbeschaffungsmitteln finanziert wurde. Die Bedeutung, die dieser Aktion für den Arbeitsmarkt zukam, geht am besten aus der Höhe der von der öffentlichen Hand gesprochenen

31 Beiträge hervor. Die vom Bunde zugesicherten Subventionen erreichten in ·den Jahren 1944 his 1949 die hohe Summe von 230 Millionen Franken.

Durch die Knappheit der Betriebsmittel (Treibstoffe und Bereifungen) wurde das A u t o g e w e r b e besonders hart getroffen. Die Garagisten entfalteten eine bemerkenswerte Initiative und suchten sich auf alle möglichen Arten über Wasser zu halten. Mit fortschreitender Verknappung reichte die Selbsthilfe jedoch nicht mehr aus. Der Bund räumte zunächst Kredite für den Einbau von Ersatztreibstoff-Aggregaten in Lastwagen und Traktoren ein, wodurch die Herstellung solcher Anlagen einen starken Auftrieb erhielt. Die hierfür bewilligten Kredite sind übrigens in der Zwischenzeit sozusagen restlos zurückgezahlt worden, so dass diese recht nützliche Aktion den Bund finanziell kaum belastet hat. Später wurde eine umfassende Reparatur- und Eenovationsaktion für das Autogewerbe eingeleitet, in deren Rahmen für die Instandstellung und Revision stillgelegter Motorfahrzeuge Beiträge des Bundes wie auch der Kantone ausgerichtet worden sind. Dank dieser wirksamen und wertvollen Arbeitsbeschaffungsmassnahmen gelang es, die Garagen durchzuhalten und ihr Stammpersonal zu beschäftigen.

Ungeachtet aller Bemühungen der Bundesbehörden, durch zweckgemässe Gestaltung des Aussenhandels, durch Vereinbarungen mit dem Auslande und durch eine Anzahl von Sonderaktionen zur Belebung der Binnenwirtschaft in der letzten Kriegsphase nach Möglichkeit wirtschaftliche Störungen zu vermeiden und den Übergang zur Friedenswirtschaft zu erleichtern, gelang es freilich nicht, sämtlichen Unternehmungen die zum Durchhalten erforderlichen Aulträge zu sichern. So zeigte es sich, dass der Zusammenbruch eines mittelgrossen Unternehmens der Maschinenbranche bloss verhindert werden könne, wenn die öffentliche Hand unmittelbar Hilfe leiste. Um den Arbeitsplatz von 850 Arbeitern und Angestellten zu sichern, entschloss sich der Bund, mit Unterstützung der kantonalen und kommunalen Behörden den Betrieb selber zu übernehmen und während mehrerer Monate auf eigene Rechnung weiterzuführen. Später gelang es, die Firma einer privaten Gesellschaft abzutreten, und zwar ohne jede finanzielle Einbusse für die Eidgenossenschaft. Derartige Transaktionen sind aber mit so vielen Schwierigkeiten verbunden, dass sie kaum als
empfehlenswerte Auswege bezeichnet werden können. Auch würde in Zeiten Tückläufiger Konjunktur nur wenig Aussicht bestehen, die Reprivatisierung einer vom Bunde übernommenen Unternehmung ganz ohne Verluste durchzuführen.

Aber nicht bloss der Wirtschaft als solcher, sondern auch einzelnen Erwerbstätigen wurden bei Kriegsende allerlei Umstellungen und Anpassungen auferlegt. Auch hier bemühten sich die Behörden, den Betroffenen nach Möglichkeit beizustehen. Die während der Wirtschaftskrise der dreissiger Jahre zur beruflichen Förderung der Arbeitslosen geschaffenen Einrichtungen wurden aufrechterhalten, um für alle Fälle gerüstet zu sein. Das gilt vor allem für die Werkstätten zur Weiterbildung von Metallarbeitern, Automechanikern, Elektroinstallateuren, Radio- und Schwachstrommonteuren, Spenglern, Schreinern, Tapezierern usw. Zum grösseren Teil wurden diese Bildungsstätten in Gestalt

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von Berufslagern, die den Teilnehmern Unterkunft und Verpflegung boten, weitergeführt. In diesen Kursen wurden Angehörige von Berufen mit starkem Arbeitsangebot auf Mangelberufe umgeschult. Besonders beunruhigt war die Öffentlichkeit aber durch die Frage, was nach Kriegsende mit dem kriegswirtschaftlichen Aushilfspersonal des Bundes, der Kantone und der Gemeinden geschehen solle. Da vor Ausbruch des Krieges durchschnittlich etwa 4000 kaufmännische Angestellte stellenlos waren, fürchtete man, dass der Abbau der Kriegswirtschaft erneut Schwierigkeiten in diesen Berufen heraufbeschwören werde. Eine besondere Arbeitsnachweis- und Beratungsstelle wurde geschaffen, um den vor der Entlassung stehenden Aushilfsangestellten bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz behilflich zu sein; überdies wurden in Zusammenarbeit zwischen privaten und staatlichen Organen verschiedene Woiterbildungskurse veranstaltet.

Das Ausbleiben der befürchteten Störungen im Bereiche des Arbeitsmarktes hat da und dort den Eindruck wachgerufen, dass die vielfältigen Vorbereitungen zur Abwehr einer Arbeitskrise gar nicht notwendig gewesen seien. Diese Auffassung betuht jedoch auf einem Trugschluss. Gewiss sind wir in der kritischen Zeit, d. h. in der letzten Phase des Krieges und der ersten Phase des Friedens, von krisenhaften Erschütterungen verschont geblieben.

Und zweifellos haben verschiedene Veruiriständungon, auf die einzuwirken ausserhalb der Kraft der schweizerischen Wirtschaft und des schweizerischen Staates lag, zu diesem fast störungsfreien Übergang von der kriegs- zur friedensmassigen Wirtschaftsgestaltung beigetragen. Aber die günstigen Faktoren der damaligen Entwicklung hätten kaum genügt, um die Beschäftigung in Industrie, Handel und Gewerbe in vollem Umfange aufrechtzuerhalten, wenn nicht Staat und Wirtschaft gemeinsam die Gelegenheit zu aktiver Beeinflussung des Konjunkturablaufs ergriffen hätten. In welchem Umfange Bundesmittel für die einzelnen Arbeitsboschaffungsmassnahmen eingesetzt und welches Auftragsvolumen mit ihrer Hilfe ausgelöst wurde, wird aus der Tabelle auf Seite 171 f.

ersichtlich. In den vorangegangenen Ausführungen haben wir /u zeigen gesucht, dass der Bund, unterstützt durch die private Wirtschaft, vor und nach Kriegsende bewusste konsequente Konjunkturpolitik getrieben hat. Mochten die einzelnen Massnahmen, die er zu ergreifen genötigt war, zuweilen keinen äusserhchen Zusammenhang auf weisen --- so waren sie doch alle auf ein und dasselbe Ziel, das reibungslose Hinubergleiten von der Kriegs- zur Friedensproduktion, gerichtet. Dieses Ziel ist, was die Zeit unmittelbar vor und nach Kriegsende anbetrifft, zweifellos erreicht worden.

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2. Abschnitt Der Konjunkturauftrieb 1946 bis 1948 Massnahmen zur Inflationsbekämpfung I. Die Steigerung der Nachfrage 1. Die Auslandnachfrage Bis Ende 1945 herrschte in unserem Lande vor allem das Gefühl der Erleichterung, dasa der Übergang von der Kriegs- zur Friedenswirtschaft ohne mangelbedingte Störungen und ohne Beschäftigungsausfall überstanden sei.

Man empfand lebhafte Genugtuung, so glimpflich davongekommen zu sein.

Wer die künftige Wirtschaftsgestaltung in Erwägung zog, befürchtete eher eine Verschlechterung der Konjunkturlage, als dass er an einen verstärkten Auftrieb dachte. Weite Kreise der Wirtschaft und Bevölkerung waren daher ziemlich überrascht, als sich Ende 1945 und anfangs 1946 die Reichen zu mehren begannen, dass ein neuer und lebhafter Aufschwung auf fast allen Gebieten der Erzeugung, des Verkehrs und des Handels im Gange sei.

Zweifellos ging ein entscheidender Konjunkturimpuls von der ausserordentlich hohen A u s l a n d n a c h f r a g e aus. Zwar schien diese in den ersten Monaten des Jahres 194G noch keinen aussergewöhnlichen Umfang zu erreichen : erst im März 1946 näherte sich unsere Ausfuhr, gemessen am Aussenhandelsindex, dem Stande von 1988, und erst im Mai 1946 überschritt sie den Vorkriegsstand. Aber offensichtlich war der Auftragsbestand und die Beschäftigung der für den Export arbeitenden Industrien bereits in den vorhergehenden Monaten merklich höher, als aus der Aussenhandelsstatistik hervorging. Denn die Bestellungen, die seit Kriegsonde in erheblichen Ausmassen einliefen, gelangten erst allmählich zur Auslieferung. Von der Jahresmitte 1946 an trat die Belebung, die vom Auslando her auf unsere Wirtschaft einwirkte, auch in den Exportstatistiken deutlicher und deutlicher zutage. Im Herbst 1946 überschritt der Ausfuhrindex don Vorkriegsstand zeitweilig um mehr als 15%.

Das Jahresmittel 1946 liess freilich gegenüber der Vorkriegszeit noch keinen wesentlichen Ausfuhranstieg erkennen; im Jahresmittel 1947 lag die Ausfuhr, gemessen am Aussenhandelsindex, dagegen um rund 15, im Jahresmittel 1948 sogar um rund 25% über dem Vorkriegsniveau. Dabei ist zu beachten, dass die Fabrikateausfuhr, die für unsere industrielle Konjunktur ausschlaggebend ist, sich schneller aufwärts bewegte a l s d i e Ausfuhr mittel 1946 um knapp 7, im Jahresmittel 1947 um 23 und im Jahresmittel
1948 um knapp 80% überschritt. Wertmässig erreichte unser Ausfuhrhandel, der 1988 bei 1,8 Milliarden Franken lag, im Jahre 1946 nicht ganz 2,7 Milliarden, 1947 nicht ganz 3,3 Milliarden und 1948 etwas über 3,4 Milliarden Franken.

Diese starke Exportentfaltung erfasste zunächst eine Anzahl von Verbrauchsgütern (vor allem Uhren, Seiden- und Kunstseidenfabrikate, Woll-

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gewebe, Wirk- und Striekwaren, ferner Pharmazeutika, Farben und Chemikalien). Unter den Produktionsgütern wurden hauptsächlich Instrumente und Apparate, etwas später auch Maschinen begünstigt. Ursache dieses Aufschwunges war offensichtlich der starke Nachhol- und W i e d e r a u f b a u b e d a r f der ausländischen, ganz besonders aber der kriegsgeschädigten Staaten. Diese hätten jedoch keine so umfassenden Aufträge in der Schweiz unterbringen können, wenn die Zahlungsabkommen und die damit verbundenen Vorschüsse ihnen nicht die Möglichkeit eingeräumt hätten, grossere Frankenbeträge auszugeben, als ihnen auf Grund ihrer Lieferungen nach der Schweiz, ihrer sonstigen Forderungen an unser Land und ihrer Währungsreserven zur Verfügung standen.

2. Der Investitionsbedarf Der Auftrieb, den die günstige Exportlage auslöste, blieb keineswegs auf die Wirtschaftszweige beschränkt, die unmittelbar für das Ausland arbeiteten.

Auch die inländische Nachfrage begann alsbald anzusteigen. Teilweise war dies auf unmittelbare Auswirkungen des Exportaufschwunges zurückzuführen. So waren die Unternehmungen, die umfangreiche Liefermöglichkeiten vor sich sahen, häufig schnell entschlossen, zu Betriebserweiterungen, Vergrösserung ihres Maschinenparkes oder anderweitiger Ausdehnung ihrer Erzeugungskapazität zu schreiten, um die sich bietenden Chancen in umfassender Weise auszunützen. Auch das Bestreben, durch Erneuerung und Modernisierung des Produktionsapparates auf der Höhe der Technik zu bleiben und die Wettbewerbskraft dem Auslande gegenüber zu wahren, gab Anlass zu industriellen Investitionen, die den Aufschwung beschleunigten und verstärkten.

Kennzeichnend für die grosse Investitionslust der ersten Nachkriegsjahre ist vor allem die Entwicklung der F a b r i k b a u t e n ; während im Jahre 1945 bloss 2009 Bauvorhaben begutachtet wurden, waren es im folgenden Jahre bereits 3208 und im Jahre 1947 sogar 8371. Im Jahre 1948 aber fiel die Zahl der begutachteten Fabrikbauvorhaben von neuem auf 2600. Die Bausumme der gemeldeten gewerblichen Bauten wurde im Jahre 1945 auf 90,6 Millionen . Franken, im Jahre 1946 hingegen auf 167,8 Millionen Franken veranschlagt.

.Im Jahre 1947 schwoll die Bausumme sogar auf 864,2 Millionen Franken an.

Diese Entwicklung führte zumal im ersten Abschnitt der Hochkonjunktur zu einer starken
Verknappung der meisten Investitionsgüter. Denn die Lieferfähigkeit der Firmen, die Produktionsmittel, wie Maschinen, Instrumente, Apparate usw., erzeugen, nahm nur langsam zu, und noch weniger vermochte das Ausland als Lieferant einzuspringen. Umgekehrt entzog die Ausfuhr dem inländischen Markte beträchtliche Mengen dieser Warengattungen.

Es war unter solchen Umstanden keineswegs erstaunlich, dass die Preise der Investitionsgüter merklich stiegen. Da die Exportpreise keiner staatlichen Überwachung unterstanden, waren die mit Aufträgen überhäuften Unternehmungen begreiflicherweise geneigt, die aus dem Auslande stammenden Bestellungen den inländischen gegenüber einigermassen zu bevorzugen.

35 Angesichts der ausserordentlichen Knappheit an Brennstoff und Baumaterial, die bis tief ins Jahr 1945 in unserem Lande andauerte, erscheint der rasche Aufschwung der Bautätigkeit eigentlich erstaunlich. Der Grund ist darin zu erblicken, dass im Winter 1945/46 der Schweiz recht viel Staubkohle angeboten wurde, andere Kohlensorten aber immer noch nur mit äussersten Anstrengungen erhältlich ·waren. Da Staubkohle praktisch bloss zur Zementherstellung verwendet werden kann, erreichte diese Industrie vor allen andern kohleverbrauchenden Wirtschaftszweigen einen nahezu friedensmässigen Versorgungsstand. Bereits Ende 1945 konnte die Zementrationierung gelockert und auf Ende April 1946 gänzlich beseitigt werden. Damit erhielt das Baugewerbe freie Bahn, im Eahmen seiner Produktionskraft jeden Auftrag entgegenzunehmen. So stieg die Zahl der baubewilligten Wohnungen in 33 Städten von 9018 im Jahre 1945 auf 12 514 im Jahre 1946 und auf 15 129 im Jahre 1947. Aber alsbald erwies sich, dass die Kapazität der schweizerischen Bauwirtschaft keineswegs ausreichte, um allen Anforderungen gerecht zu werden.

Die tatsächlich erstellten Wohnungen wurden in denselben 88 Städten im Jahre 1945 auf 5645, im Jahre 1946 auf 6751, im Jahre 1947 auf 7499 und erst im Jahre 1948 auf 12 581 beziffert. Die dem Delegierten gemeldeten Bauvorhaben der Öffentlichen Hand (Hoch- und Tiefbau) beliefen sich im Jahre 1945 auf 848,4 Millionen Pranken, im Jahre 1946 aber schon auf 423,0 Millionen Franken und im Jahre 1947 auf 553,0 Millionen Franken. Das Gesamttotal aller öffentlichen und privaten Bauvorhaben wurde im Jahre 1945 auf 689,4 Millionen Franken, im Jahre 1946 auf 1092,7 Millionen Franken und im Jahre 1947 auf 1784,6 Millionen Pranken veranschlagt. Da solche Bauaufträge die Leistungsfähigkeit des schweizerischen Baugewerbes offensichtlich überstiegen, die Baufirmen und die Baustofflieferanton aber von allen Seiten auf möglichst rasche Ausführung der Aufträge und Bestellungen gedrängt wurden, konnte nach den Gesetzen von Angebot und Nachfrage ein heftiger Preisauftrieb nicht ausbleiben, der sich unter solchen Umständen auch mittels Höchstpreisvorschriften kaum wirksam eindämmen liess. Der Zürcher Baukostenindex, der im Jahre 1945 auf 165 stand (1938 = 100), war im Jahre 1946 auf 178 und im Jahre 1947 auf 195 gestiegen. Der Berner
Baukostenindex, der gleichfalls auf der Basis 1938 = 100 fusst, wurde im Jahre 1947 auf 196 beziffert.

3. Andere Spannungsmomente auf dem Binnenmärkte Einige weitere Umstände halfen mit, die inflationären Spannungen auf dem schweizerischen Binnenmärkte zu steigern. Dass der Warenmangel selbst im Jahre 1946 weitherum noch keineswegs behoben war, haben wir bereits angedeutet. Wie in der Kriegszeit musste unsere Industrie weiterhin alle erdenklichen Bedarfsartikel erzeugen, die früher mühelos aus dem Ausland herbeigeschafft wurden. Vor allem machte der Ausfall der deutschen Lieferungen die Herstellung mannigfacher Ersatzerzeugnisse notwendig. Da unsere Industrie hierfür zum Teil nicht vorbereitet, zum Teil das Absatzgebiet für eine rationelle

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Produktion zu klein war, erwiesen sich die neuen Fabrikationsarten vielfach als reichlich kostspielig und erforderten einen unverhältnismässigen Aufwand an Arbeit, Kapital und Material. Erwähnt sei, dass die Landwirtschaft auch im Jahre 1946 der kriegswirtschaftlichen Mehranbaupflicht unterstand und infolgedessen einen Mehrbedarf an Arbeitskräften geltend machte. Um ihm Genüge zu tun, gelangten die Vorschriften über den Arbeitseinsatz im Jahre 1946 nochmals zur Anwendung und vermittelten den bäuerlichen Betrieben insgesamt 61 102 Helfer -- das heisst fast ebenso viele wie im Kriegsjahr 1942.

Nach und nach brachte die Zunahme der Einfuhr allerdings die dringend erwünschte Entlastung. Wahrend aber die Ausfuhr, zumal die Ausfuhr von Fabrikaten, schon im Frühling 1946 den Vorkriegsstand erreichte und überschritt, bedurfte die Einfuhr einer längeren Zeitspanne zu ihrer Normalisierung. Der Bohstoff import überschritt freilich schon an der Jahreswende 1945/46 den Vorkriegsstand; die Fabrikateeinfuhr erreichte ihn dagegen erst Mitte 1946 und die Lobensmitteleinfuhr nicht vor Ende 1946.

Verstärkt-wurde der Druck der inländischen Nachfrage durch das durchaus legitime Bedürfnis der Wirtschaft, die während der Mangeljahre geleerten Lager baldmöglichst a u f z u f ü l l e n . Das Ausbleiben einer echten weltpolitischen Befriedung, vor allem aber der schwelende Konflikt zwischen Osten und Westen, mochte da und dort den Gedanken nahelegen, darüber hinaus gewisse Vorräte für den Fall einer neuen wirtschaftlichen Absperrung zu äufnen. Auch der Umstand, dass die Preise der meisten Welthandelswaren nicht, wie weitherum erwartet worden war, allmählich nachliessen, sondern in den Jahren 1946 und 1947 teilweise sogar deutlich anzogen, bestärkte Handel und Industrie m der Absicht, mit der Wiederauffullung ihrer Warenlager nicht länger zu säumen.

4. Lohnbewegung und Konsumsteigerung Entscheidend für den Konjunkturverlauf war unter den binnenwirtschaftlichen Auftriebsfaktoren ganz besonders die Entwicklung der Lohne und Gehälter. Im letzten Vierteljahr 1945 hatten die Stundenverdienste in Industrie und Gewerbe einen Stand erreicht, der den dort beschäftigten Arbeitern im Landesmittel faktisch wieder die K a u f k r a f t von 1939 sicherte. Doch machte die Entwicklung hier nicht halt: dank der ungewöhnlichen Nachfrage
nach Arbeitskräften überschritten die Nominallöhne das Ende 1945 erreichte Niveau ein Jahr später bereits um rund 10%; das Jahr 1947 brachte einen nochmaligen Anstieg um rund 7%. Mitte 1948 verdiente der Arbeiter in Industrie und Gewerbe im Landesdurchschnitt rund ein Fünftel mehr als Ende 1945. Da aber auch die Lebenskosten anzogen, blieb der Beallohnzuwachs bzw. der Kaufkraftgewinn deutlich hinter dem Auftrieb der Frankenlöhno zurück: immerhin verzeichnete der Arbeiter, verglichen mit dem Vorkriegsstände bzw. dem Stande von Ende 1945, Ende 1946 einen Beallolmzuwachs um 7%, Ende 1947 einen solchen um 9% und Mitte 1948 einen solchen am ca. 11 bis 12%. Diese steigende Kaufkraft war natürlich lediglich die

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Auswirkung und nicht etwa die Ursache der guten Konjunktur, wenn sie auch ihrerseits diese wiederum stimulierte.

Diese unverkennbare Erhöhung der Arbeiterkaufkraft setzte breite Bevölkerungsschichten instand, eine Eeihe von Anschaffungen nachzuholen, auf die sie während der Kriegszeit, sei es wegen unzulänglichen Einkommens, sei es wegen Unerhältlichkeit der gewünschten Waren, hatten verzichten müssen. Andere Haushaltungen sahen sich in der angenehmen Lage, dank dem erhöhten Eealeinkommen mancherlei Ausgaben zu tätigen, die sie sich früher versagen mussten. Das traf besonders für jene Familien zu, in denen im Zeichen des wachsenden Bedarfes an Arbeitskräften ausser dem Haushaltungsvorstand auch noch andere Angehörige, beispielsweise die Mutter oder eine erwachsene Tochter, einem Erwerb nachgingen. Die Zunahme der Familieneinkommen überstieg in jenen keineswegs seltenen Fällen, wo vor dem Kriege einzig der Vater, nach dem Kriege aber auch noch andere Haushaltungsglieder bezahlter Arbeit oblagen, die aus der Lohnstatistik ersichtliche Einkommensvermehrung selbstverständlich um ein bedeutendes. Erwähnt sei in diesem Zusammenhange auch der Umstand, dass nicht wenige Pensionierte und Eentner, die altershalber in den Euhestand getreten waren, zeitweilig wieder den früheren Beruf aufnahmen, um eine Lücke auszufüllen und ihrem ehemaligen Arbeitgeber aus der Verlegenheit zu helfen. Auf Grund der vierprozentigen Abzüge, die von sämtlichen Lohn- und Gehaltszahlungen an die Ausgleichskassen für die Lohnersatzordnung abgeführt werden mussten, lässt sich errechnen, dass die gesamte Lohn- und Gehaltssumme der Unselbständigerwerbenden im Jahre 1945 6,1 Milliarden Franken, im Jahre 1947 aber 8,2 Milliarden Franken betrug, also innert zweier Jahre als Folge der Lohnsteigerungen wie auch der Mehrbeschäftigung um ziemlich genau ein Drittel zugenommen hatte. Auch liefert uns die Indexziffer der in gleichen Betrieben beschäftigten Personen einen wertvollen Hinweis: setzt man die Beschäftigung im Jahre 1938 = 100, so stand sie im Quartalsmittel 1945 auf 110, im Quartalsmittel 1946 auf 124 und im Quartalsmittel 1947 auf 184.

Die auf Lohnsteigerungen und Mehrbeschäftigung zurückzuführende Nachfrage nach Konsumgutern wird auch aus den Erhebungen über die Kleinhandelsumsätze deutlich sichtbar. Werden die Umsätze je
Verkaufstag für das Jahr 1985 = 100 gesetzt, so erreichten sie bei den Lebensmitteln im Jahre 1945 154, im Jahre 1946 176, im Jahre 1947 195 und im Jahre 1948 215. Bei den Bekleidungsartikeln lauten die entsprechenden Umsatzwerte 164 für 1945, 207 für 1946, 246 für 1947 und 263 für 1948. Die Ums'atzmenge der Nahrungsmittel betrug, wenn man die Umsätze von 1985 = 100 setzt, im Jahre 1945 82, 1946 96, 1947 101 und 1948 107. Für Bekleidungsartikel lauten die entsprechenden Mengenumsätze 74 im Jahre 1945, 91 im Jahre 1946, 102 im Jahre 1947 und 106 im Jahre 1948. Aus den Indexreihen ergibt sich, dass sich die Umsatzmengen bei Nahrungsmitteln von 1945 bis 1947 um 28 %, bei den Bekleidungsartikeln aber sogar um 38 % erhöhten.

Bundesblatt. 102. Jahrg. Bd. II.

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5. Die Nachfrage der öffentlichen Hand Ein weiterer wesentlicher Auftriebsfaktor war die zunehmende Nachfrage, die die verschiedenen öffentlich-rechtlichen Körperschaften, der Bund, die Kantone, die Gemeinden und deren öffentlichen Betriebe und Unternehmungen entfalteten. Wegen des Anwachsens der Einkommen und Umsätze, aber auch wegen der Fälligkeit der ersten Kate des zweiten Wehropfers schnellten die Steuereingänge beim Bund, bei den Kantonen und bei den Gemeinden im Jahre 1946 im Vergleich zum Vorjahre um ungefähr 820 Millionen Franken empor und erklommen alles in allem (einschliesslich Grenzzölle) den bis dahin für unerreichbar angesehenen Stand von 2,6 Milliarden Franken. Konjunkturpolitisch wäre es zweifellos angebracht gewesen, diesen Mehrertrag weitgehend zur Schuldentilgung, eventuell auch (was im Endergebnis auf dasselbe herausgekommen wäre) zurÄufnung eines Reservefonds für Krisenzeiten zu verwenden.

Die unmittelbaren Ansprüche an die Eidgenossenschaft, die Kantone und die Gemeinden waren aber so gross und vielgestaltig, dass es im Jahre 1946 nicht gelang, diesem zweifellos richtigen Plane zum Durchbruch zu verhelfen. Trotz dem stark erhöhten Steuereingang verzeichnete die Gesamtrochnung der Eidgenossenschaft im Jahre 1946 keine Schuldenverminderung, was allerdings weitgehend auf den Umstand zurückzuführen ist, dass der Bund in diesem Jahre Gold im Betrage von 845 Millionen Franken zu übernehmen hatte.

Die Gesamtrechnung aller Kantone, die im Jahre 1945 (im Gegensatz zu dem durch die Aktivdienst-Aufwendungen belasteten Bundeshaushalt) einen kleinen Einnahmenüberschuss verzeichnete, wies für das Jahr 1946 ungeachtet der Erhöhung der Steuereingänge einen Ausgabenüberschuss von 41 Millionen Franken auf. In den vierzig Kantonshauptorten und Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern vermehrten sich die Aktiven um sechs Millionen Franken, während die Steuereingänge um 18 Millionen Franken anstiegen.

Diese Hinweise zeigen, dass zumal im Jahre 1946 die auf dem Steuerwege abgeschöpfte private Kaufkraft nur in ungenügendem Masse stillgelegt, dafür aber in Form öffentlicher Aufwendungen als wirksame Nachfrage wiederum in den wirtschaftlichen Kreislauf zurückgeleitet wurde. Konjunkturpolitisch etwas günstiger gestalteten sich die Verhältnisse im Jahre 1947; trotz eines Rückganges der eidgenössischen
Steuereingänge um 118 Millionen Franken gelang es, im Bundeshaushalt einen Einnahmenüberschuss von 820 Millionen Franken zu erzielen, während die Kantone bei einer Erhöhung des Steuerertrages um 75 Millionen Franken freilich bloss einen Uberschuss von 21,5 Millionen Franken, die vierzig Kantonshauptorte und Gemeinden mit. mehr als 10 000 Einwohnern bei einem Stouermehrertrag von 35 Millionen Franken sogar eine Vermögensverminderung um 14 Millionen Franken verzeichneten.

Alles in allem machte sich die Staatsnachfrago aber auch im Jahre 1947 wie im Jahre 1948, welch letzteres bei einer abermaligen Erhöhung der eidgenössischen Steuereingänge um 119 Millionen Franken eine Verminderung des Überschusses der Bundeseinnahmen um 124 Millionen Franken brachte, weiterhin mit grossem Nachdruck geltend. Zu den zahlreichen Verpflichtungen, denen sich

39 die öffentliche Hand, weil sie auf Verfassung und Gesetz beruhten, nicht entziehen konnte, gesellten sich in jenen Jahren allerhand Ausgaben, die weder durch Bechtspflichten geboten noch durch vordringliche Staatszwecke begründet waren. Doch zeigte es sich, dass die steigenden Steuereinnahmen eine Anzahl kantonaler und kommunaler Behörden, aber auch manche eidgenössischen Verwaltungen und Betriebe in Versuchung brachten, die verfügbaren Gelder alsbald für Bestellungen, Arbeiten und Einrichtungen auszugeben, die ohne Not etwelchen Aufschub erlitten hätten. Nicht alle öffentlichen Bauten, nicht alle Sportplätze, Strassen und Wege, die m den Jahren der Hochkonjunktur von Kantonen und Gemeinden in Angriff genommen wurden, nicht alle Anschaffungen und Verbesserungen, zu denen sich die öffentlichen Anstalten und Betriebe entschlossen, waren so geartet, dass sie keine Verschiebung ertragen und nicht ebenso gut etwas später, in einem Zeitpunkt nachlassender Beschäftigung und sinkender Preise, in Auftrag hätten gegeben werden können.

Mit diesen Ausführungen soll keineswegs gesagt sein, dass die staatliche Investitionspolitik vollständig vorsagt habe. Beim Bund ist es gelungen, in den in Frage stehenden Jahren die Ausgaben für Bauzwecke wesentlich unter dem Niveau zu halten, das sie unter ähnlichen Verhältnissen früher erreicht hätten. Ebenso haben dio immerwährenden Ermahnungen der Bundesbehürden dazu beigetragen, die Kantone und Gemeinden zur Verschiebung von Arbeiten zu veranlassen, die sonst zweifellos in Angriff genommen worden wären. Dies geht am besten aus den Erhebungen des Delegierten für Arbeitsbeschaffung über die Auftragsreserve der öffentlichen Hand hervor, die stets wachsende Zahlen zeigt. Es wäre aber wünschbar und auch möglich gewesen, auf diesem Gebiete noch mehr zu leisten und damit trotz dem Druck der öffentlichen Meinung, die vielfach den Ausbau der staatlichen Einrichtungen in beschleunigtem Tempo forderte, den Arbeitsvorrat stärker zu vermehren, die finanziellen Eeserven mehr zu erhöhen und gleichzeitig auch die inflationären Auftriebsmomente noch besser zu bremsen.

H. Die Überbeanspruchung der Wirtschaft 1. Der inflatorische

Auftrieb

Das Zusammenwirken der geschilderten drei Auftriebskräfte, der steigenden Ausfuhr, der aus dem Inlande herstammenden Nachfrage (insbesondere auch als Folge der staatlich geförderten Bautätigkeit zur Bekämpfung der Wohnungsnot) und der Aufträge und Arbeiten, die die öffentliche Hand vergab, führte zu einer übernaässigen Beanspruchung des schweizerischen Produktionsapparates und des schweizerischen Arbeitsmarktes. Freie Arbeitskräfte gab es faktisch keine mehr; die Zahl der bei den Arbeitsämtern gemeldeten Stellensuchenden sank sogar unter den Stand der letzten Hochkonjunktur (1929: 8131: 1947: 4093). Bei diesen Stellensuehenden handelte es eich überdies fast ausschliosslich um Leute, die aus persönlichen Gründen als kaum vermittelbar angesehen werden musston. Gleichzeitig stieg die Zahl der Fabrikarbeiter, die

40 im Jahre 1988 etwas mehr als 850 000 und im Jahre 1945 rund 485 000 erreicht hatte, auf 481 000 im Jahre 1946 und 521 000 im Jahre 1947, um im Jahre 1948 einen Höchststand von 581 000 zu erklimmen. Seit dem Herbst des Jahres 1946 trat deutlich zutage, dass die Produktions- und Arbeitskraftreserven unseres Landes ausserstande seien, den Ansprüchen zu genügen, die die drei Konjunkturfaktoren, die Ausfuhr, die inländische Nachfrage und der Staatsbedarf, entfalteten. Dieses Missverhältnis wurde besonders durch den Umstand verdeutlicht, dass der ausländische Nachholbedarf eine starke Saugwirkung auf den schweizerischen Markt ausübte, dass aber umgekehrt das Ausland noch keineswegs in der Lage war, die Schweiz in ausreichenden Mengen mit jenen Waren zu beliefern, die unser Land normalerweise von auswärts zu beziehen pflegte. Um die Erzeugung, dem scheinbar unbegrenzten Bedarf ententsprechend, auf ein Höchstmass zu steigern, begannen zahlreiche Arbeitgeber, einander die knappen Arbeitskräfte durch immer höhere Lohnofferten abspenstig zu machen; dadurch wurde der Entgelt für manche besonders gesuchten Berufsleute teilweise weit über den aus den Lohnerhebungen ersichtlichen Durchschnitt getrieben, eine Erscheinung, die auf die Kalkulation der industriellen, gewerblichen und landwirtschaftlichen Gestehungskosten keineswegs ohne Einfluss blieb. Auf die Ent-wicklung des Warenangebotes wirkt« auch der Umstand, dass die ausländischen Bezüger schweizerischer Erzeugnisse, wie weiter oben bereits angedeutet, im allgemeinen bereit waren, bedeutend höhere Preise zuzugestehen, als die Hersteller auf dem durch die Preiskontrolle gezügelten einheimischen Markte lösen konnten, was die Produzenten in vielen Fällen veranlasste, die vom Ausland her einströmenden Bestellungen vor den Lieferungen an inländische Abnehmer auszuführen. Anderseits haben allerdings die teilweise im Export erzielbaren Preise zahlreiche Unternehmungen in die Lage versetzt, dafür die Inlandpreise tiefer zu halten, als es sonst möglich gewesen wäre, und somit von Gesuchen um die Bewilligung höherer Preise durch die Preiskontrollstelle abzusehen, Warenknappheit und Verteuerung der Produktion trieben die Lebenskosten, deren Index im ersten Vierteljahr 1946 knapp unter 150 (1989 = 100, 1945 = 152) horabgesunken war, bis Jahresende 1946 erneut auf 155,
womit sogar das kriegszeitliche Höchstmass (153 Punkte) etwas überschritten ward. Aber die neue Teuerungswelle war damit noch keineswegs gebrochen; das Jahr 1947 brachte einen abermaligen Impuls, der den Index im November auf 163 hinauftrieb, einen Stand, auf dem unser Preisniveau im wesentlichen auch während des ganzen Jahres 1948 verharrte.

Man darf jedoch bei der Betrachtung der Preisentwicklung nach Kriegsende nicht ausser acht lassen, dass die wegen des Überwiegens der preisgestoppten Vorkriegswohnungen nur wenig veränderten Mietkosten im Landesindex mitenthalten sind. Das verlangsamte naturgemäss den Anstieg des Gesamtindexes. Die Kleinhandelspreise dagegen wiesen im allgemeinen eine etwas lobhaftere Entwicklung auf: so stieg der Tnd«x der Nahrungsmittel von 160 Ende 1945 (1989 = 100) auf 165 Ende 1946, auf 175 Ende 1947 und auf 177 Ende 1948, während der Index der Bekleidungsartikel, der Ende 1945 bereits

41 auf 214 (1939 = 100) stand, Ende 1946 220 und Ende 1947 284 erreichte. Der Sonderindex für verschiedene Bedarfsartikel und Dienstleistungen, der z. B.

Haushaltungsgegenstände, Eeinigungsmittel, Schreibmaterialien, Bahnfahrten, Tabakprodukte usw. enthält, bei der Berechnung der Landesindexziffer der Lebenskosten bis dahin aber nicht berücksichtigt wurde, stieg von 150 Ende 1945 (1939 = 100) bis Ende 1947 auf 162 und bis Ende 1948 auf 163. Diese Entwicklung ist zum Teil darauf zurückzuführen, dass wider Erwarten die Eohstoffpreise steigende Tendenz hatten und im allgemeinen 1948 erheblich über dem Jahresmittel 1945 standen.

2. Gefahren der Überkonjunktur Es unterliegt keinem Zweifel, dass die oben dargestellte Entwicklung der Märkte, Kosten und Preise deutlich die Gefahr einer inflationären Entwicklung heraufbeschwor, die, wäre sie einmal in Gang gekommen, nur unter äussersten Schwierigkeiten hätte aufgehalten werden können. Die fortschreitende Teuerung und Geldentwertung wäre auf eine Enteignung des Sparkapitals hinausgelaufen, hätte den Sparsinn unseres Volkes erschüttert, die Kapitalbildung erschwert und solcherart eine wesentliche Grundlage unseres wirtschaftlichen Wohlstandes untergraben, Überhaupt pflegt jede Geldentwertung, die über eine bestimmte Grenze fortschreitet, gerade jene mittelständischen Schichten zu gefährden, die für den Bestand einer ausgeglichenen Gesellschaft und eines geordneten Staatswesens von ausschlaggebender Bedeutung erscheinen. Aber auch ohne solche bedrohlichen Folgen ins Auge zu fassen, konnten die verantwortlichen Behörden den Folgen der damaligen Konjunkturübersteigerung nicht anders als mit Sorge entgegenblicken. Auch wenn man nicht mit einer eigentlichen Inflation rechnen wollte, war, wie bereits weiter oben ausgeführt wurde, die Gefahr von Kapitalfehlleitungen gross, die nach Eückkehr normaler Verhältnisse für unsere Wirtschaft eine schwere Belastung bedeutet hätten. Die Versuchung lag, wie gesagt, nahe, Betriebe, die durch den Boom zeitweilig begünstigt wurden, weil sie ein vom Ausland besonderes begehrtes Erzeugnis herstellten oder Ersatzartikel für ein Fabrikat lieferten, das vorübergehend von nirgendsher bezogen werden konnte, über Gebühr zu erweitern; andere Betriebe dagegen, die vom Aufschwung minder stark erfasst wurden, dafür aber auf längere Sicht
bessere und solidere Geschäftsaussiehten boten, vermochten oft dringend notwendige Erneuerungen nicht beizeiten durchzuführen, weil sie es auf Grund vorsichtiger und vernünftiger Kalkulationen ablehnten, jeden geforderten Preis fast unbesehen zu bewilligen.

Auch im Hinblick auf die Wettbewerbskraft der schweizerischen Wirtschaft musste jede Überhöhung der Gestehungskosten als höchst bedenklich bezeichnet werden. Investierungen in Zeiten maximaler Preise setzen die Betriebe der Gefahr aus, ihre Konkurrenzfähigkeit zu verlieren, sobald eine Preisrückbildung Platz greift. Nur untor erheblichen, die Gesamtwirtscbaft belastenden Kapitalverlusten gelingt es, ein solches, durch übereilte Erweiterung der Produktionsanlagen im Zeichen der Hochkonjunktur verursachtes

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Handicap zu beseitigen. Eine alte Erfahrungstatsache zeigt überdies, dass Zeiten konjunktureller Hochspannung der Verwirklichung technischer Fortschritte nicht übermässig günstig sind. Solange die Geschäfte fast von selber wie am Schnürchen laufen und die Aufträge beinahe ohne eigenes Dazutun hereingeschneit kommen, braucht der Unternehmer sich keine übertriebene Mühe zu geben, die Kundschaft durch Neuerungen und Verfeinerungen der hergestellten Erzeugnisse zu gewinnen. Aus diesem Grund ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass Produktionsanlagen, die im Zeichen der Uberbeschäftigung und des konjunkturell bedingten Preisauftriebs vorgenommen werden, ziemlich rasch veralten. Ebensowenig erscheint die Hochkonjunktur, die dem Fabrikanten und Produzenten erlaubt, jeden durch die Gestehungskosten halbwegs gerechtfertigten Preis zu erzielen, geeignet, die Bemühungen der Unternehmer auf Kostensenkung durch betriebliche Einsparungen und rationellere Gestaltung der Produktion anzuregen und zu fördern.

Schliesslich konnten die Behörden, die mit der Beobachtung der Konjunkturentwicklung betraut waren, keineswegs übersehen, dass unter dem Einfluss der durch die gunstige wirtschaftliche Entwicklung hervorgerufenen Hochstimmung allerlei Arbeiten, Aufträge und Bestellungen vorweggenommen wurden, die bei ruhigem und ausgeglichenem wirtschaftlichem Fortschreiten aller Wahrscheinlichkeit nach erst nach Ablauf mehrerer Jahre zur Ausführung gelangt wären. Es lag auf der Hand, dass eine solche Vorwegnahme künftiger Beschäftigungsreserven die Gefahr nahebrachte, dass eine spätere Umkehr der Wirtschaftskurve um so schmerzlicher empfunden und um so grössere Sorgen bereiten würde. Im Hinblick auf kommende Konjunkturrückschläge drängton sich aber noch andere Überlegungen auf. So sah man mit grosser Besorgnis, dass zahlreiche auf dem Lande ansässige und ganz oder teilweise in der Landwirtschaft tätige Arbeitskräfte durch verlockende Lohnangebote veranlasst wurden, ihren Wohnsitz in die Stadt zu verlegen und eine Arbeit in Industrie und Gewerbe anzunehmen. Dadurch wurde nicht allein die Landwirtschaft vor sehr schwierige Probleme gestellt, sondern auch die neu in die Städte zugezogenen Arbeiter, die vor allem, wenn sie über keinerlei besondere Fertigkeiten verfügten, damit rechnen mussten, bei einem Nachlassen der Beschäftigung
als erste wieder entlassen zu werden. Eine Bücksiodlung in ländliche Gegenden, die mehr Möglichkeiten für eine Weiterbeschäftigung boten, wäre kaum ganz reibungslos vonstatten gegangen, nachdem die Betroffenen sich einmal an die städtische Lebenshaltung gewöhnt hätten. Aber auch andere Umschichtungen machten sich unter dem Einfluss des Arbeitermangels auf dem Arbeitsmarkte bemerkbar, die im Hinblick auf künftige Entwicklungen keineswegs restlos willkommen schienen. Die Bereitschaft, einen Beruf zu erlernen, liess vielerorts nach, weil die starke Nachfrage nach ungelernten und angelernten Arbeitskräften deren Löhne denen der Facharbeiter annäherte. Auch veranlagte 7. B. die Nachfrage nach weiblichen Büroangestellten zahlreiche Frauen und Töchter, die bis dahin im Hausdienst, als Verkäuferinnen, Fabrikarbeiterinnen usw. beschäftigt waren, sich in einer Art von «Schnellbleiche»

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die notwendigsten Kenntnisse anzueignen, um alsdann eine Stelle als Stenodaktylographin oder Sekretärin bekleiden zu können. Dass solche mässig qualifizierten Kräfte bei einem Konjunkturumschwung als erste ihren Arbeitsplatz einbüssen, die Bückkehr zu der schlechter bezahlten früheren Tätigkeit aber nicht geringe Überwindung kosten würde, war ebenfalls vorauszusehen. Schliesslich darf nicht unerwähnt bleiben, dass der durch den allgemeinen Arbeitermangel wie auch durch das wechselseitige Weg-Engagieren von Arbeitskräften bedingte häufige Stellenwechsel sowohl die betriebliche wie die gesamtwirtschaftliche Ergiebigkeit beeinträchtigte, indem er vermehrte Anlernzeiten erforderte.

Aus allgemein konjunkturpolitischen Gründen, im Interesse einer gedeihlichen Zukunft unserer Wirtschaft und im Hinblick auf die Gefahren, die aus einem fortgesetzten Auftrieb der Preise, Löhne und Kosten hätten erwachsen können, erachteten die Bundesbehörden es als ihre Pflicht, die in ihrer Macht stehenden Massnahmen zu treffen, um schädlichen Übersteigerungen der Konjunktur nach Möglichkeit entgegenzuwirken. Dabei musste der Bundosrat aber von Anbeginn dem Umstände Rechnung tragen, dass der Eidgenossenschaft zur Beeinflussung des Konjunkturablaufes nur sehr beschränkte Mittel zur Verfügung standen. Nicht allein duich den in der Verfassung verankerten Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit waren die Lenkungsbefugnisse des Bundes begrenzt ; ausserdem erschwerte der föderative Aufbau unseres Staatswesens die Anwendung mancher anderwärts erprobter konjunkturpolitiseher Methoden, die an sich den marktwirtschaftliehen Prinzipien keineswegs widersprochen hätten und mit der Handels- und Gewerbefreiheit durchaus vereinbar gewesen wären. Das Arsenal, das den Bundesbehörden zur Durchsetzung konjunkturpolitischer Einsichten und Entschlüsse verfügbar blieb, war daher eher dürftig zu nennen. Es erforderte grosso Beharrlichkeit und Umsicht, um unter solchen Umständen irgendwelche greifbare Erfolge zu erzielen.

ui. Bemühungen um Dämpfung der Überkonjunktur und des Preisauftriebes A. RückMndung der Ausfuhr 1. Kürzung der Auslandkredite Da der starke Exportaufschwung fraglos ein Pfeiler der Hochkonjunktur und eine Hauptursache ihrer Übersteigerung war, fehlte es keineswegs an Stimmen und Vorschlägen, die die Gegenmassnahmen zur
Eindämmung des unerwünschten Auftriebes vor allem bei der Ausfuhr anbringen wollten. Kritik wurde in diesem Zusammenhange hauptsächlich an den Zahlungsabkommen des Bundes geübt, die die kriegsgeschädigten und währungsschwachen Staaten überhaupt erst instand setzten, grössere Aufträge und Bestellungen in der Schweiz unterzubringen. Über die Gründe, die den Bundesrat zur Gewährung dieser Kredite veranlassten, wurde bereits berichtet. Später hätte es der humanitären Verpflichtung der Schweiz zutiefst widersprochen, wäre unter dem

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Eindruck der Konjunkturübersteigerung nachträglich eine Kürzung der in Aussicht gestellten Kredite beschlossen worden, ganz abgesehen von den vertraglichen Schwierigkeiten, die eine Kündigung zwischenstaatlicher Vereinbarungen in den meisten Fällen bereitet hätte. Zweifellos wären die Staaten, denen die Schweiz im Zeichen des Warenmangels den Bezug schweizerischer Industriegüter erschwert hätte, kaum besonders geneigt gewesen, in Zeiten grösserer Güterfülle unser Land als Warenlieferant gebührend zu berücksichtigen. Die Staaten, die in den Jahren 1946 bis 1948 die schweizerischen Kredite am meisten beanspruchten, waren Frankreich, England und Belgien -- drei Handelspartner, deren Bedeutung für unsere Wirtschaft in die Augen springt und die die Schweiz -- von humanitären Erwägungen ganz abgesehen -- schon aus handelspolitischen Gründen nicht vor den Kopf stossen durfte.

2. Aufwertung des Schweizerfrankens?

Auch eine Aufwertung des Schweizerfrankens wurde mancherorts empfohlen, um die Saugwirkung des ausländischen Wiederaufbaubedarfes auf unserem Markt und unsere Produktion einzudämmen. Ausgehend von den Aufwertungsbeschlüssen der schwedischen und der kanadischen Eegierung entwickelte eich auch in unserem Lande namentlich irn Herbst 194fi eine lebhafte Erörterung dieses Problems. Eine Frankenaufwertung würde, so wurde geltend gemacht, unsere Erzeugnisse für den ausländischen Käufer verteuern, zugleich jedoch unsere Einfuhr durch Ermässigung der Importpreise beleben. Auf diese Weise könnte, so hofften die Anhänger der Aufwertung, eine bessere Versorgung des inlandischen Marktes herbeigeführt und die Inflationsgefahr gebannt werden. Demgegenüber wurde aber eingewendet, dass die Verbilligung auf der Importseite trotz Frankenaufwertung wahrscheinlich ausbleiben würde, weil die Preisgestaltung im Zeichen des Warenmangels hauptsächlich durch die Nachfrage bestimmt und die ausländischen Lieferanten die Aufwertung der schweizerischen Währung weitgehend mit einer Erhöhung ihrer Preisforderungen in fremder Währung beantworten würden. Auch sei das Ungenügen der Einfuhr weit weniger auf den Stand der Preise als vielmehr auf die ausländischen Lieferungsschwierigkeiten zurückzuführen. Auf der Exportseite aber seien die Erlös- und Ertragsverhältnisse so unterschiedlich, dass eine Aufwertung, die mancherorts bloss
eine bescheidene Eindämmung der Ausfuhr nach sich zöge, andernortes den Export vollkommen unterbinden und auch die künftigen Ausfuhrmöglichkeiten stark beeinträchtigen müsste. Vor allem aber fiel als Gegenargument ins Gewicht, dass die Währungsrelation bei Strafe eines kaum wieder gutzumachenden Vertrauensschwundes ohne ganz zwingenden Grund überhaupt nicht verändert werden sollte. So zeigte sich denn auch in Schweden und Kanada, dass die frischaufgewerteten Währungen auf den internationalen Devisenmärkten alsbald auf erhebliches Misstrauen stiessen, weil die Meinung weitverbreitet war. dass früher oder später eine Buckführung auf die ursprüngliche Parität erfolgen müsse. Die währungstechnische Position des kanadischen Dollars wie der schwedischen Krone verschlechterte sich nach der Aufwertung

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zusehends ; wer konnte, suchte sich aiis diesen beiden Valuten in eine scheinbar sicherere Währung zu flüchten.

3, Exportabgabe wnd andere Ausfuhrbeschränkungen

Gewissermassen als Alternative zur Aulwertung des Schweizerfrankens, wurde die Anregung zur Erörterung gestellt, ob es nicht zweckmässig wäre, zur Eindämmung von Exporten, die durch Entblössung des heimischen Marktes von stark nachgefragten Waren den inflationären Preisauftrieb förderten, eine Exportabgabe im Ausmasse von etwa 10 bis 15 % zu erheben. Ihr Ertrag sollte nach Ansicht der Urheber dieses Vorschlages zur Erleichterung und Verbilligung wichtiger Einfuhren Verwendung finden. Gegenüber der Frankenaufwertung hätte diese Lösung vor allem den Vorzug gehabt, unser Währungsgefüge unangetastet zu lassen; ausserdem wäre es möglich gewesen, durch Abstufung der Ausfuhrbelastung auf die unterschiedliche Ertragslage der einzelnen Exportzweige Bücksicht zu nehmen. Anderseits hätte jedoch die notwendige Differenzierung der Abgabe eine Unzahl von Meinungsverschiedenheiten bei den betroffenen Branchen herbeigeführt ; aber auch der Einsatz der Abgabeerträgnisse für die Einfuhrverbilligung wäre kaum ohne mannigfaltige Umtriebe möglich gewesen. Überdies fehlte für die Erhebung einer Exportabgabe die rechtliche Grundlage. EÛT die Bemessung der Höhe der Abgabe wären keinerlei objektive Maßstäbe vorhanden gewesen, und es hätte eine umfangreiche, neue Administration geschaffen werden müssen. Auch hätte man mit Repressalien des Auslandes zu rechnen gehabt.

Andere Vorschläge zielten auf die Wiederaufnahme und Erweiterung der Exportkontingentierung ab. Als Mittel zur Verteilung der verfügbaren Zahlungseingänge aus dem Ausland war die Ausfuhrkontingentierung ein Korrelat zur ausländischen Devisenbewirtschaftung. Ausserdem wurde aber in der Kriegszeit die Ausfuhr zahlreicher Guter aus versorgungspolitischen Erwägungen bewilligungspflichtig erklärt. Diese kriegswirtschaftlichen Ausfuhrbeschränkungen fielen nach Kriegsende mit der Besserung der Versorgungslage in rascher Folge dahin. Ihre teilweise Reaktivierung wurde vielerorts als wirksame Handhabe gegen eine Überspitzung der Exportkonjunktur bezeichnet. Auch hier überwogen aber die Nachteile ganz offenkundig : vor allem wäre es schwierig gewesen, den Umfang der zulässigen Ausfuhrmengon für jeden einzelnen Exportzweig in schlüssiger, billiger und gegenüber den betroffenen Firmen vertretbarer Weise festzulegen.

Ähnliches gilt für die Übernahme von Exportdollars,
die für einzelne Industriezweige, vor allem für die Uhrenindustrie, nach Kriegsende weiterhin beschränkt blieb. Ursprünglich sollte mit dieser Massnahme das inflationäre Ansteigen der Geldmenge verhindert werden; aber es versteht sich, dass die Beschränkung der Umwandlung von Dollars, die aus Exporterlösen stammten, in Schweizerfranken geeignet war, der schweizerischen Ausfuhr Zügel anzulegen. Gegen diese Beschränkungen erhoben sich seitens der betroffenen

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Unternehmungen wachsende Widerstände. Dem Buride wurde vorgeworfen, dass er mit seinen Dollarbeschränkungen die Exportindustrie daran hindere, ihre Chancen auszunützen und Geschäftsbeziehungen, die sich für die Zukunft als wertvoll erweisen würden, anzuknüpfen. Auch die Arbeiterorganisationen unterstützten, namentlich in der Uhrenbranche, die Opposition der Unternehmerschaft gegen die Sperrdollarregelung, die denn auch ina Jahre 1947 endgültig beseitigt wurde. Das Schicksal dieser Massnahme lässt vermuten, dass die schweizerische Wirtschaft anderen Vorkehrungen (wie zum Beispiel einer eigentlichen Exportkontingentierung oder einer Exportabgabe) ebensowenig Verständnis entgegengebracht hätte, wenn diese vom Bundesrate ernsthaft in Erwägung gezogen worden wären.

Zusammenfassend kann zu den verschiedenen Vorschlägen, die auf eine Dämpfung der Exportkonjunktur abzielten, gesagt werden, dass sie vom konjunkturpolitischen Standpunkt aus zweifellos gut begründbar waren, jedoch wesentlicher praktischer und psychologischer Voraussetzungen entbehrten. Der Nachholbedarf nach dem Kriege war eine einmalige Erscheinung; die Schweiz hatte die Wahl, sich in den darauf beruhenden erhöhten zwischenstaatlichen Güteraustausch einzuschalten oder darauf zu verzichten. Von den humanitären Erwägungen, die die Verweigerung vun Expui(Lieferungen an kriegsgeschädigte Staaten kaum tragbar erscheinen h'essen, war bereits die Rede.

Mit Nachdruck wiesen Wirtschaftskreise darauf hin, dass eine Einschränkung ihrer Ausfuhrmöglichkeiten durch Abgaben, Kontingentierungen oder andere staatliche Massnahmen ihre Kunden veranlassen würde, nach andern Lieferanten Umschau zu halten, was unsere Exportaussichten nach Wiederkehr normaler Markt- und Absatzverhältnisse aufs schwerste beeinträchtigen wurde.

Die Berechtigung solcher Befürchtungen liess sich nicht in jedem Einzelfalle überprüfen; aber unmöglich konnte der Bund die Verantwortung übernehmen, die auf den Export angewiesenen Firmen mittels Exportbeschränkungen irgendwelcher Art in einem Zeitpunkt, den sie als entscheidend ansahen, der Möglichkeit zu berauben, ihre Leistungsfähigkeit durch Ausführung der erteilten Aufträge unter Beweis zu stellen. Dann musste der Bund auch mit der Abneigung gegen staatliche Eingriffe ins Wirtschaftsleben rechnen, die nach Kriegsende in der
schweizerischen Öffentlichkeit weitherum überhandnahm.

B. Eindämmung der Inlandnaciifrage?

1. Aufldärungsmassnahmen Die mit der Organisation und Leitung der Kriegswirtschaft betrauten Bundesorgane machten in der Kriegszeit die erfreuliche Erfahrung, dass die Wirtschaft wie auch die Öffentlichkeit einer zielbewussten und sachlichen Aufklärung und Orientierung über ein möglichst zweckmässiges und sinnvolles Vorhalten gegenüber der Warenknappheit und. anderen Kriegqfolgpn durchaus zugänglich waren. Es lag, als nach dem Kriege die Übersteigerung der Konjunktur unser wirtschaftliches Gleichgewicht gefährdete, natürlich sehr nahe,

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auf ähnliche Weise auf die öffentliche Meinung einzuwirken, um die verschiedenen Volksteile und Wirtschaftszweige zu einem ihrer besondem Lage angemessenen k o n j u n k t u r g e r e c h t e n Verhalten zu veranlassen. So richtete der Bundesrat am S.Mai 1946 ein Kreisschreiben an die Spitzenverbände der Wirtschaft, in dem er vor übertriebenen Kapazitätserweiterungen in der Industrie wie im Gewerbe eindringlich warnte, weil sie zumeist auf die derzeitige Nachholkonjunktur zugeschnitten seien, im Falle .eines Nachlassens der Nachfrage aber die Krisenanfälligkeit der Wirtschaft erhöhen würden. «Von den Behörden » --· so stellte der Bundesrat in seinem Schreiben ausdrücklich fest -- «kann jedenfalls nicht erwartet werden, dass sie Unternehmungen und Wirtschaftszweige, die sich in der Zeit der Hochkonjunktur übermässig aufgebläht haben, in Krisenzeiten mit Mitteln der Allgemeinheit unterstützen und durchhalten.» Die Wirtschaft sei in erster Linie daran interessiert, dass ihre Konkurrenzkraft durch keine Sprengung des Kostengefüges beeinträchtigt werde.

Sie habe aber auch ein Interesse daran, dass die Behörden bei einem allfälligen Buckschlag nicht vorzeitig mit Arbeitsbeschaffungsmassiiahmen eingreifen müssten, die letzten Endes doch wieder die Wirtschaft belasten würden. Gelänge es der Wirtschaft nicht, verschiebbare Investitionen auf Zeiten drohender Arbeitslosigkeit, zurückzustellen und solcherart dazu beizutragen, die Konjunkturschwankungen zu mildern, so müsse sie damit rechnen, dass die Forderungen nach staatlicher Planung und Lenkung neuen Auftrieb erhielten. Der Bundesrat empfahl in diesem Schreiben den Spitzenverbänden, ihren Einfluss bei Mitgliedverbänden und Mitghedfirmen geltend zu machen, um diesen die. Gefahren der Überbeschäftigung und Überinvestition vor Augen zu fuhren und sie an die Pflicht zur Mitarbeit bei der Losung der mit der Konjunktur lenkung im Zusammenhange stehenden Probleme zu erinnern.

In einer Vernehmlassung über die «Grundsätze und Richtlinien für die schweizerische Konjunkturpolitik in der Nachkriegszeit» vom 26. September 1946 (veröffentlicht als Beilage zur «Volkswirtschaft» vom Dezember 1946) wies die Kommission für Konjunkturbeobachtung deutlich auf die grossen wirtschaftlichen und sozialen Gefahren einer übersteigerten Konjunktur hin und zeigte Wege auf, die
ihres Erachtens geeignet wären, diese Gefahren und die 'daraus entstehenden sozialen Spannungen zu verringern. Der Erfolg behördlicher Vorkehren gegen die Konjunkturubergteigerung und inflationistische Entwicklung setze jedoch voraus, dass diese Massnahmon von allen Gliedern unseres Wirtschaftskörpers unterstutzt und mitgetragen würden.

Um diesen Erwägungen vermehrten Nachdruck zu verleihen, erliess der Bundesrat am 26. April 1947 einen Aufruf, in dem er die Wirtschaft und die Arbeitnehmerschaft aufforderte, im Interesse der Stabilhaltung der Frankenkaufkiaft bei Preis- und Lohnbegehren möglichste Zurückhaltung an den Tag zu legen. Er wies dabei mit besonderem Nachdruck auf die unerwünschten sozialen Konsequenzen des fortgesetzten Preisauftriebes hin, durch dio Sparer und Eentner in ihrer Existenz bedroht wurden. Ausserdem verringere die Geldentwertung den realen Wert aller Sozialleistungen. Vor aller Öffentlich-

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keit wiederholte er seine frühere Erklärung, derzufolge niemand damit rechnen dürfe, dass der Bund später irgendwelche Massnahmen zum Schutze spekulativer Neugründungen treffen würde. Gleichzeitig gab der Bundesrat bekannt, dass die Ausführung von Arbeiten und Bestellungen im Auftrage des Bundes und seiner Eegiebetriebe hinausgeschoben wurde, sofern sie nicht wirklich dringlich sei. Ein gleiches Verhalten müsse auch den Kantonen wie der privaten Wirtschaft nahegelegt werden.

Dass auch die Wirtschaftsverbände auf eine Eindämmung des konjunkturellen Auftriebes hinwirkten, beweist zum Beispiel die Schweizerische Handelskammer, die in ihrer Sitzung vom I.April 1946 (zeitlich also vor dem oben zi tierton Kreisschreiben des Bundesrates an die Spitzenverbände der Wirtschaft) ihre Mitglieder aufforderte, sich von der derzeitigen guten Konjunktur nicht täuschen zu lassen und den Produktionsapparat nicht zu vergrossern. Die Handelskammer warnte davor, auf Schutzmassnahmen bei Schwierigkeiten zu bauen, die sich aus Fehlinvestitionen ergeben konnten.

Um dio Wirtschaft und die Öffentlichkeit zu einem konjunkturgemässen Verhalten zu bewegen, eignete sich in ganz besonderer Weise das «Mitteilungsblatt des Delegierten für Arbeitsbeschaffung». Durch diese Publikation konnte ein broiter Kreis volkswirtschaftlich und sozialpolitisch verantwortlicher Amtsstellen des Bundes, der Kantone und Gemeinden, die meisten wirtschaftlichen und beruflichen Vereinigungen und Organisationen, ausserdem zahlreiche Eedaktionen der politischen und der Fachpresse erreicht werden.

Das Mitteilungsblatt, das sein Augenmerk nicht bloss der Arbeitserhaltung und Arbeitsbeschaffung zuwandte, sondern alle aktuellen Fragen der schweizerischen Konjunkturpolitik behandelte, wurde in der Presse oft zitiert und fand solcherart auch in weiteren Bevölkerungskreisen Widerhall. Bereits im FebruarHeft 1946 richtete der Delegierte für Arbeitsbeschaffung einen Appell an die zuständigen Stellen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden, den inflatorischen Auftrieb, der unser Kostenniveau zu überhöhen drohe, durch grösste Zurückhaltung bei der Vergebung nicht dringlicher öffentlicher Arbeiten, durch Einschränkung staatlicher Ausgaben, durch Kaufkraftabschöpfung auf dem Steuerwege und durch Schuldentilgung bzw. Äufnung von Reservefonds zu dämpfen. In der
Folge wiederholte der Delegierte in regehnässigen Zeitabständen seine Mahnungen und drängte auf sofortigen Ausgleich zwischen den öffentlichen Einnahmen und Ausgaben, Begrenzung der Investitionsausgaben durch Schaffung steuerfreier Investitionsreserven, äusserste Zurückhaltung bei Bauten und Aufwendungen sowie Masshalten bei Lohn- und Preisforderungen. Mit besonderem Nachdruck wies er mehrmals darauf hin, wie sehr die Preis- und Lohnentwicklung die Gefahr in sich schliesse, unser Land wieder eine Preisinsel werden zu lassen, und wie schwierig es später sein müsse, den Anschluss an die ausländischen Preise zu finden und konkurrenzfähig zu bleiben.

Der Delegierte konnte sich allerdings nicht der lUusion hingeben, dass seinen Bemühungen, der Wirtschaft wie dem breiten Publikum, den privaten

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Verbrauchern, den Produzenten, den staatlichen Behörden und Betrieben ein konjunkturgerechtes Verhalten beizubringen, ein durchschlagender Erfolg beschieden sein würde. Dem Appell an die menschliche Einsicht sind leider ziemlich Grenzen gesetzt, und zwar zuweilen auch dann, wenn die Ermahnungen dem Bigenmteresse der Ermahnten, auf längere Sicht gesehen, durchaus entsprechen. Anderseits bewies der Widerhall, welchen das «Mitteilungsblatt» in der Öffentlichkeit gefunden hat, dass die Anregungen des Delegierten für Arbeitsbeschaffung offenbar manche Volks-, Wirtschafte- und Verwaltungskreise zum Nachdenken über die Möglichkeiten und Voraussetzungen einer erfolgreichen Konjunkturbeeinflussupg veranlassten. Auch erscheint es wertvoll, dass diese Mahnrufe zur Klarstellung der Verantwortlichkeiten beigetragen haben: wer sich in der Zeit der Hochkonjunktur über die wohlbegründeten Aufrufe zur Zurückhaltung mit Investitionen, Ausgaben und Aufträgen hinwegsetzt, verwirkt, wenn er als Folge seiner Eigenwilligkeit bei rückläufiger Konjunktur in Schwierigkeiten gerät, den Anspruch auf öffentlichen Schutz und Beistand.

2. Bundesinterne Beschlüsse Auch innerhalb der Bundesverwaltung bemühte sich der Buiidesrat, in gleichem Sinne auf eine Herabsetzung von Ausgaben und Aufträgen zu dringen, wie es der Delegierte für Arbeitsbeschaffung in seinem «Mitteilungsblatt» tat.

Hierzu standen ihm allerlei Möglichkeiten einer unmittelbaren Einflussnahme zur Verfügung, die dem Delegierten für Arbeitsbeschaffung unter den obwaltenden Umständen fehlten. So erging am 10. Mai 1946 ein Bundesratsbeschluss, durch den die Verwaltungen und Eegiebetriebe des Bundes sowie die Schweizerischen Bundesbahnen angewiesen wurden, die ihnen für das Jahr 1946 eingeräumten Kredite für bundeseigene Aufträge und Arbeiten sowie für Bundesbeiträge einer sorgfältigen N a c h p r ü f u n g zu unterziehen. Was aufschiebbar erscheine, solle zurückgestellt, ebenso sollen die Lieferfristen gestreckt werden. Auch bei der Gewährung von B u n d e s s u b v e n t i o n e n solle, wie in dein betreffenden Buudesratsbeschluss vermerkt war, möglichste Zurückhaltung geübt werden. Ein weiterer Bunderatsbeschluss, der vom 27. Dezember 1946 datiert, beschränkte die Beiträge für Arbeitsbeschaffungsmassnahmen, wie sie gemäss Bundesratsbeschluss vom 29. Juli 1942 über
die Eegelung der Arbeitbeschaffung in der Kriegskrisenzeit ausgerichtet worden waren, auf Massnahmen, die auf lange Sicht im Interesse einer späteren Arbeitsbeschaffung getroffen wurden. Dazu gehörte z. B. die Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Die Abteilungen der Bundesverwaltung waren, wenige Ausnahmen vorbehalten, fortan nicht mehr ermächtigt, von sich aus irgendwelche Bundesbeihilfen zuzusichern. Schon vorher hatte das Eidgenössische Militärdepartement, dem damals die Arbeitsbeschaffung unterstellt war, im Hinblick auf die Hochkonjunktur und die angespannte Finanzlage des Bundes ausser der Einstellung der Motorfahrzeugreparaturaktion auch die Sistierung der Umbau-, Reparatur- und Renovationsaktion und der Hotelerneuerungs-

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aktion angeordnet. Ferner waren auch keinerlei Beitrage an Hochbauprojektiorungen mehr ausgerichtet worden, während solche an Tiefbauprojektierungen nur noch in Ausnahmefällen gewährt wurden. Am 2, Februar 1948 beschloss der Bundesrat überdies, aus den ihm von den eidgenössischen Baten am 6. April 1989 zum weiteren Ausbau der Landesverteidigung und Kur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit bereitgestellten Krediten (von denen noch 30 Millionen verfügbar waren) gleichfalls keine Bundesleistungen mehr zuzusichern.

Massnahmen zur Bekämpfung des "Lohn- und Preisauftriebs wurden durch den Bundesratsbeschluss vom 22. April 1947 getroffen. In der Begründung seines Antrages an den Bundesrat wies das Eidgenössische Militärdepartement darauf hin, dass der Bund von den Kantonen nur dann eine konjunkturgerechte Vergebung ihror Arbeiten und Aufträge erwarten könne, wenn die Abteilungen der Bundesverwaltung wie auch die eidgenössischen Begiebetriebe mit dem guten Beispiel vorausgingen. Allgemeine Weisungen, wie sie im vorangegangenen Jahr erlassen worden waren, vermöchten nicht länger zu genügen.

Der Bundesrat beschloss daher, nicht nur den Kantonsregierungen in einem Kreisschreiben (vgl. S. 51) äusserste Zurückhaltung in der Vergebung öffentlicher Arbeiten und Aufträge nahezulegen, sondern richtete gleichzeitig an die Abteilungen der Bundeaverwaltung und an dio Regiebetriebe dio verbind liehe Weisung, dass bundeseigene Arbeiten und Aufträge (einschliesslich derjenigen der Begiebetriebe) fortan nur vergeben werden dürften, wenn ihre Ausführung absolut unaufschiebbar sei. Bauprojekte, deren Kosten im Einzelfall 100000 Franken übersteigen, wurden an eine ausdrückliche Genehmigung durch das Eidgenössische Finanz- und Zolldepartement geknüpft, welches zwecks Berücksichtigung der Belange des Arbeitsmarktes mit dem Eidgenössischen Militärdepartement bzw. mit dem Delegierten Fühlung nehmen solito.

Angesichts der Bedeutung, die der Herabsetzung der Staatsausgaben als Mittel zur Dämpfung des Konjunkturauftriebes beigemessen wird, beschloss der Bundesrat am 9. Juni 1947 ausserdem, dass von den einzelnen Verwaltungen sowohl für das laufende wie für das nachfolgende Jahr die Zusicherungen für ordentliche und ausserordentliche Bundesbeiträge in der Weise zu kürzen seien, dass im Gesamtergebnis eine Einsparung von mindestens 20
Prozent gegenüber der Bechnung von 1946 erfolge. Gleichzeitig wurde angeordnet, dass für Arbeiten der Kantone und Gemeinden wie auch der privaten Wirtschaft in der Begel keine Bundesbeiträge mehr zugesichert werden sollen, solange die derzeitige Wirtschaftslage anhalte. Ausgenommen wurden lediglich die Förderung des Wohnungsbaus und Beiträge für Arbeiten, bei denen eine unmittelbar drohende Gefahr, ein Naturereignis oder unmittelbar drohende Arbeitslosigkeit die sofortige Inangriffnahme notwendig erscheinen lässt. Solche Beitragszusicherungen wurden aber an die Zustimmung des Eidgenössischen Finanz- und Zolldopartcmontos geknüpft, das sich, um der Lage des Arbeitemarktes gebührend Bechnung zu tragen, mit dem Delegierten für Arbeitsbeschaffung ins Einvernehmen setzen sollte.

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3. Kreisschreiben an die Kantone Da die jährlichen Gesamtausgaben der Kantone und ihrer Gemeinden, normalerweise grösser sind als die der Eidgenossenschaft (ohne bundeseigene Betriebe), war es von entscheidender Bedeutung, nicht allein die Verwaltungsahteilungen des Bundes, sondern auch die kantonalen Verwaltungen und durch Vermittlung der Kantone die Gemeindeverwaltungen zu einer konjunkturgerechten Gestaltung ihrer Aufwendungen und Arbeiten zu veranlassen. Es wäre dem föderativen Aufbau unseres Staatswesens zuwidergelaufen, hätte der ßundesrat den "Versuch unternommen, durch direkte Weisungen, wie er sie an seine Verwaltungsabteilungen erliess, auf eine Herabsetzung der Aufträge, Arbeiten und Beiträge der Kantone und Gemeinden hinzuwirken. Hierfür fehlte ihm aber auch die verf assungsreehtüche Grundlage ; durch einen VollmachtenbeschhiBB die Selbständigkeit der Kantone dermassen zu beschränken, konnte unter den obwaltenden Umständen nicht mehr in Frage kommen.

Neben der Einstellung oder Kürzung von Bundesbeiträgen, die den Konjunkturauftrieb in unerwünschter Weise verstärkten, stand dem Bundesrat bzw. dem mit der Arbeitsbeschaffung betrauten Departement vor allem der Weg der Kreisschreiben offen, durch die de» Kantonen immer und immer wieder möglichste ZuriickhalLuug bui ihren Ausgaben und Arbeiten nahegelegt wurde.

Solche Kreisschreiben ergingen am 22. Januar 1946, 21. März 1946, 11. November 1946, 24. April 1947 und 12. April 1948. Sie hoben immer wieder die Notwendigkeit einer zyklischen Budgetpolitik hervor, die in Zeiten guter Konjunktur Überschüsse erziele, um in Jahren der Depression Defizite in Kauf nehmen zu können. Da jeder übersteigerte Aufschwung der Wirtschaftstätigkeit den Keim späterer Rückschläge in sich trage, müsse die öffentliche Hand alles unterlassen, was zur weiteren Übersteigerung der derzeitigen Hausse beitragen könnte. Zwangsläufig dränge sich daher die Zurückstellung aller irgendwie aufschiebbaren öffentlichen Arbeiten auf. Die solcherart eingesparten öffentlichen Mittel sollten zur Schuldentilgung oder zur Äufnung einer Krisenreserve verwendet werden; dagegen würden Steuerermässigungen im Zeitpunkt der Überbeschäftigung lediglich eine weitere Steigerung der Nachfrage bewirken und den inflatorischen Auftrieb verstärken.

Die Kantonsregierungen wurden ausserdem darauf
aufmerksam gemacht, dass die gewerbliche und industrielle Bautätigkeit den zur Linderung der Wohnungsnot vordringlichen Wohnungsbau in unerwünschter Weise konkurrenziere. Es wurde ihnen nahegelegt, durch geeignete Massnahmen auf eine bessere Koordination der öffentlichen und der privaten Bauvorhaben hinzuwirken. Als Beispiel wurde der Kanton Solothurn genannt, dem es gelungen sei, eine besondere Kommission aus Vertretern der Wirtschaft und der Behörden zu bilden, welcher alle grosseren Bauprojekte gemeldet würden. Auoh ohne jede Kompetenz zu verbindlichen Weisungen suche die Kommission die Bauarbeiten aufeinander abzustimmen, indem sie die Bauherren üu einer

52 Verschiebung ihrer Bauvorhaben veranlasse, sofern diese die Kapazität des Baugewerbes sichtlich übersteigen.

Ausser der Verschiebung aller nicht dringlicher Bauvorhaben forderten die Kreisschreiben von den industriellen Betrieben und technischen Verwaltungen der Kantone und Gemeinden, bei der Vergebung von Bestellungen an ·die Industrie und das Gewerbe gleichfalls grösstmögliche Zurückhaltung walten zu lassen, da auch diese Wirtschaftszweige überlastet seien. Angesichts der Überbeschäftigung der Maschinenindustrie solito besondere Vorsicht bei dor Erneuerung und Erweiterung des Maschinen- und Fahrzeugparkes der Verkehrsanstalten wie auch der Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke geübt werden.

Erwähnt sei, dass die mit der Arbeitsbeschaffung betrauten Behörden des Bundes zu verschiedenen Malen Vertreter der Kantone zu Konferenzen über Fragen der Konjunktur- und Arbeitsbeschaffungspolitik nach Bern beriefen.

4. Vorschläge zur Eindämmung privater Investitionen a. Steuerrückerstattungen und steuerfreie Beserven Während der Jahre der Hochkonjunktur hat eich, wie weiter oben bereits angedeutet, gezeigt, dass ein wesentlicher Teil der Arbeiten, Aufträge und Bestellungen, die von privaten Unternehmungen und Betrieben wie auch -von selbständigen Geschäftsleuten vergeben wurde, auf steuertechnische Erwägungen zurückzuführen war. Denn nach dem heutigen Steuerrecht wird durch neue Investitionen die vom Fiskus anerkannte Abschreibungssumme erhöht. Durch Vornahme von Umbauten und Eenovationen sowie durch Steigerung der Geschäftsspesen und Vermehrung der Anschaffungen kann der steuerpflichtige Gewinn unmittelbar herabgesetzt werden. Besonders bei hohen und stark progressiven Steueransätzen (wie zum Beispiel bei der eidgenössischen Kriegsgewinn- und der zusätzlichen Wehrsteuer) kann die Verlockung, vermeidbare Ausgaben für betriebliche Zwecke vorzunehmen, unter Umständen fast unwiderstehlich werden, weil ein wesentlicher Teil solcher Aufwendungen faktisch vom Fiskus bezahlt wird, der seinen Steueranspruch gemäss der Verringerung des steuerbaren Ertrages ermassigen muss.

Die Erkenntnis des Zusammenhanges zwischen der Besteuerung, der wachsenden Investitionslust und der Ausgabenaufblähung in Zeiten konjunkturbedingter Gewinnsteigerungeu erweckte begreiflicherweise den Wunsch, durch zweckentsprechende Änderung
des Steuersystems der Neigung, vermeidbare Aufwendungen und Investitionen zu tätigen, entgegenzuwirken. Ziel dieser Bestrebungen war, den Unternehmungen und Geschäftsleuten die Möglichkeit einzuräumen, aüfschiebbare Investitionen und Anschaffungen bis zum Zeitpunkt der Konjunkturrückbildung und des Beschäftigungsmangels hinauszuschieben, ohne deswegen einer stärkeren Steuerbelastung unterworfen zu werden. Denn es wurde in Wirtschaftskreisen weitherum als unbillig empiunden, dass der Unternehmer, der die konjunkturpolitischen Batschläge der

53 Behörden befolgt, seine Ausgaben einschränkt und Eücklagen für schlechtere Tage äufnet, fiskalisch merklich schlechter gestellt werde als derjenige, der solche Ermahnungen in den Wind schlägt, seine Erträgnisse für fragwürdige Investierungen, unnötigen Aufwand und überflüssige Anschaffungen verwendet und dergestalt zur allgemeinen Kostenaufblähung und zum inflatorischen Auftrieb der Preise beiträgt.

Der Delegierte für Arbeitsbeschaffung gelangte zu wiederholten Malen mit dem Vorschlag an den Bundesrat, es möchte der privaten Wiròschaft die Äufnung steuerfreier Eeserven zugestanden werden, die es den Unternehmungen ermöglichen würde, betriebliche Erweiterungen und Erneuerungen für die Zeit rückläufiger Konjunktur aufzusparen, ohne denen gegenüber steuerlich benachteiligt zu werden, die die Investierungen während der Hochkonjunktur ausführen. Ähnliche Anregungen wurden der Landesregierung aus Handels- und Industriekreisen unterbreitet, und zwar gelangten sowohl der Vorort des Handels- und Industrievereins wie der Verein Schweizerischer Maschinenindustrieller mit entsprechenden Eingaben an den Bundesrat. Erwähnt sei auch das Postulat von Herrn Nationakat Gressot vom 16. Juni 1947, durch welches der Bundesrat eingeladen wurde, Massnahmen in Erwägung zu ziehen, die geeignet seien, die Bildung von Bücklagen, die sich aus Steuerentlastungen ergeben, zu fördern, wobei dem Staate eine gewisse Kontrollbefugnis über diese Reserven zustände. Dass auch gewerkschaftliche Kreise sich solchen Erwägungen nicht verschlossen, zeigt ein Artikel der «Schweizerischen Metallarbeiter-Zeitung» vom 18. Februar 1946, in dem gleichfalls steuerfreie Bücklagen in guten Geschäftsjahren befürwortet wurden, die für Arbeitsbeschaffungszwecke in Krisen- und Depressionszeiten bestimmt wären und deren Verwendung einer behördlichen Kontrolle unterstände.

Einen Ansatz zur konjunkturpolitischen Ausgestaltung der Steuergesetzgebung enthält der Bundesratsbeschluss vom 19. Juli 1944 über die Abänderung des Kriegsgewinnsteuerbeschlusses. Und zwar wird in dem durch diesen Beschluss abgeänderten Artikel 88, Ziffer l, lit. a, des Kriegsgowinnsteuerbeschlusses bestimmt, dass der in den Bückerstattungsfonds eingelegte Teil der Steuerbeträge auch dann in Anspruch genommen werden könne, wenn der Steuerpflichtige ihn zur Förderung der
Arbeitsbeschaffung verwendet. Eine Verfügung des Eidgenössischen Finanz- und Zolldepartements, die vom 24. Januar 1945 datiert, regelt die Anwendung dieser Vorschrift und anerkennt als Arbeitsbesehaffungsmassnahmen im Sinne des Kriegsgewinnsteuerbeschlusses namentlich die Erneuerung des Produktionsapparates, die Ausführung von Arbeiten auf Lager, die Erstellung von Wohnbauten für Arbeiter und Angestellte, den Bau und die Ausgestaltung von Wohlfahrtshäusern, Kantinen usw., den Wiederaufbau der Verkaufsorganisation im Ausland, die Durchführung von Schulungs- und Umschulungskursen und die Fortführung von Pflanzwerken, Bedingung jeder Bückerstattung ist, dass der Steuerpflichtige aus eigenen Mitteln einen mindestens gleich hohen Betrag für Arbeitsbeschaffungszwecke aufbringt. Im übrigen gelten für Rückerstattungen Bundesblatt. 102. Jahrg. Bd. II.

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gemäss Kriegsgewinnsteuerbeschluss die gleichen Voraussetzungen, denen die Bundesbeiträge an Arbeitsbeschaffungsmassnahmen unterliegen.

Nun kann freilich nicht behauptet werden, dass die Einräumung der Eückerstattungsmöglichkeit für bezahlte Kriegsgewinnsteuerbeträge die privaten Investitionen und Aufwendungen merklich einzudämmen vermochte. Nur eine Minderheit der Unternehmungen hatte Kriegsgewinnstouern zu entrichten; auch wurden bloss 20 % der geschuldeten Steuerbeträge dem Rückerstattungsfonds einverleibt. Überdies war die Rückerstattungsklausel vielleicht zu wenig klar, um bei der Unternehmerschaft entsprechenden Eindruck zu erwecken und sie zu einem andern Verhalten in der Zeit der Hochkonjunktur zu bewegen. Dennoch darf die Bedeutung des Beschlusses vom 19. Juli 1944, der Kriegsgewinnsteuer-Rückerstattungen zu Arbeitsbeschaffungszwecken ermöglicht, keineswegs unterschätzt werden ; er erlaubte es, etwelche finanziellen Reserven für die Arbeitsbeschaffung in der privaten Wirtschaft zu äufnen.

Dagegen erwies es sich als untunlich, die Vorschläge zu verwirklichen, die darauf abzielten, der Wirtschaft einen Teil der staatlichen Steueransprüche durch Schaffung steuerfreier Reserven zu belassen, diese aber für Zwecke der Arbeitsbeschaffung zu blockieren. Dass solche Entschlüsse, die bedeutend grosseTM Kaufkraftraongen gebunden hätten, die private Investitionslust und Ausgabefreudigkeit gedämpft hätten, erschien durchaus wahrscheinlich; doch stand der Durchführung solcher Projekte vor allen Dingen die Tatsache entgegen, dass in unserem föderativ gegliederten Staatswesen die Hoheit über die direkten Steuern nicht einer einzigen öffentlichen Körperschaft zusteht, sondern zwischen zwei verschiedenen Körperschaften, dem Bund und den Kantonen, geteilt ist. Die Verknüpfung der Steuererhebung mit der Konjunktur- und Arbeitsbeschaffungspolitik wäre wenig wirksam geblieben, solange sie sich auf die direkten B u n d e s s t e u e r n , d.h. die Kriegsgewinn-, dio Wehr- und die zusätzliche Wehrsteuer beschränkt hätte. Um zu voller Entfaltung zu kommen, hätten die steuerfreien Reserven unter ähnlichen Bedingungen wie bei den eidgenössischen auch bei den kantonalen und kommunalen Steuern eingeräumt worden müssen. Hierfür bestand aber bei den Kantonen wenig Neigung, ganz abgesehen davon, dass die Koordination
der eidgenössischen und der kantonalen Massnahmen auf diesem Gebiete allerlei heikle Probleme aufgeworfen hätte. Dazu kam, dass die Verknüpfung der Steuerpolitik mit Arbeitsbeschaffungsmassnahmen Dispositionen auf lange Sicht erfordert, die Bundessteuern aber zeitlich befristet waren und ihr weiteres Schicksal als höchst ungewiss galt. Was die Kriegsgewirmsteuer im besonderen anbetraf, so wurde dem Vorschlag auf Einräumung steuerfreier Regerven entgegengehalten, dass nur eine Minderheit der Unternehmungen unter diese Steuerart falle und der überwiegende Teil der Steuereingänge von einigen wenigen Betrieben aufgebracht werde. Die Zubilligung der Steuerfreiheit für gebundene Arbeitsbeschaffungsreserven würde unter solchen Umständen, wio da und dort geltend gemacht wurde, gegen den Grundsatz der Steuergerechtigkeit verstossen.

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b. Einschränkung der Bautätigkeit oa. Einführung einer Baubewilligungspflicht Die durch don allgemeinen Konjunkturauftrieb begünstigte Bautätigkeit im industriellen und gewerblichen Bereich wie auch die zahlreichen Bauvorhaben, welche die öffentliche Hand in Angriff nahm, drohten den Wohnungsbau in einschneidender Weise zu beeinträchtigen. Denn ungeachtet der Beihilfen, die die Eidgenossenschaft, die Kantone und die Gemeinden an die Erstellung von Wohnungen ausrichteten, erwies sich die Wohnbautätigkeit, verglichen mit dem industriellen und öffentlichen Bau, als weniger lohnend. So bestand beim Baugewerbe etwelche Neigung, öffentliche und industrielle Bauaufträge zu bevorzugen, die Schaffung von Wohnraum aber hintanzusetzen. Bei der Überbeanspruchung sowohl der Bauunternehmungen wie auch der Baumaterialindustrie musste man befürchten, dass unter solchen Umständen der zur Linderung der Wohnungsnot unerlässliche Zuwachs an neuen Wohnungen ausbleiben werde; ausserdem war die Gefahr einer noch stärkeren Steigerung der Baukosten nicht von der Hand zu weisen. Bis dahin hatte die Zementrationierung eine Lenkung der Bautätigkeit gestattet und gleichzeitig den Konjunkfrurauftrieb emigermassen gebremst. Mit dor Freigabe des Zements im Frühling 1946 entstand eine vollkommen neue Lage. Daher prüfte der Delegierte die Frage, ob die Bautätigkeit nicht mittels Einführung einer Baubewilhgungspflicht vermehrt auf die sozial und konjunkturpolitisch erwünschten Objekte, insbesondere auf Wohnungen, hingelenkt werden könne. Es wurde versuchsweise ein Entwurf zu einem entsprechenden Bundesratsbeschluss ausgearbeitet, der die Ausführung von Neubauten, Erweiterungsbauten und Umbauten mit einer Bausumme über 50 000 Franken im Hochbau und über 200 000 Franken im Tiefbau an die Einholung einer behördlichen Bewilligung knüpfen wollte ; Wohnbauten wären von der Bewilligungspfh'cht grundsätzlich ausgenommen und einer blossen Meldepflicht unterstellt worden. Als Bewilhgungsbehörde hätte eine Kommission gewirkt, die sich aus Vertretern der Eidgenossenschaft, der Kantone, der Gemeinden sowie der wirtschaftlichen Spitzenverbände und der Arbeitnehmerorganisationen zusammengesetzt hätte.

Dank einer solchen Bewilligungspfhcht wäre es zweifellos möglich geworden, auch die industrielle Investitionstätigkeit bis zu einem gewissen Grade
unter öffentliche Kontrolle zu stellen, da Betriebserneuerungen oder -erweiterungen zumeist mit baulichen Umgestaltungen verbunden sind. Doch scheint es, dass diesem Vorschlage gerade aus diesem Grunde heftige Widerstände erwuchsen.

Materiell hat der Bundesrat za den Erörterungen über die Baubewilligungspflicht keine Stellung bezogen, sondern das Eidgenössische Militärdepartement bloss beauftragt, die Kantone und die Wirtschaftsorganisationen um ihre Meinung zu befragen. Die Kantone zeigten sich nicht abgeneigt, auf den Vorschlag einer Baubewilligungspflicht einzutreten; manche von ihnen wünschten jedoch, dass ausser dem Wohnungsbau auch die öffentliche Bautätigkeit von der Bewilligungspflicht ausgenommen würde, wodurch dem Plane freilich von

56 vorneherein ein entscheidender Teil seiner Wirksamkeit entzogen worden wäre.

Am meisten schienen sich die Arbeitnehmerkreise mit dem Vorschlage zu befreunden; Gewerbe und Industrie erklärten demgegenüber, dass eine Baubewilligungspflicht mit, den Grundsätzen des freien Marktes und der Selbstverantwortung des Unternehmers unvereinbar sei. Der Bundesrat stellte sich auf den Standpunkt, dass er nur dann auf Grund der Vollmachten einen Beschluss zur Einführung der Baubewilligungspflicht fassen werde, wenn er hierzu vom Parlament ausdrücklich aufgefordert würde.

bb. Sicherung des Wohnungsbaus auf freiwilliger Grundlage Die Diskussionen über die Baubewilligungspflicht hatten jedoch weitherum die Erkenntnis gefördert, dass etwas unternommen werden müsse, um den durch die starke Ausdehnung des industriell-gewerblichen Baues gefährdeten Wohnungsbau sicherzustellen. Dem Bundesrat war es durchaus willkommen, dass die Wirtschaft die Baubewilligungspflicht ablehnte, dafür aber selber die Verantwortung für die Ermögh'ohung der erforderlichen Wohnbauten übernehmen wollte. Der Schweizerische Gewerbeverband und der Schweizerische Baumeisterverband erklärten sich bereit, ihren ganzen Einfluss dafür einzusetzen, dass jährlich rund 13 000 Wohnungen uraLulU würden. Der Baumeisterverband übernahm es überdies, gemeinsam mit den lokalen Behörden Wohnbauprogramme aufzustellen und sich für deren Verwirklichung in Zusammenarbeit mit seinen Sektionen einzusetzen. Dazu bekundete die Ziegeleiindustrie ihre Bereitschaft, bei der Lieferung von Backsteinen und Ziegeln dem Wohnungsbau die Priorität einzuräumen, damit die geplante Wohnungsproduktion nicht am Materialmangel scheitere. Der Vorort des Schweizerischen Handelsund Industrie-Vereins verpflichtete sich, seine Sektionen über den Stand der Dinge aufzuklären und sie zu ersuchen, die industrielle Bautätigkeit auf das unbedingt notwendige Mass zu beschränken, um den Wohnungsbau nicht zu gefährden. Die Bundesbehörden gaben anderseits die Erklärung ab, dass die vorgesehene Wohnbautätigkeit auch bezüglich der offen< liehen Beitragsleistungen sichergestellt würde.

Die im Zusammenwirken verschiedener Behörden und Verbände anstatt der Baubewilligungspflicht erzielte Übereinkunft stellt ein Musterbeispiel freiwilliger wirtschaftlicher Koordination dar. Sie war konjunkturpolitisch
auch deswegen bedeutsam, weil durch den eindeutigen Vorrang, der dem Wohnungsbau nunmehr zuerkannt ward, die Jagd nach Arbeitskräften und knappem Material eingedämmt und der Kostenauftrieb allmählich etwas gezügelt werden konnte. Auch der Umstand, dass nun "manche volkswirtschaftlich nicht unbedingt erwünschte Betriebserweiterung unterlassen oder hinausgeschoben wurde, konnte vom Standpunkt der Konjunkturpolitik nur willkommen sein.

Erwähnt sei, dass dem Wohnbauprogramm ein voller Erfolg beschieden war: allein in den Gemeinden mit mehr ala tausend Einwohnern wurden schon im Jahre 1946 rund 13 000 Wohnungen erstellt. Im darauffolgenden Jahr stieg ihre Zahl bereits auf 16 500 und im Jahre 1948 sogar auf 22 000.

57 ce. Lenkung der Bautätigkeit bei Grossunternehmungen des Detailhandels Ein anderes Beispiel freiwilliger Konjunkturbeeinflussung bieten die Verhandlungen, die auf Anregung einiger kantonaler Baudirektoren mit dem Verband schweizerischer Waren- und Kaufhäuser und mit dem Verband schweizerischer Filialunternehmungen gepflogen wurden. Der mittelständische Detailhandel hatte den Behörden gegenüber gewisse Bedenken und Besorgnisse geâussert, dass die GrosBunternehmungen sich un Zeichen des Konjunkturauftriebes über Gebühr erweitern könnten. Das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement gelangte daraufhin mit der Bitte an die beiden oben genannten Verbände, bei ihren Mitgliedern darauf hinzuwirken, dass deren Bauvorhaben vor allem auch aus konjunkturpolitischen Gründen aufgeschoben würden. Beide Verbände erklärten sich grundsätzlich bereit, diesem Wunsche zu entsprechen; sie machten ihre Mitwirkung jedoch von der Zusicherung abhängig, dass die Bauten, die aus konjunkturpolitischen Erwägungen vorläufig zurückgestellt würden, auch nach Inkrafttreten allfälliger Einschränkungen in der Eröffnung und Erweiterung von Waren- und Kaufhäusern und von Eilialgeschäften ausgeführt werden durften. Der Bundesrat beschloss am 13. Juli 1947, dem Begehren des Verbandes schweizerischer Waren- und Kaufhauser und des Verbandes schweizerischer Filialuntornohmungon in dem Sinne zu entsprechen, dass -- sofern in absehbarer Zeit überhaupt einschränkende Vorschriften für Grossunternehmungen des Detailhandels im Sinne des früheren Warenhausbeschlusses erlassen würden -- eine Übergangsbestimmung aufgenommen werden sollte, die es den betroffenen Grossunternehmungen erlauben würde, die zur Zeit zurückgestellten Erweiterungs- oder Neubauten während einer Frist von mindestens einem Jahr nachträglich in Angriff zu nehmen.

C. Marktentlastung durch Angebotsvermehrung

1. Erleichterung der Einfuhr Zur Eindämmung eines ungesunden Preis- und Lohnauftriebos wurden, wie wir weiter oben zeigten, von behördlicher wie von privater Seite verschiedene Anstrengungen unternommen, mit dem Ziele, die Nachfrage zurückzubinden.

Durch Vermehrung des Warenangebotes konnten solche Bemühungen selbstverständlich wirksam unterstützt werden. Ganz bewuset hielt der Bundesrat deshalb nach dem Kriege an dem Grundsatz fest, der Einfuhr so wenig Schranken als möglich in den Weg zu legen. Die aus der Vorkriegszeit bekannten Einfuhrkontingentierungen wurden überall, wo der Liberalisierung keine zwingenden Gründe entgegenstanden, aufgehoben. Faktisch wickelte sich der Import ausser im Bereiche der landwirtschaftlichen Erzeugnisse nahezu ungehindert ab. Mit wachsender Lieferfähigkeit und Wettbewerbskraft der ausländischen Produktion begannen die einströmenden Importwaren auf den heimischen Markt einzuwirken und den Preisauftrieb zu dämpfen. Es versteht sich, dasg die inländischen Hersteller, die sich angesichts der ver-

58 stärkten Konkurrenz zu Preiskonzessionen genötigt sahen, ziemlich bald bereit waren, eine Gefährdung ihrer Branchen und Betriebe anzunehmen und bei den Behörden staatlichen Schutz gegenüber der ausländischen Einfuhr anzubegehren. Eine kritische Beurteilung der mannigfaltigen Schutzgesuche führte aber in der Mehrzahl der Fälle zum Schlüsse, dass keine Veranlassung bestand, diesen Wünschen zu entsprechen. Auch stellte sich heraus, dass viele Gesuche um Einfuhrschutz überhaupt nur vorsorglicherweise anhängig gemacht wurden.

2, Beiziehung ausländischer Arbeitskräfte Der Umstand, dass einige europäische Länder unter einer strukturellen Arbeitslosigkeit leiden, die auch durch den Wirtschaftsauftrieb der Nachkriegszeit nicht behoben wurde, erlaubte der Schweiz, zur Bewältigung des aussergewöhnlichen Arbeitsanfalls ausländische Arbeitskräfte in beträchtlicher Zahl beizuziehen. Die Zulassung dieser Fremdarbeiter wirkte dem inflatorischen Auftrieb in ganz ähnlicher Weise entgegen wie die Erleichterung der Wareneinfuhr, indem sie der Neigung vieler Unternehmer, heimische Arbeitskräfte um jeden Preis zu engagieren, einen Eiegel schob und die Lohnentwicklung in geregelte Bahnen lenkte. Erst die Zulassung von .Fremdarbeitern hat eine halbwegs normale Versorgung jener Wirtschaftszweige mit Arbeitskräften ermöglicht, dio in- der Zeit der Hochkonjunktur unter besonders starker Abwanderung ihres angestammten Personals zu leiden hatten (so insbesondere die Landwirtschaft und der Hausdienst). Auch andere Branchen wie zum Beispiel das Baugewerbe und die Hôtellerie konnten den an sie gestellten Ansprüchen nur mit Hilfe eines starken Kontingentes ausländischer Kräfte genügen. Ausserdem gab es fast überall von der Konjunktur begünstigte Betriebe, die auf die Beiziehung ausländischen Personals, vor allem ausländischer Spezialisten, angewiesen waren, weil sie ungeachtet aller Bemühungen keine einheimischen Facharbeiter fanden, die den notwendigen Anforderungen entsprachen.

Da im Interesse des Konjunkturausgleichs und der Teuerungsabwehr die Erhöhung des Konsumgüterangebotes im gesamtwirtschaftlichen Interesse lag, konnte diesen Firmen die befristete Einstellung von Ausländern nicht verweigert werden.

D. Inflationsbekämpfung durch unmittelbare Preis- und Lohnbeeinflussung Dass die durch die eidgenössische Preiskontrollstelle
ausgeübte Preisüberwachung einen wesentlichen Beitrag zur Zügelung des Preisauftriebes bot, braucht in diesem Zusammenhange nicht besonders hervorgehoben zu werden, nachdem dieser behördliche Tätigkeitsbereich im Schlussbericht der Kriegswirtschaft eine ausführliche, auch die ersten Nachkriegsjahre umfassende Schilderung gefunden hat.

Da es aus bekannten Gründen nicht ohne weiteres möglich war, dio Preise lebenswichtiger Waren auf dem sozialpolitisch erwünschten niedrigen Niveau zu halten, sah sich der Bundesrat bereits in der Kriegszeit veranlasst, einzelne

59 unentbehrliche Lebensmittel sowie Brennstoffe durch Ausrichtung von Preiszuschüssen zu verbilligen. Diese Massnahmen wurden nach Kriegsende fortgesetzt und zum Teil erweitert. Insgesamt sind von 1989 bis 1949 rund 1200 Millionen Franken für solche Zwecke verausgabt worden, wozu weitere 170 Millionen für die Verbilligung des Wohnungsbaus kommen. Der Bundesrat war sich der Problematik solcher Preissubsidien vollauf bewusst; es erwies sich aber als ausserordentlich schwierig, die einmal begonnenen .Zuschusszahlungen einzustellen, solange die allgemeine Preisentwicklung nicht deutlich abwärts wies. Denn die durch den Wegfall der Verbilligungszuschüsse bedingte Indexsteigerung hätte mit Bestimmtheit zusätzliche Lohnbegehren auf den Plan gerufen und solcherart den inflatorischen Auftrieb verschärft.

Die allgemeine Entwicklung der Lebenskosten und Löhne liess im Jahre 1947 deutlich erkennen, dass weitere Steigerungen des Arbeitsverdienstes keine Verbesserung der Kaufkraft und des Lebensstandards der Lohnempfänger mehr mit sich brachten, weil die Preise ebenso stark, wenn nicht noch stärker anzogen. Da unter solchen Umständen der drohende Wettlauf zwischen Löhnen und Preisen keiner Erwerbsgruppe greifbare Vorteile gebracht, allen Volkstoilen aber durch Schwächung der Frankenkaufkraft Schaden zugefügt hätte, begann die Einsicht zu reifen, dass rtioser un-willkommenen Entwicklung durch eine gemeinsame Kraftanstrengung ein Ende gesetzt werden müsse.

Aus dieser Erkenntnis erwuchs die «Gemeinsame Erklärung der wirtschaftlichen Spitzenverbände zur Preis- und Lohnpolitik», die im Januar 1948 vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund, vorn Christlichsozialen Arbeiterbund, vom Landesverband Freier Schweizer Arbeiter, vom Gewerbeverband, vom Bauernverband, von der Vereinigung schweizerischer Angestelltenverbände, vom Verband evangelischer Arbeiter und Angestellter, vom Handels- und Industrieverein, vom Zentralverband schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen und vom Verband Schweizerischer Konsumvereine abgegeben wurde. Diese Erklärung, meist als « Stabilisierungsabkommen» bezeichnet, bekundete den Entschluss der genannten Verbände, unter Vorbehalt bestimmter, im Abkommenstexte umschriebener Ausnahmen, bis zum 31. Oktober 1948 keine weiteren allgemeinen Preis- und Lohnerhöhungen s t a t t f i n d e n zu lassen. Zur
Begutachtung bestimmter Begehren auf Preisund Lohnerhöhungen ganzer Erwerbszweige, Berufsgruppen, Belegschaften oder Grossfirmen wurde ein Stabilisierungsausschuss bestellt, der aus je sieben Vertretern der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber und einem neutralen Vorsitzenden bestand. Diese auf Freiwilligkeit beruhende Stabilisierung der Preise und Löhne hat sich im grossen und ganzen bewährt : sie hat dem Preisauftrieb die Spitze gebrochen und schliesslich ist sogar eine bescheidene Senkung des Preisniveaus erzielt worden. Die zähen und zum Teil langwierigen Verhandlungen um wichtige Preis- und Lohnpositionen im Schosse des Stabilisierungsausschusses zeigten, dass die Entwicklung ohne die Einsicht der am Abkommen beteiligten Organisationen ziemlich leicht wesentlich anders hätte verlaufen können. Dabei darf freilich nicht verschwiegen werden, dass die Preisbewegungen

60 auf dem Weltmarkt und die Normalisierung der internationalen Produktionsund Marktverhältnisse die Bemühungen dos Stabilisierungsausschusses stark unterstützten. Konjunkturpolitisch erscheint das Ergebnis des Stabilisierungsabkommens vor allem auch deswegen wichtig, weil die Dämpfung des inflatorischen Auftriebs massgebend dazu beitrug, den "Übergang zu einer Normalisierung der Konjunktur zu erleichtern.

Im Herbst 1948 entschlossen sieh die am Stabilisierungsabkommen beteiligten Spitzenverbände, dasselbe bis Endo 1949 zu verlängern. Auf diesen Zeitpunkt lief das Abkommen ab, ohne dass angesichts der inzwischen eingetretenen Konjunkturruckbildung eine abermalige Verlängerung als erforderlich angesehen wurde.

3. Abschnitt Die Rückbildung der Wirtschaftstätigkeit seit 1948 Hatte das Jahr 1948 noch vollkommen im Zeichen der Hochkonjunktur begonnen, so mehrten sich alsbald die Merkmale, die auf eine allmähliche Erschöpfung des aussergewöhnlichen Auftriebes hindeuteten. Um die Jahresmitte trat in der Tat eine Umkehr ein: es wurde offenbar, dass die Phase dos Aufschwunges vorüber sei. Der Nachfrageuberhang, der die Märkte und die Produktion seit mehr als zwei Jahren unter höchstem Druck hielt, liess fühlbar nach. Die Überbeschäftigung machte fortan einer geruhsameren Entfaltung Platz, ohne dass jedoch bis zum heutigen Zeitpunkt ein allgemeiner Einbruch krisenhafter Art erfolgt wäre. Wer dag Gesamtbild unserer Wirtschaft ins Auge fasste, konnte unter solchen Umständen mit gutem Eecht von einer Normalisierung der Konjunktur sprechen. Diese Kennzeichnimg gilt freilich nur für das allgemeine Bild; in den einzelnen Wirtschaftszweigen gestaltete sich der Ablauf sehr unterschiedlich, so dass einzelne Branchen immer noch alle Anzeichen der Hochkonjunktur erkennen lassen, während andere bereits recht ernsthafte Bückschläge verzeichnen.

Auch heute noch befinden wir uns in dieser dritten Phase der wirtschaftlichen Entwicklung nach Kriegsende. Der Bundesrat nimmt daher die Gelegenheit wahr, bereits hier seine Stellungnahme zu einigen beschäftigungs- und konjunkturpolitischen Tagesfragen darzulegen.

I. Die allgemeinen Ursachen des Umschwunges l, Erhöhung des Angebotes Bereits im Laufe des Jahres 1947 trat deutlich zutage, dass das Warenangebot stärker zunahm als die Nachfrage. Dass der Nachfrageüberschuss unter
solchen Umständen nicht mehr lange das Konjunkturbild bestimmen könne, lag auf der Hand. Der Abbau des Kaufkraftüberhanges ging im Jahre 1948 hl unvermindertem Tempo weiter. Zu einem wesentlichen Teil ist er auf die fortgesetzte Zunahme der Importe zurückzuführen, die in jedem der beiden Jahre 1947 und 1948 den bisher nie erreichten Umfang von beinahe

61 5 Milliarden Franken erzielten. Der Einfuhrindex (wertgewogener Mengenindex mit der Basisziffer 100 für das Monatsmittel 1988) schwankte im Durchschnitt der Jahre 1947 und 1948 um 147. Im ersten Halbjahr 1948 erreichte die Einfuhr ihren bisher höchsten Stand: bei einem Einfuhrmdex von rund 160 wurden Waren für nicht weniger als 2,8 Milliarden Franken importiert, was den Fehlbetrag der Handelsbilanz für dieses eine Semester auf über 1200 Millionen Franken anschwellen liess. Mit der Sättigung der Nachfrage bildeten sich die Importwerte im zweiten Halbjahr 1948 jedoch so stark zurück, dass das Passivum unserer Handelsbilanz für das ganze Jahr 1948 nicht, wie da und dort vorausgesagt wurde, 2 bis 2% Milliarden, sondern 1,56 Milliarden Franken umfasste, freilich ist auch dies ein für schweizerische Verhältnisse ungewöhnliches Aussenhandelsdefizit.

Die überraschend hohen Einfuhren, die die Entspannung unserer wirtschaftlichen Situation entscheidend förderten, waren hauptsächlich darauf zurückzuführen, dass das Ausland seine Lieferfähigkeit früher zurückgewann, als allgemein erwartet ward. Vor allem trat Deutschland, das für die Versorgung der Schweiz mit industriellen Erzeugnissen immer eine überragende Eolle spielte und dessen Ausfall als Lieferant zur Überbeanspruchung unseres Produktionsapparates stark beigetragen hatte, wiodor als Bowcrbor um den schweizerischen Markt auf. Hatte die Einfuhr aus Deutschland im Jahre 1947 erst 183 Millionen Franken betragen, so erreichte sie im Jahre 1948 bereits 306 Millionen und im Jahre 1949 sogar 331 Millionen Franken. Die Schweiz wurde von den währungsschwachen Ländern meist bevorzugt beliefert, weil die Waren, die bei uns abgesetzt werden konnten, den Lieferanten harte Währung einbrachten bzw. den Bezug von Artikeln ermöglichten, die sonst mit knappen Devisen hätten bezahlt werden müssen. Aus diesem Grunde wurde unser Land teilweise sogar zum Ziele eigentlicher Exportoffensiven der Weichwährungsländer erkoren.

Aber auch die inländische Erzeugung setzte, nachdem die Unternehmungen sich auf die besonderen Verhältnisse des Nachkriegsauftriebes eingestellt hatten, stärker und stärker ein. Hierzu half die Beiziehung der Fremdarbeiter massgebend mit, durch die der zeitweilig überaus empfindliche Mangel namentlich an qualifizierten Arbeitern behoben wurde. Wenig
später begann auch die Erneuerung und Erweiterung der Betriebe und technischen Anlagen ihre Früchte in Gestalt grösseren Warenausstosses zu tragen. Das Angebot auf dem Binnenmarkte vermehrte sich erst recht, als die ersten Exportschwierigkeiten auftauchten und die Firmen, die ihre Erzeugnisse nicht mehr so mühelos im Ausland absetzen konnten, nun auch wieder schweizerische Kunden zu gewinnen suchten.

2. Rückgang der Nachfrage a. Im Aussenhandel In der ersten Phase des Wiederaufbaue waren auch die währungsschwachen Staaten nicht selten bereit, allerlei kaum zu entbehrende Lieferungen (z. B. an Maschinen oder Chemikalion) in Gold oder harten Devisen abzugelten, die sie

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aus ihren Eeserven oder aus zur Verfügung gestellten Franken -- oder Dollarkrediten schöpften. Mit fortschreitender Deckung des dringlichsten Nachholund Aufbaubedarfes verringerte sich aber diese Bereitschaft mehr und mehr.

Überall, wo die Schwäche der Währung besondere Zahlungsreglementierungen und -beschränkungen erforderte, erwuchsen dem Warenbezug aus Hartwährungsländern grössere und grossere Schwierigkeiten. Trotz nachdrücklicher Empfehlungen seitens internationaler Wirtschaftskonferenzen waren zunächst kaum irgendwelche Schritte in der Richtung zu einem multilateralen Handelsverkehr zu verzeichnen. Die Handels- und Zahlungsabkommen mit den Weichwährungsländern inussten weiterhin auf bilateraler Basis geschlossen werden, wobei fast überall starke Neigung bestand, mit der Besserung der Versorgung den Kreis der Waren, die zur Einfuhr aus Hartwährungsländern zugelassen wurden, zu verengen und die Importkontingente zu kürzen. Auch zeigten sich die währungsschwachen Länder weniger und weniger gewillt, allfällige Fehlbeträge der Einkommensbilanz gegenüber der Schweiz durch Goldüberweisungen auszugleichen.

Diese Verumständungen Hessen erkennen, dass die Exportaussichten unserer auf die Ausfuhr angewiesenen Industrien fürs erste weniger durch den tatsächlichen Rprlavf des Auslandes an schweizerischen Erzeugnissen als vielmehr durch das Zahlungsvermögen und den Zahlungswillen unserer Handelspartner bestimmt und begrenzt würden. Es trat klarer und klarer zutage, dass unsere Ausfuhrchancen daher im wesentlichen von unserer eigenen Einfuhrbereitschaft abhängen. Trotzdem die Lieferfähigkeit der kriegsgeschädigten Länder sich inzwischen weitgehend gebessert hatte, zeigte sich immer wieder, dass zahlreiche von der schweizerischen Kundschaft nachgefragte Erzeugnisse noch nicht oder nicht in der gewünschten Qualität oder Ausführung hergestellt wurden, was die Absatzmöglichkeit in der Schweiz fühlbar verengerte.

Ganz besonders hinderlich erwies sich aber die Überwertung der meisten weichen Währungen gegenüber dem Schweizerfranken, die erst mit der Paritätsbereinigung vom Monat September 1949 ein Ende fand, bis dahin aber den Verkauf in der Schweiz aufs äusserste behinderte, weil die Preise zahlreicher aus Weichwährungsländern importierter Waren von der schweizerischen Kundschaft als übersetzt empfunden
wurden. Die Folge dieser Erschwerungen und Hemmnisse war eine deutliche Verlagerung der schweizerischen Bezüge von Europa nach dem Dollarraum: stammten im Jahre 1938 nicht ganz 80% aller Einfuhren aus Übersee, etwas über 70% aber aus Europa, so entfielen im Jahre 1948 beinahe 40% der Importe auf Übersee und nur noch 60% auf Europa. Solche Verschiebungen bereiteten der Alimentierung des Zahlungsverkehrs und Warenaustausches mit den europäischen Weichwährungsländern zusätzliche Schwierigkeiten, die nicht ohne Einfluss auf unsere Exportmöglichkeiten blieben. Dass mit fortschreitender Deckung unseres eigenen Nachholbedarfes die schweizerische Einfuhr seit Mitte 1948 ganz allgemein erheblich abnahm, verstärkte die der schweizerischen Ausfuhr nachteilige Entwicklungstendenz mehr und mehr.

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Auch wurde immer deutlicher, dass die kriegsgeschädigten und währungs^ schwachen Länder mit fortschreitendem Wiederaufbau unserem Export auf den auswärtigen Märkten eine wachsende Konkurrenz bereiteten. Waren die Preise ihrer Erzeugnisse teilweise auch nicht niedrig, so fiel demgegenüber die Tatsache ins Gewicht, dass Bezüge aus Weich Währungsgebieten ohne Inanspruchnahme knapper Gold- oder Hartdevisenreserven beglichen werden konnten, ein Umstand, der für die von Währungssorgen bedrängten Länder meist stärker wog als die Güte und Preiswürdigkeit der Ware. Umgekehrt wurde unsere Ausfuhr nach den wenigen Hartwährungsländern durch die Bemühungen der währungsschwachen Staaten, zum Zwecke vermehrter Devisenbeschaffung ihren Absatz dorthin zu lenken, fühlbar beeinträchtigt.

Insbesondere unser Export nach Belgien ward durch solche Entwicklungen gehemmt. Die Ausfuhr nach den Vereinigten Staaten litt einigermassen unter dem Konjunktureinbruch, der die Kauflust der Amerikaner ab Mitte 1948 schwächte, aber inzwischen einem neuen Aufschwung Platz gemacht hat.

Auch die politischen Umgestaltungen in Ost- und Südosteuropa verengerten unseren auswärtigen Markt: Die fortschreitende Angleichung der dortigen ökonomischen und sozialen Verhältnisse an das russische Vorbild und die Abwendung vom Westen behinderten in zunehmendem Masse den Worpna Umtausch mit den Ost- und Sudoststaaten, die mehr und mehr dazu übergingen, ihre Bedürfnisse innerhalb der sowjetischen Einflußsphäre zu decken, Dass die tatsächliche Ausfuhr der Schweiz, gemessen am Aussenhandelsindex, während des Jahres 1949 nur minimal und auch in den ersten Monaten des Jahres 1950 noch nicht wesentlich zurückgegangen ist, steht zu unseren Hinweisen auf wachsende Exporterschwernisse nur in einem scheinbaren Widerspruch. Es darf nämlich nicht übersehen werden, dass die Exportlioferungen, die heute zur Ausführung kommen, grossenteils auf Bestellungen zurückgehen, die ziemlich lange Zeit, bei manchen Grossaufträgen zwei Jahre und mehr, zurückliegen. Zahlreiche Firmen sind mit einem aussergewöhnlich hohen Auftragsbestand in die Phase der Konjunkturrückbildung eingetreten, der nun allmählich abgebaut wird. Das Nachlassen der Exportnachfrage wirkt sich bei diesen Unternehmungen in der Weise aus, dass die Auslieferungen den Neuzugang an Bestellungen übersteigen;
ein eigentlicher Beschäftigungsrückgang bleibt dagegen aus, solange die Betriebe von ihren aus der Aufschwungzoit stammenden Auftragsreserven zehren können. Pflegt die Phase der Aufarbeitung des früheren Auftragsüberschusses im allgemeinen keine Personalentlassungen und Betriebseinstellungen hervorzurufen, so liegt anderseits auf der Hand, dass der Investitionseifer der Unternehmungen angesichts des schrumpfenden Auftragsbestandes stark erlahmt.

Hinzugefügt sei, dass die einzelnen Industriezweige von der Bückbildung des Auftragsbestandes in ganz verschiedenem Ausmass betroffen worden sind.

Es gibt Branchen, deren Bestellungsreserve bereits so klein ist. dass bezuglich der künftigen Entwicklung begründete Besorgnis herrscht, so zum Beispiel in der Eisen- und Stahlindustrie und bei den Werkzeugmaschinenfabriken.

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Anderwärts wiederum erscheint der Auftragsbestand immer noch so bedeutend, dass selbst bei ruckläufigem Bestellungaeingang die Beschäftigung noch für eine geraume Zeit gesichert sein dürfte. Wenn die Bemühungen um eine Liberalisierung des Handelsverkehrs, die vor allem seit Mitte 1949 auf die Initiative der Vereinigten Staaten hin mit erhöhtem Nachdruck wieder aufgenommen worden sind, weitere Erfolge zeitigen, bestände in der Tat Hoffnung, dass unsere Exportindustrie noch zur rechten Zeit, nämlich vor dem gänzlichen Versiegen der aus der Hochkonjunktur herstamnienden Auftragsroserve, einen vermehrten Zugang an Bestellungen buchen könnte. Einige Handelsverträge, die in einem freiheitlicheren Geiste gehalten sind und die Kontingentsfesseln teils (wie die letzten Vereinbarungen mit Deutschland und Frankreich) weitgehend gelockert, teils (wie das Abkommen mit Belgien) für industrielle Erzeugnisse überhaupt beseitigt haben, vermochten unserer Warenausfuhr bereits einen nicht zu unterschätzenden Impuls zu verleihen, so der Textilindustrie die Vereinbarungen mit Westdeutschland und der Maschinenindustrie die Vereinbarungen mit Frankreich und Belgien. Die gunstigen Aspekte, die die Liberalisierungsbestrebungen im gegenwärtigen Zeitpunkt bieten, werden freilich durch die unverkennbare Neigung verschiedener Staaten getrübt, die prohibitivon Wirkungen der mengenmässigen Handelsbeschränkungen durch erhöhte Zollsätze zu ersetzen. Auch sei in diesem Zusammenhange daran erinnert, dass die Einfuhrbeschränkungen der währungsschwachen Länder ursprünglich zweifellos auf Devisenknappheit und Zahlungsschwierigkeiten zurückzuführen waren, dass sich aber mancherorts protektionistische Interessen dieses Instrumentes bemächtigt haben, um die Einfuhrbeschränkungen zur Abwehr ausländischer Konkurrenten schärfer und strenger zu handhaben als die Währungslage und Devisenbilanz der betreffenden Länder es eigentlich erfordern wurde.

b. Im Inland Uni die Mitte des Jahres 1948 war nicht allein der Nachholbedarf, sondern im allgemeinen auch der Bedarf zur Wiederauffüllung der Warenlager gedeckt.

Aus steuertechnischen Erwägungen, nämlich um die Möglichkeiten zur Anlegung stiller Beserven auszuschöpfen, hatten viele Firmen ungewöhnlich grosse Lager geäufnet. Aber auch die Furcht vor neuen kriegerischen Vorwicklungen und die Mahnungen
des Delegierten für wirtschaftliche Landesverteidigung wirkten in dieser Biehtung. Als mit zunehmender Konkurrenz und fortschreitendem Übergang vom Verkäufer- zürn Käufermarkt der Absatz nicht mehr mit der bisherigen Leichtigkeit vonstatten ging, sahen sich zahlreiche Betriebe vor die Notwendigkeit gestellt, ihre Warenlager zur Erhaltung einer ausreichenden Liquidität abzubauen. Das führte dazu, dass -- solange die Vorräte, gemessen an der gesunkenen Nachfrage, zu hoch waren -- der laufende Verbrauch vor allem bei Fertigwaren in erheblichem Umfange aus den Handelslagern gespiesen werden konnte. Infolgedessen war der Naohfrageausfall bei den vorgelagerten Produktionsstufen, insbesondere bei den Herstellern von marktgängigen Fertigwaren, im grossen und ganzen merklich

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stärker als der Eückgang der Konsumentennachfrage. Aus dem gleichen Grunde unterlagen die Verkaufspreise der Industrie einem schärferen Druck als die Kleinhandelspreise, ohne dass sich eine Rückbildung der industriellen Gestehungskosten bemerkbar gemacht hätte. Das Jahr 1948 brachte ganz im Gegenteil eine abermalige Erhöhung der nominellen Stundenlohnsatze um rund 8%, und selbst im Jahre 1949 setzte sich der Anstieg der Arbeitskosten,, wenn auch in stark vermindertem Ehythmus fort. Der rasche Lagerabbau ni den Jahren 1948 und 1949, der eine zwangsläufige Folge der zu starken Lagerauffüllung in der Phase des Aufschwunges war, versetzte unsere Wirtschaft in erhebliche Unruhe. Manche Fabrikanten erhielten, solange der Verbrauch aus den Lagern gespiesen wurde, nur unzulängliche Aufträge, was verschiedenen Betrieben beträchtliche Unannehmlichkeiten verursachte. In verschiedenen Branchen, so zum Beispiel in der Textilindustrie, wurden durch den forcierten Lagerabbau Schwierigkeiten, die auf andere Ursachen zurückgingen, unnötigerweise gesteigert. Auch der unvermutete Eückgang unserer Einfuhr, der -- wie weiter oben dargelegt -- unsere Exportaussichten verringert hat, ist grossenteils auf die Abstossung der Vorräte zurückzuführen.

Immerhin spricht manches dafür, dass die Warenlager, insbesondere an Fertigwaren, vielerorts einen Stand erreicht haben, der ohne geschäftliche Nachteile kaum weiter unterschritten werden kann. In der Tat wird aus einzelnen Industrien gemeldet, dass der Handel bereits wieder erneute Bestellungen aufgeben muss.

Durchaus begreiflich erscheint, dass die Investitionstätigkeit mit fortschreitender Deckung dos Erweiterungs- und Erneuerungabedarfes nachliess.

Doch nahm die Investitionslust auch deswegen ab, weil der rückläufige Bestellungseingang aus dem Inland wie aus dem Ausland eine weitere Ausdehnung der Produktionskapazität keineswegs geraten erscheinen liess. Der Umstand, dass die Verkaufserlöse -- wie soeben dargelegt wurde -- zurückzuweichen begannen, während die Gestehungskosten eher stiegen, war natürlich auch nicht dazu angetan, Industrie und Gewerbe zu weiteren Investierungen anzuspornen.

In kapitalintensiven Betrieben führte die Eückbildung des Absatzes überdies zu einer Erhöhung der Stückkosten infolge der ungünstigeren Kapazitätsausnutzung, eine Erscheinung, die
gleichfalls zur Verschlechterung des PreisKosten-Verhältnisses beitrug. Der nachlassende Investitionseifer, eine natürliche Folge rückläufiger Gewinnaussichten, lässt sich ohne weiteres aus der Zahl der begutachteten Fabrikbauvorlagen ablesen.

Wenn auch, wie weiter oben angedeutet, der Nachfrageausfall beim letzton Verbraucher weniger gross war als der Bestellungsrückgang bei der Industrie, so begann doch der Bedarf an Konsumgutern allmählich eine gewisse Sättigung zu erreichen. Um die Mitto des Jahres 1948 konnte der Nachholbedarf der Konsumenten, der in der Schweiz ohnehin bedeutend geringer war als in den kriegführenden Ländern, als gedeckt gelten -- wenigstens soweit er sich bei den geltenden Preisen als kaufkräftige Nachfrage auswirken konnte.

Ausserdem begann sich nun aber im Zuge der Konjunkturruckbildung das Konsumenteneinkommen allmählich zu vermindern. Irgendwelche Lohn-

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Senkungen wurden, von Einzelfällen ausgenommen, freilich nirgends festgestellt ; ganz im Gegenteil erhöhten sich, wie weiter oben erwähnt, die mittleren Lohnsätze in den Jahren 1940 und 1949 um einen geringen Prozentsatz, und der reale Stundenverdienst vermochte gleichfalls um einige Prozent zu steigen.

Doch brachte der Bückgang der Beschäftigung mancherlei Einkommensausfälle mit sich, die von der Lohnstatistik nicht erfasst werden, den Totalbetrag der ausgezahlten Löhne und Gehälter und damit auch die Kaufkraft der Konsumenten aber dennoch einigermassen zu beeinträchtigen verrnögen. So blieb zum Beispiel die Heimkehr eines Teils der vorübergehend beschäftigten Fremdarbeiter nicht ohne Einfluss auf die Lohnsurmne; auch der Ausfall der Uberzeitbeschäftigung wirkte in gleicher Weise. Eine Anzahl von Arbeitern und Angestellten, denen in der Zeit der Hochkonjunktur irgendwelche Nebenbeschäftigungen und -Verdienste zugefallen waren, sah sich im Zeichen der ruckläufigen Wirtschaftstätigkeit solcher zusätzlicher Einkommensquellen entblösst. Zweifellos trug auch der Abbau einzelner ausgesprochener Konjunkturlöhne, die deron Bezügern die Entfaltung einer überdurchschnittlichen Kaufkraft erlaubt hatten, zur Eückbildung der Verbrauchernachfrage bei. Vielerorts verringerte sich das Farnih'eneinkommen, weil verheiratete Frauen, Pensionierte, Eentner und andere Leute, die üblicherweise einem Erwerb nicht oder nicht mehr nachgingen, während der Hochkonjunktur aber entgeltliche Arbeit annahmen, nun wieder zu ihrer häuslichen Tätigkeit bzw. in ihren Euhestand zurückkehrten. Auch die Zunahme der Arbeitslosigkeit und Teilarbeitslosigkeit kam -- obwohl sie bis dahin keinen bedrohlichen Umfang erreichte -- einer Kürzung der auf dem Binnenmärkte wirksamen Kaufkraft gleich. Dass durch Verminderung der Gewinno und des Zinseinkommens gleichzeitig die Bezüge der Selbstandigerwerbenden wie der nichterwerbstätigen Bentner zurückgingen, muss in diesem Zusammenhange ebenfalls erwähnt worden.

Aber die Nachfrage nach Konsumgütern neigte nicht allein infolge der Einkommensrückbildung leicht abwärts, sondern auch deswegen, weil zahlreiche Verbraucher in Erwartung nachgebender Preise mit Anschaffungen bereits zurückhielten.

Wenn Ausgabenüberschüsse der öffentlichen Hand den Kaufkraftüberhang verstärken und die Nachfrage erhöhen,
so wirken umgekehrt Einnahme n Überschüsse, die zum Schuldenabbau verwendet werden, tendenziell nachfragehemmend und konjunkturdämpfend. War im Jahre 1946 die öffentliche Bundesschuld insgesamt um ungefähr 170 Millionen Franken gestiegen, was den Konjunkturauftrieb zweifellos begünstigt hatte, so verringerte sie sich im Jahre 1947 um mehrere hundert Millionen. Das Bechnungsergebnis schloss im Jahre 1946 mit einem kleinen Fehlbetrag ab; im Jahre 1947 konnte der Bund umgekehrt einen Einnahmenüberschuss von 820 Millionen buchen, im Jahre 1948 einen solchen von 176 Millionen Franken. Die Bechnungen der Kantone verzeichneten im Jahre 1946 einen Ausgabenübersohusa von 41,4 Millionen Franken, der im Jahre 1947 einem Einnahmenüberschuss von 21,5 Millionen Franken Platz machte. Das Jahr 1948 brachte wiederum einen Fehl-

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betrag in der Höhe von 2,7 Millionen Franken. Die Gemeinden des Schweizerischen Städteverbandes buchten in den Jahren 1946 und 1947 einen Ausgabenüberschuss von je rund einer halben Million, im Jahre 1948 dagegen einen EinnahmenüberschuBs von 6,1 Millionen Pranken. Alles in allem schlössen die Haushaltungsrechnungen der öffentlichen Hand in den Jahren 1947 und 1948 günstiger ab als im Jahre 1946, was ebenfalls zur Eückbildung der Nachfrage beigetragen haben mag. Zweifellos darf dies als Erfolg der staatlichen Konjunkturpolitik verbucht werden.

u. Besondere Probleme einzelner Industrien 1. Die Diskriminierung entbehrlicher Güter Unter den Handelsbeschränkungen der währungsschwachen Länder litten vor allem jene Industrien, die Konsumgüter nicht lebenswichtigen Charakters ins Ausland zu liefern pflegen. Die Politik jener Staaten zielte bekanntlich darauf hin, ihre unzulänglichen Zugänge bzw. Eeserven an Gold, harten Devisen und Clearingmitteln in erster Linie für unentbehrliche Nahrungsmittel und Eohstoffe sowie für wirtschaftswichtige Produktionsgüter vorzubehalten, die Zuteilung ausländischer Zahlungsmittel für Importartikel, die dem Komfort, der Lebensannehmlichkeit oder gar dem Luxus dienten, dagegen nach Kräften zu kürzen. Ist diese Einstellung schon an sich für das betreffende Land schädlich, da die Beschränkung der Kaufmöglichkeiten von nicht lebenswichtigen Gütern die Arbeitsfreude dämpft, und niuss bei fast allen diesen Landern überdies ein starker Widerspruch zwischen der Importdrosselung und den Bestrebungen zur Förderung des eigenen Exportes festgestellt werden, so wird dazu immer deutlicher, dass ausser dem Wunsche,-die verfügbaren Bestände an harter Valuta haushälterisch zu verwalten, bei der Diskriminierung entbehrlicher Güter durch währungsschwache Staaten üum Teil auch allgemein wirtschaf tspolitische Erwägungen hinoinspielten. Diejenigen Begierungen, die einer liberalen Auffassung vom Wesen der Wirtschaft und den Quellen des Volkswohlstandes zuneigten, waren einer Lockerung der Handels- und Zahlungsbeschränkungen meist leichter zugänglich als andere, die das Heil in einer möglichst umfassenden Kontrolle und Lenkung der Wirtschaft durch die Staatsbehörden erblickten. Auch zeigten sich bei der Einreibung der Importgüter in die verschiedenen Dringlichkeitskategorien der lebenswichtigen
Waren (essentials), der minder wichtigen Waren (less essentiels) und der entbehrlichen Waren (non essentials) von Land zu Land erhebliche Bewertungsunterschiede, die weniger auf ökonomische als auf weltanschauliche und politische Beweggründe zurückzuführen waren.

Von diesen Diskriminierungen wurde ausser der Uhrenindustrie, die einen wesentlichen Teil ihrer Exportlioferungen nach dem Dollarraum leiten konnte, vor allem die Textilindustrie getroffen. Und zwar waren es in erster Linie die Erzeugnisse der Baumwollbranche (insbesondere Feingewebe), sodann Seidenartikel, Stickereien und Wirkwarcn, die unter den Einfuhrbeschränkungen

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am stärksten zu leiden hatten. In einer ähnlichen Lage befanden sich die Schuhfabrikanten, soweit sie auf den auswärtigen Absatz; angewiesen waren.

Eine Zeitlang behalfon sich die Firmen, die ihre Ausfuhrchancen schwinden sahen, dadurch, dass sie einen Teil ihrer Erzeugung auf Lager legten. Seit dem Frühling 1949 kam dieses Aushilfsmittel aber weniger und weniger in Frage, weil die Vorräte sonst über Gebühr angeschwollen wären. Gewisse Betriebseinschränkungen erwiesen sich nunmehr als unumgänglich; sie traten jedoch vorerst auf dem Arbeitsmarkt nicht in Erscheinung, da in erster Linie auslandische Arbeitskräfte entlassen wurden.

Auf den Herbst 1949 wurden in verschiedenen durch die ausländischen Einfuhr- und Zahlungsschranken in Mitleidenschaft gezogenen Unternehmungen neue Arbeiterentlassungen in Aussicht genommen, die kaum auf die Fremdarbeiter beschränkt geblieben wären, sondern auch einheimische Arbeitskräfte getroffen hätten. Glücklicherweise kam es aber nicht soweit, weil namentlich die Neuregelung der Handelsbeziehungen mit Westdeutschland im Sommer 1949 den Industrien, dio durch die ausländischen Diskriminierungen ihrer Erzeugnisse am härtesten mitgenommen waren, eine merkliche Entlastung brachte. Dieses Abkommen, das für Industriegüter keine starren Kontingente mehr könnt, auf die Einstufung der Importartikel in verschiedene Dringlichkeitskategorien verzichtet und den Umfang der schweizerischen Lieferungen nach Deutschland hauptsächlich von dein Devisenerlös abhängig macht, der aus schweizerischen Bezügen deutscher Erzeugnisse stammt, erbrachte den Beweis, dass auch mit Staaten, die unter Devisenmangel leiden, der 'Warenaustausch auf freizugiger Grundlage geordnet werden kann, sofern beiderseits der Wille besteht, den Warenhandel von allen irgendwie vermeidbaren Hindernissen zu befreien. Auch mit einigen andern Ländern, vor allem mit Kanada, Belgien, Frankreich und Italien, kamen im zweiten Halbjahr 1949 Handelsvereinbarungen zustande, die in einem wesentlich liberaleren Geiste gehalten waren als die bisherigen Regelungen.

Erweiterte die Niederlegung verschiedener Handelsschranken die Absatzmöglichkeiten unserer Exportunternehmungen, so begannen ungefähr gleichzeitig seitens des einheimischen Detailhandels nach vollzogenem Lagerabbau vermehrte Bestellungen einzulaufen, die ebenfalls
dazu beitrugen, die Beschäftigungsaussichten der Textil- und zum Teil auch der Schubbranche erneut zu verbessern. Heute verzeichnen verschiedene Zweige der Textilindustrie wiederum Auftragsreserven von einigen Monaten.

2. Verlust vorübergehend belieferter

Märkte

Die Kriegsverhältnisse und die besonderen Bedingungen des wirtschaftlichen Wiederaufbaus der kriegsgeschädigteri Gebiete hatten allerhand Umstellungen in den zwischenstaatlichen Handelsbeziehungen zur. Eolge, aus welchen einzelne schweizerische Industrien zeitweiligen Nutzen ziehen konnten.

So zeigte sich in der unmittelbaren Nachkriegszeit, dass mancherlei Erzeugnisse

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im Ausland Absatz fanden, die unter normalen Verumständungen nur in beschränktem Umfange oder überhaupt nicht als exportfähig galten, sei es, dass die Gestehungskosten in unserm Lande zu hoch lagen, sei es, dass die Ausführung den Wünschen des ausländischen Publikums nicht entsprach. Der dringende Nachholbedarf nötigte das Ausland, nach neuen Bezugsquellen Ausschau zu halten. Dabei fiel in besonderem Masse das Ausbleiben der deutschen Lieferungen ins Gewicht. Umgekehrt vermochte die Schweiz den Vorteil, den ihr unversehrter Produktionsapparat bot, durch Zusicherung Verhältnismassig kurzer Lieferfristen auszuwerten. Die ausländische Kundschaft war anfänglich im allgemeinen bereit, selbst verhältnismässig hohe Preise zu bewilligen, sofern sie auf rasche Erfüllung des Auftrages rechnen konnte.

Durch solche aussergowöhnliche Umstände wird die schweizerische Industrie heute nicht mehr begünstigt. Deutschland tritt auf den internationalen Märkten wieder als Konkurrent auf; es ist bestrebt, die Märkte, die es früher belieferte, zurückzugewinnen. Dabei kommen ihm seine verhältnismässig geringen Gestehungskosten, die auf einem niedrigen Preis- und Lohnstand beruhen, entscheidend zugute. Verschiedene Wirtschaftszweige, die unmittelbar nach Kriegsende für deutsche Lieferanten einspringen konnten, sahen sich ausserstande, gegenüber der ·wiederauflebenden deutschen Konkurrenz das Feld zu behaupten. Ähnlich erging es einzelnen Firmen der Maschinenindustrie, denen es nach Kriegsende gleichfalls gelungen war, Bestellungen für Erzeugnisse zu erwirken, die von der schweizerischen Industrie üblicherweise nicht ins Ausland geliefert, wurden. Ganz allgemein drängt der ausländische Bezüger wiederum auf möglichste Wohlfeilheit der gelieferten Ware ; die Kürze der Lieferfrist, die der schweizerischen Industrie zeitweilig einen merklichen Vorsprung verheb, spielt heute, wo auch andere Länder eine schnelle Ausführung der Bestellungen zusichern können, keine entscheidende Eolle mehr.

3, Rückbildung der Ersatzfabrikation Wie weiter oben erwähnt worden ist, gehörte die Versorgung des schweizerischen Marktes mit Erzeugnissen, die früher von auswärts bezogen wurden, nach dem Kriege aber angesichts der mangelnden Lieferfähigkeit des Auslandes in der Schweiz hergestellt wurden, zu den Faktoren, die den konjunkturellen Auftrieb
der Jahre 1946 bis 1948 begünstigten. Mit zunehmender Normalisierung der industriellen Erzeugung in den kriegsgeschadigten Staaten, besonders in Deutschland, traten auch hier unsere alten Lieferanten wieder auf den Plan. Die Unternehmungen, die den schweizerischen Bedarf in der Zwischenzeit gedeckt hatten, mochte es hart ankommen, auf dieses Geschäft zu verzichten. Da aber die Offerten der ausländischen Firmen häufig günstiger waren und unser Land überdies darauf angewiesen war, ausreichende Importe zu tätigen, um die Ausfuhr devisenmässig zu alimentieren, bestand kein Anlass, die Wiederanbahnung der früheren Geschäftsverbindungen zum Bezüge ausländischer Fabrikate durch staatliche Schutzmassnahmen zugunsten der einheimischen Fabrikation zu behindern.

Bundesblatt.

102. Jahrg. Bd. II.

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m. Die Abwertungen im September 1949 Als sich im September 1949 zuerst Grossbritannien und die übrigen dem Sterlingblock zugehörigen Staaten, daraufhin eine beträchtliche Anzahl anderer Länder zu einer Abwertung ihrer Währungen entschlossen, wurde dieser Schritt weitherum als folgenschwere Beeinträchtigung der schweizerischen Konjunkturentwicklung empfunden. Befürchtungen wurden laut, die einerseits eine schwerwiegende Eückbildung der auswärtigen Absatzmöglichkeiten, anderseits eine bedrohliche Überflutung unseres Landes mit wohlfeilen Auslandwaren kommen sahen. Der Bundesrat hat bereits am 26. September 1949 durch den Mund des Bundespräsidenten in Beantwortung zweier Interpellationen über die schweizerische Währungspolitik im Nationalrat vor einer allzu pessimistischen Einschätzung dieses Ereignisses gewarnt. Trotzdem seit der Abwertungswelle über ein halbes Jahr verflossen ist, hat die damalige Paritätsänderung der ausländischen Währungen keine Folgen für den schweizerischen Aussenhandel gezeitigt, die ala untragbar oder bedrohlich bezeichnet werden könnten. Ungeachtet des Umstandes, dass der ausländische Käufer schweizerischer Erzeugnisse bei einer Abwertung von 30% für seine Bezüge aus der Schweiz theoretisch 43% mehr zahlen muss, hat unser Ausfuhrhandel seither kerne schwerwiegöiideii Embussen erlitten, wenngleich es natürlich wesentlich schwerer fällt, neue Bestellungen zu erhalten. Diejenigen Staaten, die einer freiheitlichen Wirtschaftspolitik huldigen, wurden durch die Abwertung instandgesetzt, weitere Lockerungen der Handels- und Zahlungseinschränkungen vorzunehmen. Wenn in den ersten beiden Monaten des Jahres 1950 unser Export nach Schweden, Dänemark, Holland und einigen Oststaaten eine starke Schrumpfung verzeichnet, konnte im Verkehr mit verschiedenen anderen Staaten, die einer fortschreitenden Liberalisierung der Handelspolitik zustreben, beträchtliche Mehrexporte erzielt werden, so namentlich mit Westdeutschland, Frankreich und Italien. Auf alle Fälle ist aber auch heute noch unser Export mehr durch den Devisenmangel als durch preisliche Schwierigkeiten gehemmt.

Die Kreise, die unsere Exportaussichten auf Grund der durch die Abwertungen vom September 1949 geschaffenen Lage pessimistisch beurteilten, hatten die Anpassungsfähigkeit der Firmen, die auf die Ausfuhr ihrer Erzeugnisse
angewiesen sind, offenbar unterschätzt. Der kalkulatorische Spielraum, über den manche von ihnen verfügten, war ausgedehnter, als man bisher glaubte, so dass sie in der Gestaltung ihrer Preise der ausländischen Kundschaft etwelches Entgegenkommen zeigen konnten. Die genannten Kreise haben auch übersehen, dass vielfach schon vorher Korrekturen gegenüber überwerteton Währungen vorgenommen wurden, zumeist in Form der Prämiensysteme.

Eine "Ausnahme ist beim Fremdenverkehr festzustellen, wo die Zahl der ausländisch on Besucher erheblich zurückgegangen ist. Es steht aber noch nicht fest, ob es sich um eine vorübergehende Erscheinung oder um eine solche von Dauerwirkung handelt. Auf jeden Fall wird die Entwicklung von den Bundes-

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behörden zusammen mit den Berufsverbänden aufmerksam verfolgt. Dabei ist aber darauf hinzuweisen, dasg sich die Lage des Fremdenverkehrs und teilweise des Exports auch ohne die Abwertungen hätte verschlechtern müssen, weil insbesondere England nicht mehr in der Lage war, weiterhin grosse GoldÜberweisungen in die Schweiz zu leisten. Die Gefahr war sehr akut, dass dieses Land für den Tourismus die Devisenzuteilungen einschneidend hätte herabsetzen müssen. Anderseits erwies sich alsbald, dass jene währungsschwachen Länder, die auch nach der Abwertung zu keiner Liberalisierung ihrer innern und äussern Wirtschaftspolitik schritten, sondern mittels umfassender staatlicher Kontrollen und Lonkungsmassnahmen unter Aufrechterhaltung eines ständigen Inflationsdruckes eine möglichst lückenlose Beschäftigung anstrobten, den Konkurrenzvorteil der Wechselkurssenkung nicht voll auszuschöpfen vermochten, weil die zur Erhöhung ihrer Lieferungen erforderliche Arbeits- und Produktionskapazität fehlte. Auch wurde, weil mancherorts immer noch ein erheblicher Nachfrageuberschuss in Erscheinung trat, auf manchen Warenmärkten die Wirkung der Währungsanpassungen ziemlich bald durch Preissteigerungen in den Abwertungsländern teilweise ausgeglichen.

Aus diesen Gründen erwiesen sich die Folgen der Paritätsveränderungen nicht allein für unsere Bxportwirtschaft im ganzen als ninigprmftssen erträglieh, sondern es blieb bis dahin im allgemeinen auch die befürchtete Überflutung unseres Binnenmarktes mit billigen Erzeugnissen aus. Schwer lässt sich die weitere wirtschaftliche Entwicklung in den Abwertungsländern voraussagen.

Mit fortschreitender Erhöhung ihrer Lieferfähigkeit könnten unserer Industrie sowohl auf den auswärtigen wie auf den inländischen Märkten steigende Schwierigkeiten erwachsen, sofern die Vorteile der Währungsanpassung nicht in grösserem Umfange durch eine Erhöhung der Bohstoffkosten, Verteuerung der Lebenshaltung und Heraufsetzung der Löhne wettgemacht werden. Letzten Endes wird die allgemeine Tendenz der Preisbewegung auf den internationalen Märkten darüber entscheiden, welche Probleme unserer Export- und Binnen·wirtschaft im Gefolge der ausländischen Währungsanpassungen entgegentreten werden. Wenn in den Monaten, die der Abwertung folgten, seitens der inlandorientierten Produktionszweige wiederholt der Wunsch
um vermehrten Schutz vor dem Import wohlfeiler Waren aus den Abwertungsländern geäussert wurde, so konnten solche Begehren bis dahin als nicht zeitgemäss abgewiesen werden.

Der Bundesrat durfte auch diesen Gesuchen gegenüber nicht übersehen, dass ohne Aufreehterhaltung ausreichender Importe keine Möglichkeit bestehen würde, den auswärtigen Absatz unserer Industrie, der nach wie vor eine Hauptstütze der schweizerischen Wirtschaftskonjunktur bildet, aufrechtzuerhalten.

Einstweilen ist das Passivum der schweizerischen Handelsbilanz ungenügend, um transfermässig den sichtbaren und unsichtbaren Export zu decken.

Nicht zu übersehen ist, dass verschiedene Länder lediglich dank der Abwertung ihrer Währungen in die Lage versetzt wurden, mit Hartwährungsländern preislich zu konkurrenzieren, ihre Exporte nach der Schweiz zu erhöhen und sich damit Devisen für Käufe in unserem Lande zu verschaffen und

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ihrem Bürgern für Ferienreisen zur Verfügung zu stellen. Dies gilt insbesondere für England, das einer unserer ·wichtigsten Handelspartner ist.

IV. Konjunkturstützende Kräfte in der Rückbildungsphase In den vorhergehenden Kapiteln dieses Abschnittes haben wir hauptsächlich die Faktoren dargestellt, die seit 1948 auf die Eückbildung der Wirtschaftstätigkeit hinwirkten. Doch dürfen auch dio A u f t r i e b s k r ä f t e nicht ausser acht gelassen werden, die entgegen der allgemeinen Entwicklungstendenz der Beschäftigung als Stütze dienten und die rückläufige Konjunkturbewegung verlangsamten. Auf die aussenwirtschafthchen Auftriebsrnomente, auf den fortbestehenden Nachfrageüberschuss in einigen Landern, auf den weiterwirkenden Wiederaufbaubedarf auf manchen Märkten und auf die wenigstens teilweise erfolgreichen Liberalisierungsbemühungen, die os den schweizerischen Exporteuren ermöglichten, das warenhungrige Ausland weiterhin zu beliefern, haben wir in einem früheren Zusammenhange bereits hingewiesen.

Hier sei auf einen besonderen binnenwirtschaftlichen Nachfragefaktor aufmerksam gemacht, der während der bisherigen Bückbildungsphase wie auch heute noch als überaus wirksame Bremse gegen ein allzu schnelles Abgleiten der Konjunkturkurve angesehen werden muss. Trotz der Normalisierung der gesamtwirtschaftlichen Situation hat sich bisher das Bauvolumen auf einer aussergewöhnlichen Höhe behauptet. Im Jahre 1949 erreichte die gesamte Bautätigkeit einen Betrag, der sich knapp unter der 2-Milliarden-Grenze hielt und damit nur um 5 % hinter dem Bekordergebnis des Jahros 1948 zurückblieb. Allerdings war die rege Bautätigkeit 1949 in weit stärkerem Ausmasse als im vorhergehenden Jahre durch die Aufträge der öffentlichen Hand boeinflusst. Während 1948 auf den Wohnungsbau und gewerblichen Bau zusammen noch 64 % des Gesamtbauvolumens und auf dio Bautätigkeit der öffentlichen Hand 36 % entfielen, lauten die Vergleichszahlen für 1949 auf 56 bzw. 44 %.

Nach den Ergebnissen der diesjährigen Erhebung des Delegierten für Arbeitsbeschaffung ist nun für das laufende Jahr ein Bauvolumen zu erwarten, das noch über dasjenige des Vorjahres hinausgehen wird. Es wurden nämlich für den privaten und öffentlichen Bau zusammen Bauvorhaben im Betrage von rund 2155 Millionen Pranken gemeldet. Das sind 240 Millionen mehr als die
Summe der Bauvorhaben für 1949. Dass es sich wirklich um eine ausserordentlich hohe Summe handelt, geht überdies auch daraus hervor, dass die zu Beginn des Ausnahmejahres 1948 erhobenen Bauvorhabon sich auf 1,94 Milliarden bezifferten, während das damals erreichte, effektive Bauvolumen rund 2,115 Milliarden, also noch einige Millionen weniger betrug als das Total der heute bereitliegenden Baupläne. An diesem bemerkenswerten Ergebnis ist allerdings der private Bau nur unwesentlich beteiligt. Die gewerblichen Bauvorhaben sind weiterhin rückläufig. Diese Einbusse wird jedoch durch eine Steigerung der Wohnbauvorhaben um 12 % etwas mehr als ausgeglichen,

73 woraus für den privaten Bau ein Mehrergebnis von knapp 4 % resultiert. Viel stärker fällt demgegenüber die Steigerung der öffentlichen Bauvorhaben um 22 % ins Gewicht. Im einzelnen igt für den Bund eine Zunahme dor Bauvorhaben um 24 %, für die Kantone um 15 % und für die Gemeinden um 21 % zu notieren.

Die sehr hohe Summe der diesjährigen Bauvorhaben ist zweifellos nur durch das Zusammentreffen einiger aussergewöhnlicher Umstände zustande gekommen, von denen wir annehmen müssen, dass sie schon in absehbarer Zeit nicht mehr oder nur noch abgeschwächt wirksam sein werden. Am augenfälligsten ist dies wohl für den Wohnungsbau. Die rege Bautätigkeit auf diesem Gebiet dient im laufenden Jahre teilweise noch der Deckung des kriegsbedingten Nachholbedarfes und erfuhr überdies eine besondere Stimulierung durch den Umstand, dass während der letzten Monate des vergangenen Jahres manche Projekte vorsorglich bereinigt wurden, um noch der eidgenössischen Wohnbaubeihilfe (deren Weiterführung im Jahre 1950 vom Ergebnis der Volksabstimmung vom 29. Januar 1950 abhing) teilhaftig zu werden. Es ist auch anzunehmen, dass im Zusammenhang mit der Normalisierung der allgemeinen Wirtschaftslage und der damit verbundenen Einkommensvorminderungen der WohnnngsbeHarf in nächster Zeit rückläufig sein wird. Da zudem schon für die nächste Zeit zu erwarten ist, dass sich die Zahl der Heiraten und damit der Haushaltneugründungen als Folge des Geburtenrückganges Ende der zwanziger und zu Beginn der dreissiger Jahre nicht auf der Höhe der letzten Jahre wird halten können, wird man für die Zukunftsaussichten des Wohnungsbaus keine allzu günstige Prognose stellen dürfen.

Auch für den öffentlichen Bau wird man nicht annehmen dürfen, dass er sich längere Zeit auf der aussergewöhnlichen Höhe dieses Jahres wird halten können. Wenn auch heute noch ein gewisser Nachholbedarf an öffentlichen Bauten vorhanden ist, so wird dieser doch bald einmal gedeckt sein, und ausserdem ist es auch aus finanzpolitischen Gründen unwahrscheinlich, dass die öffentliche Hand in der Lage sein sollte, ihre Bautätigkeit im diesjährigen Umfange weiterzuführen. Wenn solcherart aber schon für die nächste Zukunft ein Rückgang der Bautätigkeit zu erwarten ist, so kann man offenbar ob der im laufenden Jahre noch sehr guten Situation auf dem Baumarkte nicht eine
ungetrübte Genugtuung empfinden. Konjunkturpolitisch wäre es zweifellos sehr erwünscht, wenn ein wesentlicher Teil der diesjährigen Bauvorhaben der öffentlichen Hand auf spätere Zeiten hinausgeschoben werden könnte, um auch dannzumal noch über ein ausreichendes Bauvolumen zu verfügen. So haben denn auch das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement durch ein Kreisschreiben vom 17. Mai 1950 an die Kantonsregierungen und der Delegierte für Arbeitsbeschaffung durch seine Publikationsmittel dringend an die öffentliche Hand aller Stufen appelliert, sie möchte ihre Baupläne für das laufende Jahr einer Überprüfung unterziehen und hm der Vergebung ihrer Aufträge die gebotene Zurückhaltung walten lassen.

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V. Der Arbeitsmarkt im Zeichen der Konjunkturrückbildung Da Ende Februar 1950 in unserem Lande immer noch 82 000 ausländische Arbeitskräfte mit befristeter Aufenthaltsbewilligung und 8500 Grenzgänger tätig waren, bot sich und bietet eich grossenteils auch heute manche Gelegenheit, bei ruckläufiger Beschäftigung vorzugsweise die Dienstverträge der Fremdarbeiter aufzulösen, das Arbeitsverhältnis des einheimischen Personals aber möglichst unverändert zu belassen. Dabei stösst man zuweilen jedoch auf Schwierigkeiten, die mit dem seit einiger Zeit auftretenden zahlenmässigen Missverhältnis zwischen Berufs- und Hilfsarbeitern schweizerischer Nationalität zusammenhängen. In den Jahren der Hochkonjunktur, als auch Handlanger einen verhältnismässig guten Verdienst fanden, war die Verlockung, unmittelbar nach der Schulentlassung eine Arbeitsstelle anzunehmen, so gross, dass viele junge Leute darauf verzichteten, einen richtigen Beruf zu erlernen. Zwar ging die Zahl der Lehrlinge nicht zurück; da aber die Zahl der Beschäftigten stieg, sank der Anteil der Berufsarbeiter am Gesamtbestand der Arbeitenden, Solange der Umfang des Arbeitsvolumens die Beiziehung zahlreicher ausländischer Berufsarbeiter geboten erscheinen liess, bereitete die Zuweisung von Arbeit an die Hilfsarbeiter keinerlei Sorgen. Heute aber, wo die fremden Facharbeiter mangels ausreichender Aufträge allmählich wieder aus dem Produktionsprozess ausgeschieden werden, findet -- da das Verhältnis von gelernten und ungelernten Kräften nicht willkürlich geändert werden kann -- zwangsläufig auch eine Freisetzung von "Hilfsarbeitern statt. Zum Unterschied von den qualifizierten Berufen werden hier jedoch vor allem einheimische Arbeitskräfte betroffen, da die Zahl der ausländischen Handlanger in Industrie und Gewerbe durchaus bedeutungslos ist. Diesen ungelernten Erwerbslosen kann durch die Entlassung weiterer ausländischer Berufsleute keine Arbeitsmöglichkeit geboten werden, da eine Besetzung solcher Arbeitsplätze durch Hilfsarbeiter ausgeschlossen erscheint. Die Entfernung qualifizierter Fremdarbeiter, für die noch Ar-beit vorhanden ist, würde ganz im Gegenteil die Entlassxmg einer weiteren Anzahl ungelernter Kräfte nach sich ziehen. Diesem offenbaren Missverhältnis kann lediglich dadurch abgeholfen werden, dass tüchtigen Hilfsarbeitern mit Unterstützung
des Bundes, der Kantone und der Gemeinden und unter Mitwirkung der beteiligten Unternehmungen die Möglichkeit eingeräumt wird, nachträglich eine Berufslehre zu bestehen.

Die Zahl der Stellensuchenden hat im Winter 1949/50 merklich zugenommen; sie erreichte Ende Januar dieses Jahres 31 895, von denen 80 177 gänzlich arbeitslos waren. Ende Januar 1949 betrug die Zahl der Stellensuchenden 16 863, Ende Januar 1948 5521, Der Umstand, dass nahezu zwei Drittel aller Stellensuchenden, nämlich 20026 Personen, dem Baugewerbe entstammten, deutet darauf hin, dass das Anschwellen der Arbeitslosigkeit vorwiegend jahreszeitlich bedingt war. Tn der Tat war Ende Februar 1950 die Zahl der Stellensuchenden wieder auf 22 102 zurückgegangen, während in eigentlichen Krisenzeiten, wie die Statistik zeigt, erst im März ein merklicher

75 Bückgang der saisonalen Arbeitslosigkeit einzutreten pflegt. Einen weiteren Eückgang der Arbeitslosigkeit verzeichnete die Statistik im Monat März, wo die Zabi der Arbeitslosen auf 10 840 zurückging. Auch sei daran erinnert, dase in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre, die allgemein als ein Abschnitt ausgezeichneter Konjunktur angesehen wird, die Zahl der Stellensuchenden Ende Februar regelmässig zwischen zwölf- und neunzekntausend schwankte. In Krisenzeiten aber wurden an diesem Datum hundert- bis hundertzwanzigtausend Stellensuchende gezählt, und selbst im Jahre 1939, das konjunkturell unter keinem ungunstigen Stern stand, erreichte die Zahl der Erwerbslosen im Februar mehr als siebzigtausond. Mit dieser Gegenüberstellung soll die "Wachsamkeit, mit der die Behörden die Entwicklung des Arbeitsmarktes verfolgen, keineswegs verkleinert werden; ebenso unzweckmässig aber wäre es, wenn -- was da und dort geschehen ist -- durch unrichtige Interpretation statistischer Daten, die zu keinen besonderen Beunruhigungen Anlass geben, einer unbegründeten Krisenfurcht Vorschub geleistet würde.

Die lokalen Einbrüche in die Beschäftigung, die neben den jahreszeitlichen Einflüssen zum Anstieg der Arbeitslosenziffern beigetragen haben, konnten zum mindesten teilweise durch die interkantonale Arbeitsvermittlung aufgefangen werden. So gelang es beispielsweise, Arbeitskräfte aus dem Wallis, die in ihrem Heimatkanton keine Beschäftigung finden konnten, in andern Landesgegenden einzusetzen, und zwar vorzugsweise beim Kraftwerkbau. In ähnlicher Weise konnten beschäftigungslose Arbeitskräfte aus dem Kanton Freiburg placiert werden. Auch heute noch sehen sich einzelne Wirtschaftszweige ausserstande, ihren Bedarf an Arbeitskräften auf dem heimischen Arbeitsmarkte zu decken. In dieser Lage befinden sich vor allem die Landwirtschaft und die Hôtellerie. Nun wäre es sicherlich kaum zu verantworten, einerseits zur Auffüllung dieses Bedarfes ausländische Arbeitskräfte ins Land zu ziehen, anderseits einheimischen Arbeitern Unterstützungen auszubezahlen oder mit öffentlicher Hilfe zusätzliche Arbeiten in Gang zu setzen. Darum müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um Arbeitslose in die aufnahmefähigen Berufe überzuführen, und zwar auch in solche, die sich bei den einheimischen Arbeitskräften in der Zeit der Hochkonjunktur
keiner besonderen Wertschätzung erfreuten, VI. Konjunktur- und beschäftigungspolitische Beurteilung des Rückbildungsprozesses 1. Allgemeine Erwägungen Die Eückbildung der Wirtschaftstätigkeit, die seit 1948 die konjunkturelle Überbeanspruchung unseres Produktionsapparates und unseres Arbeitspotentials abgelöst hat, bannte die Übersteigerung unseres Preisniveaus und die damit verbundene inflationäre Gefahr. Von diesem Gesichtspunkt aus kam die Umkehr keineswegs unerwünscht, wie man denn überhaupt in der gegenwärtigen Phase der Konjunkturentwicklung weniger einen bedrohlichen Bückschlag als vielmehr eine durchaus natürliche und notwendige Entspannung und

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Normalisierung erblicken muss. Zweifellos ist heute die Zeit des leichten Gelderwerbs für die meisten Branchen vorbei; der Wettbewerb ist wieder härter geworden, und der Unternehmer muss den Wünschen und Begehren der Kundschaft wiederum vermehrt entgegenkommen, wenn er nicht riskieren will, aus dem Markte zu fallen, Die Sicherung des Auftragsbestandes und der betrieblichen Existenz erfordert überall erneute Umsicht, vermehrte Schaffenskraft und erhöhte Initiative. Aber es ist durchaus nicht gesagt, dass die wachsende Härte, mit der der wirtschaftliche Daseinskampf heute geführt wird, den beteiligten Betrieben wie der Wirtschaft als Ganzem zum Nachteil gereicht. Es ist eine alte Erfahrungstatsache, dass industrielle und gewerbliche Unternehmungen vor allein unter dem Druck der Konkurrenz zu höheren Leistungen, rationolleren Produktionsmethoden und qualitativen Verbesserungen gelangen.

Der Umschwung der Lage, der Übergang vom Verkäufer- zum Käufermarkt und die Notwendigkeit, die Kundschaft wieder wie früher durch neue Errungenschaften zu überzeugen, kann daher der gedeihlichen Entwicklung der schweizerischen Industrien auf lange Sicht nur förderlich sein.

Wo unter den besonderen Verumständungen der Hochkonjunktur Betriebsabteilungen eröffnet oder erweitert wurden, die unter den Bedingungen eines verschärften Wettbewerbes überhaupt nicht oder nicht in ihrer heutigen Ausdehnung lebensfähig erscheinen, bleibt den Unternehmungen kein anderer Ausweg als eine entschlossene Umstellung und Anpassung, und zwar auch dann, wenn sie dio Stillegung der unwirtschaftlichen Anlagen in sich schliessen sollten. Die Bundesbehördon haben nie einen Zweifel daran gelassen, dass zeitbedingte Gründungen und Erweiterungen keinen Anspruch darauf erheben könnten, nach Wiederkehr normaler Verhältnisse mittels staatlicher Massnahmen künstlich am Leben erhalten zu werden. Was dagegen die wehrwirtschaftlich erwünschten Gründungen und Erweiterungen der Kriegsjahre anbetrifft, so wurden ihnen Preise zugebilligt, die in der Eegel eine rasche Abschreibung der Botriobsanlagen ermöglichten. Vor spekulativen Gründungen aber hat der Bundesrat wiederholt eindringlich gewarnt. Niemand hat Anspruch darauf, von den Behörden geschützt zu werden, wenn er diese Warnung in den Wind geschlagen hat. Jede staatliche Stützung und Erhaltung
lebensunfähiger Betriebe belastet notgedrungen die produktiven Teile unserer Wirtschaft und drückt ihren Endertrag herab. Auf diese Weise wird nicht allein unsere Konkurrenzkraft dem Ausland gegenüber geschwächt, sondern das Volkseinkommen als Ganzes vermindert. Wenn in der heutigen Normalisierungsphase bei der Ausscheidung lebensunfähiger Betriebe oder Betriebsabteilungen Kapitalverluste entstehen, wenn da und dort Arbeiter und Angestellte ihren Arbeitsplatz wechseln müssen, so sind die damit verbundenen Nachteile immer noch geringer als die wirtschaftlichen Schädigungen und Belastungen, welche das Mitschleppen lebensunfähiger Betriebe mit sich bringt.

Wo dagegen lebensfähige Branchen und Betriebe mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben, die ausserhalb der notwendigen Anpassung an die Konjunkturrückbildung liegen, d. h. |durch besondere Verumständungen, Ausfuhr-

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behmaerungen, handelspolitische Diskriminierungen usw. bedingt sind, bemüht sich der Bund unablässig, Abhilfe zu schaffen, soweit es in seiner Macht steht.

Über die Anstrengungen, der Befreiung des Handelsverkehrs greifbare Gestalt zu geben, war an anderer Stelle die Bede. Gegen die Diskriminierung schweizerischer Erzeugnisse durch ausländische Handels- und Währungsbehörden führen die schweizerischen Vertreter bei Handelsvertragsverhandlungen einen ständigen Kampf. Man kann aber von unsern Unterhändlern nichts Unmögliches verlangen. Insbesondere sollte sich die schweizerische Wirtschaft stets vor Augen halten, dass die Wünsche mancher inlandorientierter Produktionszweige um erhöhten Einfuhrschutz den Bestrebungen unserer Handelspolitik, die Ausfuhrmöglichkeiten auszuweiten, keineswegs förderlich sind. Der Bundosrat ist daher der Meinung, dass der Inlandwirtschaft, soweit sie ernstlich durch den verstärkten Importdruck betroffen wird, nicht auf dem Wege einer Neuorientierung unserer Handelspolitik im Sinne einer Abkehr von der bisherigen Freizügigkeit geholfen werden könne, sondern dass andere Massnahmen ergriffen werden raüssten.

Aus solchen Erwägungen hat der Bundesrat am 1. November 1949 beschlossen, den Verwaltungsabteilungen und Eegiebetrieben des Bundes sowie den Verwaltungen der PTT und der SBB durch din zuständigen Departements die Weisung zu erteilen, bei der Anschaffung von Material, Fertigprodukten, Bestandteilen und Halbfabrikaten vorweg schweizerische Lieferanten zu berücksichtigen, soweit diese imstande sind, die benötigte Ware in einwandfreier Qualität und zu angemessenen Preisen zu liefern. Diese Grundsätze finden auch dort Anwendung, wo der Bund als Konzessionsbehorde Einfluss auf die Materialanschaffung nehmen oder wo er an die Ausrichtung von Bundesbeihilfen entsprechende Bedingungen knüpfen kann.

2. Beurteilung der Arbeitsmarktlage Die letzte Zählung der kontrollpflichtigen ausländischen Arbeitskräfte in der Schweiz (ohne Berücksichtigung der dauernd Niedergelassenen, d. h.

aus der Fremdenkontrolle entlassenen Ausländer) lässt erkennen, dass in der zweiten Februarhälfte 1950 insgesamt 90 112 Fremdarbeiter in unserem Lande beschäftigt waren, davon 8504 Grenzgänger. Auf Landwirtschaft und Gärtnerei entfielen 9334, auf die Textilindustrie 5642, auf die Metall- und Maschinenindustrie
7167, auf die Hôtellerie und Gastwirtschaft 16 748 und auf den Haushalt 80 740 Ausländer. Gegenüber dem Vorjahresfebruar ist die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte um rund 16 000 zurückgegangen, nahezu die Hälfte dieses Rückganges entfiel auf die Metall- und Maschmeniiidustrie, die im Februar 1949 noch IS 484 Ausländer beschäftigte. Das Baugewerbe verzeichnete bloss 1755 (Februar 1949: 3854) Fremdarbeiter, was darauf zurückzuführen ist, dass die ausländischen Saisonarbeiter, die erst im Frühling wieder einzureisen pflegen, nicht mitgezählt wurden.

Auch der gegenwärtige Fremdarbeiterbestand kann zweifellos als reichlich hoch bezeichnet werden. Es besteht also immer noch ein nicht unbeträchtlicher

78 Spielraum für den Austausch ausländischer durch inländische Arbeitskräfte, sobald das Beschâftigungsvolumen weiterhin nachlässt. Aber die Möglichkeit, durch Ausschaltung der zeitweilig beigezogenen Ausländer Arbeitsplätze für schweizerische Arbeiter und Angestellte bereitzustellen, wird nur dann voll ausgeschöpft werden können, wenn die einheimischen Arbeitskräfte gewillt sein werden, auch ihrerseits den Erfordernissen der Wirtschaftsentwicklung gebührend Eechnung zu tragen. In der Zeit der Höchstkonjunktur wechselten nicht wenige Landarbeiter ins Gewerbe (vor allem ins Baugewerbe) hinüber; zahlreiche Bauhandlanger wanderten in die Industrie ab, wo ihnen höhere Arbeitsentschädigungen winkten. Innerhalb des industriellen Bereiches zeichneten sich gleichfalls allerlei Wanderungen aus den weniger begehrten in die beliebteren Branchen und Berufe ab. Auch dem Bureaufach wandten sich viele Leute beiderlei Geschlechts zu, deren frühere Arbeitsplätze (z. B. im Gastgewerbe) mit Auslandern besetzt werden mussten. Ebenso zogen Lebens-Annehmlichkeiten der grösseren Ortschaften und Städte zahlreiche Arbeitskräfte aus ländlichen Berufen und Betrieben ab. Die Lücken pflegten dori, zumeist durch Heranziehung von Ausländern aufgefüllt zu werden. Aber gerade dieser Umstand lässt klar erkennen, dass die schrittweise Entfernung der auslandischen Arbeitskräfte nur dann eine umfassende Erleichterung unserer Arbeitsmarktlage erlauben würde, wenn ein Teil der schweizerischen Arbeiter, die in der Hochkonjunktur ihren Beruf oder Wohnort gewechselt haben, sich dazu bereitfindet, wieder zu ihren früheren Beschäftigungen bzw. an ihre früheren ländlichen Wohnsitze zurückzukehren, um dort die Stellungen einzunehmen, die während der Zeit des wirtschaftlichen Auftriebes von Ausländern bekleidet wurden. Dass dieser Weg zurück für manchen mit Unbequemlichkeiten und Härten verbunden ist, steht ausser Zweifel; anderseits kann man von der Öffentlichkeit nicht gut verlangen, dass sie beträchtliche Gelder für Unter stützungs- und Arbeitsbeschaffungsrnassriahmen aufwendet, dieweil die Berufe, Betriebe und Örtlichkeiten, aus denen die arbeitslos gewordenen Arbeiter stammen, immer noch genötigt sind, mangels genügenden Angebotes einheimischer Arbeitskräfte Ausländer zu beschäftigen. In unsorm Lande denkt glücklicherweise niemand daran,
den Berufs-, Stellen- und Wohnortswechsel, wie es in Ländern mit straffer Wirtschaftslenkung üblich ist, einer behördlichen Kontrolle und Bewilligung zu unterwerfen. Don Arbeitern und Angestellten, die zur Zeit des Konjunkturauftriebes der Lockung angenehmerer oder bosser entlöhnter Arbeitsplätze folgten, legte niemand Steine in den Weg.

Die Kehrseite der Berufs- und Arbeitsfreiheit besteht in der Pflicht, die Eisiken, die aus einem auf freiem Entschluss beruhenden Berufs-, Stollen- und Wohnortswechsel hervorgehen, selber zu tragen. So wenig der Unternehmer, deiin der Konjunkturzeit seinen Betrieb erweiterte, erwarten darf, bei abklingender Beschäftigung vom Staate unterstützt zu werden, kann der Arbeiter und Angestellte verlangen, von der Allgemeinheit bei rückläufiger Wirtschaftsentwicklung auf einem Arbeitsplätze durchgehalten zu werden, den er womöglich im Widerspruch zu den gesamtwirtschaftlichen und konjunkturpohtischeu

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Erfordernissen gewählt hat. Jede wahre Freiheit schliesst (das gilt auch für die Arbeits- und die Handels- und Gewerbefreiheit) die Freiheit in sich, Fehlentschlüsse zu fassen -- hingegen würde sich die Öffentlichkeit wohl kaum mit dem Gedanken abfinden, dass daraus auch das Eecht abgeleitet werden könnte, die Folgen solcher Fehler auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Durchaus prüfenswert bleibt jedoch die Frage, ob die wohnörtliche Bückgliederung von Arbeitskräften nicht unter bestimmten Voraussetzungen durch öffentliche Beihilfen erleichtert werden könnte.

Wünschenswert wäre auf der Seite der Arbeiter und Angestellten auch die Bereitschaft, die erforderlichen beruflichen Umstellungen und Anpassungen auf sich zu nehmen, die es ihnen erlauben würden, aus überfüllten Erwerbszweigen in jene hinüberzuwechseln, die mangels heimischer Arbeitskräfte immer noch genötigt sind, Ausländer zu beschäftigen. Vor allem kommt hierfür eine eigentliche Umschulung durch Besuch besonderer Kurse in Frage. Die Arbeitnehmer werden zweifellos einsehen, dass es sich vorläufig kaum vermeiden lässt, ausländische Facharbeiter heranzuziehen, solange geeignete Schweizer einfach nicht aufzufinden sind. Es geht nun einmal m'cht an, beispielsweise einen italienischen Giesser durch einen einheimischen Textilarbeiter oder Handlanger zu ersetzen, der in seiner Branche keine Arbeitsstelle fmdot es sei denn, er unterziehe sich zuvor einer entsprechenden Ausbildung. Aber auch die Arbeitgeber sollten alles daran setzen, solche Umschulungs- und Ausbildungsmöglichkeiteu zu fördern : denn mit steigender Stellenlosigkeit fiele es den zuständigen Behörden immer schwerer, Arbeitsbewilligungen für ausländische Spezialarbeiter zu erteilen.

Auch die Ausgliederung dor normalerweise nicht im Produktionsprozess stehenden einheimischen Arbeitskräfte (Eentner, Pensionierte, Hausfrauen) gehört zu den Problemen einer zweckmässigen Arbeitsmarktgestaltung in der Zeit der Konjunkturrückbildung. Das Verständnis, dass bei rückläufigem Arbeitsanfall.in erster Linie solchen Arbeitskräften gekündigt werden sollte, die auf die Erwerbstätigkeit nicht unbedingt angewiesen sind bzw. üblicherweise nicht im Arbeitsprozess stehen, um Famih'enväter und andere auf einen Gelderwerb angewiesene Arbeiter und Angestellte möglichst lange beschäftigen zu können, scheint in
Arbeitgeberkreisen heute fast durchwegs vorhanden zu sein. Alles deutet darauf hin, dass diese Anpassung an das verringerte Beschäftigungsvolumen ohne grosse Störungen auf dem Arbeitsmarkt verläuft, so schmerzlich der mit dem Ausscheiden eines Haushaltungsangehörigen aus der Erwerbstätigkeit verbundene Eückgang des Familieneinkommens im einzelnen Falle empfunden werden mag. Die Ausgliederung der üblicherweise nicht erwerbstätigen Personen aus dem Arbeitsprozese scheint, wie die vierteljährlichen Erhebungen über den Beschäftigungsgrad der Industrie erkennen lassen, schon ziemlich weit fortgeschritten zu sein: der Eückgang des Index der in gleichen Betrieben Beschäftigten von 134 im 4. Quartal 1948 auf 123 im 4. Quartal 1949 lässt sich jedenfalls nicht allein aus der Verminderung des Fremdarbeiterbestandes erklären. Auf die Arbeitsmarktstatistikübte diese Eück-

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bildung keinen sichtbaren Einfluss aus : die Leute, die nicht eigentlich auf einen Gelderwerb angewiesen sind, scheinen sich mit dem Ende ihrer Erwerbstätigkeit einigermassen abzufinden. Da sie in den meisten Fällen keiner Arbeitslosen-Versicherungskasse angehören und infolgedessen keinen Anspruch auf Unterstützung bei Stellenlosigkeit besitzen, pflegen sie sich im allgemeinen auch nicht bei den Arbeitsämtern als stellenlos zu melden.

3. Behebung von örtlichen Bücksclüägen Auch die Umstellungen und Anpassungen, welche die derzeitige Bückbildung und Normalisierung der Wirtschaftstätigkeit erfordert, können freilich unter Umständen zu einem zeitweiligen Anstieg der Arbeitslosenziffer führen. Gleichermassen rufen die Schwierigkeiten, die unseren Aussenhandel oft ganz unerwartet treffen, da und dort solche regionale oder örtliche Buckschläge hervor. Wiewohl ihre Bedeutung für die Gesamtentwicklung unserer Wirtschaft nicht überschätzt werden sollte, lässt sich die Wünschbarkeit wirksamer Gegerimassnahmen seitens der öffentlichen Hand keineswegs bestreiten.

Unter den heutigen Verhältnissen, die die Entwicklung der Gesamtkonjuuklur keineswegs als besorgniserregend erscheinen lassen, musa die Behebung solcher lokaler und regionaler Einbrüche in das Beschäftigungsniveau wie auch die Linderung der Saisonarbeitslosigkeit in erster Linie eine A u f g a b e der K a n t o n e und Gemeinden bleiben. Wo immer die kantonalen und kommunalen Verwaltungen und Betriebe in den vergangenen Jahren alle nicht unbedingt dringlichen Arbeiten und Bestellungen gernäss unseren wiederholten Ermahnungen und Empfehlungen z u r ü c k g e s t e l l t haben, sollte heute bereits die L o c k e r u n g jener Zurückhaltung bei der Vergebung öffentlicher Auftrage ausreichen, um den erforderlichen Beschäftigungsausgleich herbeizuführen.

Um den Kantonen und Gemeinden in dringenden Fällen eine Unterstützung zu bieten, teilte das eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement den Kantonsregierungen durch Kreisschreiben vom 31. Dezember 1949 mit, dass der Bundesrat bereit sei, die vom Bunde mit ordentlichen Beiträgen unterstützten Aufträge und Arbeiten, deren Ausführung während der letzten Jahre im Hinblick auf die Überbeschäftigung des Baugewerbes zurückgehalten wurde, fortan f r e i z u g e b e n . Doch sollte das nur in denjenigen Fällen
geschehen, wo der Gefahr eines nennenswerten Beschäftigungsmangels nicht anders begegnet werden könne und wo die lokalen und regionalen Behörden auch mit eigenen Mitteln gegen drohende Arbeitslosigkeit ankämpfen. Nach wie vor musso aber an die Freigabe solcher Arbeiten ein strenger Maßstab angelegt werden, weil der wirtschaftliche Nonnalisierungsprozess nicht gestört und die vorhandene Arbeitsresorve nicht vorzeitig aufgezehrt werden dürfe. Umgekehrt erklärte sich der Bundesrat bereit, den Bundesverwaltungen bei der Vergebung von Aufträgen und Bestellungen dio besondere Berücksichtigung einzelner von regionalen oder örtlichen Eückschlägen hart betroffener Gegenden zu empfehlen.

Da es sich dabei aber mir um Auftragsvergebungen im Kahmen der verfügbaren

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Kredite handeln kann, wird beim regionalen und lokalen Beschäftigungsausgleich das Hauptgewicht auf Vergebung zusätzlicher kantonaler und kommunaler Arbeiten liegen.

Auf die Möglichkeiten der interkantonalen Arbeitsvermittlung zur Behebung regionaler und lokaler Küekschläge haben wir gleichfalls schon kurz hingedeutet. Der interkantonale Beschäftigungsausgleich kann aber nur gelingen, wenn die Kantone sich für ausserkantonale Arbeitskräfte nicht bloss aufnahmefähig, sondern vor allen Dingen auch aufnähme willig erweisen. Bedauerlicherweise musste der Bundesrat bereits im Winter 1949/50 wahrnehmen, dasB mancherorts -wiederum ge-wisse Bestrebungen zu lokaler oder regionaler AbSchliessung des Arbeitsmarktes auftauchten. Es kann gar nicht nachdrücklich genug gesagt werden, dass derartige Tendenzen den einzelnen Kantonen und Gemeinden sehr geringen Nutzen, der Gesamtwirtschaft aber ganz erhebliche Nachteile bringen würden. Der Bundesrat benutzte das Kreisschreiben vom 81. Dezember 1949, um einen eindringlichen Appell an die Kantonsregierungen zu richten, nicht in den folgenschweren Fehler der dreissiger Jahre zurückzufallen und einer kantonalen oder gar kommunalen Autarkie huldigen zu wollen. Er ersuchte die Kantonsregierungen, der Ausbreitung einer falschen autarkischen Einstellung bei den für den Arbeitsmarkt und die Arbeitsvergebung verantwortlichen kantonalen und kommunalen Behörden schon jetzt entgegenzuwirken.

Immer wieder zeigen sich in Wirtschaftskreisen wie auch in der breiten Öffentlichkeit Anzeichen einer völlig falschen Beurteilung der derzeitigen Eückbildungs- und Normalisierungsphase. Verwöhnt durch die jahrelange Höchstkonjunktur, glaubt man weitherum, dass es Aufgabe der staatlichen Konjunkturpolitik sei, die Beschäftigung auf ihrem maximalen Stande zu halten.

Es ist aber weiter oben schon ausgeführt worden, dass die Überbeanspruchung des Produktionsapparates, wie sie die Höchstkonjunktur mit sich brachte, auf die Dauer für unsere Wirtschaft weder wünschenswert noch tragbar wäre.

Wir glauben gezeigt zu haben, dass Krisenängste heute durchaus unangebracht sind. Sie sind sogar recht gefährlich: denn hundertfältige Erfahrungen und Beobachtungen haben in der Vergangenheit gezeigt, dass solche Fehleinschätzungen konjunktureller Situationen zur Lähmung der kaufmännischen und industriellen
Initiative, zu unzweckmässiger Kaufzurückhaltung, zu Kreditzurückziehungen und andern -wirtschaftshemmenden Entschlüssen führen und auf diese Weise geradezu zur Ursache regelrechter Kriseneinbrüche werden können. Wenn beim heutigen Stande der Entwicklung die Wirtschaft vor allem an die Pflicht zur Selbsthilfe erinnert und aufgefordert wird, durch konjunkturgemässe Anpassungen und Umstellungen zur unvermeidlichen Normalisierung Hand zu bieten, so bleiben sich die Bundesbebörden freilieh ihrer Pflicht bewusst, die Gestaltung der Wirtschaftstätigkeit und der Beschäftigung fortgesetzt mit grösster Wachsamkeit zu verfolgen. Denn nie-

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mand vermag vorherzusagen, ob und wann die Konjunkturrückbildung durch eine Stabilisierung oder einen abermaligen Aufschwung abgelöst werde oder ob sie sich schliesslich doch zu irgendeiner Zeit zu einer Schrumpfung verschärft, die tatsächliche Dépressions- und Krisenmöglichkeiten in sich birgt.

Über die Mittel und Methoden, solchen unerwünschten Bückbildungen entgegenzuwirken, ohne die Struktur unserer Wirtschaft und Gesellschaft umzuformen, sollen der zweite und dritte Teil dieses Berichtes genaueren Aufschluss geben.

Zweiter Teil

Grundsätzliche Bemerkungen zur schweizerischen Konjunkturund Arbeitsbeschaffungspolitik Erster Abschnitt Die wirtschaftlichen und staatspolirischen Voraussetzungen I. Einleitung Das Phänomen der Arbeitslosigkeit beschäftigt die Öffentlichkeit wie die Wirtschaftswissenschaft seit langen Jahren. Dass Menschen, die arbeiten möchten und sich um Arbeit bemühen, keine Möglichkeit finden, ihre Arbeitskraft nutzbringend anzuwenden, ist eine Erscheinung, die das natürliche Empfinden der Kulturvölker seit jeher befremdete und verwirrte. Mit fortschreitender Erkenntnis der ökonomischen Zusammenhänge gelang es, die Faktoren ausfindig zu machen, die den arbeitenden Menschen für kürzere oder längere Zeitspannen aus dem Produktionsprozess ausschalten. Gleichzeitig wuchs jedoch die Einsicht, dass den Völkern und ihren Eegierungen allerlei Handhaben geboten seien, um gegen die Arbeitslosigkeit selber wie auch gegen ihre Folgen, d. h. gegen die durch den Erwerbsausfall hervorgerufene materielle Not, wirksam anzukämpfen, und zwar ohne zuvor das gesellschaftliche und wirtschaftliche Gefüge von Grund auf umzugestalten.

Die eingehende Erforschung der verschiedenen Aspekte dieses Problems zeigte, dass die Erwerbslosigkeit als sozialökonomische und soziologische Erscheinung überaus vielgestaltig ist und auf eine Mehrzahl von Ursachen zurückgeht. Vor allem unterscheidet die moderne Nationalökonomie folgende Formen unfreiwilliger Untätigkeit erwerbsfähiger Personen: a. Saisonarbeitslosigkeit, die aus der Behinderung des Arbeitsprozesses durch den Wechsel der Jahreszeiten oder durch Witterungseinflüsse entsteht; fe. "Raibungs- oder Friktionsarbeitslosigkeit, die bei verzögertem Stellenwechsel infolge Umschichtungen der industriellen Erzeugung oder infolge zeitweiliger Engpässe der Produktion auftritt ;

83 c. strukturelle Arbeitslosigkeit, die auf schwerwiegende und andauernde Gleichgewichtsstörungen der "Wirtschaft (wie zum Beispiel mangelnde Anpassungsfähigkeit bestimmter Branchen, Kosten- und Preisdisparitäten, Überwertung der Währung u. a. m.) zurückzuführen ist ; d. konjunkturelle Arbeitslosigkeit im engern und eigentlichen Sinn, die durch die zyklischen Beschäftigungsschwankungen hervorgerufen wird; e. nur bedingt gehört die Arbeitslosigkeit beschränkt arbeitsfähiger und daher schwer vermittelbarer Personen (physisch oder psychisch Defekte, Arbeitsscheue usw.) in diesen Zusammenhang, da sie kein sozialökonomisches, sondern ein sozialfürsorgerisches Problern bildet.

Für den Arbeitswilligen ist die Erwerbslosigkeit ein Unglück, welches auch ihre Ursache sei. Ebensowenig lasst sich die sozialpolitische und sozialpsychologische Unorwünschtheit jeder Form und jedes Ausmasses von Arbeitslosigkeit leugnen. Von rein ökonomischen Gesichtspunkten aus ist die Beurteilung der Arbeitslosigkeit nicht so einheitlich. Einerseits wird auf die Ausfälle an Produktivkraft und Volkswohlstand hingewiesen, die die erzwungen» Müsse arbeitsfähiger Menschen mit sich bringt ; anderseits wird geltend gemacht, dass die Wirtschaft auf ein elastisches Angebot an Arbeitskräften angewiesen sei, da sonst Engpässe, Reibungsverluste und Verkrampfungen entständen, die ihrerseits die gesamtwirtschaftliche Ergiebigkeit beeinträchtigen. Solche Kontroversen brauchen uns hier aber keineswegs zu berühren; denn es ist kaum möglich, durch die konjunktur- -und beschäftigungspolitischen Einwirkungen des Staates die Zahl der Stellonsuchenden soweit herabzumindern, dass der Arbeitsmarkt seiner Elastizität verlustig ginge. Diese Gefahr erwächst der Wirtschaft, wie im ersten Teil dieses Berichtes gezeigt wurde, weit eher in der Zeitspanne des konjunkturellen Aufschwunges.

Unter diesem Vorbehalt, dem zwar grundsätzliche, aber im Bereich der Arbeitsbeschaffungspolitik des Bundes kerne praktische Bedeutung zukommt, obliegt dem Staate die Aufgabe, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in j e d e r Form und Gestalt zum Gegenstande seiner Massnahmen zu machen. Aus dieser Feststellung ergibt sich, dass die staatliche Beschäftigungspolitik u m f a s s e n d sein muss; gleichzeitig geht daraus hervor, dass sie nicht an bestimmte, zum voraus festgelegte
Weisungen und Rezepte gebunden werden kann, sondern sich im Rahmen der geltenden Staats-, wirtschafts- und sozialpolitischen Grundsätze und der dem Bunde eingeräumten rechtlichen Befugnisse nach den Gegebenheiten und Erfordernissen der wirtschaftlichen Entwicklung richten muss.

Hingegen ist es nicht die Aufgabe dieses Berichtes, die Probleme der schweizerischen Beschäftigungspolitik in ihrer ganzen Breite aufzurollen. Was gegen die von alters her gewohnten und daher als minderbedrohlich empfundenen Formen der Arbeitslosigkeit, nämlich gegen die Saison- und Friktionsarbeitslosigkeit getan werden kann und grossenteils bereits getan wird, braucht in

84 diesem Zusammenhange nicht geschildert zu werden. Daher wird zum Beispiel die Baulenkung zur Beseitigung der jahreszeitlichen Beschäftigungsschwankungen, aber auch die Tätigkeit des Arbeitsnachweises und der Arbeitsvermittlung im Kampfe gegen die Beibungsarbeitslosigkeit auf den folgenden Seiten keine weitere Erwähnung finden. Hingegen sollen die Grundlagen und Grundsätze der schweizerischen Beschäftigungspolitik zum Ausgleich der zyklischen Beschäftigungsschwankungen und zur Verhütung eines ernsthaften und allgemeinen Konjunkturrückschlages im weitem Verlaufe unserer Ausführungen eine eingehende Würdigung erfahren.

u. Möglichkeiten und Grenzen der Arbeitsbeschaffung Um ein weitverbreitetes Missverständnis zu klären, müssen wir auch in diesem Zusammenhange hervorheben, dass es mit den dem Bunde durch unsere Verfassung und Eechtsordnung gebotenen Möglichkeiten nie gelingen wird, durch staatliche Massnahmen und Einwirkungen jede Art und jeden Grad von Erwerbslosigkeit restlos und für immer auszuschalten. Wieweit und wodurch andere Formen der Staatsgewalt dazu imstande sind, ist eine Frage, auf die wir später zurückkommen werden. Mit den unserem Staatswosen eigenen Mitteln und Methoden kann zwar der Saigonarbeitslosigkeit im Baugewerbe durch zweckmässigo Gestaltung und Verteilung der öffentlichen Bautätigkeit erfolgreich entgegengewirkt werden -- aber bei Eegenwetter und grosser Kälte wird auch an öffentlichen Werken meist nicht gearbeitet. Der öffentliche Arbeitsnachweis trägt entscheidend dazu bei, die Beibungsarbeitslosigkeit abzukürzen und aufzusaugen -- aber die industriellen und gewerblichen Umschichtungen können infolge Nachfrageversohiebungen, Geschmacksveränderungen usw.

solche Ausmasse annehmen, dass zeitweilig nicht allen feiernden Arbeitskräften anderweitige Beschäftigung vermittelt werden kann. Gemeinsame Anstrengungen der Wirtschaft und des Staates sind geeignet, strukturelle Gleichgewichtsstörungen zu lindernTM; aber ohne zeitweilige Freisetzung von Arbeitern und Angestellten lassen sich die erforderlichen Umstellungen nicht immer durchführen. Ebensowenig kann erwartet werden, dass die Bemühungen um den Ausgleich der konjunkturellen Schwankungen jeden Fall vorübergehenden Arbeitsmangels ausschalten.

In diesem Sinne hat sich bereits der zweite Bericht des Internationalen Arbeitsamtes
für die 27. Tagung ausgesprochen, der für den Begriff der V o l l b e s c h ä f t i g u n g eine einigermassen brauchbare Definition zu geben versucht. Der Bericht führt aus, dass Vollbeschäftigung selbstverständlich nicht bedeuten könne, die Bedingungen der Kriegszeit (d. h. die Einbeziehung aller irgendwie verwendbaren Personen in den Produktionsprozess) auch in der Friedenszeit aufrechtzuerhalten. Wirtschaftlicher Fortschritt verlange Wechsel, und keine Wirtschaft mit freiem Arbeitsmarkt könne die Reibungen, die durch die Anpassung an diesen Wechsel entständen, vollkommen verhindern. Der Bericht des Internationalen Arbeitsamtes hält daher eine vorübergehende

85 Arbeitslosigkeit von 3 bis 4 % der ganzjährig beschäftigten Arbeitskräfte als mit dem Begriff der Vollbeschäftigung vereinbar.

In einem Bericht über die Vollbeschäftigung, der freilich nicht als Begierungskundgebung, sondern als private Meinungsäusserung zu betrachten ist, hat der bekannte englische Sozialpolitiker Lord Beveridge kurz vor Ende des Krieges den Begriff der Vollbeschäftigung dahin umschrieben, dass die Beschäftigungslosigkeit zwar nicht buchstäblich beseitigt, wohl aber «auf kurze Intervalle des Beiseitestehens reduziert wird, mit der Gewissheit, dass man sehr bald wieder am alten Platz oder an irgendeinem neuen verlangt wird, den man auszufüllen imstande ist». Lord Beveridge hat durch Zahlenangaben verdeutlicht, was er darunter versteht: Vollbeschäftigung sei in seinem Sinne erreicht, wenn die Arbeitslosigkeit nicht mehr als 8 % der Versicherten oder 2% % der Berufstätigen, das heisst für Grossbritannien rund 550 000 Personen, umfasse.

Auch der dem Generalsekretär der Vereinigten Nationen von einer Expertengruppe erstattete Bericht «National and International Measures for füll Employment» (veröffentlich vom Departement of Economie Äff airs, United Nations, Lake Success, Dezember 1949) befasst sich mit dem Problem der Abgrenzung des Begriffes der Vollbeschäftigung. Jede praktische Definition der Vollbeschäftigung müsse, so heisst es hior, den verschiedenen Formen von Arbeitslosigkeit Rechnung tragen, die unter den gegebenen Bedingungen angetroffen werden und unter denen es solche gebe, die nicht ganz beseitigt werden können, was auch immer zu ihrer Linderung unternommen werde. Der Bericht hält es zwar nicht für möglich, eine für eine Vielzahl von Ländern brauchbare ziffernmässige Umschreibung der zulässigen Erwerbslosigkeit zu geben; aber er erinnert daran, dass in manchen Staaten das Ausmass der Arbeitslosigkeit, die durch Saisoneinflüsse und Arbeitsverlagerungen hervorgerufen werde, 2 bis 4 % der Gesamtarbeiterzahl nicht überschreite. In Australien war im Jahr 1947 l % der Gewerkschaftsmitglieder arbeitslos; in den Vereinigten Staaten blieben im gleichen Jahre (das allgemein als ein Jahr ausgezeichneter Konjunktur galt) 4 % aller Lohnempfänger ohne Arbeit. In Grossbritannien waren damals 2 bis 3 % der gegen Arbeitslosigkeit versicherten Arbeiter ohne Beschäftigung, Wir möchten
daran erinnern, dass dessenungeachtet der englische Arbeitsmarkt im Jahre 1947 den Arbeiterbodarf verschiedener wichtiger Industriezweige keineswegs zu decken vermochte. Auf dem Wege der Arbeitslenkung und Beschränkung des freien Stellenwechsels suchte die Begierung solche Engpässe, die ausgesprochene Merkmale einer Uberbeschäftigung sind, zu meistern.

In den Vereinigten Staaten halten auch die grössten Optimisten eine Arbeitslosenziffer von einer Million -- das sind knapp 2 % der normalerweise arbeitenden Bevölkerung -- als ein Mindestmass, das auch bei einem Überwiegen der Nachfrage nach Arbeit nicht wesentlich unterschritten werden kann.

Der wesentlich realistischere Bericht des National Kesources Planning Board von 1948 erachtet sogar den von don Experten der «Fourth Fortune Eound Bundesblatt, 102. Jahrg. Bd. II.

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Table Conference» (Oktober 1989) genannten Satz von 5 bis 8 % für den Preis, ·welchen man für ein flexibles Produktionssystem zahlen müsse. Wie gross auch der Fortschritt sein möge, den die USA in der Eliminierung der zyklischen und strukturellen Arbeitslosigkeit machen würden, müsse immer ein gewisses Ausmass von Friktionsarbeitslosigkeit übrigbleiben. Wegen des grösseren Tempos der technischen Entwicklung und des höheren Lebensstandards (zwei Paktoren, die stärkere wirtschaftliche Schwankungen erzeugen) würde der Anteil der Arbeitslosen in Amerika wahrscheinlich grösser sein als in England.

Es sei daher kaum anzunehmen, dass für die Vereinigten Staaten eine Vollbeschäftigung von mehr als 92 bis 95 % erreicht werden könne, was ein Minimum von kaum weniger als 8 Millionen Beschäftigungslosen bedeuten würde.

Hinzugefügt sei, dass diese Erkenntnisse das genannte National Besources Planning Board nicht hinderten, grundsätzlich das Postulat der Beschäftigung jedes Arbeitswilligen und Arbeitsfähigen zu vertreten.

Wenn auch verschiedene Vorkehrungen zur Bekämpfung der Konjunkturrückbildung erwogen wurden, gelangte Präsident Truman im Herbst 1949 in seinem eigenen Wirtschaftsbericht zum Schluss, dass besondere Massnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit noch nicht vonnöten seien.

Die Wirtschaftslage verlange auch keine sofortige und entscheidende Erweiterung öffentlicher Arbeiten, denn ein Vorgehen der Begierung, wie es im Falle einer ernsten Krise in Frage kommt, sei zurzeit nicht am Platze. Es verdient hervorgehoben zu werden, dass die Schlussfolgerungen des amerikanischen Präsidenten angesichts einer Erwerbslosenziffer ausgesprochen worden sind, die -- auf schweizerische Verhältnisse übertragen ·--- einem Andrang von über 100 000 Stellensuchenden im Jahresdurchschnitt entsprechen würde.

Dennoch sind sie von der amerikanischen Öffentlichkeit im allgemeinen zustimmend aufgenommen worden.

Allerdings dürfen wir den schweizerischen Arbeitsmarkt nicht ohne weiteres dem amerikanischen gleichsetzen. Der Schweizer ist mit seinem Arbeitsplatz und seinem Beruf stärker verwachsen als der Amerikaner; auch ist er, was Berufsarbeit und Anstellung betrifft, auf grössere Sicherheit bedacht als der Bürger der Vereinigten Staaten. Das erhöht zweifellos die Arbeitsfreude und Arbeitshingabe; anderseits fühlt sich
der Schweizer, wenn iTm einmal das Schicksal der Erwerbslosigkeit ereilt, in seiner Existenz und seinem materiellen Fortkommen heftiger bedroht als der Amerikaner. Schon deshalb dürfen wir von vornherein keine so hohen Arbeitslosenprozentsätze als normal und erträglich veranschlagen, wie es in den Vereinigten Staaten üblich ist.

Würden wir für die Schweiz eine statistische Arbeitslosigkeit von 2% % im langfristigen Durchschnitt als normal und mit voller Beschäftigung vereinbar erachten, wie Lord Beveridge es für Grossbritannien getan hat, so entspräche das einer Zahl von rund 55 000 Stellenlosen im Jahresmittel. Bei dieser Annahme wäre damit zu rechnen, dass die Arbeitslosenziffer in den Wintermonaten über 70 000 ansteigen würde, um im Hochsommer unter 40 000 zu sinken. Es ist

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jedoch als sicher anzunehmen, dass die schweizerische Öffentlichkeit einen solchen Grad unfreiwilliger Beschäftigungslosigkeit weder als normal noch als erträglich oder gar mit dem Begriffe der Vollbeschäftigung vereinbar empfinden würde, Hingegen glaubt Dr. Charles La Eoche, dass eine statistische Arbeitslosigkeit von 1% bis 2 % der Beschäftigten (einschliesslich saisonaler Arbeitslosigkeit) wohl als Kriterium einer erfolgreichen Beschäftigungspolitik gelten könnte und wesentlich unter dem liegen würde, was im Ausland bestenfalls als möglich betrachtet wird1). Dieser Standard käme einem langfristigen Mittel von 88 000 bis 44 000 Stellensuchenden gleich, wobei mit einer Winterarbeitslosigkeit von ungefähr 50 000 bis 60 000 und einer Sommerarbeitslosigkeit von ungefähr 25 000 bis 80 000 Stellensuchenden gerechnet werden müsste. Prof.

Fritz Marbach möchte in seiner Schrift «Vollbeschäftigung, ein anderer Weg» etwas weiter gehen; er glaubt, dass man in der Schweiz von tendenzieller Vollbeschäftigung sprechen könne, wenn die Zahl der Arbeitslosen in den saisonmässig günstigeren Monaten 15 000 nicht oder nicht wesentlich übersteige a). Für die Wintermonate sei solange mit einer diese Zahl überschreitenden Arbeitslosigkeit zu rechnen, als es der Technik nicht gelinge, die Witterungseinflüsse namentlich für das Baufach auszuschalten. Prof. Marbach ging in seiner aus dem Jahre 1943 stammenden Berechnung von der Volkszählung 1930 aus, nach deren Ergebnissen die Zahl von 15 000 Arbeitslosen ziemlich genau l % der ordentlicherweise unselbständig Erwerbstätigen entspricht. Da im Jahre 1948 die Zahl der Unselbständigen auf l 769 000 geschätzt wurde, dürfte nach dem von Prof. Marbach vorgeschlagenen Standard die Arbeitslosigkeit in den Sommermonaten auf rund 18 000 steigen, ohne dass von einem Ende der tendenziellen Vollbeschäftigung gesprochen werden könnte.

Eine Sommerarbeitslosigkeit von 18 000 entspricht einer Winterarbeitslosigkeit von annähernd 80 000 bis 35 000 und einem Jahresdurchschnitt von ungefähr 25 000 Stellensuchenden. Diese Umschreibung des Begriffes der Vollbeschäftigung geht von allen Definitionen, die uns bekannt sind, wohl am weitesten, da sie die mit der Vollbeschäftigung noch vereinbare Arbeitslosigkeit im Jahresmittel auf ca. 1,1 bis 1,2 % der Berufstätigen (deren Gesamtzahl im Jahre
1948 auf 2,2 Millionen veranschlagt wurde) beschränkt, während in den Vereinigten Staaten mit 5 bis 8 % und in Grossbritannien mit 2% bis 5 % gerechnet wird.

Freilich dürfen die Behörden, um den richtigen Zeitpunkt beschäftigungspolitischer Entschlüsse abzuschätzen, nicht allein auf die Gesamtzahl der Erwerbslosen abstellen, sondern müssen ebensosehr ihrer beruflichen Gliederung wie der Art und der Dauer ihrer Stellenlosigkeit Eechnung tragen. Periodische Sondererhebungen sollen fortan die erforderlichen Aufschlüsse hierüber erteilen.

x

) «Die Schweizerische Konjunkturpolitik in der Nachkriegszeit» von Dr. Charles La Boche, Band 3 der «Untersuchungen des Instituts für Wirtschaftsforschuns an der ETH Zürich», S. 23.

2 ) «Vollbeschäftigung. Der Andere Weg», von Prof. Fritz Marbach, Verlag A. Prancke, Bern, 1943, S. 18.

88 Eine Verschlechterung der Arbeitsmarktlage wird vor allem in Form einer Verlängerung der Vermittlungszeiten zutagetreten. Bine Ziffer von vielleicht 30 000 Stellensuchenden braucht noch keine besondere Beunruhigung zu erwecken, sofern die gemeldeten Stellensuchenden im allgemeinen nur kurzfristig ohne Beschäftigung bleiben; in einem solchen Falle soll das Hauptgewicht auf die materielle Unterstützung der zeitweilig Erwerbslosen auf dem Weg der Arbeitslosenversicherung gelegt werden, während die Einleitung eigentlicher Arbeitsbeschaffungsmassnahmen fürs erste unterbleiben kann. Umgekehrt kann bereits eine Arbeitslosenziffer von 20 000 auf schwere Störungen hindeuten, sofern ein Grossteil der Stellensuchenden während Monaten auf die Wiedereinreihung in den Produktionspreis warten muss. Solche Erstarrungen des Arbeitsmarktes erweisen sich zumeist als Folgen struktureller Verschiebungen in den von der Arbeitslosigkeit heimgesuchten Erwerbszweigen. Den Behörden obliegt in derartigen Fällen die Pflicht, durch geeignete Massnahmen gemeinsam mit den unmittelbar betroffenen Unternehmungen die Anpassung an die veränderten Verhältnisse zu fördern und dergestalt die Vermittlungszeiten bei der Stellensuche zu kürzen.

m. Die Ansatzpunkte der Beschäftigungspolitife 1. Der "primäre

Nachfrageausfall

Jeder Konjunktureinbruch depressiven oder krisenhaften Charakters lässt sich auf einen BUckgang der Gesamtnachfrage nach Gutern, Dienstleistungen und Arbeitskräften zurückführen. Die Konjunkturforscher der älteren Schule hatten sich zum Ziele gesetzt, die Ursachen dieses primären Nachfrageausfalls zu ergründen. Die verschiedenen Konjunkturtheorien, die damals entstanden, schoben unterschiedliche Faktoren in den Vordergrund; die einen erblickten den Anstoss zur Umkehr der Konjunkturentwicklung in Mängeln des Bankoder des Währungsmechanismus; andere glaubten, dass ein Missverhältnis zwischen Konsumtion, Spartätigkeit und Investierungen den Einbruch in die Konjunkturlage bewirke, wobei manche Theoretiker das Hauptgewicht auf die Unterkonsumtion, andere wiederum auf die Überkapitalisation legten.

Alle diese Konjunkturlehren krankten an demselben Fehler; sie glaubten, dass bloss eine einzige (und zwar die vom jeweiligen Autor entdeckte oder erforschte Ursache) den Anstoss zur Konjunkturumkehr bilde. Die neueren Konjunkturtheorien haben sich dagegen weitgehend dahin geeinigt, dass der Nachfrageausfall auf die verschiedensten Gründe zurückgeführt werden könne, die von Fall zu Fall in unterschiedlicher Kombination und Stärke auf die Wirtschaftsentwicklung einwirken.

Freilich müssen dabei zwei Gruppen von Depressionsursachen auseinandergehalten werden: Ursachen, die unabhängig vom eigentlichen Konjunkturablauf auftreten, und Ursachen, die aus dem konjunkturellen Auftrieb selber herauswachsen und dem Wirtschaftsaufschwung schliesslich ein Ende bereiten.

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Im Gegensatz zu den an zweiter Stelle genannten Depressionsfaktoren, die ihrer Natur nach nur im Stadium fortgeschrittener Konjunkturexpansion auftauchen, können die erstgenannten Ursachen grundsätzlich in jeder Phase des Konjunkturzyklus zutagetreten. Wirken sie zum Beispiel auf eine bereits im Gang befindliche Konjunkturrückbildung ein, so verstärken sie dieselbe und weiten sie unter Umständen zu einer regelrechten Wirtschaftskrise aus.

Treten sie umgekehrt zur Zeit eines konjunkturellen Aufschwunges in Erscheinung, so verlangsamen sie den Auftrieb, können ihn aber auch, sofern sie stark genug sind, unterbinden oder gar in eine Depression umbiegen.

Es würde im Bahmen dieses Berichtes zu weit führen, die verschiedenen Faktoren, welche einen primären Nachfrageausfall bewirken und den ersten Anstoss zu Konjunkturrückschlägen bilden, im einzelnen aufzuzählen. Auch könnte eine solche Liste keineswegs vollständig sein, weil die Buntheit und Vielfalt des wirtschaftlichen Geschehens immer wieder neue und überraschende Depressionsherde schafft. Dagegen können wir auf Grund mannigfaltiger Erfahrungen und Beobachtungen feststellen, dass die schweizerische Wirtschaft und Konjunkturentwicklung vor allem von zwei Seiten her Nachfrageausfälle zu befürchten hat: vom Export und von der Bauwirtschaft. Dabei darf wohl gesagt werden, dass die von der A u s f u h r herrührenden Störungen im allgemeinen gefährlicher und folgenschwerer erscheinen. Die aussenwirtschaftlichen Depressionsfaktoren haben ihrerseits verschiedene Gründe: teils können sie, wie zu Beginn der dreissiger Jahre, auf einen weltweiten Kriseneinbruch mit entsprechenden Kaufkrafteinbussen zurückgeführt werden; teils werden sie, wie sich in unserer Zeit zeigt, durch Zahlungsschwierigkeiten der AbnehmerStaaten hervorgerufen; überdies kann auch eine Übersteigerung unseres Kostenniveaus solche Störungen hervorrufen.

Bei der bedeutenden Stellung, welche unsere Exportindustrie mitsamt den unmittelbar auf sie angewiesenen Erwerbszweigen im Gefüge unserer Wirtschaft einnimmt, versteht es sich von selber, dass ein scharfer Ausfuhrrückgang, der nicht bloss auf einzelne Branchen beschränkt bleibt, sondern den gesamten auswärtigen Absatz erfasst, alsbald auch die dem Export scheinbar fernhegenden Wirtschaftsbereiche in Mitleidenschaft zieht. Anderseits zeigt
die Erfahrung, dass unsere Wirtschaft durch anderweitige Störungen kaum ernstlich aus dein Gleichgewicht gebracht werden kann, solange die Exporttätigkeit dank einer andauernd hohen auswärtigen Nachfrage blüht und gedeiht. Selbst hohe Einfuhren bilden entgegen vielfach gehegter Befürchtungen für die Inlandwirtschaft nicht unbedingt eine Gefahr, solange der Export gut geht. Ein übermässiges Angebot wird in der Hegel erst eintreten, wenn sich auch Exportunternehmungen bei ungenügendem Absatz im Ausland stark um den Inlandmarkt zu bemühen beginnen.

Einzig vom Baugewerbe her können, "wie bereits erwähnt, unserer Wirtschaft auch unabhängig von der Exportentwicklung konjunkturelle Ge-

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fahren erwachsen. Freilich ist kaum anzunehmen, dass die Beschäftigungslage der Sauwirtschaft auf ein krisenhaftes Niveau zurückgehen werde, solange sich die Ausfuhr auf einem hohen Stande hält. Denn bei reger Exporttätigkeit wird das Bauvolumen normalerweise durch den Erweiterungs- und Erneuerungsbedarf der exportierenden Unternehmungen und als Folge der guten Beschäftigungslage durch den Wohnungsbau gespiesen. Aber man darf nicht übersehen, dass die Entwicklung des Baugewerbes keineswegs bloss ökonomischen Gesetzen unterliegt, sondern vor allem auch von don demographischen Gegebenheiten und Tendenzen beeinflusst wird. Bevölkerungsvermehrung und Heiratshäufigkeit bilden Faktoren, die zum Teil abseits von der allgemeinen Konjunkturbewegung die bauwirtschaftliche Nachtrage erhöhen, oder ebensogut zu beträchtlichen-Nachfrageausfällen führen können. Jede Schrumpfung des Baubedarfes kann aber, da auch das Baugewerbe im Kahmen unseres Wirtschaftsgeschehens eine sehr bedeutende Eolle spielt und der Auftragsbestand zainreicher anderer Branchen und Betriebe unmittelbar oder mittelbar vom Umfang der Bautätigkeit beeinflusst wird, leicht zu einer schweren Belastung der allgemeinen Wirtschaftslage werden.

Es ergibt sich aus diesen Erkenntnissen, dass die schweizerische Beschäftigungspolitik hauptsächlich an zwei Stellen, nämlich beim Export und bei der Bautätigkeit, ansetzen muss, um krisenhafte Rückschläge wirksam zu bekämpfen. Ob und in welchem Umfange aber die staatlichen Massnahmen in der ersten Phase der Konjunkturumkehr eingeleitet oder ob sie zurückgehalten werden sollen, bis die Rückbildung der Wirtschaftstätigkeit in eine Depression nTnEnsr-.bla.gan droht, hängt weitgehend von den Umständen ab, unter welchen die rückläufige Entwicklung vor sich geht. Fällt der primäre Nachfrageausfall in ein Stadium ausgesprochener Hochkonjunktur und Überbeschäftigung, so könnte es kaum erwünscht sein, durch Einwirkungen der öffentlichen Hand den Bückbildungsprozess zu vereiteln und die Wirtschaftstätigkeit solcherart künstlich auf höchsten Touren zu halten -- denn eine derartige Überbeanspruchung des Produktionsapparates erscheint auf die Dauer alles eher als gesund und der wirtschaftlichen Wohlfahrt förderlich. Der umsichtige Konjunkturpolitiker wird in diesem Falle den primären Nachfrageausfall im Gegenteil als
erstrebenswerte Normalisierung der Wirtschaftslage ansehen.

Fällt umgekehrt der primäre Nachfrageausfall in ein Konjunkturstadium, das zwar noch normalen und befriedigenden, aber keinesfalls übersetzten Beschäftigungsstand und Geschäftsgang gewährleistet, so kann bereits eine an sich unbedeutende Schrumpfung der Wirtschaftstätigkeit eigentliche Depressionserscheinungen hervorrufen. In diesem Falle wird die öffentliche Hand kaum zögern können, bereits in der ersten Phase der Konjunkturrückbildung die Bremsen anzuziehen und den primären Nachfrageausfall mit geeigneten Mitteln aufzufangen und zu kompensieren, da ein Zuwarten binnen kurzem zu einer kumulativen Ausweitung des Prozesses führen und alsbald Komplikationen krisenhafter Natur heraufbeschwören würde.

91 2. Depressive Kräfte in der heutigen Konjunkturpliase Die Faktoren, welche das derzeitige Eückbüdungsstadium der Konjunktur kennzeichnen, sind überaus vielgestaltig. Im Bereiche des Aussenhandels fehlen alle Anzeichen, die auf einen weltweiten Eückschlag der Wirtschaftstätigkeit hindeuten würden. Offenbar sind es keine durch den vorhergegangenen Aufschwung ausgelöste Kräfte, sondern ausserhalb dea Konjunkturablaufes liegende Verumständungen, die jene Schrumpfung hervorriefen: nämlich der Devisenmangel der Weichwahrungsländer und der Handelsprotektionismus, dem namentlich die Länder huldigen, die die Zahlungsschwierigkeiten einigerinassen überwunden haben. Mag auch die Abneigung gegen freiere Formen der Wirtschaftstätigkeit und des Warenaustausches, die eich in der Schutzzollund Enthaltsamkeitspolitik äussert, mancherorts vorwiegend politisch-weltanschaulich bedingt sein, so wirkt sie darum nicht weniger nachteilig auf die Gestaltung der wechselseitigen Handelsbeziehungen und der schweizerischen Exportmöglichkeiten.

Auch die Deckung des kriegsbedingten Nachholbedarfes gehört in die Eeihe der ausserkonjunkturellen Paktoren, die auf eine fortschreitende Rückbildung der Nachfrage hinwirken. Im Bereiche der Binnenwirtschaft scheint der Kapitalüberfluss gewisse Gefahren für den Fortbestand einer ausreichenden Beschäftigung zu bieten: immer deutlicher wird offenbar, dass das gesparte Einkommen anscheinend nur mühsam in den wirtschaftlichen Kreislauf zurückfliesst, weil den Ersparnissen gegenwärtig keine genugenden Anlagemöglichkeiten gegenüberstehen. Würden Spargelder mangels Nachfrage längere Zeit unbenutzt bleiben, so käme das -- da die Wahrscheinlichkeit gering ist, dass sie in den Konsum zurückgeleitet werden -- ebenfalls einem Nachfrageausfall gleich, der den Wirtschaftsablauf in sehr unerwünschter Weise beeinflussen müsste. Ausser diesen abseits des Konjunkturzyklus hegenden Paktoren wirken jedoch einige Momente, die aus der konjunkturellen Entwicklung herausgewachsen sind, im Sinne einer Dämpfung der Nachfrage.

Hierhin gehört vor allem der Bückgang des Investitionsbedarfes, der eine natürliche Folge der allmählichen Vollendung der durch den Aufschwung ausgelösten Erneuerungs- und Erweiterungsprojekte ist. Aber überdies hat der konjunkturelle Auftrieb allerhand Gleichgewichtsverschiebungen und
-Störungen im Gefüge unserer industriellen und gewerblichen Erzeugung hervorgerufen, die die von der Aussenwirtschaft her einwirkenden Schwierigkeiten verschärfen, indem sie zusätzliche Nachfrageausfälle bewirken. Als Beispiel solcher konjunkturbedingter Veränderungen sei die anormale A u f b l ä h u n g der Baukosten genannt, die bereits heute die Vermietung von Neubauwohnungen erschwert, die private Bautätigkeit infolgedessen behindert und die Aussichten des Baugewerbes auf längere Sicht beeinträchtigt. Eine Rückbildung der Baukosten auf ein tragbares Mass wird ohne zeitweilige Schrumpfung der Bautätigkeit, die mancherorts depressiven Charakter annehmen könnte, kaum zu erreichen sein. Aber nicht allein in der Bauwirtschaft, sondern ganz

92 allgemein hat die Hochkonjunktur unsern Kostenstand in den Jahren der Uberkonjtmktur in einer Art aufgebläht, die heute unsere internationale Konkurrenzkraft gefährdet. Seitdem im Herbst 1949 die meisten Weichwährungsländer ihre künstlich überhöhten Wechselkursparitäten den wirklichen Kaufkraftverhältnissen angeglichen haben und der schweizerische Exporteur auf den ausländischen Märkten keinen Kursvorteil mehr geniosst, ist für zahlreiche Betriebe und Branchen der preisliche Wettbewerb sehr hart geworden.

3. Die Konjunkturrückbildung Der primäre Nachfrageausfall (gleichgültig welcher Herkunft) bereitet dem Konjunkturaufschwung ein Ende und leitet eine Schrumpfung der Wirtschaftstätigkeit ein, die, wie mancherlei Erfahrungen und Beobachtungen lehren, gleich einer Kettenreaktion in ständig steigendem Ausmasse um sich greift und immer weitere Bereiche des Warenverbrauches, der Warenvermittlung und der Warenerzeugung erfasst. Denn die mit jeder Nachfrageeinschränkung verknüpfte Einkommensminderung ruft an irgendeinem Orte eine Verringerung der Kaufkraft und der Konsumausgaben hervor. Ein solchfer Bückgang des Güterabsatzes führt, wo immer er eintritt, zu neuen Nachfrage- und Einkommensausfällen. Sobald der i"roduktionsumfang in den von der Schrumpfung betroffenen Branchen spürbar zu sinken beginnt, lässt natürlicherweise deren Bedarf an Bohstoffen, Halbfabrikaten und namentlich auch an Investitionsgütern nach, da die wenigsten Betriebsinhaber unter solchen Umständen Erweiterungen oder Erneuerungen ihrer Produktionsstätten vorzunehmen wagen.

Durch diese Vorgänge werden die Ertragsaussichten der Unternehmungen gleichfalls stark beeinträchtigt, weshalb die Betriebsleitungen bei ihren Dispositionen und Entschlüssen zu ganz besonderer Vorsicht neigen. Und weil der Beschäftigungsrückgang in der Begel auch die Preise mehr oder weniger herabdrückt, pflegen die Geschäftsleute ihre Lagerhaltung zu überprüfen und entschliessen sich meist zu einem merklichen Abbau der Vorräte, was fast immer darauf hinausläuft, dass der Verbrauch während einer kürzern oder längern Zeitspanne aus den Lagern statt aus der Neuerzeugung gespiosen wird.

Allgemein nimmt in diesem Augenblick die Ansicht überhand, dass in Anbetracht der rückläufigen Preisbewegung ein Zuwarten mit Aufträgen, Bestellungen und Anschaffungen aller Art
von Nutzen wäre. Die Neigung, Einkäufe, die nicht unbedingt notwendig und dringlich sind, zu verschieben, erfasst weite Kreise der Konsumenten; sie trägt dazu bei, dass sich der von den Unternehmungen erstrebte Lagerabbau verzögert und die Produktionsstätten einer zusätzlichen Verringerung ihres Absatzes ausgesetzt sind. Das Zusammenwirken aller dieser Umstände lässt es verständlich erscheinen, weshalb die Konjunkturrückbildung, sobald sie einmal in Schwung gekommen ist, weiter und weiter fortschreitet und, sofern sich keine Gegenkräfte geltend machen, schhesslich jenen Zustand herbeiführt, der als Depression oder, wenn sich ihre nachteiligen Auswirkungen auf die Gütererzeugung, den Arbeitsmarkt und das Einkommen mehren und verschärfen, als Krise bezeichnet wird. Die

93 Gefahren der einmal eingeleiteten, anfänglich kaum bedrohlich anmutenden, zuweilen sogar willkommenen Konjunkturumkehr hegen gerade in dieser von der Wirtschaft und den Behörden schwer kontrollierbaren Kettenreaktion.

Es ist äusserst schwierig, mit hinlänglicher Sicherheit zu sagen, in welchem Augenblick eine notwendige und nützliche Bückbildung der Konjunkturübersteigerung, die als erwünschte Normalisierung angesehen werden muss, der aus sich selber weiterwirkenden Wirtschaftsschrumpfung depressiven Charakters weicht. Um so sorgfältiger und gewissenhafter müssen die für die Konjunkturbeeinflussung verantwortlichen Organo den Wirtschaftsablauf beobachten, um nach Massgabe der bestehenden Möglichkeiten den richtigen Moment zu erkennen, in welchem sie eingreifen sollen, um durch geeignete Gegenmassnahmen dem Eückgang der Wirtschaftstätigkeit Einhalt zu gebieten. Sie dürfen dabei nicht ausser acht lassen, dass ein gewisser Konjunkturrückgang auch Gegenkräfte auslösen kann und nicht immer zur Depression fuhren muss. So kann für gewisse Erzeugnisse die preisliche Wettbewerbsfähigkeit wiedergewonnen werden, oder die Bautätigkeit kann erneut ansteigen, sobald die Kosten baulicher Investitionen gesunken sind.

IV. Beschäftigungspolitische Mittel und Methoden 1. Beschäftigungspolitik und

Gesellschaftsform

So wichtig die Gewährleistung eines befriedigenden Beschäftigungsstandes und eines ausreichenden Erwerbes erscheint, ist der Bürger freiheitlicher und demokratischer Gemeinwesen offensichtlich wenig geneigt, zur Stabilisierung der Wirtschaft und zur Bekämpfung von Krisen Mittel anzuwenden, die mit einer Gesellschaft freier Menschen unvereinbar erscheinen. Damit entfällt eine ganze Beihe beschäftigungspolitischer Massnahmen, die uns rein technisch und ökonomisch dem erstrebten Ziele der Vollbeschäftigung näherzubringen vermöchten. Wenn z. B. die Arbeitskräfte ohne Rücksicht auf betriebliche, örtliche und familiäre Bindungen dorthin dirigiert würden, wo sie gerade benötigt werden, wäre es zweifellos leichter, lokale und regionale Konjunkturrückschläge zu bekämpfen und die Beibungsarbeitslosigkeit zu beseitigen. Wenn den Staatsbehörden die Befugnis zustände, dem Arbeitnehmer nicht allein den Arbeitsplatz, sondern vor dem Eintritt ins Erwerbsleben auch den Beruf verbindlich vorzuschreiben, wäre eine weitere wirkungsvolle Handhabe zur Vermeidung konjunktureller wie struktureller Gleichgewichtsstörungen im Wirtschaftsgefüge gegeben. Wollte die Bevölkerung ausserdem auf die Freiheit, zu kaufen und zu konsumieren, was ihr wohlgefällt, auf die Dauer verzichten, so bekämen die Behörden zweifellos genügend Kommandohebel in die Hand, um durch entsprechende Lenkung des Verbrauches und der Erzeugung grössere Nachfrage- und Arbeitsanfälle überhaupt zu vermeiden. Ob freilich mit einem solchen System, das die Möglichkeit persönlicher Initiative und Verantwortung notgedrungen in enge Grenzen weisen würde, nicht auch die Aussichten auf

94 einen weitern wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt und auf eine fortgesetzte Steigerang des Lebensstandards ganz entscheidend vermindert würden, steht auf einem andern Blatte geschrieben.

Nun unterliegt aber keinem Zweifel und wurde auch schon bei mancherlei Anlässen deutlich bekundet, dass das Schweizervolk so wenig wie andere demokratische Nationen gewillt erscheint, auf die Arbeitsfreiheit, die Freiheit der Berufswahl, die Freiheit der Niederlassung und nicht zuletzt auf die Freiheit der Einkommensverwendung und des Verbrauches zu verzichten. Wer hieran irgendwelche Zweifel hegt, möge sich der Schlussphase der Kriegswirtschaft in unserm Lande erinnern, die anschaulich vor Augen führte, wie schwierig es ist, die Wirtschaft eines freiheitsliebenden Volkes zu dirigieren. Sobald die äussere Bedrohung gewichen war und die Notwendigkeit der Wirtschaftslenkung sich den Augen der Bevölkerung nicht mehr so anschaulich einprägte wie in den Kriegstagen, empfanden weitere und weitere Kreise die kriegswirtschaftlichen Einschränkungen-als überflüssig und lästig und suchten sich ihrer in zunehmendem Masse zu entledigen.

Ohne irgendwelche Werturteile fällen zu wollen, wird die Beschäftigungspolitik unseres freiheitlichen, demokratischen und föderativ gestalteten Staatswesens der Tatsache Achtung zollen müssen, dass die überwiegende Mehrheit unserer Bevölkerung offensichtlich nicht bereit ist, langfristige und umfassende Abweichungen von den marktwirtschaftlichen Kegeln und Grundsätzen hinzunehmen. Die Abneigung des Schweizers gegen ausgebaute Wirtschaftskontrollen, die auch in mannigfaltigen Volksabstimmungen zum Ausdruck gekommen ist, darf bestimmt nicht als Zeichen der Staatsverdrossenheit und des Misstrauens gegenüber den verantwortlichen Behörden gewertet werden; sie entspringt wohl eher dem teils auf verstandesmässiger Einsicht, teils auf gefühlsmässigen Erwägungen beruhenden Bewusstsein, dass der Preisgabe wesentlicher wirtschaftlicher Freiheiten wachsende Einschränkungen der persönlichen und politischen Selbstverantwortung und Freiheit auf dem Fusse folgen würden. In einem Staate, dessen Bürger gleich dem Schweizervolk die Freiheitsrechte über alles stellen und augenscheinlich auch die Handels- und Gewerbefreiheit nicht aufheben möchten, muss die Beschäftigungspolitik mit Mitteln und Methoden
geführt werden, die sich den Grundsätzen und Gegebenheiten einer Gesellschaft freier Menschen mühelos einordnen.

Allerdings ist in unserer Zeit die Auffassung verbreitet, dass es das Walten der auf dem freien Markte geltenden Gesetze sei, welches unweigerlich immer wieder wirtschaftliche Bückschläge erzeuge und das Unglück massenweiser Erwerbslosigkeit über die Welt bringe. Den Wellenschlag der Konjunktur kannten in der Tat auch frühere Generationen; dio Menschheit von heute aber scheint ihre Anschauungen über das Wesen der Wirtschaftskrise etwas zu einseitig nach der grossen Erschütterung der dreissiger Jahre geformt zu haben, obwohl diese Krise in mehr als einer Hinsicht (und zwar sowohl io ihrem Verlauf wie in ihrer Intensität) deutlich von der seit Jahrzehnten beobachteten

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Krisennorm abwich. Wieweit außergewöhnliche wirtschaftliche Verurnständungen, wieweit überdies verschiedene politische Faktoren (wie zum Beispiel der Irrweg der Eeparationspolitik) zu der besondern Wucht und Hartnäckigkeit jener Erschütterung beitrugen, soll hier nicht untersucht werden.

Fest steht jedenfalls, dass das Gesicht der meisten Depressionen, die die Wirtschaftsgeschichte verzeichnet, weniger düstere Züge trägt als dasjenige der letzten grossen Krise. Nur ausnahmsweise weiteten sich Konjunkturrückschlage zu sozialen Katastrophen mit Arbeitslosigkeit grossen Ausmasses aus; viel häufiger hielten sie sich im Rahmen von Wachstums- oder Eeinigungskrisen, durch die ohne untragbare Verluste die Auswüchse konjunktureller Übersteigerungen zurückgedämmt und die in der Phase des Aufschwunges entstandenen Disproportionalitäten zurechtgebogen wurden.

Man darf überdies nicht ausser acht lassen, dass ein entscheidender Teil der Ursachen, die der Krisenanfälligkeit der Marktwirtschaft zugrunde liegen, auch in einer umfassend gelenkten Wirtschaft kaum verändert weiterwirken würde, sofern die Lenker und Planer eines solchen kollektivistischen Systems der Entfaltung und dem Wachstum der wirtschaftlichen und technischen Kräfte einen einigermassen ausgiebigen Spielraum gewähren. Engt aber die staatliche Planung und Lenkung jenen Spielraum erheblich ein, so könnte es vielleicht gelingen, die Depressionsanfälligkeit der Wirtschaft noch mehr herabzusetzen ·-- doch wäre für dieses Ergebnis ein überaus hoher Preis zu zahlen. Denn die solcherart erreichte Krisenfestigkeit der Wirtschaft würde ausser der weiter oben erwähnten Beschränkung der Berufs-, Arbeits- und Konsumfreiheit die Verlagerung der Produktion vom individuellen auf den Kollektivbedarf, der leichter lenkbar erscheint, bedingen. Ausserdem würde sie den technischen Fortschritt und das wirtschaftliche Wachstum, wenigstens soweit es der Befriedigung ziviler und individueller Bedürfnisse dient, hintansetzen und die Ergiebigkeit der Produktion gefährden. Die Lebenshaltung der breiten Massen müsste unter allen diesen hemmenden Faktoren unweigerlich leiden. Uns scheint, dass der Schweizer und besonders auch der Schweizerarbeiter diesen Kaufpreis für die Krisenfreiheit der Wirtschaf t und die Sicherung von jeder Art zeitweiliger Stellenlosigkeit als zu hoch
empfinden würde.

Bei alledem ist festzuhalten, dass unter den besondern Verhältnissen unseres Landes auch durch extremste Wirtschaftslenkung die aussenwirtschaftliehen Einflüsse auf die Konjunkturlage nicht ausgeschaltet werden könnten.

Die Schweiz ist für planwirtschaftliche Experimente ein viel weniger geeigneter Boden als grosse Kontinentalstaaten, da sie ohne intensiven Wirtschaftsverkehr mit dem Ausland nicht leben kann. Nun ist es aber gerade der Aussenhandel, der sich planwirtschaftlicher Lenkung entzieht. Selbst wenn der Schweizer bereit wäre, im Interesse der Arbeitsbeschaffung auf seine Freiheitsrechte zu verzichten, so würde ihn dies dem angestrebten Ziel doch nicht wesentlich näher bringen.

96 2. Zur Frage der Eirikommemslohilisierung

Dass die Stabilisierung der Einkommen ein Hauptanliegen staatlicher Konjunkturpolitik ist, durfte wohl unbestritten soin. Nicht so leicht lassen sich dagegen die Ansichten über die Frage, in welcher Weise der Einkommensbegriff zu umschreiben sei, auf einen Nenner bringen. Häufig wird die Meinung ausgesprochen, dass es Aufgabe der öffentlichen Konjunktur- und Beschäftigungspolitik sei, die derzeitigen Einkommensbezüge unter Einsetzung geeigneter Mittel auf ihrer heutigen nominellen Höhe zu halten. In diesem Zusammenhange wird geltend gemacht, dass jeder Kostenabbau in Gestalt von Preissenkungen und allfälligen Lohnanpassungen einer Deflation gleichkomme, durch die die Schrumpfung der Wirtschaftstätigkeit weitergetrieben und die Depressionsneigung verstärkt werde. Diese Äusserungen verwischen den grundlegenden Unterschied zwischen einer mittels Kreditrestriktionen und andern Eingriffen künstlich erzwungenen Kostensenkung und einer n a t u r l i c h e n Eückbildung der Preise, die eine beinahe selbstverständliche Begleiterscheinung jeder fortschreitenden Konjunkturrückbildung ist.

Mag man allenfalls die erste, willentlich herbeigeführte Preis- und Kostenkomprimierung mit dem etwas vagen Begriff der Deflation bezeichnen, so kann die natürliche Preis- und Kostenrückbildung, die keine Ursache, sondern eine Folge der Konjunkturumkehr ist, kaum mit jenem vielgehörten und -umstrittenen Schlagwort umschrieben werden.

Eine Deflation im eigentlichen Sinne, d. h, eine künstliche Herabdruckung des Preis- und Lohnstandcs, hat sich als Mittel der Arbeitserhaltung und der Konjunkturpolitik bis dahin ausnahmslos als unwirksam und sogar schädlich erwiesen. Es kann daher in Zukunft keine Bede davon sein, der schweizerischen Beschäftigungspolitik solche Methoden zugrunde zu logen. Ganz anders lautet jedoch die Frage, wie sich die öffentliche Hand gegenüber einer aus der Konjunkturrückbildung natürlicherweise erwachsenden ErmässigungdesKostenniveaus verhalten soll. Im engsten Zusammenhange damit steht das Problem, ob wir unter dem Begriff der Einkominensstabilisienmg die Erhaltung der nominellen Preis- und Lohnziffern oder die Wahrung der wirklichen K a u f k r a f t der Einkommen verstehen sollen. Wir müssen hierbei vor allem auch dem Umstand Bechnung tragen, dass bereits im heutigen Zeitpunkt, wo weltwirtschaftlich
noch keine tiefgreifende Konjunkturverschlechterung wahrzunehmen ist, die Konkurrenzkraft der schweizerischen Wirtschaft auf den internationalen Märkten durch unser reichlich hohes Preisniveau spürbar beeinträchtigt wird.

Können wir uns in Anbetracht dieser Sachlage gestatten, einer Bückbildung unseres Preis- und Kostenniveaus, die geeignet wäre, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, Widerstand entgegenzusetzen, weil wir die Gewährleistung der nominellen Einkommenshöhe auf unser Programm geschrieben haben?

Es wurde zu weit fuhren, wenn wir an dieser Stelle auf die vielfältigen Gründe und Ursachen des hohen schweizerischen Kostenniveaus, das unserer Wirtschaft bereits in der Zwischenkriegszeit erhebliche Schwierigkeiten be-

97 reitet hat, eingehen wollten. Ein Vergleich unserer Währungslage mit der anderer Länder deutet darauf hin, dass der hohe schweizerische Preisstand wohl kaum einer willkürlichen Überwertung des Schweizerfrankens zuzuschreiben ist, sondern seinen Ursprung in strukturellen Umstimmigkeiten unseres binnenwirtschaftlichen Kostengefüges hat. Unlängst ist gerade von gewerkschaftlicher Seite auf Grund von Berechnungen, die sich auf Lohnund Preisstatistiken des Internationalen Arbeitsamtes stützen, hervorgehoben worden, dass der schweizerische Arbeiter heute zwar den höchsten N orni n al lohn in Europa besitze, aber o f f e n b a r nicht über die höchste Kaufkraft in unserm Erdteil verfüge. Von gleicher Seite wurde zum Beispiel auch darauf aufmerksam gemacht, dass der Schweizerarbeiter mit seinem mittleren Stundenlohn von 2 Franken 50 bis 2 Franken 60 keine grösseren, sondern zum Teil bloss kleinere Quantitäten an entscheidenden Lebensmitteln und Brennstoffen zu kaufen vermöge als sein Kollege in einzelnen andern europäischen Ländern, der nominell bloss etwa zwei Franken in der Stunde verdiene.

Dieser Hinweis veranschaulicht mit kaum zu überbietender Deutlichkeit, dass das materielle Wohlergehen des Arbeiters und des Angestellten nicht von der Anzahl Franken abhängt, die er als Arbeitsentgelt ausgehändigt erhält, sondern von der K a u f k r a f t , die diesen Franken innewohnt -- mit andern Worten nicht vom Nominallohn, sondern vom Eeallohn. In den Lohnund Preisstatistiken der vergangenen Jahrzehnte kann man verschiedene Beispiele dafür finden, dass der Eeallohn, also die Kaufkraft und Lebenshaltung der Lohnempfänger, in Zeiten rückläufiger Lohn- und Preisentwicklung zuweilen stärker angestiegen ist als in Zeiten steigender Preise und Geldlöhne.

So sanken in den Jahren 1921 bis 1929 die Lebenskosten gemäss Landesindex um nahezu 20 %. Die Geldlöhne gaben zunächst gleichfalls nach und nahmen dann wieder etwas zu ; sie lagen aber im Jahre 1929 immerhin um etwa 8 % unter dem Niveau von 1921. Trotz dieses Lohnabbaus stieg der Eeallohn, weil die Preise merklich stärker sanken als die Stundenverdienste, von 1921 bis 1929 um nicht weniger als 14 %. Von 1929 bis 1986 ermässigten sich die Kosten der Lebenshaltung erneut um 19 %; trotzdem auch die Nominallöhne während jener Zeit um 9 % zurückgingen, erhöhte sich
das Bealeinkommen der Arbeiter in jenen sieben Jahren abermals um 12 %, Ohne aus diesen Feststellungen zu weitgehende Schlussfolgerungen ziehen zu wollen, vermag man hierin eine neue Bestätigung dafür zu finden, dass für den Arbeiter jedenfalls keinerlei Veranlassung besteht, die Steigerung seiner Kaufkraft und die Verbesserung seiner Lebensverhältnisse ausschliesslich von einer Erhöhung des Geldlohnes zu erhoffen.

Auch diese Überlegungen führen dazu, unter Berücksichtigung aller sozialen Ansprüche und Erfordernisse das Schwergewicht auf die Stabilisierung des realen Einkommens der verschiedenen Erwerbsgruppen zu legen, während das nominale Einkommen unter den Einwirkungen der Konjunkturrückbildung und des steigenden ausländischen Preis- und Konkurrenzdruckes voraussieht-

98 lieh etwelche Ermässigungen erfahren dürfte. Die Kaufkraft der Lohnempfänger und anderer Einkommensbezüger braucht dadurch aber in keiner Weise beeinträchtigt zu werden.

3. Wo soll die Nachfragevermehrung

erfolgen?

Wir wir gesehen haben, sucht die Beschaftigungspolitik anfällige Nachfrage- und Einkommenseinbussen durch geeignete Massnahmen der Kaufkraftund Nachfragevermehrung zu kompensieren. Aber -wirklich erfolgreich wird die Konjunkturpolitik im allgemeinen nur dann sein, wenn nicht allein die Gesamtnachi'rage auf einem als normal und befriedigend bezeichneten Stande gehalten, sondern gleichzeitig Sorge getragen wird, dass der Nachfrage- und Einkommensausgleich möglichst innerhalb der Wirtschaftsbereiche erfolgt, in denen die Ausfälle zutage getreten sind. Denn nur auf diesem Wege lässt sich die Voraussetzung dafür schaffen, dass die Arbeiter, die von Beschäftigungsmangel bedroht sind, in ihrem angestammten Berufe verbleiben können, solange nicht besondere Gründe wie zum Beispiel strukturelle Gleichgewichtsstörungen eine Umstellung und Umschulung auf andere Berufsarten angebracht erscheinen lassen. Ferner gebieten aber auch die volkswirtschaftlichen IntorûBSûn an dor Existenz der durch einen Nachfrageausfall bedrohten Unternehmungen, dass der Staat sich wo immer möglich mit seinen Massnahmen direkt gogon den Depressionsherd wendet. Jede au sich gesunde Unternehmung stellt mit ihrem Produktionsapparat, ihrer eingespielten Organisation und ihren vielfältigen, oft in langjähriger Arbeit aufgebauten Beziehungen zu den Märkten volkswirtschaftlich einen Vermögenswert dar, der in Zeiten der Krise nicht ohne Not aufs Spiel gesetzt werden darf. Nicht zu vergessen ist auch, dass die qualitative Weiterentwicklung der bereits eingeführten Produkte und die Forschung nach neuen Artikeln, die für das Gedeihen unserer Wirtschaft auf längere Sicht ausschlaggebend sind, nur dann auch in einer Depression auf genügend breiter Basis weitergeführt werden können, wenn die Unternehmungen ihre Geschäftstätigkeit aufrechterhalten und die notwendigen Mittel bereitstellen können. Nur dann sind die Unternehmungen auch imstande, das wissenschaftliche und technische Personal, das für ihre weitere Entwicklung von wesentlicher Bedeutung sein kann, durchzuhalten.

In unserem Lande bilden, wie bereits erwähnt, die Exportwirtschaft und das Baugewerbe die neuralgischen Punkte, von denen aus am ehesten und leichtesten ein primärer Nachfrageausfall nachteilig auf den Gesamtablauf der Wirtschaft einwirken kann. Auf diese beiden Wirtschaftszweige
muss die öffentliche Hand daher in erster Linie ihre Massnahmen ausrichten, um der rückläufigen Einkommensentwicklung erfolgreich entgegenzutreten. Gerade da erweist sich aber auch die Bedeutung des Grundsatzes, dass die Nachfrageeinbussen in jenen Wirtschaftsbereichen wettgemacht werden sollen, in welchen sie entstanden sind, Eührt der Einkommensausfall zumBeispiel vomEückgang der Exportnachfrage her, so dass die ausfuhrorientierten Branchen und Be-

99 triebe mangels ausreichender Aufträge unter Beschäftigungslosigkeit leiden, so könnte man sich wohl schwerlich damit begnügen, durch Einleitung öffentlicher Arbeiten (z. B. den Ausbau des Strassennctzes, die Korrektion von Gewässern, die Errichtung von Schulhäusern und Sportplätzen) die Nachfrage und Kaufkraft im bauwirtschaftlichon Bereiche zu vergrössorn, in welchem in diesem Zeitpunkt möglicherweise noch Voll- oder sogar Uberbeschaftigung herrscht. Gewiss gelänge es. durch zusätzliche Arbeiten das Bauvolumen zu vergrössern -- aber man würde sich wohl kaum damit abfinden, Arbeitskräfte, die bisher qualifizierte Arbeiten in Exportbetrieben ausführten, einfach an die Baustelle zu dirigieren, wo sie bestenfalls als Hilfsarbeiter und Handlanger beschäftigt werden könnten. Ein solches Vorgehen wäre nicht bloss sozial kaum tragbar, sondern auch mit schweren volkswirtschaftlichen Nachteilen behaftet; denn es lässt sich mit Händen greifen, dass der Einsatz von Facharbeitern für Vorrichtungen, die keinerlei Vorkenntnisse erfordern, nicht allein die Produktivität unserer Wirtschaft, sondern auch den beruflichen Standard unserer Arbeiterschaft herabdrücken müsste.

Nicht viel aussichtsreicher wäre der Versuch, für jene Exportgüter, die im Gefolge eines auswärtigen Nachfrageausfalls unabsetzbar würden, auf dem heimischen Markte Absatzmöglichkeiten ausfindig zu machen. Die Struktur des Exportgeschäftes und des inländischen Bedarfes ist viel zu unterschiedlich, als dass es denkbar wäre, Erzeugnisse, die bis dahin ins Ausland geliefert wurden, nunmehr in grösserem Maßstabe an schweizerische Kunden zu verkaufen. Die Fabriken, welche die "Welt mit Uhren versorgen, würden ihren Absatz in der Schweiz kaum nennenswert steigern können, auch wenn sie sich die allergrösste Mühe gäben. Das gleiche gilt zu einem hohen Grade auch für die übrigen Konsumgüter, die für den Export fabriziert werden, mag es sich um Textilien, Stickereien, Schuhe, Heilmittel oder andere Ausfuhrspezialitäten handeln. Eine umfassende Abkehr unserer industriellen Erzeugung von der Belieferung des Auslandes zugunsten einer vermehrten Versorgung des heimischen Marktes würde eine grundlegende Umschaltung der exportorientierten Betriebe auf ganz andersgeartete Artikel bedingen. Technisch liesse sich eine solche Anpassung an den heimischen Bedarf
durchaus denken --· aber v o l k s w i r t s c h a f t l i c h käme sie nur als alleräusserster Notbehelf in Präge. Denn auch diese Umstellung müsste mit Einbussen an gesamtwirtschaftlicher Produktivität und realem Volkseinkommen erkauft werden, da die Erzeugnisse, die die früheren Exportfabriken fortan für den heimischen Markt herstellen würden, in der Eegel kostspieliger wären als die ehedem aus dem Ausland eingeführten Artikel gleicher Art. Das Hauptgewicht der Abwehr eines exportbedingten Nachfrageausfalls und Depressionsanstosses wird also im Bereiche der A u s s e n w i r t s c h a f t selber liegen müssen.

Nur so besteht begründete Aussicht, die Stabilisierung des Einkommens und der Kaufkraft dort zu erreichen, wo der Einbruch erfolgt ist, und gleichzeitig dem Betriebspersonal Beschäftigungsmöglichkeiten im angestammten Borul'e und am angestammten Wohnort zu gewährleisten.

100 Am ehesten noch können die Hersteller von Investitionsgütern, die bis dahin ans Ausland belieferten, für den ausfallenden Export ohne wesentliche Umstellungen Ersatz auf dom Inlandmarkte finden; denn es bestehen immerhin zahlreiche Möglichkeiten, durch geeignete Massnahmen in Zeiten rückläufiger Wirtschaftstätigkeit im Inland zusätzliche Investitionen auszulösen, z. B.

solche, die mangels finanzieller Mittel bis dahin nicht gewagt (wie die Hotelund Kurbädererneuerungen) oder aus beschäftigungspolitischen Gründen bewusst auf die Zeit der Konjunkturrückbildung hinausgeschoben wurden (Investititonsaufträge der öffentlichen Verwaltungen und Betriebe). Die grossie Bedeutung wird hier, wie wir im dritten Teil des Berichtes zeigen werden, den Investitionsprogrammen der Schweizerischen Bundesbahnen, der PTT-Verwaltung, der Kraftwerke und der Gemeinden zufallen, um den vom Ausland her entstehenden Nachfrageausfall einigermassen ausgleichen und die Arbeiter am angestammten Arbeitsplatz beschäftigen sowie den wissenschaftlichen Mitarbeitern, Technikern und Kaufleuten Arbeit in ihrem Beruf sichern zu können.

Aber auch diese Programme sind einseitig, so dass bei der Verteilung der Aufträge nur eine beschränkte Zahl von Unternehmungen begünstigt würde. Dagegen vermöchte das vom Eidgenössischen Militärdepartement aufgestellte Biistiingsprogramm zahlreiche Lücken im Beschäftigungsstand zu schliessen, da es, konjunkturgcrecht eingesetzt, die Streuung zahlreicher Aufträge auf die verschiedensten Wirtschaftsgruppen und die Berücksichtigung regionaler und lokaler Bedürfnisse zuliesse. Auch eine Aktion zur Erneuerung des Produktionsapparates in Industrie und Gewerbe könnte die Geschäftstätigkeit der Investitionsguterindustrie befruchten.

Wonn auch der allgemeine Grundsatz, dass der Einkommens- und Nachfrageausgleich möglichst innerhalb der Wirtschaftsbereiche erfolgen soll, in denen die Ausfälle zutage getreten sind, kaum einer Anfechtung unterliegen kann, so dürfen wir uns doch nicht verhehlen, dass es bei der starken Exportabhängigkeit unserer Wirtschaft nicht jederzeit möglich sein wird, diesen Grundsatz vollumfänglich zu verwirklichen. Zweifellos muss, wenn vom Export her depressive Einflüsse die Konjunkturlago unseres Landes bedrohen, den Abwehrmassnahmen auf dem Gebiete der Aussenwirtschaft das Primat
zukommen, und es sollen auch alle Mittel eingesetzt werden, die geeignet erscheinen, unser Land von solchen Einflüssen abzuschirmen. Bei einem starken weltwirtschaftlichen Konjunktureinbruch werden wir aber damit doch nicht verhindern können, dass der eine oder andere Zweig unserer Exportwirtschaft in eine Notlage gerät und gegebenenfalls zu einer Eeduktion seines Personalbestandes schreiten muss. Unter solchen Umständen wird man dann darnach trachten müssen, durch binnenwirtschaftliche Expansionsmassnahmen für die stellenlos gewordenen Arbeitskräfte neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Leichter und mit mehr Gewähr für einen Erfolg werden Nachfragoausfälle im zweiten neuralgischen Sektor unserer Wirtschaft, nämlich in der Bauwirtschaft, direkt bekämpft werden können, so dass den Arbeitskräften dieses Wirtschaftszweiges ihr angestammter Arbeitsplatz erhalten bleibt. Auf diesem

101 Gebiet tritt die öffentliche Hand selbst als sehr bedeutender Auftraggeber auf, womit sie bei einer konjunkturgereehten Lenkung ihrer Aufträge auch die nötigen Handhaben besitzt, um einerseits private Nachfrageausfälle zu kompensieren und anderseits durch zusätzliche Aufträge auch für Angehörige anderer Wirtschaftszweige notfalls neue Arbeitsplätze zu schaffen.

4. Weitere Bemerkungen sur Zeit- und Mittelwahl Wir haben bereits ausgeführt, dass der Zeitpunkt des staatlichen Eingreifens in den Konjunkturablauf nicht einfach zu bestimmen sei. In engem Zusammenhange mit dem Problem der richtigen Zeitwahl steht die Frage, mit welchen Mitteln und Methoden der Konjunkturpolitiker einer bedrohlich anmutenden Schrumpfung der Wirtschaft entgegentreten soll. Auch hierauf erscheint eine Antwort in vielen Fällen überaus heikel. Vor allem muss man sich vergegenwärtigen, dass die Konjunkturrückbildung kaum jemals gleichmässig in allen Bereichen der Wirtschaft vor sich gehen wird. Eegelmässig kann man beobachten, dass bestimmte Wirtschaftszweige f r ü h e r und stärker von der Schrumpfung erfasst werden, während andere Zweige erst später und oft bedeutend weniger heftig in den Hückbüdungsprunena einbezogen werden. So kann es sich ereignen, dass in einzelnen Teilen der Wirtschaft bereits eine deutliche Depression um sich zu greifen droht, die ein beschäftigungspolitisches Einschreiten der Behörden durchaus angezeigt erscheinen lässt, dieweil in andern Teilen Verhältnisse herrschen, die sich kaum von denen der Hochkonjunktur unterscheiden. Nun wird der Staat in solchen Fällen seine Konjunkturpolitik so zu gestalten suchen, dass die zusätzliche Nachfrage, die er schafft oder fördert, den Erwerbszweigen zuÜiesst, die unter der Unterbeschäftigung leiden. Da aber alle wirtschaftlichen Vorgänge gleich einem System kommunizierender Bohren in wechselseitiger Abhängigkeit voneinander stehen, ist es sehr wohl möglich und sogar wahrscheinlich, dass die Hilfe, die der Staat den konjunkturell benachteiligten Wirtschaftszweigen zuwendet, in den konjunkturell begünstigten Zweigen ungewollte Erscheinungen ungesunder Überbeschäftigung hervorruft, die inflationären Tendenzen erneuten Auftrieb verleihen. Wollte man zum Beispiel zu gegebener Zeit der rückläufigen Bautätigkeit entgegenwirken, indem man den Kraftwerkbau anzuregen
trachtet, so würde das in der Elektroindustrie, wenn diese ohnehin vollbeschäftigt ist, zu einer Aufblähung führen, die in keiner Weise erwünscht sein könnte. Mit um so grösserer Sorgfalt muss daher der Staat im Zeichen einer ungleichmässigen Rückbildung der einzelnen Wirtschaftsbereiche seine beschäftigungspolitischen Eingriffe abwägen und Massnahmen zu meiden suchen, die an andern Orten wirtschaftlichen Wirkens eine nachteilige Überbeanspruchung zeitigen könnten.

Auch würden solche Erscheinungen die Disproportionalitäten innerhalb der wirtschaftlichen Entwicklung vergrössern und dem letzten Ziel aller Konjunktur- und Beschäftigungspolitik, der Herbeiführung eines neuen gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtes, zuwiderlaufen.

Bundesblatt. 102. Jahrg. Bd. II.

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102 Ähnliche Überlegungen gelten auch für die keineswegs seltenen Fälle, wo einzelne Erwerbszweige durch die Hochkonjunktur und Überbeschäftigung starke Gleichgewichtsstörungen innerhalb ihres Produktionsapparates oder ihres Kostengefüges erlitten haben. Werden solche Wirtschaftsbranchen vom Bückbildungsprozess erfasst, so pflegen ihre Angehörigen meist mit besonderem Nachdruck nach staatlicher Hilfe zu rufen, weil die strukturellen Verschiebungen die Normalisierung der Verhältnisse im betreffenden Wirtschaftsbereiche bedeutend erschworen. Wenn nun aber die öffentliche Hand solchen Begehren Gehör schenken und vorzeitig mit Hilfs- und Unterstützungsmassnahmen einspringen wollte, würde sie kaum etwas anderes als eine Verlängerung des Krankheitsprozesses und Verzögerung der Genesung riskieren. Unter Umständen könnte es soweit kommen, dass ein früher gesunder und selbständiger Wirtschaftszweig infolge verfrühten oder fehlgerichteten Eingreifens der öffentlichen Hand zum Dauerpatienten des Staates würde. Darum wird man stets mit grösster Sorgfalt darauf achten müssen, dass behördliche Interventionen in derartigen Fällen die unerlässliehe Anpassung, auch wenn sie schmerzlich sein sollte, nicht behindern, sondern nach Möglichkeit fördern.

So ist beispielsweise im Baugewerbe als Folge der Überbeschäftigung während der Hochkonjunktur das Kostenniveau, auf eine Höhe getrieben worden, die sich durch die Entwicklung der Lebenskosten kaum rechtfertigen lässt und die namentlich den privaten Wohnungsbau ausserordentlich behindert. Zahlreiche private Bauherren scheinen gewillt, allerlei Bauprojekte ohne jeden staatlichen Zuschuss auszuführen, sofern der Baukostenindex mit der Zeit um fünfzehn bis zwanzig Punkte zurückweichen und sich dergestalt dem Index der Lebenskosten einigermassen annähern würde. Wollte nun aber die öffentliche Hand einer allfälligen Schrumpfung der Bautätigkeit durch Forcierung öffentlicher und Subventionierung privater Bauton entgegenwirken, ehe eine solche Indexsenkung eingetreten wäre, so würde jede weitere Ermässigung der Baukosten erschwert oder überhaupt verhindert. Statt durch Aufträge alimentiert zu werden, die aus den Gegebenheiten der Wirtschaft und des Marktes hervorströmen, wäre als Folge dieses vorzeitigen Eingreifens der öffentlichen Hand, das die Anpassung der Baukosten
verunmögliehte, ernstlich zu befürchten, dass das Baugewerbe vielleicht auf Jahre hinaus mittels staatlicher und staatlich subventionierter Arbeiten über Wasser gehalten werden müsste. Das würde nicht allein den öffentlichen Haushalt und den Steuerzahler unnötig belasten, sondern namentlich auch den Zwecken der Konjunkturpolitik, die die Selbsttätigkeit der Wirtschaft auf der Grundlage eines neuen Gleichgewichtes wieder herstellen will, entgegenwirken.

Auch diese Beispiele verdeutlichen unsere frühere Feststellung, derzufolge es ausgeschlossen erscheint, allgemeingültige Eegeln für die Wahl der beschäftigungspolitischen Mittel und Methoden zu gewinnen. Die öffentliche Hand, die Massnahmen zur Erhaltung und Erhöhung der Beschäftigung ergreifen will, wird in jedem einzelnen Falle genau abwägen müssen, ob und wieweit der staatliche Eingriff den allgemeinen konjunkturpolitischen Zielsetzungen

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entspricht, wieweit er unerlässliche Anpassungen zu unterstützen vermag oder wieweit er unerwünschte Auswirkungen in andern Wirtschaftszweigen zeitigen könnte. Ob und in welchem Umfange Fernwirkungen zu erwarten sind, die die allgemeinen Konzeptionen und Absichten der Konjunkturpolitik durchkreuzen könnten, hängt sowohl von der Art der beschäftigungspolitischen Mittel und Methoden wie vom Zeitpunkt ihrer Anwendung ab. Niemand braucht zu befürchten, dass zum Beispiel die Gewährung einer Exportrisikogarantie an Industriezweige, die wegen wirtschaftlicher oder politischer Unsicherheit in den Kundenländern ohne solche Hilfsmassnahmen keine Aufträge übernehmen könnten, unerwünschte Nebenfolgen in andern Wirtschaftsbereichen heraufbeschwören oder den Finanzhaushalt des Staates über Gebühr beanspruchen würde. Dabei gelang es mit Hilfe dieses scheinbar bescheidenen öffentlichen Einsatzes schon wiederholt, wichtigen Exportzweigen über grosse Schwierigkeiten hinwegzuhelfen. Ähnliches gilt für die Förderung sogenannter Dreieckgeschäfte, die Unterstützung der wissenschaftlichen Forschung, den Ausbau der Handelsvertretungen im Ausland -- lauter Möglichkeiten, die es dem Staate erlauben, mit verhältnismässig bescheidenen Mitteln und ohne in anderen Erwerbszweigen unerwünschten Nebenwirkungen zu rufen in allen Phasen der Konjunkturrückbildung höchst, wertvolle Export- und Wirtschaftsimpulse zu verleihen. Dagegen stellt die staatliche Beihilfe zur Einführung neuer Industrien ein wesentlich heikleres Problem dar, und zwar nicht allein wegen der erheblich höheren Beiträge, die hierfür wahrscheinlich aufgebracht werden müssten, sondern namentlich auch wegen des ungünstigen Einflusses, den die unter staatlicher Beihilfe neueingeführten Industrien, deren Gestehungskosten häufig höher sind als die der bisherigen ausländischen Lieferanten, auf das allgemeine Kostenniveau ausüben.

Die staatliche Beschäftigungspolitik zielt auf die Erhaltung eines ausreichenden und befriedigenden Arbeitsvolumens und Einkommens ab -- aber gerade aus dem Grunde, weil sie Arbeit nicht um jeden Preis, sondern zu angemessenem Entgelt und menschenwürdigen Bedingungen bereitstellen will, kann sie auf die Dauer bloss erfolgreich sein, wenn sie wenigstens tendenziell auf die Erhöhung der volkswirtschaftlichen P r o d u k t i v i t ä t hinsteuert. Mittel
und Methoden, die die gesamtwirtschaftliche Ergiebigkeit tendenziell herabdrücken, sollte die Beschäftigungspolitik grundsätzlich nicht zur Anwendung bringen, ausser in ganz dringenden Fällen kurzfristiger Überbrückungsmassnahmen. Da der Aussenhandel zweifellos zu den gesamtwirtschaftlich ergiebigsten Erwerbszweigen gehört, bezüglich der realen volkswirtschaftlichen Produktivität vielleicht überhaupt an der Spitze aller schweizerischen Wirtschaftssektoren steht, sollte die staatliche Konjunktur- und Beschäftigungspolitik nach Möglichkeit Massnahmen vermeiden, die auf eine Beengung unseres Warenaustausches mit dem Ausland, besonders aber auf «ine Bfwhränknng unserer Wettbewerbschancen und unserer Exportaussichten hinausläuft.

104 5, Probleme der Inwatit-ionsstimulierung

Unter den beschäftigungspolitischen Handhaben, die der freiheitlichen Demokratie zugänglich sind, verdient die konjunkturgerechte Gestaltung des Steuerwesens erwähnt zu werden. Wir haben bereits im zweiten Abschnitt des ersten Teiles dieses Berichtes darauf hingewiesen (S. 52). Jene Überlegungen zeigten, dass aus Gründen des Staatsaufbaus eine beschäftigungspolitische Handhabe, die ökonomisch zweifellos wirksam wäre und sich gleichzeitig, weil sie auf direkte behördliche Eingriffe ins Marktgefüge verzichtet, don Grundlagen einer freien Gesellschaft gut eingliedern würde, näinlich die Einräumung steuerbegünstigter Arbeitsbeschaffungsreserven der privaten W i r t s c h a f t in unserem Lande bisher bloss in einem sehr begrenzten Umfange zur Anwendung gebracht werden konnte. Das darf uns jedoch nicht davon abhalten, dem Problem, ob und auf welche Weise die Steuerpolitik in den Dienst der Arbeitserhaltung und -beschaffung gestellt werden könne, weiterhin unsere Aufmerksamkeit zu schenken, und zwar auch für den Fall, dass die Hoheit über die direkten Steuern vollkommen an die Kantone zurückfiele. Denn die sich bietende Gelegenheit, private Investitionen und Aufwendungen in der Zeit unzulänglicher Beschäftigung durch eine konjunkturgerechte Fiskalpolitik anzuregen, können auch die Kantone ergreifen, sofern sie die Bedeutung und die Vorzüge dieser beschäftigungspolitischen Methode erkennen. Im Hinblick auf die Pflichten, die dem Bunde durch die neuen Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung im Bereiche der Krisenverhütung und Arbeitsbeschaffung erwachsen, dürfte es wohl zu den Obliegenheiten des Bundesrates gehören, zu gegebener Zeit die Initiative zu einor Zusammenarbeit auf diesem Gebiete einzuleiten und im Einvernehmen mit den Kantonsregierungen abzuklären, welche Möglichkeiten zu einem den Anforderungen der Konjunkturpolitik entsprechenden Vorgehen zum mindesten der industriereichen Kantone beständen.

In diesem Zusammenhange sei auf die weitere Möglichkeit hingewiesen, in Zeiten der Depression Neuinvestitionen dadurch zu erleichtern und zu fördern, dass seitens der Steuerbehörden auf derartigen Anlagen höhere als die normalerweise gerechtfertigten Abschreibungen zugelassen werden.

Dass solche fiskalische Zugeständnisse grundsätzlich die Investitionstätigkeit anzuregen vermöchten, liegt auf der Hand. Ob
sie aber praktisch genügend wirksam sein werden, hängt vor allem von der Gewinnlage der Industrie und des Gewerbes ab. Denn Unternehmungen, die überhaupt ertraglos bleiben, haben an vermehrten Abschreibungen kaum Interesse. Dagegen bietet die Auflösung steuerfreier Arbeitsbeschaffungs- und Inveatitionsrücklagen, die in den Jahren der Hochkonjunktur geäufnet wurden, auch denjenigen Unternehmungen, die keine Gewinne erzielen, Gelegenheit, Betriebsverbesserungön vorzunehmen und anderò Arbeiten auszuführen, um die Konkurrenzkraft zu erhöhen, zu denen sie aber ohne die vorherige Äufnung solcher

105 Beserven mangels ausreichender Mittel bei schlechtem Geschäftsgang gar nicht imstande wären. Die Einräumung erhöhter Abschreibungen dürfte vermutlich zur Zeit des Tiefpunktes einer Depression wenig wirksam bleiben; dagegen wäre wohl zu erwarten, dass sie in der ersten Phase des konjunkturellen Wiederaufstiegs das Tempo der wirtschaftlichen Erholung günstig beeinflussen könnte.

In diese Eichtung weisen auch die Erfahrungen, die das Ausland (so z. B. Österreich und die Tschechoslowakei in den zwanziger Jahren, Deutschland in den dreissiger Jahren) mit der Zubilligung erweiterter Abschreibungen gemacht hat.

Sollte es sich aus den dargelegten Gründen als unmöglich erweisen, auf dem Wege einer konjunkturgerechten Steuorgestaltung in gleicher Weise zu einer Dämpfung der Bau-, Investierungs- und Ausgabenfreudigkeit in der Zeit des Aufschwunges und zu einer Erhöhung des Investitions- und Ausgabenanreizes in der Depressionszeit zu gelangen, so würde dein Bund, um private Anschaffungen und Investierungen in der Phase unzulänglicher Beschäftigung anzuregen, wohl kein anderes Mittel mehr übrig bleiben als das der Subventionierung. Die Ausrichtung öffentlicher Beihilfen für Betriebserneuerungen und -erweiterungen könnte aber unter Umständen eine stärkere Beanspruchung des Finanzhaushaltes mit sich bringen als der Verzicht auf die Besteuerung zweckgebundener Arbeitsbeachaffungsreserven. Auch ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass die Zubilligung von Bundesbeiträgen für Investitionszwecke unerwünschte Verschiebungen der - wirtschaftlichen Wettbewerbsbedingungen nach sich ziehen könnte. Während die auf Grund steuerfreier und zweckgebundener Arbeitsbeschaffungsresorven in Depressionszeiten getätigten Investitionen hauptsächlich eine zeitliche Verschiebung von Aufwendungen bewirken, die ohnehin erfolgt wären, würden mittels der Subventionen für betriebliche Erneuerungen und Verbesserungen grossenteils ausserordentliche Arbeiten eingeleitet, die unter Umständen zu einer Uberdimensionierung von Betrieben führen könnten. Aus all diesen Gründen erscheint bei der Gewährung von Beiträgen für reine Investitionszwecke etwelche Vorsicht geboten.

V. Die Verantwortung der privaten Wirtschaft Es versteht sich, dass in einem System der freien Marktwirtschaft die Arbeitsbeschaffung in erster Linie Aufgabe der
privaten Unternehmungen und Betriebe sein muss. Der Staat soll nur dort helfend und fördernd eingreifen, wo die Eigenkräfte der Wirtschaft zur Aufrechterhaltung eines normalen und befriedigenden Beschäftigungsstandes nicht ausreichen. Unsere Industrie, unser Handel, unser Gewerbe weisen voll berechtigten Stolzes auf die Leistungen hin, die sie aus eigener Kraft vollbracht haben. Sie sind davon überzeugt, dass solche Initiative und Tatkraft nur gedeihe, wenn die Wirtschaft dem Staate gegenüber ein entscheidendes Mass an Freiheit und Unabhängigkeit bewahre.

Aber diese Freiheit wird nur erhalten bleiben, wenn die privaten Unterneh-,

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mungen und Betriebe im Zeichen der Konjunkturrückbildung und Krisengefahr sich vor allen Dingen selber zu helfen wissen und nicht sogleich hilfeheischend an die öffentliche Hand gelangen. Aus diesem Grunde erscheint es angezeigt, dass die schweizerischen Unternehmer in Industrie, Handel und Gewerbe die Krisenabwehr so weit irgend möglich selber anbahnen, und zwar auch dann, wenn solche Massnahmen materielle Opfer auf Seiten der Wirtschaft erfordern.

Die Möglichkeiten, die der privaten Wirtschaft unseres Landes zum Ausgleich der Konjunktur und zur Erhaltung und Beschaffung von Arbeit offenstehen, sind mannigfaltig. Vorab seien die vielgestaltigen Anpassungen und Umstellungen genannt, die jeder Unternehmer im eigenen Betrieb vorkehren sollte, um in der Zeit rückläufiger Konjunktur und zunehmender Konkurrenz den erhöhten Ansprüchen gewachsen zu bleiben. Mancher Betriebsinhaber wird von neuem mit dem Franken zu rechnen beginnen, wird seine Kalkulationen genau nachkontrollieren, administrative Vereinfachungen und technische Verbesserungen durchführen, um die vielerorts erforderlichen Preissenkungen vornehmen zu können, ohne die Existenzgrundlage des Unternehmens in Frage zu stellen. Auch wird sich der Unternehmer wieder mehr um die Kundschaft bemühen und ihre Kauflust durch Darbietung von Neuheiten und Erfindungen wecken, deren Pflege in der Phase der Hochkonjunktur, als die Nachfrage nach den gebräuchlichen Artikeln und Ausführungen kaum befriedigt werden konnte, begreiflicherweise etwas in den Hintergrund getreten war. Genaue Marktbeobachtungen werden vonnoten sein, um den Herstellern zu zeigen, was der Verbraucher von ihnen wünscht und erwartet --- denn im Zeichen des Käufermarktes bestimmen nicht die Erfordernisse der Produktion und das Ermessen des Produzenten, sondern die Begehren der Konsumenten die Absatzmöglichkeiten, War es in den Jahren des Materialmangels vollauf verständlich, dass dio Unternehmungen aus den bloss begrenzt erhältlichen Bohstoffen und Halbfabrikaten vorzugsweise hochwertige, dafür aber auch entsprechend kostspielige Artikel fabrizierten, so muss heute der Bedarf des Verbrauchers an wohlfeileren Sorten und Qualitäten befriedigt werden, um dem Druck der ausländischen Konkurrenz standhalten zu können.

Es darf mit Genugtuung festgestellt werden, dass der weitaus überwiegende
Teil der schweizerischen Unternehmer keineswegs mehr der Auffassung zuneigt, dass eine drohende Depression oder Krise mit rein negativen Massnahmen wie zum Beispiel der Entlassung von Arbeitskräften, der Kürzung von Löhnen und Gehältern, der Einschränkung der Forschung und Werbung gemeistert werden könne. Immer weiter verbreitet sich die Überzeugung, dass positive Anstrengungen sowohl im Bereiche des Einzelbetriebes wie auch im Bahmen der Branche unerlässlich seien, um die Gefahr eines Beschäftigungsausfalls zu bannen. Dieser in unserer Wirtschaft heute glücklicherweise weitherum gefestigten Gesinnung gab der Verwaltungsratspräsidont oinoa dor grösston schweizerischen Industrieunternehmens vor einiger Zeit mit folgenden Worten Ausdruck :

107 «Als Vollendung all ihrer Bestrebungen betrachtet die Leitung die Hebung des Lebensstandards bei allen Mitarbeitern. Sie weiss sehr wohl, dass viele von ihnen von den alltäglichen Sorgen des Daseins bedrückt sind. Es ist ihr kein Geheimnis, dass sie häufig müde und bedrängt von schweren Gedanken ihren Arbeitsplatz verlassen. Hier im Laufe der Zeit Wandel zu schaffen, sieht sie als ihre vornehmste Aufgabe an. Jedoch der Weg ist ein außerordentlich langer, und ungeheuer gross sind die Mittel, die dafür aufgewendet werden müssen. In erster Linie und immer wieder a u f s neue gilt es, den Arbeitsplatz zu erhalten; denn was hülfen alle anderen Bemühungen, wenn es nicht gelingt, die Arbeit aufrechtzuerhalten?» Ein solches Verantwortungsgefühl war es, das bereits vor mehreren Jahren, als mit dem Einbruch einer Beschäftigungskrise nach Beendigung des Krieges gerechnet wurde, zur Bildung p r i v a t w i r t s c h a f t l i c h e r A r b e i t s b e s c h a f fungskommissionen in zahlreichen Industrie- und Gewerbezweigen führte.

Diese Organe setzten sich zum Ziele, jene Massnahmen und Aktionen zur Arbeitserhaltung vorzubereiten, die über den Eahmen und die Möglichkeiten des Einzelbetriebes hinausreichten. In enger Fühlung mit dem Delegierten für Arbeitsbeschaffung haben die Kommissionen sich ihrer Aufgabe mit viel Eifor und Sachkenntnis unterzogen. Wenn in don Jahren dor Hochkonjunktur die Vorbereitung der Arbeitsbeschaffung naturgemäss in den Hintergrund trat, so bilden diese Selbsthilfeorgane doch weiterhin sehr wertvolle Zellen industrieller und gewerblicher Krisenbekämpfung, die je nach den Erfordernissen der Wirtschafts- und Beschäftigungslage unschwer weiter entwickelt werden könnten. Anhand einiger Beispiele soll der Tätigkeitsbereich solcher Arbeitsbeschaffungskommissionen der privaten Wirtschaft kurz umrissen werden.

So hat die Arbeitsbeschaffungskommission des Vereins Schweizerischer Maschinen-Industrieller vor Kriegsende einen Meldedienst für benötigte Arbeitskräfte und abzugebende Arbeiten eingerichtet, um innerhalb der Maschinenindustrie einen gewissen Beschäftigungsausgleich herbeizuführen. Im weiteren hat sie in einer illustrierten Schrift den Vereinsmitgliedern die Möglichkeiten der Selbsthilfe vor Augen geführt. Die Arbeitsbeschaffungskommission des Vereins Schweizerischer
Aluminium-Industrieller schuf eine repräsentative Exportkammer für die gesamte Aluminiumindustrie, die als neutrales Organ die Handelsabteilung des EVD über die speziellen Exportbedürfnisse der einzelnen Branchen orientierte und für eine Verteilung der Exportkontingente sorgte, die der Aufrechterhaltung der Beschäftigung in den einzelnen Betrieben am besten diente. Mehrere Arbeitsbeschaffungskommissionen befassten sich ganz besonders mit den Problemen einer Erneuerung des Produktionsapparates.

Die Arbeitsbeschaffungskommission des Schweizerischen Elektrotechnischen Vereins und des Verbandes Schweizerischer Elektrizitätswerke liess zu Beginn des Krieges ein Kraftwerkprogramm für die kommenden Jahre ausarbeiten, das vom Bundesrat gebilligt wurde und dem weiteren Ausbau der schweizerischen Elektrizitätserzeugung teilweise als Eichtschnur dienen konnte. In diesem Zusammenhange sei auch an die Versuche erinnert, durch Export-

108 g e m e i n s c h a f t e n die Werbung und den Verkauf schweizerischer Erzeugnisse im Ausland zu erleichtern und auszuweiten.

Die Erschliessung neuer ausländischer Absatzgebiete gehört zweifellos zu den wichtigsten und vornehmsten Bereichen privatwirtschaftlicher Selbsthilfe. Wie man weiss, ist unser Güteraustausch mit Osteuropa durch den Zweiten Weltkrieg und die nachfolgenden politischen Ereignisse weitgehend zum Stillstand gebracht worden. Nahe liegt daher der Versuch, für die entschwundenen Exportmöglichkeiten anderweitigen Ersatz zu finden.

In der Tat sind von der privaten Wirtschaft grosse Anstrengungen unternommen worden, den schweizerischen Absatz in den Vereinigten Staaten auszuweiten. Die Uhrenindustrie, die in den USA eine ausgebaute VertreterOrganisation und einen schlagkräftigen Werbedienst besitzt, erzielte damit einen vollen Erfolg. Andere Wirtschaftszweige blieben dagegen im Hintertreffen, weil ihre Organisation nicht stark genug war oder weil die finanziellen Mittel nicht ausreichten. Heute sind Bestrebungen im Gange, die Auslandswerbung für unser Land und unsere Wirtschaft zu koordinieren, um durch Zusammenfassung der verfügbaren Kräfte die bestmögliche Wirkung zu erzielen. Aber die Werbung hat nur dann einen Sinn, wenn eine entsprechende Verkaufsorganisation vorhanden ist, die die Kaufinteressenteii aufklären und rasch bedienen kann. Bevor man zum Aufbau einer solchen Organisation schreitet, ist eine gründliche Erforschung der Märkte erforderlich, um den schweizerischen Hersteller über alle Einzelheiten der Absatzmöglichkeiten, der vorherrschenden Geschmacksrichtung, der Preis- und Wettbewerbsverhältnisse usw. sachgerecht zu orientieren. Grössere Unternehmungen werden wohl imstande sein, die erforderlichen Vorbereitungen auf eigene Rechnung und Gefahr in die Wege zu leiten ; mittlere und kleine Betriebe müssten sich dagegen zur Markterforschung und zum Aufbau der ausländischen Verkaufsorganisationen in geeigneter Weise zusammenschliessen. Es ist klar, dass der Bund solche Bestrebungen durchaus unterstützt, weil jede Exportförderung zum Zwecke der Arbeitserhaltung gegenüber den Bemühungen, durch Einleitung öffentlicher Arbeiten Beschäftigung zu schaffen, einen entschiedenen Vorrang verdient.

Alle dieso Massnahineri werden jedoch kaum ausreichen, um den Facharbeitern in
Industrie und Gewerbe Arbeitsmöglichkeiten in ihren angestammten Berufen zu sichern, wenn die Unternehmungen die Zeit des Beschäftigungsrückganges nicht auch dazu benutzen, ihren Produktionsapparat zu modernisieren und anderweitige Investitionen vorzunehmen. Gemeinhin kann man von der Mehrzahl der Unternehmungen in Depressionszeiten ,kaum verlangen, dass sie ohne besonderen Anreiz grossere Investitionen vornehmen, die mit irgendeinem Eisiko behaftet sind. Hierzu dürfen wohl einzig einige besonders kapitalstarke Grossunternehmungen imstande sein. Hingegen'darf man von der Unternehmerschaft ganz allgemein erwarten, dass sie auch in Depressionszeiten ihre Betriebssubstanz grundsätzlich aus eigenen Mitteln erhält, d. h. den Produktionsapparat nach Massgabe seiner ordentlichen Abnützung

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in normalem Umfang ersetzt, öffentliche Beihilfen sollen der Wirtschaft für solche Aufwendungen nur ausgerichtet werden, sofern unter besonderen Verumständungen Gefahr besteht, dass die Erneuerung des Produktionsapparates unterbleibt und damit Beschäftigungslosigkeit eintritt. In der Eegel sollten die Beihilfen für Erneuerungs- und Erweiterungsarbeiten eingesetzt werden, die den ordentlichen Ersatzbedarf übersteigen, also nicht werterhaltenden, sondern w e r t e r h ö h e n d e n Charakter haben.

Von der privaten Wirtschaft wird im weitem erwartet, dass sie ihre Arbeiterschaft, besonders aber ihr Stammpersonal, im Bahmen des Möglichen d u r c h h a l t e , auch wonn zeitweilig die Beschäftigung nicht für die ganze Belegschaft ausreicht. Es gehört in den Bereich der betrieblichen Selbsthilfe, in solchen Situationen die Arbeit zweckmässig zu strecken und zu verteilen.

In den meisten Betrieben lassen sich bei genügender Umsicht und Voraussicht eine Anzahl Verrichtungen finden, die in den Jahren der Überbeschäftigung zurückgestellt werden mussten, in Zeiten flauen Geschäftsganges aber unter Einsatz eigener Arbeitskräfte nachgeholt werden können. Hierzu gehört z. B.

die Überholung von Maschinen, die Vornahme fabrikatorischer Verbesserungen usw. Dagegen kann im allgemeinen kaum verlangt werden, dass die Unternehmungen die Arbeiter und Angestellten unter Aufzehrung ihrer Rücklagen und Eeserven auf ihren Arbeitsplätzen belassen, ohne ihnen eine nutzbringende Betätigung zu ermöglichen. Denn ein solches Verfahren käme einem Einsatz von Ersparnissen gleich, dem kein volkswirtschaftlicher Gegenwert gegenüberstände. Erheblich sinnvoller erscheint es daher, solche Rücklagen und Eeserven für die Erneuerung des Produktionsapparates, für die Vervollkommnung der Fabrikate, für die Erforschung und Erschliossung neuer Absatzmärkte und ähnliche wertschaffende Verwendungszwecke einzusetzen, durch die der Beschäftigungsstand in wirksamerer Weise und auf weit längere Dauer gehoben würde.

Zweiter- Abschnitt Die Finanzierung der Arbeitsbeschaffung 1. Allgemeine Erwägungen War früher die Meinung weit verbreitet, dass die Öffentliche Hand sich im Zeichen rückläufiger Konjunktur nach Kräften einschränken müsse, so haben heute die nationalökonomische Wissenschaft wie die staatspolitische Praxis erkannt, dass das Übel durch
ein solches Verhalten öffentlicher Körperschaften nur verschlimmert würde. Es wurde in diesem Bericht bereits mehrmals darauf hingewiesen, dass der Staat, der seine Aufträge und Bestellungen in Zeiten guter Beschäftigung zurückhält, um sie in Zeiten schlechten Geschäftsganges zu vergeben, wesentlich zum Ausgleich der Konjunkturschwankungen beitragen kann. Das gleiche gilt grundsätzlich für sämtliche Staatsausgaben: auch da wird dem Wirtschaftskreislauf durch Einsparungen Kauf-

110 kraft entzogen, während umgekehrt durch Mehraufwendungen dem Kreislauf zusätzliche Kaufkraft zugeführt wird. Ergreift die öffentliche Hand in der Zeit der Konjunkturrückbildung, die meist auch im Zeichen verringerter Steuererträge steht, Sparmassnahmen zu dem Ziele, das Budget auszugleichen, so verstärkt und beschleunigt sie daa Abgleiten in die Krise. Ist die öffentliche Hand anderseits in Zeiten des Konjunkturaufschwunges, der meist erhöhte Steuereingänge bringt, dazu geneigt, ihre Ausgaben und Aufwendungen auszuweiten, so vorleiht sie dem konjunkturellen Auftrieb vermehrte Impulse und trägt zu einer unerwünschten Übersteigerung der Beschäftigung bei.

Nur dann vermag der Staat seinem Auftrag, die Konjunktur- und Beschäftigungsschwankungen zu dämpfen, Genüge zu tun, wenn er einer den allgemeinen Konjunkturtendenzon gegenläufigen Ausgabenpolitik zustrebt, d. h. in Zeiten gunstigen Geschäftsganges mit seinen Ausgaben möglichst zurückhält, um sein Ausgaben- und Auftragsvolumen bei rückläufiger Wirtschaftstätigkeit entsprechend heraufzusetzen. Freilich bedingt das, dass der Staat die herkömmlichen Kegeln der Finanz- und Budgetpolitik preisgibt, die einen jährlichen Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben als wünschenswert hinstollen. Er muss sich dazu entschliessen, in den Zeiten günstiger Konjunktur möglichst ausgiebige BudgotüborsehüBse zu erzielen, die es ihm erlauben, in Zeiten schlechter Konjunktur ohne Gefährdung des Staatskredites Defizite in Kauf zu nehmen. Statt des jährlichen Budgetausgleiches zielt eine solche zyklische Budgetpolitik auf den Ausgleich von Einnahmen und Ausgaben innerhalb einer längeren Zeitspanne, vornehmlich innerhalb eines Konjunkturzyklus', ab. Ob die Einnahmenüberschüsse der guten Jahre zur Aufnung eines eigentlichen Krisenfonds eingesetzt werden, auf den der Staat in kommenden schlechten Jahren zurückgreifen kann, oder ob sie zur Tilgung von Schulden verwendet werden, die der Staat in einer zurückliegenden Defizitperiode eingehen musste, ist von keinerlei entscheidenden Bedeutung. Beide Wege weisen eine Anzahl von Vor- und Nachteilen auf, denen man in guten Treuen grösseres oder geringeres Gewicht beimossen kann.

In seiner Botschaft vom 22. Januar 1948 über die Neuordnung des Bundesfinanzhaushaltes äusserte sich der Bundesrat eingehend zur Erage, ob ein solcher
Krisenfonds zu bilden sei. Er kam zum Schiusa, dass eine Eücklage bis zur Höhe von einer Milliarde Franken geäufnet werden sollte, die dem Bunde zur Bekämpfung einer neuen Wirtschaftskrise dienen würde. Demgemäss wurde auch ira Finanzplan für die Jahre 1950 ff. ein jährlicher Aufwand von 100 Millionen Franken für die Verhütung und Bekämpfung von Wirtschaftskrisen in Aussicht genommen. Der Fonds sollte nicht verzinst werden; ebensowenig sollte er dazu dienen, die Mittel geldmassig bereitzustellen. Vielmehr bestand die Absicht, die Bundesgelder im Eahmen der Krisenbekämpfungsmassnahmen auf dem Anleihenswege aufzubringen. In den Beratungen über die Finanzreformvurltige schlössen sich jedoch die eidgenössischen ßäto dioeor Betrachtungeweise nicht an. Sowohl der Ständerat wie der Nationalrat gaben mehrheitlich der Auffassung Ausdruck, dass die für die Äufnung eines solchen Krisenfonds

Ili vorgesehenen Beträge zur zusätzlichen Schuldentilgung verwendet werden sollten. Entscheidend war dabei die Feststellung, dass es praktisch auf dasselbe herauskomme, ob eine zusätzliche Schuld getilgt oder ein Fonds geäufnet würde.

Erfahrungsgemäss wecke ein solcher Fonds die Begehrlichkeiten und schliesse damit die Gefahr in sich, früher als wirklich notwendig neue Staatsausgaben auszulösen, für die er Deckung bringe. Man gebe sich darüber Bechenschaft, dass sich die öffentliche Hand durch eine zusätzliche Schuldentilgung in Zeiten guter wirtschaftlicher Konjunktur ebensogut auf einen neuen Krisenaufwand vorbereiten könne, wie auf dem Wege einer Fondsäufnung.

Hinzugefügt sei, dass die von den eidgenössischen Bäten empfohlene Lösung nur dann ohne nachteilige Auswirkungen auf den Staatskredit und die Währung bleiben wird, wenn der Bund in einer kommenden Periode der Hochkonjunktur tatsächlich zu umfassender Schuldentilgung schreitet. Das setzt voraus, dass Bundesbehörden, Volk und Parlamente der in Zeiten günstiger Konjunktur und reichlich fliessender Steuererträgnisse immer wiederkehrenden Verlockung widerstehen, Ausgaben zu beschliessen, die nicht unbedingt erforderlich sind, oder aber die Steuerbelastung herabzusetzen. Ein übermässiger Einsatz öffentlicher Gelder auch in der Hochkonjunktur, der die Tilgung der in Krisenzeiten aufgenommenen Schulden veruuniüglichön würde, müsste schliesslicli tiefgreifende Gleichgewichtsstörungen im eidgenössischen Staatshaushalt heraufbeschwören.

Eine zweite Überlegung drängt sich im Zusammenhange mit den Problemen der konjunkturgerechten Budgetpohtik auf. Die Ergebnisse beschäftigungspolitischer Massnahmen hängen grossenteils von der Art der Finanzierung solcher Aktionen ab. Wollte die Öffentliche Hand Arbeitsbeschaffungsmittel auf dem Steuerwege bereitstellen, so wäre der beschäftigungspolitische Nutzeffekt von vorneherein in Frage gestellt. Denn in der Begel würden die Steuerleietungen aus Einkommensteilen aufgebracht, die sonst von den Steuerpflichtigen verbraucht worden wären. Der Private verzichtet in diesem Falle also auf Anschaffungen und Ausgaben, die im privaten Wirtschaftsbereiche Beschäftigung schaffen, um dem Staate die Auslösung von Aufträgen und Arbeitsmöglichkeiten im öffentlichen Wirtschaftsbereiche zu erlauben.

Es lässt sich mit Händen
greifen, dass solcherart keine zusätzliche Beschäftigung geboten wird, sondern bloss eine Verlagerung der Beschäftigung vom privaten auf den staatlichen Sektor erfolgt. Das aber kann keineswegs die Aufgabe der staatlichen Beschäftigungspohtik sein.

Zusätzliche Arbeitsgelegenheiten werden nur geschaffen, wenn ihre Finanzierung auf expansive Weise erfolgt. Zu diesem Zwecke muss der Staat Mittel in den Kreislauf leiten, die sonst nicht als wirksame Nachfrage in Erscheinung getreten wären. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Staat die von der privaten Wirtschaft nicht investierten Ersparnisse auf dem Anloihonswogo abschöpft und mittels Vergebung öffentlicher Arbeiten oder Ausrichtung staatlicher Subventionen einsetzt, mit andern Worten, an Stelle der privaten Wirtschaft sich selber verschuldet. Die gleiche Wirkung würde erzielt,

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wenn der Staat zur Kreditschöpfung griffe. Dass die Auflösung eines in guten Zeiten geäufneten Krisenfonds denselben Erfolg herbeiführen würde, sei hier nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Schliesslich wäre unter besondern Umständen noch dor Fall denkbar, dass der Staat bestimmte Steuern, die er zur Deckung früher eingegangener Verpflichtungen erhebt, zeitweilig für Arbeitsbeschaffungsmassnahmen statt zur Schuldentilgung verwendet.

Von der Eegel, dasa beschäftigungspohtische Massnahmen, wenn sie erfolgreich sein sollen, expansiv, d. h. durch Kreditaufnahme oder Kreditschöpfung, finanziert werden müssen, gibt es freilich eine Ausnahme. Restriktiv, das heisst aus dem laufenden Steueraufkommen sollen grundsätzlich solche Arbeitsbeschaffungsmassnahmen finanziert werden, die aus irgendwelchen besondern Gründen inmitten des Wirtsehaftsaufschwunges zur Durchführung gelangen. Als Beispiel solcher Massnahmen seien die kriegsbedingten Arbeitsbeschaffungsaktionen zugunsten bestimmter Branchen wie auch die Förderung des Wohnungsbaues genannt. Hier handelt es sich weniger um die Auslösung zusätzlicher Arbeiten als vielmehr darum, mittels staatlicher Beihilfen eine ArbeitsVerlagerung zugunsten bestimmter benachteiligter Wirtschaftszweige herbeizuführen. Die Finanzierung solcher Massnahmen aus dem laufenden ßteuerertrag erscheint geeignet, don unerwünschten AuftriebBtendonzen entgegenzuwirken, die sonst von solchen Aktionen ausgehen. Ebenso sollte die Bekämpfung örtlicher oder saisonbedingter Arbeitslosigkeit in Zeiten günstiger Allgemeinkonjunktur im Prinzip auf restriktivem Wege, das heisst durch laufende Steuererträge finanziert werden, da es sich auch hier um kurzfristige Arbeitsverlagerungen handelt, eine expansive Finanzierung aber durchaus unwillkommene Übersteigerungen des allgemeinen Beschäftigungsstandes nach sich ziehen könnte.

2. Die Aktionen der Jahre 1939 Us 1949 Der Bund hat in den Jahren 1989 bis 1949 im Kahmen von drei verschiedenen Aktionen erhebliche Beträge zu Arbeitsbeschaffungszwecken zur Verfügung gestellt. Die erste Aktion beruhte auf einer ganzen Eeihe von Bundesbeschlüssen, insbesondere auf demjenigen vom 6. April 1939 über den Ausbau der Landesverteidigung und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der sich im Anhang zur Bundesverfassung findet. Die dem Bundesrat bewilligten Mittel
für diese erste Aktion erreichten insgesamt 222 Millionen Franken; durch Bundesratsbeschluss vom 13. Februar 1946 wurden hievon rund 54 Millionen Franken zugunsten der dritten Aktion abgespalten, so dass noch 168 Millionen Franken zur Verfügung standen. Davon wurden bis Ende 1949 rund 127 Millionen Franken ausgegeben, während der Eest in Form von Bundesbeiträgen zugesichert, aber noch nicht ausbezahlt ist ; verfügbar bleiben im Eahmen der verschiedenen Zweckbestimmungen dieser Aktion auf Ende des abgelaufenen Jahres rund 81 Millionen Franken.

Die zweite Arbeitsbeschaffungsaktion beruht teilweise auf Bundesbeschluss, teilweise auf Bundesratsbeschlüssen. Sie ist, gemessen an den zur

113 Verfügung stehenden Krediten von geringerer Bedeutung und diente in erster Linie der Melioration der Ebeinebene (BB vom 25. September 1941), Sämtliche ihr,zur Verfügung stehenden Mittel-im Umfange von rund 16 Millionen Franken sind bis Ende 1949 in. Anspruch genommen worden, d. h. entweder ausbezahlt oder zugesichert.

Die dritte Arbeitsbeschaffungsaktion beruhte ausschliesslich auf Vollmachtenrecht, insbesondere auf den Bundesratsbeschlüssen vom 29. Juli 1942 und 6. August 1943. Sie diente, wie wir weiter oben dargelegt haben, in beträchtlichem Masse der Förderung des Wohnungsbaues, indem von insgesamt 212 Millionen Franken 187 Millionen Franken · für diesen Zweck bestimmt wurden; hievon sind heute rund 4 Millionen Franken noch frei verfügbar.

Diese dritte Aktion war vorgesehen zur Bekämpfung der auf Ende der Mobilisationszeit allgemein erwarteten Wirtschaftskrise. Für eine ganze Reihe anderer Zwecke im Rahmen der Arbeitsbeschaffung standen annähernd 70 Millionen Franken zur Verfügung, wovon rund 58 Millionen Franken ausbezahlt oder fest zugesichert sind. Aus den Mitteln dieser Aktion wurde ebenfalls die Förderung der wissenschaftlichen Forschung bestritten, für die in don Jahren 1945 bis 1949 5 Millionen Franken aufgewendet wurden.

Insgesamt stand Ende 1949 am dieser dritten Aktion noch ein Botrag von annähernd 16 Millionen Franke a zur Verfügung. Alles in allem wurden im Rahmen dieser drei Aktionen 896 Millionen Franken für Arbeitsbeschaffungszwecke bereitgestellt. Davon wurden bis Ende 1949 849 Millionen Franken ausgegeben, so dass 47 Millionen Franken verfügbar bleiben. Von diesem Betrag sind 81 Millionen Franken zweckgebunden, während die restlichen 16 Millionen Franken als frei verwendbar bezeichnet werden können. Für die Einzelheiten sei auf die Tabellen verwiesen, welche auf Seite 55 bzw. 71/72 im Anhang zur Botschaft betreffend die eidgenössische Staatsrechnung für das Jahr 1949 zu finden sind. Es würde zu weit führen, im vorliegenden Bericht zahlenmässige Einzelheiten wiederzugeben; über die wichtigeren Aktionen ist weiter oben bereits berichtet worden.

Was die Deckung dieser A r b e i t s b e s c h a f f u n g s a u f w e n d u n g e n betrifft, so sei festgestellt, dass einzig fiir die erste Aktion eine solche geschaffen wurde: Durch Bundesbeschluss vom 6. April 1989 wurde
angeordnet, dass zur teilweisen Tilgung der Aufwendungen für die Arbeitsbeschaffung eine Ausgleichssteuer von Unternehmungen des Detailhandels zu erheben sei, deren Umsatz im Detailverkauf in dem der Veranlagung vorausgehenden Jahre den Betrag von 200 000 Franken überstiegen hat. Diese Ausgleichssteuer sollte so lange erhoben werden, bis ihr Ertrag ohne Zins die Summe von 140 Millionen Franken erreicht habe (Art. 8). Gemäss Artikel 4 des gleichen Bundesbeschlusses wurden dem Währungsausgleichsfonds der Schweizerischen Nationalbank 75 Millionen Franken entnommen, so dass von 222 Millionen Franken, die für die erste Arbeitsbeschaffungeaktion dorn Bundesrate zur Verfügung gestellt wurden, deren 215 nach und nach gedeckt werden können. Bis Ende 1949 hat die Ausgleichssteuer rund 68 Millionen Franken eingebracht; zu-

114 sammen mit der erwähnten Entnahme aus dem Währungsausgleichsfonds waren somit Ende 1949 von den 215 Millionen Franken deren 148 Millionen Franken gedeckt.

Für die zweite Arbeitsbeschaffungsaktion sind keine besonderen Deokungsmassnahmen beschlossen worden. Die in ihrem Eahmen verbrauchten Kredite belasteten die ausserordentliche Rechnung des Bundes in gleicher Weise wie etwa die Aufwendungen für den Ausbau der Landesverteidigung, den Aktivdienst oder die Kriegswirtschaft. Ihre Abtragung erfolgte daher bisher im Rahmen dieser ausserordentlichen Rechnung über den Ertrag der ausserordentlichen Kriegssteuern.

Für die Finanzierung der dritten Aktion wurde der Ausgleichsfonds der Lohnersatzordnung gemäss Bundesratsbeschluss vom 7. Oktober 1941 herangezogen. Die Artikel 12 bis 14 des Bundesratsbeschlusses vom 21. Juli 1942 über die Regelung der Arbeitsbeschaffung in der Kriegskrisenzeit bestimmten, dass dio zentralen Ausgleichsfonds dem Bunde die Hälfte seiner Aufwendungen im Rahmen von Arbeitsbeschaffungsaktionen zu vergüten hätten, sofern es sich nicht um bundeseigene Aufträge und Arbeiten handelte ; die gleiche Regelung galt für die kantonalen Aufwendungen (Art. 18 des zit, BRB). Diese Regelung blieb bis Ende 1947 in Kraft; sie mu-ssLe aufgehoben werden, weil die zentralen Ausgleichsfonds der Lohn- und Verdienstersatzordnung auf den 1. Januar 1948 aus Anlass des Inkrafttretens der Alters- und Hinterlassenenversicherung neuen Zweckbestimmungen zugeführt wurden (BRB vom 12. September 1947 betreffend die teilweise Aufbebung der Bundesratsbeschlüsse über Arbeitsbeschaffung in der Kriegskrisenzeit). Von den rund 212 Millionen Franken, die unter Berücksichtigung aller bis zum 1. Januar 1948 erfolgten Beitragszusicherungen für diese Aktion bereitgestellt worden sind, dürften ungefähr 110 bis 115 Millionen Franken aus den ehemaligen zentralen Ausgleichsfonds bzw. aus der Ausgleichssteuer gedeckt sein. Für den Rest der im Rahmen dieser Aktion eingesetzten Mittel gilt sinngemäss, was weiter oben über die Deckung der Ausgaben im Rahmen der zweiten Arbeitsbeschaffungsaktion festgestellt wurde.

3. Die finanzielle Vorbereitung des Bundes Ende 1949 Die nachstehende Tabelle enthält eine Übersicht der Ende 1949 noch verfügbaren Mittel. Diese betragen insgesamt 74,5 Millionen Franken. Davon entfallen 46,5 Millionen
auf noch unverbrauchte Beträge. Hinzu tritt eine Rückstellung aus der dritten Arbeitsbeschaffungsaktion in der Höhe von rund 28 Millionen Franken. Vom Gesamtbetrag sind annähernd 31 Millionen Franken zweckgebunden, 48,6 Millionen Franken für eine neue Arbeitsbeschaffungsaktion noch frei verfügbar.

Beizufügen ist, dass die in der Tabelle verzeichneten restlichen Beträge selbstverständlich im Augenblick ihrer Inanspruchnahme auf dem Voranschlagsbzw. Nachtragswege von den eidgenössischen Räten noch zu bewilligen wären.

Verzeichnis der noch verfügbaren Mittel im Rahmen der Arbeitsbeschaffungsaktionen I-III Rechtsgrundlage

Arbeitsbeschaffung I Kistenpaßstrasse . . . . .

Oberalpstrasse, Oberalpbahn, Lukmanier- und Klausenstrasse Forstwirtschaft Bundesbeiträge an die Arbeitsbeschaffung in den Kantonen

Fr.

Arbeitsbeschaffung III Wohnungsbau Andere Aktionen

Auszahlungen und Zusicherungen Fr.

Noch verfugbare Mittel Fr.

20000000

BB v. 6. 4 . 1939/ BB v. 6. 4 . 1939

15000000 1 654 000

12500000 2500000 219 000 1 435 000

BB v. 11 11.1939 6 4. 1939 BBv, 6 .4 .1939

53 500 000

51 983 700

1516 300

25 000 000

19540000

5460000

225 000 4000000

3820000

225 000 180 000

5 500 000

4 G15 000

77800

Rückstellungen Fr.

19922 200

BB v. 6. 4.1939

Exportforderung . . . . .

Lawinensicherung Berninabahn BB v. 6. 4. 1939 Ausbau der zivilen Luftfahrt BB v. 6. 4 .1939 Förderung dea FremdenverBB v. 6. 4 .1939 kehrs Arbeitsbeschaffung II

Bewilligte Mittel

885 000 90 907 500

voll ausbezahlt bzw. zugesichert BRB v. 29. 7.1942/137 000 000 132836700 6. 8. 1943 69464000 57810300

4163300 11653 700 15 817 000

Total 1+ III

46 724 500

27 741 000

Bückstellung Arbeitsbeschaffung III

Gesamttotal

74465500

w

116 Mit Bezug auf die erwähnten 28 Millionen Franken, welche in Form einer Rückstellung ausgeschieden sind, kann dabei immerhin von einer Deckung zukünftiger Arbeitsbeschaffungsaufwendungen gesprochen werden. Ausser den erwähnten, aus früheren Aktionen stammenden finanziellen Mitteln bestehen weitere Finanzierungsmoglichkeiten, die auf den aus Eingängen der Kriegsgewinnsteuer und der Verrechnungssteuer vorgesehenen Bückstellungen beruhen : a. Nach Artikel 38 des Bundesratsbeschlusses vom 12. Januar 1940/19. Juli 1944 über die Kriegsgewinnsteuer wird von den bezahlten Steuerbeträgen ein Fünftel einem Fonds für Buckerstattungen zugewiesen.

Bückerstattimgen aus diesem Fonds sind unter gewissen Voraussetzungen vorgesehen, wenn der zurückerstattete Betrag zur Förderung der Arbeitsbeschaffung verwendet wird, oder wenn der durchschnittliche Beinertrag, den ein Unternehmen während der Steiierjahre erzielt hat, den durchschnittlichen Beinertrag der Vorjahre nicht überstiegen hat. Für Zwecke der Arbeitsbeschaffung könnten aus diesem Fonds ungefähr 115 bis 120 Millionen Franken zur Verfügung gestellt werden.

b. Ein weiteres Depotkonto ist aus den Eingängen der Verrechnungssteuer gebildet worden. Eine solche Buckstellung schien geboten, weil die jeweiligen Verrechnungssteuer- Jahreseinnahmon mit Bückerstattungsverpflichtungen belastet sind, die erst im folgenden Jahre fällig werden.

Da die Verrechnungssteuer auf einem Vollmachtenbeschluss von zeitlich beschränkter Geltungsdauer beruht, musate mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass verhältnismassig bald die Einnahmen versiegen, aber noch grosse Bückerstattungsansprüche zu befriedigen sein würden.

Für diesen Fall sind in dem Depotkonto 217 Millionen Franken zurückgestellt worden.

Sofern die Verrechnungssteuer, wie es im Bundesbeschluss vom 21. März 1950 über die verfassungsmässige Neuordnung des Bundesfinanzhaushalts vorgesehen war, zur permanenten Fiskalmassnahme erklärt würde, liesse es sich wohl rechtfertigen, über die auf dem Depotkonto verbuchten Beträge für allgemeine Zwecke zu verfügen.

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die beiden Bückstellungen für Zwecke der Arbeitsbeschaffung und Modernisierung unserer Armee ·-- welche beide in einem engen Zusammenhang stehen -- reserviert werden sollen, sobald über ihre Verfügbarkeit Gewissheit besteht.
Aus den beiden genannten Quellen könnten somit unter bestimmten Voraussetzungen für Zwecke der Krisenvorsorge und Arbeitsbeschaffung 337 Millionen Franken bereitgestellt werden. Zusammen mit der weiter oben erwähnten Bückstellung und den noch vorhandenen restlichen Mitteln früherer Aktionen stehen somit unter den erwähnten Voraussetzungen gegenwärtig ubar 400 Millionen Franken zur Verfügung, die für Zwecke der Arbeitsbeschaffung eingesetzt werden können.

117 Diese Mittel dürften ausreichen, um nötigenfalls die ersten Masanahmen einer neuen Krisenbekämpfungs- und Arbeitsbeschaffungsaktion zu finanzieren. Im übrigen werden die erforderlichen Beträge auf dem Kreditwege von den eidgenössischen Bäten bewilligt werden müssen. Das wird zwar voraussichtlich neue Ausgabenüberschüsse im Bundeshaushalt hervorrufen. Solche Fehlbeträge erscheinen jedoch, wie bereits mehrmals dargelegt worden ist, konjunkturpolitisch gerechtfertigt; sie können mit Rücksicht auf die in den Jahren der guten Konjunktur erzielten Einnahmenüberschüsse und die erfolgten Schuldentilgungen auch finanzpolitisch verantwortet werden.

Geldmässig gesehen wird die Finanzierung neuer Arbeitsbeschaffungsaktionen aller Voraussicht nach keine Schwierigkeiten bereiten. Die Bundeskasse ist zurzeit und wohl auch in naher Zukunft in aussergewöhnlich hohem Masse mit flüssigen Mitteln versehen; darüber hinaus wird die Beschreitung des Anleihensweges ohne wesentliche Hindernisse möglich sein. Die schon heute aussergewöhnlich grosse Flüssigkeit des Geld- und Kapitalmarktes würde sich bei einem weiteren Abgleiten der wirtschaftlichen Konjunktur -- zumal in der Anfangsphase -- eher noch verstärken, so dass in dieser Beziehung eine reibungslose Bereitstellung der von den Eäten bewilligten Krisenbekämpfungs- und Arbeitsboschaffungskrodito erwartet worden darf.

4. Finanzierungsfragen bei den eidgenössischen Regiebetrieben Auch die eidgenössischen Betriebe verfügen über ausgedehnte Arbeitsbeschaffungsprogramme, auf die an anderer Stelle hingewiesen wird. Jedoch stehen der Verwirklichung solcher Pläne beträchtliche Schwierigkeiten im Weg, die durch die wenig befriedigende Finanzlage der wichtigsten Bundesbetriebe bedingt sind. Ohne uns in diesem Zusammenhange mit dem weitschichtigen Problem der Finanzierung künftiger Verkehrsbauten und -anschaffungen auseinanderzusetzen, sei immerhin darauf aufmerksam gemacht, dass weder die Bundesbahnen noch die Postverwaltung über die erforderlichen Beserven verfügen, die ihnen die Durchführung eines über den ordentlichen Erneuerungsbedarf wesentlich hinausgehenden Bau- und Auftragsprogramms erlauben würden. Eine finanzielle Festigung der eidgenössischen Betriebe wäre zweifellos auch im Hinblick auf die beschäftigungspolitische Bedeutung dieser öffentlichen Unternehmungen
erwünscht.

Einer gründlichen Prüfung bleibe die Frage vorbehalten, ob und in welchem Umfange die Bundesbetriebe ihre Arbeitsbeschaffungsprogramme durch eine Neuverschuldung finanzieren könnten. Selbstverständlich kommt dieser Weg bloss für Aufwendungen in Betracht, welche zu einer Fjrhöhung nicht allein des Anlage-, sondern auch des Ertragswertes des Vermögens führen.

Denn es versteht sich, dass die Verzinsung und die Amortisation der zu Arbeitsbeschaffungszwecken eingegangenen Verpflichtungen in erster Linie aus dem Betriebsertrag aufgebracht werden muss. Zur Erleichterung solcher Aufträge und Anschaffungen müssten den Bundesbetrieben allerdings in ähnlichem Ausmase Bundesblatt. 102. Jahrg. Bd. II.

9

118 Beiträge des Bundes à fonds perdu gewährt werden wie den kantonalen, kommunalen und privaten Auftraggebern, die in Zeiten mangelnder Beschäftigung durch öffentliche Beihilfe zu zusätzlichen Investitionen angespornt werden.

5. Finanzierungsfragen bei Kantonen und Gemeinden Die Finanzierung des Arbeitsbeschaffungsaufwandes durch die Kantone und Gemeinden ist eine Aufgabe, die in unserm föderativ gegliederten Staatswesen ausBchliesslich vom Ermessen der kantonalen und, im Bahmen der kantonalen Gesetzgebung, von dem der kommunalen Körperschaften abhängt. Wir möchten deshalb davon absehen, unserm Bericht längere Ausführungen über dieses Thema beizufügen -- dies auch darum, weil Kantone und Gemeinden in der Vergangenheit durchaus unterschiedliche Wege einschlugen, um den Finanzbedarf der Arbeitsbeschaffung zu decken, und weil zu erwarten steht, dass die gleiche Mannigfaltigkeit der Finanzierungsmethoden auch in Zukunft walten werde.

Allerdings ist der Bund in hohem Masse daran interessiert, dass die Aufbringung der kantonalen und kommunalen Arbeitsbeschaffungsmittel genau gleich wie die des eidgenössischen Finanzaufwandes mit den Erfordernissen einer konjunkturgcroehton Stouor-, Finanz- und Budgotpolitik im Einklang stehe. Es erschiene wenig sinnvoll, wenn die weiter oben dargelegten Grundsätze des zyklischen Budgetausgleiches zwar von der Eidgenossenschaft als finanzpolitische Leitlinie erwählt, von den Kantonen oder Gemeinden aber kaum beachtet würden. Eine gewisse Koordination der Finanzierungsmethoden erwiese sich in dieser Beziehung zweifellos als sehr erwünscht ; wenn auch keine Bechtsgrundlagen vorhanden sind, den Kantonen hierüber Weisungen zu erteilen (und auch keinerlei Absichten bestehen, solche Bechtsgrundlagen zu schaffen), wird der Bundesrat nicht unterlassen, die Kantone in Form von Kreisschreiben zu gegebener Zeit auf die Vorteile einer konjunkturgemässen Finanzierungspolitik hinzuweisen.

Entscheidende Voraussetzung für den Erfolg der Beschäftigungspolitik ist und bleibt aber, dass die Arbeitsbeschaffungsprogramme nicht allein in technischer Hinsicht bereitgestellt werden, sondern dass auch die finanziellen Vorbereitungen nicht allein beim Bund, sondern ebenso bei den Kantonen und Gemeinden weit genug vorwärtsgetrieben werden. Solange die finanziellen Mittel nicht verfügbar sind,
nützt die beste technische Vorarbeit nicht viel.

Kantone und Gemeinden sollten aber mit der Bereitstellung von Arbeitsbeschaifungsmitteln keinesfalls warten, bis die Einleitung von Massnahmen zur Stützung der Beschäftigung dringlich geworden ist. Solche Mittel können bekanntlich in den meisten Fällen kaum von einem Tag auf den andern herbeigeschafft werden. Übersteigt der erforderliche Betrag die Ausgabenbefugnis der kantonalen Parlamente, so könnte in den meisten Kantonen eine entsprechende Vorlage wohl schwerlich innerhalb eines Zeitraumes von weniger als neun Monaten durchgebracht werden.

119

Es ist daher durchaus zu begrüssen, dass in mehreren Kantonen Anstrengungen unternommen werden, den nratmasslichen Bedarf an Mitteln für die Finanzierung von Arbeitsbeschaffungsmassnahmen zu errechnen in der Absicht, demnächst mit umfassenden und wohlbegründeten Kreditvorlagen vor die Parlamente zu treten. In diesem. Zusammenhange sei daran erinnert, dass ea als Voraussetzung einer wirkungsvollen Beschäftigungspolitik selbstverständlich nicht genügen würde, einzelne Arbeitsbeschaffungsprojekte wie zum Beispiel den Bau einer bestimmten Strasse finanziell zu gewährleisten.

Ebenso wichtig ist, die erforderlichen Mittel bereitzustellen, aus denen die Kantone Beiträge an Arbeitsbeschaffungsmassnahmen der Gemeinden und der privaten Wirtschaft ausrichten können. Gleiches gilt für die Gemeinden, sofern sie von den Kantonen dazu herangezogen werden, die Ausführung privater Arbeitsbeschaffungsprojekte zu unterstutzen. Ohne solche finanzielle Ausrüstung der Kantone bliebo die Beschäftigungspolitik blosses Stückwerk, So käme z. B. die Hotelerneuerung, für die der Bund zu gegebener Zeit Beihilfen auszurichten gedenkt, in denjenigen Kantonen, die ihrerseits keine entsprechenden Beiträge aufzubringen vermögen, überhaupt nicht in Gang.

Gleiches gilt von andern Aktionen, die von der privaten Wirtschaft, von den Gemeinden oder von deren Betrieben projektiert,, von der Eidgenossenschaft und den Kantonen aber auf dem Wege von Arbeitsbeschaffungsbeihilfen mitfinanziert werden sollen.

Die Mittelbeschaffung selber braucht den Kantonen und Gemeinden angesichts der Flüssigkeit des schweizerischen Geld- und Kapitalmarktes rein kredittechnisch keinerlei Sorgen zu bereiten. Die Auflegung kantonaler und kommunaler Anleihen zu massigem Zinsfuss stellt heute und wahrscheinlich noch auf längere Sicht kein schwerwiegendes Problem dar. Auch die Aufnahme kurzfristiger Überbrückungskredite wird kaum auf irgendwelche Hindernisse stossen. Bei früherer Gelegenheit hat sich die Nationalbank überdies bereit erklärt, Arbeitsbeschaffungswechsel der Kantone und Gemeinden zu diskontieren, um diesen auf möglichst einfache und schnelle Art mit den erforderlichen Barmitteln beizuspringen. Auf dieses Angebot werden Kantone und Gemeinden wohl auch in Zukunft gegebenenfalls zurückkommen können.

Dritter Abschnitt Die rechtlichen Grundlagen der
Arbeitsbeschaffung 1. Die geltende Ordnung Die rechtliche Grundlage der Arbeitsbeschaffung bildet gegenwärtig der gestützt auf die ausserordentüchen Vollmachten erlassene Bundesratsbeschluss über die Regelung der Arbeitsbeschaffung in der "Krieggkrieenzeit vom 29, Juli 1942. Er enthält die grundlegenden Bestimmungen für die Beschäftigungspolitik des Bundes, die der Erhaltung und Erweiterung bestehender Arbeits-

120 gelegenheiten, dem systematischen Einsatz freigewordener Arbeitskräfte bei noch vorhandenen Arbeitsgelegenheiten und der Schaffung neuer Arbeitsgelegenheiten dienen soll. Ausdrücklich wird bereits im grundlegenden Beschluss der Vorbehalt angebracht, dass solche Massnahmen vom Bunde nur getroffen werden, sofern und soweit die private Wirtschaft ausserstande ist, aus eigener Kraft ausreichende Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten.

Durch Bundesratsbeschluss vom 6. August 1943 wurden die Vollzugsb e s t i m m u n g e n zum grundlegenden Beschluß» vom 29, Juli 1942 erlassen.

Der Vollzugsbeschluss regelt die einzelnen Arbeitsbeschaffungsaktionen, umschreibt die Bedingungen und Voraussetzungen für die Gewährung von Bundeshilfe und ordnet das Verfahren und die Abrechnung, Auf Grund der beiden Bundesratsbeschlüsse vom 29. Juli 1942 und vom G. August 1943 wurde das mit der Arbeitsbeschaffung betraute Departement (damals das Eidgenössische Militärdepartemont, heute das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement) ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Finanz- und Zolldepartement weitere Verfügungen und Vollzugsbestimmungen zu erlassen.

Da dor Inhalt der beiden Bundesratsbeschlüsse vom 29. Juli 1942 und vom 6. August 1948 im Zwischenbericht des Bundesrates über die vorbereitenden Massnahmen der Arbeitsbeschaffung vom 20. Mai 1944 dargestellt und kommentiert worden ist, konnten wir uns an dieser Stelle kurz fassen. Seit dor Veröffentlichung jenes Zwischenberichtes hat der Bundesrat zu wiederholten Malen weitere Beschlüsse über Arbeitsbeschaffungsfragen gefasst. Soweit solche Erlasse die Anpassung der Bundesbeihilfen an die wechselnden Konjunkturverhältnisse und an die Erfordernisse beschäftigungspolitischer Vorbereitungsmassnahmen bezweckten, ist hierüber im historischen Teil dieses Berichtes alles Notwendige gesagt worden. An dieser Stelle sei jedoch noch auf zwei seit dem Erscheinen des Zwischenberichtes vom 20. Mai 1944 erfolgte Abänderungen der rechtlichen Grundlagen der Arbeitsbeschaffung hingewiesen.

Die erste Abänderung beruht auf dem Bundesratsbeschluss vom 14. August 1945, durch den die Ausführungsvorschriften zum Bundesratsbeschluss betreffend die Begelung der Arbeitsbeschaffung in der Kriegskrisensoeit (Vollzugsbeschluss vom 6. August 194S) durch einen Artikel 29bls ergänzt wurden. Dieser neue
Artikel erlaubt es, die im Anhang zum Bundesratsbeschluss über die Eegelung der Arbeitsbeschaffung in der Kriegskrisenzeit vermerkten Subventionsansätze mit Zustimmung des Delegierten für Arbeitsbeschaffung und der Eidgenössischen Finanzverwaltung zu erhöhen, falls der Bund oder andere Kantone an den Arbeiten und Aufträgen s t ä r k e r interessiert sind als derjenige Kanton, auf dessen Gebiet die subventionierte Arbeit ausgeführt wird.

Das gleiche gilt für Arbeiten, bei welchen Arbeitskräfte beschäftigt werden, die ihren Wohnort ausserhalb des Kantons haben. In diesem zweiten Falle können auch die Wohnortkantone zu einem anteilsmässigen Kostenbeitrag herangezogen werden. Die Neuordnung entsprang der Erkenntnis, dass die Finanzierung von Arbeitsbeschaffungsmassnahmen (zum Beispiel von Strassen-

121 bauten) zuweilen auf erhebliche Widerstände stösst, wenn der Kanton, in dessen Bereich die betreffende Arbeit zur Ausführung kommen soll, dafür weniger Interesse zeigt als die Allgemeinheit oder andere Kantone, Solche Schwierigkeiten will die neue Regelung dadurch überwinden, dass sie einer Erhöhung des Bundesbeitrages bei gleichzeitiger Herabsetzung des Kantonsbeitrages den Weg ebnet. In ähnlicher Weise wird dank der erwähnten Neuordnung der interkantonale Einsatz von Arbeitslosen erleichtert, indem der Kanton, auf dessen Gebiet die Arbeitsstelle liegt, entlastet, dafür aber (ausser der Zusicherung einer erhöhten Bundesbeihilfe) der Wohnkanton zu einer Boitragsleistung herangezogen wird.

Die zweite Abänderung entstammt der Notwendigkeit, don Bundesratsbeschluss über die Eegelung der Arbeitsbeschaffung in der Kriegskrisenzeit vom 29. Juli 1942 in Einklang zu bringen mit der rechtlichen Situation, wie sie durch die Aufhebung der Finanzordnung für Arbeit und Lohnersatz por Ende 1947 geschaffen wurde. Der grundlegende Arbeitsbeschaffungsbeschluss beruhte einerseits unmittelbar auf den ausserordentlichen Vollmachten, anderseits stützte er sich aber auch, wie bereits aus der Präambel hervorgeht, auf den Bundesratsbeschluss vom 7. Oktober 1941 über die Aufbringung der Mittel für Lohnausfallentschädigungon an Wehrmänner sowie für Arbeitsbeschaffung und Arbeitslosenfürsorge (Finanzordnung für Arbeit und Lohnersatz). Die Geltungsdauer des Bundesratsbeschlusses über die Arbeitsbeschaffung wurde in dessen Artikel 23, Absatz 2 sogar ausdrücklich auf diejenige der FinanzOrdnung für Arbeit und Lohnersatz beschränkt. Nach Aufteilung der durch die Lohn- und Verdienstersatzordnung aufgebrachten Mittel gemäss Bundesbeschluss vom 24, März 1947 konnte die Finanzordnung für Arbeit und Lohnersatz auf Ende des Jahres 1947 aufgehoben werden. Um zu verhindern, dass damit auch die Bechtsgrundlagen der Arbeitsbeschaffung dahinfielen, hat der Bundesrat mit Beschluss vom 12. September 1947 betreffend die teilweise Aufhebung der Bundesratsbeschlüsse über die Arbeitsbeschaffung in der Kriegskrisenzeit lediglich diejenigen Bestimmungen der Bundesratsbeschlüsse vom 29. Juli 1942 und vom 6. August 1943 ausser Kraft gesetzt, die mit der Aufhebung des Zentralen Ausgleichsfonds der Lohnersatzordnung gegenstandlos geworden waren,
nämlich Artikel 12 bis 14 des Bundesratsbeschlusses vom 29. Juli 1942 und Artikel 81 und 44 des Vollzugsbeschlusses vom 6. August 1948, die sich auf die Finanzierung der Arbeitsbeschaffung bezogen, sowie Artikel 28, Absatz 2, des Bundesratsbeschlusses vom 29. Juli 1942, der die Geltungsdauer des grundlegenden Arbeitsbeschaffungsbeschlusses mit der Finanzordnung für Arbeit und Lohnersatz verknüpfte, Angesichts der prekären Finanzlage des Bundes und der neuen Situation wie sie hinsichtlich der Finanzierung der Arbeitsbeschaffung durch die Aufhebung der Finanzordnung für Arbeit und Lohnersatz geschaffen wurde, hat der Bundesrat in seinem Beschluss vom 12. September 1947 gleichzeitig auch die Höhe der Kantonsleistungen neu geordnet. Während ursprünglich von den

122 Kantonen nur verlangt wurde, dass in jenen Fällen, in denen sie nicht selbst Träger der Arbeitsbeschaffungsmassnahmen waren, ihre Beiträge die Hälfte der Bundessubvention ausmachen mussten, wurde nunmehr die Bundesleistung von einer kantonalen Leistung "mindestens gleicher Höhe abhängig gemacht (Art. 8, Abs. l, des BEB vom 29. Juli 1942).

2. Überführung des Vollmachtenrechtes in ordentliches Recht

Durch die Volksabstimmung vom 6. Juli 1947 hat das Schweizervolk im Eahmen der neuen wirtschaftlichen Bestimmungen der Bundesverfassung einen Artikel Sl^inquies gutgeheissen, der folgenden Wortlaut hat: «Der Bund trifft in Verbindung mit den Kantonen und der privaten Wirtschaft Massnahmen zur Verhütung von Wirtschaftskrisen und nötigenfalls zur Bekämpfung eingetretener Arbeitslosigkeit. Er erlässt Vorschriften über die Arbeitsbeschaffung. » Damit ist die Krisenverhütung und Arbeitsbeschaffung ausdrücklich zu einer Aufgabe des Bundes erklärt worden. Der Bund hat einen verfassunggmässigen Auftrag zu aktiver Konjunkturpolitik erhalten, der ihn verpflichtet, im Jiahmen der gegebenen Mittel und Möglichkeiten auf einen Ausgleich der konjunkturellen Schwankungen hinzuwirken. Der Weg zur Überführung der auf den ausserordentlichen Vollmachten beruhenden Arbeitsbeschaffungsbeschlüsse ins ordentliche Kecht ist damit klar vorgezeichnet. Dem Bundesrat obliegt die Pflicht, den eidgenössischen Bäten Bericht und Antrag über den Erlass eines Bundesgesetzes über Krisenbekämpfung und Arbeitsbeschaffung zu erstatten. Die Vorarbeiten für eine solche Vorlage sind nahezu abgeschlossen; ein entsprechender Entwurf wird den eidgenössischen Bäten demnächst unterbreitet werden.

In materieller Hinsicht möchten wir der angekündigten Botschaft an die eidgenössischen Eäte nicht vorgreifen. Da sich die vollmachtenrechtlichen Vorschriften über die Arbeitsbeschaffung im ganzen bewährt haben, sieht der Bundesrat keinen Anlass, im Eahmen der verfassungsmässigen Eegelung der Krisenbekämpfung und Arbeitsbeschaffung weitreichende Änderungen gegenüber dem gegenwärtigen Zustand vorzuschlagen. Vor allem denkt der Bundesrat in keiner Weise daran, in die Hoheitsrechte der Kantone einzugreifen oder den Lebensraum der freien Wirtschaft anzutasten. Um so mehr lässt er sich von der Hoffnung leiten, dass dem Zusammenwirken des Bundes, der Kantone und der wirtschaftlichen Unternehmungen und Organisationen eine Form und Zielrichtung gegeben werden könne, die ihm die Erfüllung seines verfassungsmässigen Auftrages ermöglichen würden.

123

3. Teil Das Programm der Konjunktur- und Arbeitsbeschaffungepolitik I. Allgemeines Der zweite Artikel des Bundesratsbeschlusses vom 29. Juli 1942 betraut den Bund mit der Aufstellung eines Gesamtplanes zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, der die Arbeitsmöglichkeiten auf den verschiedenen Gebieten der Wirtschaft aufzeigt. Diese Bestimmung führte mancherorts zu der irrtümlichen Ansicht, dass der Bund sieb zu don Grundsätzen einer staatlich dirigierten Wirtschaft bekenne. Davon kann aber keine Eede sein. Mit doni Begriff «Gesamtplan» ist keinerlei Abkehr vom System der Marktwirtschaft angedeutet; er besagt bloss, dass der Bund die wirtschaftliche Entwicklung unablässig beobachten solle, um jederzeit ermitteln zu können, welche Arbeitsmöglichkeiten unter den ständig wechselnden Verhältnissen in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen geboten würden und wie das Arbeitsvolumen mit geeigneten Mitteln auf einen befriedigenden Stand gehoben werden könne.

Die Geschehnisse im In- und Ausland haben uns belehrt, dass der Beschäftigungspolitik und Arbeitserhaltung kein starrer Gesamtplan ziigrvmdegolegt werden kann, es sei denn, die Bevölkerung fände sich mit einer umfassenden Wirtschaftslenkung und einem zwangsweisen Arbeitseinsatz ab, womit aber unter den gegebenen schweizerischen Verhältnissen eine dauernde Vollbeschäftigung noch keineswegs gesichert wäre. Da kein Zweifel darüber besteht, dass solche Eingriffe in unserem Lande verpönt werden, kann nur eine elastische Handhabung beschäftigungspolitischer Vorkehren in Präge kommen. Diese Elastizität lässt sich erreichen, wenn auf einen Plan mit verbindlichen Punkten verzichtet, dafür aber ein Katalog aller möglichen Arbeiten, Projekte und Beihilfen aufgestellt und ständig nachgeführt wird, unter denen die den jeweiligen Verhältnissen und den Verumständungen des Augenblicks am besten entsprechenden Massnahmen zur Ausführung ausgewählt werden. Nach einigermassen festen Plänen lassen sich allenfalls die ordentlichen und ausserordentlichen Arbeiten der Öffentlichen Hand vorbereiten und vergeben. Aber auch diese Pläne können in einer Abstimmungsdemokratie mit 25 autonomen Kantonen niemals schematisch gehandhabt werden. So haben die Verwaltungen des Bundes, der Kantone und der Gemeinden gemäss den an sie ergangenen Aufforderungen ihre Projekte und Aufträge, die für
kommende Beschäftigungsrückschläge vorbehalten bleiben sollten, planmässig zusammengefasst. Als dann aber statt der befürchteten Nachkriegskrise ein neuer Konjunkturaufschwung um sich griff, wurden ungeachtet wiederholter Abmahnungen zahlreiche Werke ausgeführt, die eigentlich als Arbeitsreserve für schlechtere Zeiten gedacht waren. Gerechterweise muss anerkannt werden, dass manche dieser Arbeiten (z. B. Schulen und Spitäler) im Zeichen der Bevölkerungsvermehrung keinen Aufschub vertrugen; andere öffentliche oder von der öffentlichen Hand unterstützte Arbeiten (z. B. Errichtung von Fest-

124 hallen, Ausstellungs- oder Verwaltungsgebäuden) hätten hingegen sehr gut hinausgeschoben werden können. Obwohl die Planung eines konjunkturgerechten Einsatzes öffentlicher Arbeiten und Aufträge teilweise versagt hat, wird man vom Postulat einer dein Konjunkturablauf gemässen Vergebungspolitik der Behörden keineswegs abweichen dürfen. Was in der Zeit der Hochkonjunktur nicht durchwegs gelang, muss nun im Falle eines Eeschäftigungsmangels mit umgekehrtem Vorzeichen möglich gemacht werden. Auf die Gefahr einer Neuverschuldung hin werden Bund, Kantone und Gemeindon durch Vergebung zusätzlicher Arbeiten und Aufträge einer Ausbreitung der Arbeitslosigkeit entgegenwirken müssen. Ein solches Vorgehen wird wahrscheinlich ebenso gewissen Schwierigkeiten begegnen wie die Bemühungen, in der Phase der Hochkonjunktur bei öffentlichen Aufträgen und Bestellungen grosstmögliche Zurückhaltung zu üben. Behörden und Bevölkerung werden sich aber, wenn es so weit kommen sollte, vergegenwärtigen müssen, dass eine ausreichend beschäftigte und entsprechend steuerkräftige Wirtschaft eine Zeitspanne unausgeglichenen Finanzhaushaltes und ein Anwachsen der öffentlichen Verschuldung ohne Gefährdung der finanzwirtschaftlichen Stabilität verträgt, dass aber eine fortschreitende Schrumpfung der Wirtschaftstätigkeit und der Beschäftigung trotz a.llfin SparmaHsnahmen unser Gemeinwesen beträchtlichen finanziellen und sozialen Schwierigkeiten aussetzen würde. Die Inkaufnahme von Defiziten im öffentlichen Haushalt während der Zeit einer wirtschaftlichen Depression bedingt als notwendiges Korrelat allerdings den entschiedenen Willen, während der Hochkonjunktur, wenn die Steuereinnahmen reichlich fliessen, die in der Krisenperiode entstandenen Schulden zu tilgen und nicht etwa die Ausgaben mit den Einnahmen steigen zu lassen; denn andernfalls müsste die Arbeitsbeschaffung auf die Dauer zu einer Uberschuldung der öffentlichen Hand führen.

Der im Bundesratsbeschluss vom 29. Juli 1942 verwendete Begriff der Gesamtplanung hat jedoch noch eine andere Bedeutung, nämlich die eines möglichst z w e c k g e r e c h t e n und wirkungsvollen Einsatzes der für die Arbeitserhaltung und -beschaffung bereitgestellten Mittel. Es hat sich gezeigt, dass einzelne eidgenössische, kantonale und kommunale Verwaltungen aufschiebbare Arbeiten und Aufträge
nicht, allein zum Zwecke der Krisenbekämpfung zurückstellten, sondern auch in Erwartung der zur Zeit des Beschäftigungsmangels reichlicher fliessenden Bundesbeiträge. Soweit auf diese Weise zusätzliche Arbeitsreserven für die Depressionsperiode geäufnet werden, lässt sich gegen dieses Vorgehen prinzipiell nichts einwenden. Hingegen besteht die Gefahr, dass da und dort versucht werden wird, derartige Arbeiten unter Umständen auch dann mit Hilfe von Bundesunterstützung zur Ausführung zu bringen, wenn in der durch solche Aufträge unmittelbar begünstigten Wirtschaftsgruppe noch keinerlei Arbeitslosigkeit auftritt. Bei der Gewährung von Bundesboiträgon wird man danach trachten müssen, solche vom Gesichtspunkt der Krisenbekärnpfung und Arbeitsbeschaffung wenig erwünschte Erscheinungen zu verhindern. Die für beschäftigungspolitisehe Massnahmen bereit-

125 gestellten Bundesmittel dürfen keinesfalls dazu dienen, Kantonen und Gemeinden die Ausführung von Werken zu erleichtern, die sie ohne eidgenössische Subventionen nur schwer oder überhaupt nicht finanzieren könnten, sofern mit solchen Arbeiten kein konjunktur- und beschäftigungspolitischer Zweck verknüpft ist.

Wir haben bereits früher dargetan, dass Erwerbslosigkeit industriellen Charakters mittels Ankurbelung der öffentlichen Bautätigkeit im allgemeinen nicht sinnvoll bekämpft werden kann. Nur eine beschränkte Zahl der durch industriellen Arbeitsmangel freigesetzten Arbeiter besitzt die Fähigkeit, schwere Handlangerarbeit im Freien leisten zu können. Ohnehin müsste die Hauptarbeit bei solchen Bauten von gelernten Facharbeitern und geübten Handlangern vollbracht werden. "Überdies kommen Arbeiten, die mit wenig geeigneten Leuten ausgeführt werden, unverhältnismasBig teuer zu stehen. Um so mehr muas der Grundsatz gelten, bereitgestellte Arbeiten und Aufträge zweckentsprechend zu vergeben, das heisst Bauarbeiten dann einzuleiten, wenn im Baugewerbe selber Beschäftigungsmangel besteht, Rollmaterial der Eisenbahnen aber dann zu bestellen, wenn die Maschinenindustrie von Arbeitslosigkeit bedroht ist. Nur wenn keinerlei andere Lösungen möglich wären, könnte man es verantworten, Arbeitslose zu berufsfremden Arbeiten heranzuziehen, wobei aber die Auswahl der einzusetzenden Arbeitskräfte wie der bereitzustellenden Arbeiten mit Sorgfalt geschehen soll. Strassenbauten eignen sich zur Beschäftigung Stellenloser zum Beispiel besser als Hochbauten. In allen Fällen wird der Bund darauf dringen, dass die von den eigenen Verwaltungsabteilungen, den Kantonen und Gemeinden angeforderten Beihilfen mit maximaler Wirkung eingesetzt und Fehlleitungen öffentlicher Mittel vermieden werden. Auch mu«s als allgemeiner Grundsatz gelten, dass Projekte, die ausser zur Arbeitserhaltung und -beschaffung auch zur Hebung der volkswirtschaftlichen Produktivität beitragen (z. B. die Erneuerung des Produktionsapparates in Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft und Hôtellerie) bei der Gewährung von Bundesbeihilfen den Vorrang erhalten vor Projekten, die vorwiegend dem K o l l e k t i v k o n s u m dienen (wie z. B. öffentliche Bauten usw.).

U. Organisation und Durchführung der Arbeitsbeschaffung Anfänglich wurden die Probleme der
Arbeitsbeschaffung vom eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement betreut. Weil jedoch dessen Chef durch die kriegswirtschaftlichen Aufgaben ausserordentlich beansprucht war, entschloss sich der Bundesrat, die Arbeitsbeschaffung dem eidgenössischen Militärdepartement zuzuteilen. Die Aufhebung des Aktivdienstzustandes belastete das Militärdepartement wieder in vollem Umfange; anderseits befreite der fortschreitende Abbau der Kriegswirtschaft das VolkswirtsohaftEdepartement von einer grossen Arbeitslast, so dase der Bundosrat es ala gegeben erachtete, die Arbeitsbeschaffung erneut jenem Departement zu unterstellen, zu dem sie natürlicherweise die engsten Beziehungen hat. Die Neuordnung, derzufolge

126

das Volkgwirtschaftedepartement wiederum für alle Arbeitsbeschaffungsmassnahmen verantwortlich ist, trat am 15. März 1948 in Kraft.

Im Frühling 1941 ernannte der Bundesrat einen Delegierten für Arbeitsbeschaffung. Diesem wurde durch Bundesratsbeschluss vom 29, Juli 1942 die Aufgabe Überbunden, in Verbindung mit den Kantonen und der privaten Wirtschaft einen Gesamtplan zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit aufzustellen.

Zu diesem Zwecke untersucht er die Möglichkeiten der Arbeitsbeschaffung in allen Wirtschaftsbereichen. Auch sorgt or für die einheitliche Leitung der erforderlichen Massnahmen. Mit der D u r c h f ü h r u n g der Massnahmen befasst sich der Delegierte jedoch nicht. Somit ist der Delegierte kein A u s f ü h r unga-, sondern ein Planungs- und Koordinationsorgan. Er beobachtet den Ablauf der Wirtschaftskonjunktur, verfolgt die Gestaltung der Wirtschaftslage im Ausland und ihre Auswirkungen auf die Schweiz, ermittelt, den Beschäftigungsstand in don einzelnen Erwerbszweigen, schätzt seine mutmassliche Entwicklung ab und berät mit der Bundesverwaltung, den Kantonen und den Organisationen der privaten Wirtschaft die aus den Umständen hervorgehenden Massnahmen. In den üblichen Gang der Verwaltungstätigkeit greift der Delegierte dagegen nicht ein. Der Vorzug dieses Systems besteht darin, dass beim Aufbau der ArbeitsbeBchaffuugsorgameation des Bundes vormieden werden konnte, ein neues Bundesamt mit einem ausgedehnten Beamtenstab zu schaffen.

Das Bureau des Delegierten umfasst nur wenige Mitarbeiter; dafür werden bestehende Verwaltungen und Organisationen zur Mitwirkung herangezogen.

Dank dem allerseits wahrnehmbaren Willen zur Zusammenarbeit hat sich dieses Vorgehen durchaus bewährt. Dem Delegierten steht eine eidgenössische A r b e i t s b e s c h a f f u n g s k o m m i s s i o n zur Seite, die sich aus Vertretern der öffentlichen Verwaltungen, der Wissenschaft und der Wirtschaft zusammensetzt.

Zur Erleichterung der Zusammenarbeit des Delegierten mit den Verwaltungen des Bundes sind zwei Koordinationskommissionen gebildet worden, deren eine die allgemeinen Arbeitsbeschaffungsmassnahmen behandelt, während sich die andere mit den speziellen Arbeitsbeschaffungsproblemen des Verkehrs befasst. Ausführendes Organ für die Arbeitsbeschaffungsmassnahmen im Bereiche des Bauwesens und für besondere
Massnahmen zugunsten einzelner Berufe und Wirtschaftszweige, die nicht in den ordentlichen Aufgabenkreis anderer Verwaltungsabteilungen fallen, ist die eidgenössische Zentralstelle für Arbeitsbeschaffung, mit der der Delegierte für Arbeitsbeschaffung einen ständigen und engen Kontakt unterhält. Für eine Anzahl anderer Arbeitsbeschaffungsmassnahmen sowie weiterer Massnahmen, die damit im Zusammenhang stehen, wie z. B. die Einführung neuer Industrien, die Handhabung der Exportrisikogarantie, die Heimarbeitsförderung, die Schulungs- und Umschulungsaktionen und die Arbeitsvermittlung ist das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit zuständig. Der Eidgenössischen Fin an z Verwaltung steht ein Mitspracherecht in allen finanziellen Fragen zu, die mit der Arbeitsbeschaffung zusammenhängen.

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Mit den Kantonsregierungen werden von Zeit zu Zeit Konferenzen abgehalten, an denen allgemeine ^Richtlinien der Arbeitsbeschaffung besprochen und die Entwürfe von Bundeserlassen im Bereiche der Arbeitsbeschaffung behandelt werden. Der Behandlung von Sonderfragen dient die Zusammenarbeit des Delegierten für Arbeitsbeschaffung mit den Konferenzen der Jtantonalen Volkswirtschaftsdirektoren, Baudirektoren und Finanzdirektoren, Die meisten grössern Kantone haben überdies besondere Dienststellen bezeichnet und in manchen Fällen Fachleute angestellt, die sich mit den Arbeitsbeschaffungsfragen befassen. Auch diese Organe stehen in engem Kontakt mit dem Delegierten für Arbeitsbeschaffung.

Obgleich der Verkehr des Delegierten mit den Gemeinden grundsätzlich über die Kantone geht, schien es zweckmässig, eine direkte Verbindung mit dem Schweizerischen Städteverband herzustellen. Dieser hat seinerseits eine besondere Arbeitsbeschaffungskornmission gebildet, die sich mit der Aufstellung städtischer Arbeitsbeschaffungsprogramme, wie auch mit den Fragen der Finanzierung, des Wohnungsbaues, der Auftragsvergebung usw. bofasst.

Nach den Bestimmungen des für die Arbeitsbeschaffung grundlegenden Bundesratsbeschlusses sollen die erforderlichen Massnahmen in Verbindung mit dor privaten Wirtschaft vorbereitet weiden. Da «s ein Ding der Unmöglichkeit wäre, mit den rund tausend Branchen- und Berufsverbänden, die in der Schweiz tätig sind, gesondert Fühlung zu nehmen, muss der Delegierte sich darauf beschränken, die Richtlinien der Arbeitsbeschaffung, die Entwürfe für Bundeserlasse, die Finanzierungs- und Steuerfragen mit den Spitzenverbänden zu besprechen, die ihrerseits ihre Mitgliederverbände orientieren.

Der Arbeitsbeschaffungskommissionen der privaten Wirtschaft, die für die positive Einstellung der Berufsverbände ein beredtes Zeugnis ablegen, wurde bereits an anderer Stelle Erwähnung getan. Diese Kommissionen machen selbständige Anregungen und Vorschläge, verhandeln mit den Verbänden, sorgen für die erforderliche Aufklärung und führen Untersuchungen und Erhebungen (zum Beispiel über die Erneuerung des Produktionsapparates) durch.

Bei wichtigen Sitzungen solcher Kommissionen ist der Delegierte für Arbeitsbeschaffung vertreten; ausserdem haben manche Kommissionen besondere Vertrauensleute bezeichnet, denen der Kontakt
mit dem Delegierten obliegt.

Mit den Organisationen der Arbeiter und Angestellten wurde durch drei von gewerkschaftlicher Seite bezeichnete Vertrauensleute eine ständige Verbindung hergestellt.

Der Delegierte für Arbeitsbeschaffung ist gleichzeitig Delegierter des Bundesrates für die wirtschaftliche Landesverteidigung und Delegierter für Landesplanung. Beide Aufgaben stehen in engem Zusammenhang mit der Arbeitsbeschaffung, so insbesondere die Sicherstellung der ausreichenden Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern. Durch diese Personalunion ist eine einfache Geschäftsführung gewährleistet, wobei die in die SchattenOrganisation für Kriegswirtschaft eingegliederten Bundesämter dem Delegierten zur Mitarbeit zur Verfügung stehen.

128 m. Die Bekämpfung des primären Depressionsanstosses l. Langfristige Massnahmen A. Massnahmen von allgemein wirtschaftlicher Bedeutung a. Förderung der wissenschaftlichen Forschung Für die Schweiz mit ihrem hohen Preisniveau ist es von ganz besonderer Bedeutung, dass ihre Exportindustrie der ausländischen Konkurrenz gegenüber einen möglichst deutlichen technischen Vorsprung beibehält. Ohne unablässige Bemühungen um Neuheiten, Verbesserungen und Verfeinerungen wäre dies aber völlig ausgeschlossen. Eine intensive wissenschaftliche Forschung ist hierfür unerlässlich. Die schweizerische Industrie hat deren Bedeutung beizeiten erkannt. Ihre Forschungsstätten und Konstruktionsbureaux wurden selbst während der Kriegsjahro weiterentwickelt und grosszügig ausgebaut. Dagegen besteht die Gefahr, dass die mit der industriellen Forschung verbundenen Aufwendungen in Zeiten der Depression und Krise für viele Unternehmungen untragbar würden. Bis heute hat die Privatwirtschaft mit vollem Becht eine staatliche Unterstützung der industriellen Zweckforschung, die unmittelbar im Betrieb verwurzelt ist, abgelehnt. Doch solito der Bund bei rückläufiger Wirtschaftstätigkeit die Entwicklung verfolgen und insbesondere bei der Vergebung seiner Aufträge darauf hinwirken, dass die Forschung in den privaten Unternehmungen nicht vernachlässigt werde -- dies schon deshalb, weil in manchen andern Ländern auch die zweckgebundene Industrieforschung in staatlichen Laboratorien und Versuchsanstalten betrieben wird, deren Ausgaben sich nicht nach der Wirtschaftslage und den Ertragsverhältnissen der privaten Unternehmungen zu richten brauchen und die daher in Zeiten ungünstiger Konjunktur weit grösseren finanziellen Spielraum besitzen als die privatwirtschaftlichen Forschungsstätten unseres Landes.

Während die Zweckforschung grundsätzlich Sache der Privatindustrie bleiben soll, so ist es Aufgabe der öffentlichen Hand, die nicht zweckg e r i c h t o t e Grundlagenforschung zu fördern. Dies erscheint um so wichtiger, als von der Entfaltung und Intensität der Grundlagenforschung die Entwicklung der Zweckforschung wie überhaupt das Fortschreiten der Technik weitgehend abhängt. Leider findet die zweckfreie Wissenschaft und Forschung in unserem Lande trotz ihrer entscheidenden Bedeutung nicht allein für die Gesamtkultur, sondern auch für
unser künftiges wirtschaftliches Wohlergehen und unsere Beschäftigungsmöglichkeiten immer noch keine ausreichende Förderung. Die Aufsplitterung auf acht Universitäten macht sich ungünstig bemerkbar; die Kantone sind ausserstande, ihre Hoohschulinstitute mit den erforderlichen Mitteln auszurüsten, und Anstalten, in denen sich die Gelehrten frei vom Unterrichtsbetrieb ihren Forschungen widmen können, fehlen unserem Lande sozusagen vollkommen. Auch sind die Hochschulen leider teilweise ausserstande, junge, fähige Kräfte als Assistenten ausreichend zu besolden, was zur Folge hat, dass manche der besten Köpfe ins Ausland

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abwandern, wo sie nicht allein materiell besser gestellt sind, sondern auch erheblich günstigere Arbeitsbedingungen und technische Hilfsmittel vorfinden.

Solche Aspekte können uns keineswegs gleichgültig lassen. Lag vormals die besondere Stärke der Schweiz darin, auf Grund neuer Erkenntnisse und Entdeckungen bisher unbekannte Industrien aufzubauen und neuartige Erzeugnisse auf den Markt zu bringen (z. B. in der Uhrenbranche, der Lebensmittelindustrie, der chemischen Industrie, der Aluminiumerzeugung, dem Maschinenbau und der Elektrotechnik), so hat keine der technischen Entwicklungen, die seit einigen Jahrzehnten international neu in Erscheinung traten (Automobilbau, Flugzeugbau usw.) seitens der Schweiz eine namhafte Förderung erfahren. Diese Feststellung lässt die Frage laut werden, ob daran nicht auch die stiefmütterliche Behandlung der Grundlagenforschung in unserem Lande eine gewisse Mitsciiuld trage.

Dein Problem des Ausbaus und der Entfaltung der zweckfreien Wissenschaft und Forschung muss fortan vermehrte Beachtung geschenkt werden, sollen der Schweiz auch in Zukunft ihre Export- und Arbeitsmöglichkeiten erhalten bleiben. In diesem Bestreben hat der Bundesrat bereits in seinem Besohluss vom 29. Juli 1942 die Forschung als eines der Mittel zur Arbeitserhaltung und -besohaffung bezeichnet und in drei Etappen 6 Millionen Pranken zur Unterstützung der Grundlagenforschung an den Hochschulen bereitgestellt.

Vom Eidgenössischen Militärdepartement wurde am 8. Februar 1944 ein Reglement über die Förderung der wissenschaftlichen Forschung durch Arbeitsbeschaffungskredite des Bundes erlassen, das am 21. Dezember 1949 durch ein entsprechendes Beglement des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes (das inzwischen die Betreuung der Arbeitsbeschaffung übernommen hatte) ersetzt worden ist. Danach können für zusätzliche Forschungen von Hochschulen und wissenschaftlichen Organisationen, die unmittelbar oder mittelbar der Arbeitsbeschaffung dienen, Beiträge des Bundes geleistet werden. Eine vom Delegierten für Arbeitsbeschaffung präsidierte Kommission aus Vertretern der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Bundesverwaltungen begutachtet die eingereichten Gesuche um Unterstützung von Forschungen und stellt dem Departement Antrag. Auf diese Weise gelang es, bis heute 91 Forschungen in Gang zu bringen,
von denen einzelne bereits mit günstigen Ergebnissen abgeschlossen worden sind. Dabei wird man sich jedoch vergegenwärtigen müssen, dass die bescheidene Unterstützung der wissenschaftlichen Forschung im Ausmass von ca. einer Million Franken im Jahr auf die Dauer nicht ausreichen kann, namentlich nicht in Anbetracht der bedeutenden Beträge, die ausländische Staaten für solche Zwecke aufwenden. So bewilligt zum Beispiel Belgien allein für die Grundlagenforschung einschliesslich Beise-.und Ausbildungsstipendien jährlich rund 10 Millionen Schweizerfranken, wozu weitere 2,6 Millionen Schweizerfranken kommen, die einem besondern Fonds entstammen und gleichen Zwecken dienen. Schweden wendet jährlich ungefähr 7 Millionen Schweizerfranken für die wissenschaftliche Forschung auf. Noch erheblich grösser ist der Forschungsaufwand in den Vereinigten S t a a t e n ,

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wo unlängst in einem amtlichen Bericht der Standpunkt vertreten wurde, dass grundsätzlich rund l % des Volkseinkommens für Forschungszwecke jeder Art (Grundlagen- und Zweckforschung) Verwendung finden sollte, wobei die Hälfte des Betrages zu Lasten des Staates, die andere Hälfte zu Lasten der privaten Wirtschaft gehen müsste.

Soweit wird der Bund bei der Unterstützung der wissenschaftlichen Forschung nicht gehen können. Um aber vermehrte Mittel flüssig zu machen und um insbesondere auch Forschungen der Geisteswissonschaften unterstützen zu können, hat die Schweizerische Naturforschende Gesellschaft einen Plan zur Bildung eines Schweizerischen Nationalfonds für wissenschaftliche Forschungen ausgearbeitet. Er wird den eidgenössischen Räten nach der endgültigen ~B er einigung unterbreitet werden. Bis dahin wird der Bund wie bisher wichtige zusätzliche Grundlagenforschungen aus Arbeitsbeschaffungskrediten unterstützen müssen.

b. Massnahmen zugunsten krisengefährdeter G e b i e t e ; E i n f ü h r u n g neuer Industrien Es ist in erster Linie Aufgabe der Kantone, die notwendigen Massnahmen zu ergreifen, die der Hebung der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit besonders gefährdeter Gebiete dienen. Da die Krisengefährdung häufig in der einseitigen Ansiedlung konjunkturempfindlicher Industrien und Gewerbe (z. B. Stickerei oder Uhrenindustrie) zu suchen ist, sollten dio Kantone die Frage prüfen, wie weit andere, den Wirtschaftsschwankungen weniger ausgesetzte Erwerbszweige eingeführt werden könnten. Andernorts ist die Krisenempfindlichkeit der ungenügenden Industrialisierung bei überdurchschnittlichem Bevölkerungsüberschuss zuzuschreiben.

Mancherlei Massnahmen des Bundes, die eigentlich andern Erwägungen entspringen, kommen solchen krisengefährdeten Gebieten mittelbar zugute.

Das trifft vor allem für die Hilfe zu, die in verschiedener Gestalt den Berggegenden entgegengebracht wird. Erinnert sei zum Beispiel an die Bergbauernhilfe, die gemäss Bundesratsbeschluss vom 8. November 1949 unter Leitung des Bundesamtes für Industrie, Gewerbe und Arbeit zusammengefasst worden ist, ferner an die Förderung der Heimarbeit, die besonders der bergbäuerlichen Bevölkerung dient, an die Aktion zugunsten der Hôtellerie usw. Eine wirtschaftspolitische Unterstützung des Bundes gemessen zum Teil auch jene Branchen, die
wegen ihrer örtlichen Zusammenballung die besondere Krisenempfindlichkeit bestimmter Eegionen verursachen, wie zum Beispiel die Stickerei- und die Uhrenindustrie.

Die Förderung der wissenschaftlichen Forschung durch den Bund kann ganz allgemein die Einführung neuer Industrien erleichtern. Aus solchen Erwägungen richtet zum Beispiel das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit einen Beitrag an die Gesellschaft zur Förderung der Forschung an der Eidgenössischen Technischen Hochschule aus. Doch besteht beim "Bund die grundsätzliche Bereitschaft, auch unmittelbar an der Einführung neuer In-

131 dustrien mitzuwirken und notfalls hierfür gewisse Mittel bereitzustellen. Freilich ist dies für die öffentliche Hand eine ziemlich dornenvolle Aufgabe, und zwar nicht zuletzt deswegen, woil durch die Unterstützung solcher Projekte (sofern es sich nicht um ganz neuartige Erzeugnisse handelt) meist bereits bestehende Betriebe konkurrenziert werden. Heute beschränkt sich die Tätigkeit des Bundes zur Hauptsache auf die Beratung der Interessenten, auf die Anbahnung von Verhandlungen und ähnliche vorbereitende Hilfeleistungen, während finanzielle Unterstützungen seit Jahren nicht mehr gewährt worden sind. Seit kurzem unternimmt es das Zentralbureau der Vereinigung für Landesplanung, Interessenten bei der Wahl von Industriestandorten zu beraten. Auf Grund umfassender Erhebungen wurde festgestellt, welche Vorteile die verschiedenen Gemeinden neu eingeführten Industrien bieten können. Es steht zu hoffen, dass es dem genannten Zentralbureau, das bei der Behandlung dieser Prägen eng mit dem Delegierten für Arbeitsbeschaffung zusammenarbeitet, gelingen werde, in don besonders krisenempfindlichen Gebieten einige neue Industrien oder Gewerbe anzusiedeln.

c. Förderung der Konjunkturbeobachtung Die Bedeutung der Konjunkturbeobachtung und -forschung für eine wirksame Arbeitsbeschaffung und Krisenbekämpfung braucht an dieser Stelle nicht besonders hervorgehoben zu werden. "Wenn man die heute vorhandenen regohnässigen wirtschaftsstatistischen Nachweise vergleicht mit dem, was den Behörden etwa zur Zeit des ersten Weltkrieges in dieser Beziehung zur Verfügung stand, so ist der grosse Fortschritt, der in der systematischen Beobachtung und Verfolgung der wirtschaftlichen Vorgänge auch in unserem Lande in den letzten 30 Jahren gemacht wurde, in die Augen springend.

Von seiten des Bundes war es besonders die Errichtung des Eidgenössischen Arbeitsamtes im Jahre 1920 (heute Bundesamt für Industrio, Gewerbe und Arbeit) mit einer speziellen Sektion für Sozialstatistik, welche der Wirtschaftsund Konjunkturbeobachtung starke Impulse verlieh. Die Erhebungen dieser Sektion, deren Eesultate in der «Volkswirtschaft» erscheinen, erstrocken sich über die verschiedensten für die Konjunkturbeobachtung bedeutsamen Gebiete: Grosshandelspreise, Lebenskosten, Arbeitsmarkt, Löhne, Wohnbautätigkeit, Beschäftigungsgrad in der Industrie, Umsätze im Kleinhandel, Streiks, Schlachtungen usw. Weitere Sachgebiete konjunktur- und wirtschaftsstatistischer Natur werden von anderen Stellen des Bundes sowie der Nationalbank betreut. So die Aussenhandelsstatistik durch die Sektion Handelsstatistik der Eidgenössischen Oberzolldirektion, die Verkehrsstatistik durch die Sektion Statistik der SEE und das Amt für Verkehr, die PTT-Statistik durch ihre statistischen Dienste, die Statistik des Geld- und Kapitalmarktes durch die Statistische und Volkswirtschaftliche Abteilung der Schweizerischen Nationalbank, die Fremdenverkehrs- und die Emissionsstatistik (sowie Teil-Produktionsstatistiken) durch das Eidgenössische Statistische Amt, die Energieproduktions-

132 Statistik durch das Amt für Elektrizitätswirtschaft, die Finanz- nnd Steuerstatistik durch die Eidgenössische Steuer- und Finanzverwaltung usw.

Einen namhaften Schritt nach vorwärts auf konjunkturstatistischem Gebiete bedeutete sodann die im Jahre 1982 durch das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement erfolgte Einsetzung der Kommission für Konj u n k t u r b e o b a c h t u n g , welcher neben den wichtigsten wirtschaftsstatistischen Dienstzweigen, dem Delegierten für Arbeitsbeschaffung und der Zentrale für Handelsförderung Vertreter der Wirtschaftswissenschaften sowie Repräsentanten der Hauptgruppen der Wirtschaft -- Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft und Arbeitnehmerschaft -- angehören. Die Aufgaben der Kommission bestehen in der Besprechung und Koordinierung der Methoden und Wege für den weiteren Ausbau der Konjunkturbeobachtung in der Schweiz, in einer zwockmässigen Arbeitsteilung der verschiedenen wirtschaftsstatistischen Dienste sowie in der Abfassung periodischer Berichte über die schweizerische Wirtschaftslage im Rahmen der internationalen Konjunktur. Über diese Darstellung der jeweiligen Wirtschaftslage hinaus hat die Kommission für Konjunkturbeobachtung eine Reihe von Sonderstudien herausgegeben (z. B. über Produktion und. Produktionskostenaufbau verschiedener Industrien, ferner über «Massnahmen zur Inflatibnsverhütung in der Schweiz», über «Die Grundsätze der monetären Konjunkturpolitik in der Nachkriegszeit», über «Grundsätze und Richtlinien für die schweizerische Konjunkturpolitik in der Nachkriegszeit»).

Abgesehen von diesen Bemühungen der Bundesstellen um Verbesserung der Wirtschafts- und Konjunkturbeobachtung in der Schweiz fördert der Bund auch die dahinzielenden privaten Bestrebungen. Er unterstützt durch finanzielle Beiträge die Schweizerische Gesellschaft für K o n j u n k t u r forschung (mit ihrer Konjunkturforschungsstelle an der ETH), die sich unter der Leitung von Prof. Dr, E. Böhler mit diesen Fragen befasst. Eine gewisse Zusammenarbeit besteht auch mit dem Schweizerischen Institut für A u s s e n w i r t s c h a f t und M a r k t f o r s c h u n g der Handelshochschule St. Gallen.

Das statistische Material, das für die Konjunkturbeobachtung unerlässlich ist, wird, wie erwähnt, grössteriteils durch die verschiedenen Amtsstellen des Bundes und der Nationalbank
zusammengetragen. Der sukzessive Ausbau dieser Statistiken war oft mit grosser Mühe verbunden, und es mussten manche Widerstände überwunden werden, um die beteiligten Wirtschaftskreise von der Wichtigkeit der dadurch vermittelten Erkenntnisse und ihrer Bedeutung für eine-konjunkturgerechte Wirtschaftspolitik zu überzeugen. Hingegen besitzen wir keine offizielle Produktions- und Auftragsstatistik. Eine solche wäre sicher wertvoll, um Strukturänderungen in der Produktion und die voraussichtliche Beschäftigung in der nächsten Zukunft erkennen zu lassen. Verschiedene Vorstösse, darunter auch solcha in den eidgenössischen Räten, scheiterten an Bedenken der Organisationen der privaten Wirtschaft und insbesondere auch an technischen Schwierigkeiten. Um so mehr ist zu begrüssen, dass eine Eeihe

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der wichtigsten Branchenverbände sich schon vor drei Jahren bereit erklärten, die Produktions- und Auftragsbestandzahlen dem Delegierten für Arbeitsbeschaffung vertraulich mitzuteilen. Wenn sich diese Zahlen, da sie auf ganz verschiedenen Grundlagen aufgebaut sind, für eine offizielle Statistik auch nicht eignen würden, so verschaffen sie dem Delegierten doch jedes Quartal die Möglichkeit, recht zuverlässige Schlüsse über den Konjunkturverlauf und die Beschäftigungsaussichten für die kommenden Monate zu ziehen. Es ist zu erwarten, dass diese auch den Interessen der Verbände dienende Zusammenarbeit noch ausgebaut werden kann.

Nicht unerwähnt soll endlich bleiben, dass unlängst auf Wunsch des Vorstehers des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements ein besonderes, kleines Gremium f ü r Wirtschaftsfragen geschaffen wurde, das aus Vertretern der wichtigeren wirtschaftlich interessierten Bundesämter und dem Leiter des Instituts für Wirtschaftsforschung an der ETH besteht und dem Departementschef in der Eegel monatlich einen zusammenfassenden Bericht über die Wirtschaftslage unterbreitet.

d. M a t e r i a l b e s c h a f f u n g im Inland Schon zu Beginn des Jahrhunderts machten sich im Ausland protektionistische Tendenzen in der Weise geltend, dass verschiedene Länder neu entwickelten Industrien einen Schutz boten, indem sie durch Gesetz oder Verordnung ihre Verwaltungen anhielten, bestimmte Erzeugnisse nur im Inland zu kaufen. Dies zwang eine Eeihe schweizerischer Unternehmungen, im Ausland Tochterbetriebe zu gründen, wollten sie nicht auf die Belieferung der bisherigen staatlichen Kundschaft verzichten. Diese protektionistische Einstellung hat sich im Laufe der Zeit derart verstärkt, dass in nahezu allen Ländern für die staatlichen Verwaltungen nunmehr die Vorschrift besteht, im eigenen Lande erzeugte Waren nur bei den einheimischen Produzenten zu beziehen. Lediglich die Schweiz machte eine Ausnahme, was sich naturgemäss für unsere Inlandproduktion immer dann ungünstig auswirkte, wenn die ausländische Konkurrenz zu billigeren Preisen anzubieten in der Lage war. Wenn sich der Bundesrat nun, wie im historischen Teil dieses Berichtes erwähnt, zu einem gewissen Schutz der einheimischen Industrie entschloss, so war er sich bewusst, damit an sich gegen die Grundsätze des freien Warenaustausches zu
verstossen. Er ist daher auch bereit, seine Weisungen zu ändern, sobald von den Begierungen anderer Länder Gegenrecht gehalten wird. Eine einseitige Diskriminierung unserer Industrie kann er dagegen nicht hinnehmen, um so mehr als ausländische Unternehmungen den schweizerischen Verwaltungen Waren zu Preisen anbieten, gegenüber denen die einheimischen Produzenten gelegentlich unmöglich aufkommen können. Überdies wird die Höhe dieser Preise oft durch den Wunsch diktiert, sich unter allen Umständen Schweizerfranken zu verschaffen. Der Bundesrat legt daher Wert darauf, dass auch die Kantone und Gemeinden seine Bestrebungen unterstützen, auch wenn sie in gewissen Fällen für die schweizerischen Erzeugnisse höhere Preise ausBundesblatt. 102. Jahrg. Bd. II.

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zulegen haben, als sie ihnen von ausländischen Lieferanten angeboten werden.

Es wäre wenig sinnvoll, unsere Industrie gewisser Preisvorteile wegen der Gefahr der Eeschäftigungslosigkeit auszusetzen, um dann diese mit öffentlichen Mitteln zu bekämpfen.

B. Massnahmen zugunsten der Exportwirtschaft a. Exportrisikogarantie Die unsichern Zahlungsverhältnisse im internationalen Handelsverkehr erschwerten dem schweizerischen Exporteur während der Krise der dreissiger Jahre häufig die Ausnützung bestehender Absatzmöglichkeiten. Daher wurde durch Bundesbeschluss vom 28. März 1984 das Institut der Exportrisikogarantie geschaffen, das das sogenannte politische Eisiko des Exporteurs (d. h. das Bisiko des Währungszerfalls, der Transferunterbindung, des Zahlungsmoratoriums usw.) bis zu einem bestimmten Prozentsatz deckt. Die guten Erfahrungen, die der Bund nicht anders als die Wirtschaft mit der Exportrisikogarantie machte -- sie erwies sich als das beste und zugleich billigste Mittel zur Förderung der Ausfuhr, -- bewegen den Bundesrat, diese Gewährleistung vorsorglicherweise innerhalb der gesetzlichen Grenzen auszudehnen, und zwar bereits im Jahre 1944. So kann die Exportnsikogarantie nunmehr, allerdings zu ermässigten Ansätzen, auf Grund des Verkaufspreises statt der Selbstkosten errechnet werden, da diese namentlich bei grössern Geschäften nicht mit Sicherheit zum voraus ermittelt werden können. Dank den neuen Vorschriften sind sowohl die Banken wie der Bund in der Lage, sich über die Höhe ihrer Garantieverpflichtungen beizeiten Eechenschaft abzulegen. Das ist vor allem in jenen Fällen von Belang, in denen die Garantie einer Bank als Sicherheitsleistung für Kreditgewährungen abgetreten wird. Auch erstreckt sich die Exportrisikogarantie nun auf die vom Käufer geschuldeten Zinsen, die unter Umständen beträchtliche Beträge erreichen. In besondern Fällen kann sie auf das Kundcnrisiko des Exporteurs ausgedehnt werden, und zwar dann, wenn es sich um Lieferungen an eine öffentlich-rechtliche Unternehmung im Ausland handelt. Diese und andere Bestimmungen erlauben den Exporteuren, in der Kreditgewährung an ausländische Kundon wesentlich weiter zu gehen als in den dreissiger Jahren.

Dennoch wurde von verschiedenen Seiten der Wunsch geäussert, der Bund möge noch einen weitern Schritt tun und auch das private Kundenrisiko
in dio Garantieleistung einbeziehen. Demgegenüber glaubt der Bundesrat und mit ihm, gestutzt auf Abklärungen innerhalb der Exportindustrie, auch der Vorort des Schweizerischen Handels- und Industrievereins, dass vorerst keine Änderung des Gesetzes erfolgen solle. Denn die Einbeziehung des Privatkundenrisikos in dio Garantie würde eine wesentliche Heraufsetzung der vom Exporteur zu entrichtenden Prämie erfordern, was eine Erhöhung der Exportpreise und eine Schwächung der internationalen Konkurrenzkraft nach sich zöge. Ferner fürchtet man, dass beim Einbezug des Kundenrisikos in die Exportrisiko-

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garantie die Sorgfalt bei der Auswahl der Kunden leiden konnte. Überdies wäre der Staat auch gar nicht in der Lage, sich ein Urteil über die Kreditwürdigkeit ausländischer Käufer unserer Waren zu bilden, da er nicht über den hiezu erforderlichen Apparat verfügt. Dagegen wird der Bund den Exporteuren insofern entgegenkommen können, als er an die Gewährung der Garantie wiederum weniger strenge Maßstäbe anlegt als in den vergangenen Jahren.

Solange unsere Wirtschaft überbeansprucht war und daher Mühe hatte, allen Exportaufträgen Genüge zu tun, erschien es kaum angebracht, durch Übernahme risikoreicher Geschäfte die Konjunktur vollends auf die Spitze zu treiben. Seitdem die Beschaffung von Auslandsaufträgen wesentlich schwieriger geworden ist und die Frage der Preisgestaltung und Krediteinräumung bei der Vergebung der Aufträge häufig den Ausschlag gibt, kommt der Exportrisikogarantie von neuem eine ähnliche Bedeutung zu wie vor dem Kriege.

Diesem Umstand will der Bundesrat bei der Handhabung der Bestimmungen über die Garantieleistung Eechnung tragen. Dagegen wird er einem weiteren von einzelnen Kreisen der Wirtschaft geäusserten Wunsch, es seien allgemein gültige Eichtlinien für die Gewährung der Exportrisikogarantie aufzustellen, nicht entsprechen können. Wenn er auch anerkennt, dass damit die Verhandlungen der Exportunternehmurcgen mit ausländischen Kunden etwas erleichtert würden, so ist doch darauf hinzuweisen, dass sich die Verhältnisse bei jedem Auslandgeschäft verschieden präsentieren und demgemäss individuell behandelt werden müssen. Es steht aber jedem Exportunternehmen und jeder Bank frei, sich vor der Anbahnung von Geschäften bei der Geschäftsstelle der Exportrisikogarantiekommission über die Möglichkeiten und Bedingungen der Garantiegewährung zu erkundigen.

b. Kapitalexport Die Anlage von Kapitalien im Ausland gehört unter halbwegs normalen Verhältnissen zu den unerlässlichen Vorbedingungen des Gedeihens unserer Wirtschaft. Denn die Kapitalbildung ist in unserm Lande im allgemeinen grösser als die Gelegenheiten lohnender Vorwendung, so dass die Kreditgewährung ans Ausland zur notwendigen Entlastung des heimischen Kapitalmarktes gehört. Auch dienen die Erträgnisse schweizerischer Auslandanlagen und -guthaben gleichzeitig zum Ausgleich unserer Ertrags- und Zahlungsbilanz. Allein aus diesen
Gründen wäre es wenig weitsichtig, unter Hinweis auf ehemals eingetretene Verluste aus Kapitalexportgeschäften die Kapitalausfuhr zu verurteilen, wie es da und dort geschehen ist, Eichtig ist dagegen, dass in Anbetracht der unstabilen Lage der meisten kredit- und kapitalsuchenden Länder bei solchen Geschäften grosse Umsicht und Vorsicht geboten erscheint. Das gilt besonders für dio beim Kapitalexport mitwirkenden Banken, die als Treuhänder die Interessen ihrer Kunden wahren müssen. Mag der ausländische Kreditnehmer eine private Unternehmung, eine öffentliche Kütperschaft oder ein Staatsbetrieb sein -- grundsätzlich sollte die Kapitaltransaktion nur erfolgen, wenn die Bonität des Schuldners erwiesen ist, wenn man seiner

136 Vertragstreue vertrauen darf und wenn die Handels- und Zahlungsbilanz der Schweiz mit dem Lande, in dem er sein Domizil hat, den Transfer der Zinsen und Kapitalrückzahlungen gewährleistet. Solange im Zeichen der Währungskontrollen und der Transferbeschränkungen zwischenstaatliche Zahlungsabkommen erforderlich sind, bedarf es auch im Falle des schweizerischen Kapitalexportes besonderer Vereinbarungen, um die Bücküberweisungen sieherzustellen. Die Mitwirkung des Bundes beim Kapitalexport wird aber auch dadurch begründet, dass der Schweizerischen Nationalbank durch das Bankengesetz von 1984 die Befugnis eingeräumt wurde, gegen Auslandanleihen und grössere Auslandkredite Einsprache zu erheben, wenn sie wichtigen Landesinteressen zuwiderlaufen.

Für die Förderung unserer Ausfuhr zum Zwecke der Arbeitserhaltung und Arbeitsbeschaffung fällt dem Kapitalexport heute wieder eine ganz besondere Bolle zu, da in manchen Fällen die Kreditgewährung die einzige Möglichkeit bleibt, um Aufträge aus dem Ausland zu erlangen. Es hat sich gezeigt, dass die Schweiz den Konkurrenznachteil des hohen Preises zuweilen dadurch wettmachen kann, dass sie den ausländischen Bestellern günstige Zahlungsbedingungen einräumt, ohne die der Ausländer seinen Bedarf in Ländern mit niedrigerem Preisstand befriedigen würde. Mittelfristige Kreditgeschäfte spielen bei solchen Zahlungserleichterungen eine Hauptrolle. Aber solche Geschäfte bieten für die Banken vor allem dann beträchtliche Bisiken, wenn die Vergünstigungen von Ländern beansprucht werden, deren Wirtschaft noch wenig entwickelt oder noch nicht wiederhergestellt ist. Wird bei der Beurteilung des Bisikos der bankmässig erforderliche strenge Maßstab angelegt, so entgehen der schweizerischen Industrie mancherlei wertvolle Exportaufträge. Bei den langfristigen Kreditgeschäften und bei der Gewährung von Anleihen gelten grossenteüs ganz ähnliche Erwägungen. Man darf übrigens nicht, erwarten, dass stets der volle Anleihensbetrag an Warenbezüge aus der Schweiz gebunden werden könne. In der Begel kommen solche Transaktionen bloss zustande, sofern die schweizerischen Kreditgeber sich bereiterklären, dem Kreditnehmer einen bestimmten Teil der Anleihenssumme in frei verwendbaren Franken zur Verfügung zu stellen. Da aber bei dem zurzeit herrschenden Mangel an Schweizerfranken in allen
Ländern mit manipulierter Währung auch die zusätzlich zur Verfügung gestellten Devisen wohl häufig auf dem Umwege über Drittländer wieder für Einkäufe in der Schweiz Verwendung finden, kann gegen dieses Zugeständnis auch vom Standpunkt der Exportförderung und Arbeitsbeschaffung kaum ein Widerspruch erhoben werden.

Soll der Kapitalexport in einer Art und einem Umfang in Gang gebracht werden, die einem möglichst umfassenden Teil unserer Exportwirtschaft dient, so werden sich möglicherweise gewisse Zugeständnisse zugunsten der Auslandkredite gewährenden Banken nicht umgehen lassen. Die Exportrisikogarantie des Bundes, die nicht für solche Fälle gedacht war, dürfte in der Eegel wohl kaum ausreichen. So wäre zum Beispiel die Zulassung von Forderungen, die aus Kreditgeschäften mit dem Ausland stammen und der Exportförderung

137 dienen, zum Eediskont bei der Nationalbank über die ordentliche Limite hinaus ein Schritt, der zweifellos geeignet sein könnte, allfällige Liquiditätsschwierigkeiten der Banken im Zusammenhang mit solchen Transaktionen zu verhüten.

Auch möchte der Kreditgeber begreiflicherweise die Gewähr haben, dass seine Ansprüche auf den Zins- und Kapitaltransfer nicht zugunsten anderer Forderungen zurückgestellt werde. Die Losung «Arbeit geht vor Kapital», die anlässlich der Transferdiskussionen der dreissiger Jahre gelegentlich laut geworden ist, kann auf solche Kreditgeschäfte keine Anwendung finden: wer Kapital zur Finanzierung von Auslandgeschäften bereitstellt, s c h a f f t bereits Arbeit, indem er schweizerische Lieferungen in die kreditnehmenden Länder ermöglicht. Er sollte daher beim Abschluss zwischenstaatlicher Transferabkommen nicht benachteiligt werden.

Zurzeit laufen Unterhandlungen zwischen den Bundesbehörden und den Banken, die über die Bedingungen Klarheit schaffen sollen, unter welchen der Kapitalexport im Dienste der Ausfuhr und der Arbeitserhaltung gefördert werden könnte.

c. Hilfe an unentwickelte Länder Das Problem der technischen Unterstützung wirtschaftlich zurückgebliebener Länder ist seit einiger Zeit stark in den Vordergrund gerückt worden. So hat der amerikanische Präsident in seiner Inauguraladresse vom Januar 1949 die Entwicklung rückständiger Gebiete als eines der wichtigsten Ziele seiner Amtszeit bezeichnet. Zur Koordinierung der einzelnen internationalen Bemühungen auf diesem Gebiete soll durch die Vereinigten Nationen ein sogenanntes «Technical Assistance Board» geschaffen werden. Für unser Land treten die politischen Aspekte dieser Bestrebungen freilich in den Hintergrund.

Humanitäre und wirtschaftliche Erwägungen veranlassen uns aber, keineswegs abseits zu stehen, sondern uns sowohl durch Beteiligung an den multilateralen Abkommen wie auch durch zweiseitige Vereinbarungen in diese bedeutende Aufgabe einzuschalton. So verhandeln schweizerische Stellen schon heute über die Durchführung von Vermessungen und kartographischen Aufnahmen im Ausland wie auch über die Beiziehung schweizerischer Finanz- und Wirtschaftsexperten durch fremde Begierungen.

Um eine Zusammenarbeit der an diesen Problemen beteiligten Verwaltungen und privaten Wirtschaftskreise zu gewährleisten,
wurden eine neungliedrige Koordinationskommission unter dem Vorsitz des Präsidenten des Schweizerischen Schulrates und ein Arbeitsausschuss bestellt. Ausserdem hat der Bundesrat aus Arbeitsbeschaffungsmitteln einen Kredit von 200 000 Franken bereitgestellt, der es den schweizerischen Fachleuten erleichtern soll, Verhandlungen mit den interessierten Ländern anzubahnen und durchzuführen.

Über eine allfällige Mitwirkung der Schweiz bei der Aktion der Vereinigten Nationen kann erst Beschluss gefasst werden, wenn ein genauer Arbeitsplan vorliegt.

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d. Erschliessung neuer Absatzgebiete Die ErschliesßTing und Bearbeitung auswärtiger Märkte wird immer in erster Linie Sache der unmittelbar interessierten Unternehmungen und Wirtschaftszweige bleiben. Angesichts der Bedeutung, die die Gewinnung neuer Absatzmöglichkeiten an Stelle der weitgehend verlorenen Exportmärkte zukommt, kann der Bund dabei aber nicht vollständig abseits stehen. Da die Exportförderung die zweckmässigste Arbeitsbeschaffung ist, glaubt der Bundesrat, dass sich unter ganz besonderen Umständen auch ein Einsatz öffentlicher Mittel für die Erforschung und Erschliessung neuer Märkte rechtfertigen würde.

Wesentlich erscheint selbstverständlich die Mitarbeit der staatlich unterstützten Zentralen für Handels- und Vorkehrsforderung, Überdies trägt der Bund durch die Mitwirkung des diplomatischen Dienstes, der Handelsabteilung und des Delegierten für Arbeitsbeschaffung zur Erreichung der angestrebten Ziele bei.

Die mit der Erschliessung neuer Absatzgebiete zusammenhängenden Probleme bilden zurzeit Gegenstand von Besprechungen der zuständigen Bundesstellen mit den interessierten privaten und gemischtwirtschaftlichen Organisationen.

e, Handelsvertretungen und Zentrale für H a n d e l s f ö r d e r u n g Es unterliegt keinem Zweifel, dass unsere staatlichen Vertretungen im Ausland erheblich zur Ausdehnung des Wirtschaftsverkehrs beitragen können.

Aus dieser Erkenntnis hat der Bund nach Kriegsende den diplomatischen und konsularischen Apparat erweitert und gemäss dem Wunsche der Wirtschaftsund Exportkreise weitern Gesandtschaften besondere Handelsattaches beigegeben. Auch bei den Konsulaten wurden in vermehrtem Masse kaufmännisch und wirtschaftlich geschulte Beamte eingesetzt. Als Institution für dio Vertreterorganisation im Ausland, den Bezugsquellennachweis, ferner für die WirtBchaftsbeobachtung, Marktforschung und Werbung leistet die Schweizerische Zentrale für Handelsförderung wertvolle Dienste. Der Bundesrat wird der Frage, ob und in welcher Weise diese Organe noch nachhaltiger in den Dienst der Exportförderung und Arbeitserhaltung gestellt werden können, weiterhin seine volle Aufmerksamkeit zuwenden.

G. Massnahmen zugunsten der Sauwirtschaft a. L e n k u n g der öffentlichen Bautätigkeit Der konjunkturgerechte Einsatz öffentlicher Arbeiten und Aufträge wird vom Internationalen
Arbeitsamt als eines der besten Mittel zur Erhaltung einer ausreichenden Beschäftigung bezeichnet. Die Internationale Arbeitskonferenz von Philadelphia hat im Jahre 1944 in einer Eesolution den Regierungen, empfohlen, der Frage besondere Aufmerksamkeit zu widmen, wie der Bythmus in der Ausführung von Arbeiten und Aufträgen geregelt werden könne, um in Zeiten der Vollbeschäftigung den Bedarf an Arbeitskräften einzuschränken und ihn in Zeiten drohender Arbeitslosigkeit zu verstärken.

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Der Bund bat bereits im Jahre 1941 die Notwendigkeit des konjunkturgerechten Einsatzes von Arbeiten und Aufträgen verkündet, da er diese Methode als einen der billigsten und -wirksamsten Wege zur Erhaltung eines befriedigenden Beschäftigungsgrades erkannte. Es sei in diesem Zusammenhange daran erinnert, dass in den Jahren 1929 bis 1981 die Exportkonjunktur zu einer übermässigen Steigerung 'der Bautätigkeit führte, da die reichlichen Steuereinnahmen die öffentliche Hand zur Ausführung grosser Arbeiten veranlassten. Die Überbeschäftigung im Baugewerbe erforderte die Beiziehung von 35 000 ausländischen Facharbeitern. Wenige Jahre später brach die Baukonjunktur zusammen ·-- die Bauaufwendungen sanken von 1866 Millionen Franken im Jahre 1981 auf 781 Millionen Franken im Jahre 1986, und mehr als 45 000 schweizerische Bauarbeiter blieben beschäftigungslos. Weil die öffentliche Hand Wirtschaftskrisen nur dann wirksam bekämpfen kann, wenn sie in der Lage ist, langfristig zu disponieren, hat der Bund seine Verwaltungen und die Kantone aufgefordert, im Hinblick auf die befürchtete Nachkriegskrise beizeiten ein Mehrjahresprogramm der öffentlichen Arbeiten aufzustellen und die Gemeinden zu einem gleichen Vorgehen zu veranlassen. Als diese Programme vorlagen, zeigte sich da und dort, dass manche Arbeiten auf einmal als dringlich angesehen wurden, an deren Ausführung man wenige Jahre zuvor kaum gedacht hatte. Man gewann am Plan eines neuen Schulhauses, eines Gemeindegebäudes, einer Kirche, neuer Verbindungswege usw. Geschmack und empfand den Wunsch, das Projekt möglichst 'schnell verwirklicht zu sehen -- dies namentlich dann, wenn die erforderlichen Mittel bereits bewilligt waren. Die Gefahr bestand, dass das für die Depressionszeit vorbereitete Programm der off entheben Arbeiten in beträchtlichem Umfange vorweg verwirklicht würde, als nach Kriegsende der befürchtete Konjunkturrückschlag ausblieb und statt dessen eine eigentliche Hochkonjunktur einsetzte.

Im historischen Teil dieses Berichtes wurde eingehend dargelegt, in welcher Weise der Bundesrat darauf hinwirkte, dass die mit Erfolg eingeleitete langfristige Lenkung der öffentlichen Bautätigkeit nicht durch vorzeitige Inangriffnahme der für die Zeit des Beschäftigungsmangels vorgesehenen Pläne und Programme durchkreuzt werde. Da die dort kurz zusammengefassten
Kreisschreiben an die Kantonsregierungen die Stellungnahme des Bundesrates deutlich erkennen lassen, können wir uns hier weiterer Ausführungen zu diesem Problem enthalten.

&. Förderung der Orts- und Eegionalplanung Im Zusammenhang mit der Aufstellung eines Gesamtplanes zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit verlangt der Bundesratsbeschluss vom 29. Juli 1942 ausdrücklich, dass den Grundsätzen der allgemeinen Landesplanung nach Möglichkeit Rechnung zu tragen sei. Damit wurde zum erstenmal der Begriff der Landesplanung in oinem eidgenössischen Brlass verankert, nachdem bereits im Jahre 1937 eine Schweizerische Landesplanungskommission gegründet worden war, die 1942 in der Schweizerischen Vereinigung für Landesplanung aufging.

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Es ist auf Grund der geltenden Verfassung ausgeschlossen, die Landesplanung als Bundessache durchzuführen. Vielmehr bleibt es den Kantonen und Gemeinden vorbehalten, die Nutzung des Bodens sinnvoll vorzubereiten und die Grenzlinien zwischen den der Industrie, der Landwirtschaft, der Besiedlung und dem Verkehr zufallenden Eäumen zu ziehen. Sache der Vereinigung für Landesplanung, der die meisten Kantone und zahlreiche Gemeinden angehören, wird es dabei sein, die Verbindung zwischen den verschiedenen Behörden und der privaten Wirtschaft herzustellen, die Grundsätze für die Durchführung der Landesplanung auszuarbeiten und für die erforderliche Aufklärung der Öffentlichkeit zu sorgen. Die Unterstützung, die der Bundesrat diesen Arbeiten angedeihen lassen möchte, brachte er neben bescheidenen finanziellen Beiträgen dadurch zum Ausdruck, dass er den Delegierten für Arbeitsbeschaffung gleichzeitig zum Delegierten für Landesplanung ernannte.

Der Vereinigung für Landesplanung fällt die Prüfung der im Arbeitsbeschaffungsprogramm des Bundes vorsorglicherweise bereitgestellten öffentlichen Arbeiten vom Standpunkt der Landesplanung zu. Es muss versucht werden, die verschiedenen Projekte unter diesen Gesichtspunkten aufeinander abzustimmen, um zu verhindern, dass die einzelnen Programme einander überschneiden, dass sio zu Kapitalfehlleitungen oder zur Verschwendung nutzbaren Bodens führen. Tatsächlich erwies sich die Eegional- und Ortsplanung als eines der ergiebigsten Hilfsmittel, um die Arbeitsbeschaffungsprogramme der Gemeinden auf einen befriedigenden Stand zu bringen. Doch hat sich gezeigt, dass seit Sistierung der finanziellen Beihilfen des Bundes gemäss Bundesratsbeschluss vom 27. Dezember 1946 die Begional- und Ortsplanung fast gänzlich zum Stillstand gekommen ist. Fortan blieben daher auch die günstigen Auswirkungen auf die Arbeitsbeschaffungsprogramme aus. Da heute jedoch die Vorbereitungen für die Arbeitsbeschaffung erneut intensiviert werden, um die noch vorhandenen regionalen und lokalen Lücken auszufüllen, muss nach Mitteln und Wegen gesucht werden, die Eegional- und Ortsplanung wiederum in Gang zu bringen. Der Bundesrat hat daher am 24. Oktober 1949 beschlossen, zur Förderung der Eegional- und Ortsplanung in Gemeinden, in denen die Vorbereitungen für die Arbeitsbeschaffung .noch nicht genügen,
eine Bundeshilfe zu gewähren, soweit eine solche im Hinblick auf die Vorbereitungen für die spätere Arbeitsbeschaffung tatsächlich unumgänglich erscheint.

c. Vorsorgliche Subventionierung von Arbeitsbeschaffungsprojekten Die Vorbereitung der Arbeitsbeschaffung auf dem Bausektor bedeutet in den meisten Fällen die vorsorgliche Projektierung von Arbeiten, die erst in einem spätem Zeitpunkt zur Ausübung kommen sollen. Auf diese Weise gelangt die öffentliche Hand zu einem Vorrat an ausführungsreifen Plänen, die bei drohender Arbeitslosigkeit ohne Verzögerung in Angriff gonommen werden können. Als auf Kriegsende allgemein mit einem Konjunkturrückschlag gerechnet wurde, entschloss sich der Bundesrat, die vorsorgliche Projektierung

141 von Arbeitsgelegenheiten auch finanziell zu unterstützen, um Kantone und Gemeinden zu einer schnelleren Bereitstellung der erforderlichen Arbeitsreserven zu veranlassen. Mit der Beihilfe für Projektierungsarbeiten sollten gleichzeitig unterbeschäftigten Architektur- und Ingenieurbüros Aufträge vermittelt werden.

Die Beitragsleistung an die Projektierungskosten wurde wieder eingestellt, als die befürchtete Krise ausblieb.

Durch den unter lit. fc weiter oben erwähnten Bundesratsbeschluss vom 24. Dezember 1949 wurde die finanzielle Unterstützung vorsorglicher Projektierungen in beschränktem Umfange erneut aufgenommen. Und zwar soll neben den Arbeiten der Eegional- und Ortsplanung fortan auch die Planung und Projektierung des schweizerischen Durchgangsstrassennetzes finanziell unterstützt werden.

2. Kurzfristige Massnahmen A. Massnahmen zugunsten der Exportwirtschaft a. Förderung von Dreieckgeschäften Der gegenüber vielen Ländern zweiseitig gebundene Handels- und Zahlungsverkehr hemmt den internationalen Güteraustausch in erheblichem Masse.

Länder, die an und für sich Bedarf an schweizerischen Erzeugnissen hätten, geben keine Bestellungen auf, weil es ihnen an Devisen gebricht und sie an Zahlungs statt keine von der Schweiz begehrten Waren liefern können. Manche Industrie- und Handelsunternehmungen haben sich daher entschlossen, die Exportmöglichkeiten nach solchen Ländern dadurch auszuweiten, dass sie als Gegenleistung für die Lieferung schweizerischer Erzeugnisse Waren bezogen, die sie in der Schweiz zwar nicht absetzen, dafür aber an Drittländer verk a u f e n konnten, die uns ihrerseits erwünschte Artikel zu liefern oder in Devisen zu bezahlen vermochten. Derartige Dreieckgeschäfte verteuern aus verständlichen Gründen die ausgetauschten Erzeugnisse, und zwar, sofern zusätzliche Transportkosten und Zollbelastungen entstehen, gar nicht unbeträchtlich. Solange die Gewinnlage unserer Exportindustrie fast durchwegs gut war, konnte sie solche zusätzliche Kosten in Gestalt von Prämienzahlungen ohne besondere Mühe übernehmen. Zum Teil ging die Ausrichtung derartiger Prämien zu Lasten der Gewinnmarge. Heute, wo der Druck der ausländischen Konkurrenz stärker und stärker wird, begegnet der Abschluss solch komplizierter und kostspieliger Dreieckgeschäfte zunehmenden Schwierigkeiten. Gleichzeitig zeigen
andere Industriestaaten eine erhöhte Bereitschaft, als Gegenleistung für ihre Lieferungen Erzeugnisse entgegenzunehmen, die bei uns aus Qualitätsgründen kaum Absatz fänden.

Der Bund hat den Abschluss derartiger Dreieckgeschäfte erleichtert, soweit dadurch kerne anderen Interessen geschädigt und der unmittelbare bilaterale Verkehr nicht beeinträchtigt wurde. Unter don gleichen Voraussetzungen wird er das auch in Zukunft tun und dabei vielleicht -- sofern unser Aussenhandel noch mehr als heute durch die ausländische Devisenbewirtschaf-

142 tung erschwert werden sollte -- auch prüfen müssen, ob nicht der Abschluss von Dreieckgeschäften notfalls im Dienste der Arbeitserhaltung wie andere Arbeitsbeschaffungsmassnahmen auch finanziell erleichtert werden könnte.

b. I m p o r t f ö r d e r u n g im Dienste der Landesversorgung Bekanntlich überbindet das Bundesgesetz vom 1. April 1988 über die Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Gütern dem Bunde die Pflicht, die Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern für den Kriegsfall wie für den Fall einer wirtschaftlichen Absperrung sicherzustellen.

Der Bundesrat hat zu Beginn des Jahres 1948 die Zeiten im Sinne jenes Gesetzes als unsicher erklärt und Vorkehrungen zur Sicherstellung einer ausreichenden Versorgung des Landes getroffen. Erhebungen, die im Sommer 1948 und Ende 1949 vom Delegierten für wirtschaftliche Landesverteidigung vorgenommen wurden, hesseii erkennen, dass die Lagervorräte mit wenigen Ausnahmen als ausreichend gelten können. Doch besteht, wie bereits an anderer Stelle dieses Berichtes dargetan worden ist, in Anbetracht der rückläufigen Konjunkturentwicklung heute weitherum eine starke Neigung, die Lagerhaltung erneut abzubauen. Diesen Tendenzen wendet der Bundesrat sein ganzes Augonmeik zu; er beabsichtigt, sobald die Vorratshaltung unter das notwendige Mass absinken sollte, unverzüglich in geeigneter Weise einzugreifen.

Würde sich eine abermalige Vermehrung der Landesvorräte unter Mitwirkung des Bundes in einem früheren oder späteren Zeitpunkt als notwendig erweisen, so soll diese Aktion nach Möglichkeit in den Dienst der Exportförderung gestellt werden. Das könnte zum Beispiel in der Weise erfolgen, dass die zur Wiederauffüllung der Vorratslager erforderlichen Waren hauptsächlich aus Ländern bezogen würden, deren Zahlungs- bzw. Clearingabkommen mit der Schweiz mangels ausreichender schweizerischer Bezüge notleidend geworden sind, ein vermehrter Import unserseits also eine Erweiterung unserer Exportmöglichkeiten nach sich zöge. Auch könnte an Vereinbarungen mit Ländern gedacht werden, die bereit wären, zusätzliche Warenbezüge auf dem Wege der Kompensation unserer Ausfuhr zugutekommen zu lassen. Dieser Weg der Exportförderung darf freilich erst beschritten werden, wenn die Versorgungslage unseres Landes es einwandfrei erfordert. Ausser Frage stände
dagegen eine Vorratsäufnung lediglich zum Zwecke der Exportförderung. Denn es darf nicht übersehen werden, dass vorweggenommene Importe dieser Art irgendeinmal ausfallen werden, und nachdem die weltpolitische Unsicherheit geschwunden ist, unter Umständen zeitweilige Störungen in unserm Ausscnhandel hervorrufen könnten.

c. Produktive Arbeitslosenfürsorge Unter diesem Titel gewährte der Bund in den dreissiger Jahren schweizerischen Unternehmungen Zuschüsse für bestimmte Fabrikationsaufträge, die ohne eine derartige Bundesbeihilfe den billiger arbeitenden ausländischen Firmen erteilt worden wären. Auf diese Weise wollte man weitern Betriebs-

143 einschränkungen und Arbeiterentlassungen im Bereiche der Exportindustrie entgegenwirken.

Die produktive Arbeitslosenfürsorge war durch Bundesbeschluss vom 18. März 1932 eingeführt, durch Bundesbeschluss. vom 20. Juni 1984 im Sinne einer Erweiterung der Bundeshilfe teilweise abgeändert und bis zur Frankenabwertung im September 1986 in vollem Umfange in Kraft belassen worden.

Bereits im Jahre 1938 machte sich aber wieder ein Bedürfnis nach Fabrikationszuschüssen geltend, und zwar hauptsächlich in der Textilindustrie, die gegen die Exportprämien kämpfen musste, welche ausländischen Lieferanten durch ihre Begierungen ausgerichtet wurden.

Die produktive Arbeitslosenfürsorge hat in den Vorkriegsjahren ihren Zweck erfüllt, auch wenn sie erhebliche Mittel erforderte. Es lässt sich denken, dass wir zu einem späteren Zeitpunkt auf diese Massnahme zurückgreifen müssen, um unter bestimmten Voraussetzungen allenfalls wieder solche Fabrikationszuschüsse ausrichten zu können. Freilich kommt die produktive Arbeitslosenfürsorge ausschliesslich als A b w e h r w a f f e gegen ausländische Exportprämien oder andere Dumpingmassnahmen, keinesfalls aber als allgemeines Mittel der Exportförderung in Betracht. Wollten wir ohne eine greifbare Veranlassung zur Gewährung von Fabrikationszuschüssen an Exportbetriebe schreiten, so würden wir das Ausland zu entsprechenden Gegenmassnahmen anreizen. Ohne der Wirtschaft wirkliche Entlastung zu bringen, könnte sich ein derartiges Vorgehen als überaus kostspielig erweisen.

ä. Handelspolitische Überbrückungsmassnahmen Mit Hilfe der Zahlungsabkommen bemüht sich unsere Handelspolitik, den Güteraustausch mit denjenigen Staaten aufrechtzuerhalten und zu erweitern, die mangels ausreichender Gold- bzw. Devisenreserven und -Zugänge den Zahlungsverkehr mit dem Ausland beschränkt haben. Wenn fremde Staaten gegenüber der Schweiz zur Devisenkontrolle übergehen, so zwingt dies unser Land zu Abwehrmassnahraen. Nur die zweiseitige Bindung des Zahlungsverkehrs bietet dann die Gewähr, dass diese Länder nicht nur nach der Schweiz liefern und die anfallenden Mittel abdisponieren, sondern auch in der Schweiz kaufen. Obwohl derartige Notmassnahmen mit .zahlreichen Nachteilen verbunden sind, unter denen die Abkehr von der internationalen Arbeitsteilung wohl am schwersten wiegt, sind sie
unentbehrlich. Dank dieser Abwehrmassnahraen, als die sich die Zahlungs- und Clearingabkommen darstellen, ist es gelungen, die schweizerische Einfuhr weitgehend in den Dienst des Exportes zu stellen und eine befriedigende Beschäftigung vor allem in der Exportindustrie aufrechtzuerhalten. Die handelspolitische Seite solcher Abkommen braucht in diesem Zusammenhange nicht weiter erörtert zu werden; dagegen erscheint ein Hinweis auf die beschäftigungspolitische Bedeutung der zwischenstaatlichen Zahlungsregelnngen auch an dieser Stelle unerlässlich.

Ungeachtet aller Bestrebungen zur Erleichterung des internationalen Geldund Güterverkehrs wird die Schweiz wohl auch in Zukunft kaum um den Ab-

144 schiusa solcher zweiseitiger Vereinbarungen herumkommen. Dabei könnte es sich, um Stockungen im gegenseitigen Güteraustausch zu vermeiden, zuweilen auch in Zukunft als notwendig erweisen, ausländische Staaten, die ausserstande sind, Bestellungen in der Schweiz vorzunehmen, mittels Einräumung einer zeitweiligen Kredithilfe zu weitem Warenbezügen zu befähigen, wie das kurz nach Kriegsende mehrfach geschehen ist. Wie damals, so wird es sich wohl auch in Zukunft um Vereinbarungen handeln, nach denen die beteiligten Regierungen bzw. Notenbanken bei mangelndem Ausgleich der gegenseitigen Zahlungen auf eine Umwandlung des Saldos in Gold oder Devisen verzichten, solange dieser einen bestimmten Betrag nicht überschreitet. Ungeachtet solcher Uberbrückungsmassnahmen verdienen die weiter oben dargestellten Bemühungen, raittel- und langfristige Anlagen schweizerischen Kapitals im Ausland zum Zwecke der Exportförderung erneut in Gang zu bringen, angemessene Unterstützung; aber es können Verumständungen eintreten, unter denen kein Bankinstitut oder privater Geldgeber Kredite einzuräumen geneigt wäre, so dass zu prüfen sein wird, ob und wieweit im Eahmen der Zahlungsabkommen staatliche Vorschüsse in die Bresche springen können.

B. Massnahmen zugunsten der Sauwirtschaft a. Freigabe zurückgestellter Arbeiten Wie im historischen Teil dieses Berichts bereits erwähnt wqrden ist, hatte der Bundesrat während der Jahre 1946 und 1947 durch verschiedene Beschlüsse die Ausführung bundeseigener Bauten auf das unorlässliche Mindestmass begrenzt, die Ausrichtung von Arbeitsbeschaffungsbeihilfen auf wenige Sonderfälle im Interesse einer spätem Arbeitsbeschaffung beschränkt und die einzelnen Verwaltungsabteilungen angewiesen, die Zusicherungen für ordentliche und ausserordentliche Subventionen zu kürzen. Überdies wurde angeordnet, dass für Arbeiten der Kantone und der Gemeinden wie auch der privaten Wirtschaft in der Eegel keine Bundesbeiträge mehr zugesichert werden sollten, solange die günstige Wirtschaftslage anhalte.

Durch diese Eindämmung sowohl der bundeseigenen Arbeiten wie vor allem auch der Subventionierung öffentlicher und privater Bauten gelang es, eine recht ansehnliche Zahl von Projekten zurückzuhalten, die nun nötigenfalls zur Füllung von Beschäftigungslücken freigegeben werden können. Angesichts des Ansteigens
der Arbeitslosenziffer im Winter 1949/50 erklärte sich das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement in seinem Kreisschreiben an die Kantonsregierungen vom 31. Dezember 1949 erstmals bereit, Aufträge und Arbeiten, die vom Bund mit ordentlichen Beiträgen unterstützt werden und deren Ausführung während der letzten Jahre im Hinblick auf die Überbeschäftigung des Baugewerbes zurückgestellt wurde, nunmehr freizugeben.

Voraussetzung für die Freigäbe ist dor Nachweis, dass os aul keinem andern Wege möglich sei, der Arbeitslosigkeit Herr zu werden. Ausdrücklich beschränkt sich das Kreisschreiben auf die Freigabe der mit ordentlichen Subventionen

145 unterstützten Projekte; der Einsatz von Arbeitsbeschaffungsmitteln könne dagegen, abgesehen von der Förderung gewisser Massnahmen zur Sicherung späterer Beschäftigung, im heutigen Zeitpunkt überhaupt nicht in Betracht kommen. Da aber die Saisonarbeitelosigkeit ziemlich rasch wieder verschwunden ist (bereits Ende März 1950 war die Zahl der gänzlich arbeitslosen Stellensuchenden auf 10 840 gesunken, lag also nur noch um 8579 über dem Zählergebnis von Ende März des Vorjahres), scheint es vorläufig nicht erforderlich, weitere vom Bunde mit ordentlichen Subventionen unterstützte Bauprojekte freizugeben. Dies erweist sich auch deswegen als unzweckmässig, weil das Bauvolumen für das Jahr 1950 auf Grund jüngster Erhebungen ohnedies sehr hoch sein dürfte.

IV. Die Bekämpfung der Wirtschaftsschrumprung 1. Die Förderung technisciier Investitionen A. Erneuerung des Produktionsapparates in Industrie und Gewerbe Der Bundesrat hat bereits in seinem Zwischenbericht an die Bundesversammlung über die vorbereitenden Massnahmen der Arbeitsbeschaffung vom 20. Mai 1944 darauf hingewiesen, dass der schweizerische Produktionsapparat während des Krieges teilweise sehr stark beansprucht worden sei und daher in der Nachkriegszeit dringend einer Erneuerung bedürfe. Diese Erneuerung in die Arbeitsbeschaffungsaktion einzubeziehen, lag um so naher, als dadurch nicht allein volkswirtschaftliche Werte geschaffen, sondern auch ausreichende Gelegenheiten geboten würden, die Arbeiter in ihrem Beruf und an ihrem Wohnort zu beschäftigen. Statt der allgemein erwarteten Nachkriegskrise erlebte die Wirtschaft nach Beendigung der Feindseligkeiten jedoch im Gegenteil einen überaus lebhaften Aufschwung, der Industrie und Gewerbe einen kaum zu bewältigenden Auftragseingang brachte. Um der Nachfrage einigermassen genügen zu können, mussten die Erneuerung und Verbesserung des Maschinenparkes vielerorts rasch vollzogen und zahlreiche Fabrikationsanlagen beschleunigt ausgebaut werden. Infolgedessen dürfte heute der Produktionsapparat unserer Industrie zum überwiegenden Teil den grundlegenden Erfordernissen wohl einigennassen entsprechen, die man nach Massgabe der allgemeinen technischen Entwicklung und im Hinblick auf die internationale Konkurrenzfähigkeit aufstellen muss.

Es stellt sich daher die Frage, ob es unter solchen Umständen überhaupt
denkbar sei, durch Erhöhung des Anreizes zu betrieblichen Verbesserungen und Erneuerungen ein zusätzliches Investitionsvolumen zu schaffen, das für die Entlastung des Arbeitsmarktes überhaupt in Betracht fallen könnte. Eine Prüfung aller Tatsachen und Gegebenheiten führt jedoch ungeachtet der grossen Portschritte, die in den vergangenen Jahren im "Rpreiche der industriellen Ausrüstung erzielt worden sind, zu einer grundsätzlichen Bejahung solcher Möglichkeiten. Auch nach Abschluss der eigentlichen Hochkonjunktur wird kaum

146 jeder Unternehmer von seinem Betrieb behaupten können, dass er in jeglicher Hinsicht auf der Höhe der Zeit stände. Manche Mängel mögen ganz im Gegenteil gerade in der Phase der konjunkturellen Rückbildung neu zutage treten, wo die schärfere Konkurrenz den Betriebsinhaber zu genauerer Kalkulation und zu erhöhten Leistungen zwingt. Anderseits findet mancher Unternehmer erst jetzt, wo die Überbeanspruchung seiner Fabrikationseinrichtungen gewichen ist, die-erforderliche Zeit, um sich mit den Unvollkommeiiheiten seines Betriebes eingehend zu befassen. Und mancher wird bei dieser Gelegenheit wahrnehmen, dass seine Bemühungen, die Kundschaft zum Kaufe anzureizen, nur dann von Erfolg gekrönt sein werden, wenn er vor der Neuanschaffung einzelner Maschinen und anderer technischer Einrichtungen nicht zurückschreckt, die zur Herstellung neuartiger Erzeugnisse oder zur Verbesserung und Verfeinerung marktgängiger Artikel unentbehrlich sind.

Es unterliegt daher kaum einem Zweifel, dass trotz den in den vergangenen Jahren vorgenommenen Betriebserneuerungen und -erweiterungen manche Möglichkeit zur Ausgestaltung und Vervollkommnung der industriellen, gewerblichen und landwirtschaftlichen Ausrüstung bestehen geblieben ist. Um sie jedoch einigermassen ausschöpfen zu können, müssen die Hemmungen beseitigt worden, die die meisten UntGrnehmer schon in Zeiten rückläufiger Konjunktur und unsicherer Aussichten, erst recht aber im Zeichen krisenhafter Erschütterungen angesichts des Eisikos neuer Investierungen empfinden. Einzig einige Grossunternehmungen, deren Marktposition unabhängig von allen Konjunkturschwankungen gefestigt erscheint, fühlen sich imstande, langfristig zu disponieren und die günstigen Preisverhältnisse der Depressionsperiode für die Vornahme industrieller Neuanlagen auszuwerten. Der Grossteil der Unternehmungen zieht es aus an sich verständlichen Gründen vor, während dieser Wirtschaftsphase grösstmögliche Vorsicht walten zu lassen.

Weil aber, wenn Neuinvestierungen ausbleiben, ein Teil des anfallenden Einkommens aus dem wirtschaftlichen Kreislauf ausscheidet, entsteht ein Nachfrageausfall, der sich, wie im grundsätzlichen Teil dieses Berichtes dargelegt wurde, fortschreitend steigert. Hierin ist, wie die meisten neueren Krisentheorien übereinstimmend bestätigen, eine der wesentlichen Ursachen des
Umsichgreifens von Krisenherden zu erblicken. Zwar hat der Staat die Möglichkeit, die aus dem Kreislauf ausgeschiedenen Einkommensbestandteile in geeigneter Form (z. B. durch Auflegung von Anleihen) zur Finanzierung öffentlicher Arbeiten abzuschöpfen und dergestalt wieder in den Kreislauf zurückzuführen ; aber bedeutend nutzbringender erscheint, weil sie die Produktivkräfte der Wirtschaft vermehrt und gleichzeitig die Beschäftigung der Arbeiter im angestammten Beruf gewährleistet, die Förderung der privaten Investitionstätigkeit in Zeiten der Depression oder Krise. Der Bundesrat ist daher entschlossen, die Unterstützung privater Investierungen durch geeignete staatliche Mittel und Massnahmen fortan ala entscheidenden Bestandteil soinos Arbcitabeschaffungsprogramms zu betrachten. Er wird dabei allerdings sorgfältig darnach trachten müssen, die Bedingungen, unter denen er in einer Depression

147 gewillt ist, die privaten Investitionen zu fördern, so zu umschreiben, dass durch die Aussicht auf eine eventuelle spätere Arbeitsbeschaffungsaktion die Unternehmer nicht in einer Periode normaler Konjunktur in unerwünschter Weise ermuntert werden, mit der Ausführung ihrer Erneuerungsvorhaben zuzuwarten.

Über die Möglichkeiten, die privaten Investitionen zu fördern, ist im grundsätzlichen Teil dieses Berichtes alles Erforderliche gesagt worden. Da über die zukünftige Gestaltung der Bundessteuern noch keine Klarheit besteht, liegt die konjunkturgerechte Handhabung der S t e u e r p o l i t i k , die vor allem in der Einräumung steuerfreier Arbeitsbeschaffungsreserven in Konjunkturzeiten und in der Zubilligung erhöhter Abschreibungssätze für Neuinvestitionen in Krisenzeiten besteht, vorab bei den Kantonen, deren Interesse an der Verhinderung einer Arbeitslosigkeit so gross ist, wie dasjenige des Bundes. Eine konjunkturgerechte Steuerpolitik würde ausserdem die Kantone finanziell weniger belasten als die Beteiligung an einer Arbeitsbeschaffungsaktion mit eigenen Aufträgen oder mit Subventionen.

Über die praktischen Möglichkeiten einer Unterstützung privater Investitionen in Depressionsperioden und über die Absichten des Bundesrates in diesem Bereiche kann im heutigen Zeitpunkt noch folgendes mitgeteilt werden : a. A u f k l ä r u n g s m a s s n a h m e n Zur Aufklärung der Unternehmerschaft über die Bedeutung privater Investierungen in Zeiten der rückläufigen Konjunktur und Krise wie auch zur Orientierung über den Sinn und Zweck der staatlichen Investitionsförderung bereitet der Delegierte für Arbeitsbeschaffung eine Schriftenreihe vor. Diese Publikationen sollen den Betriebsinhabern nützliche Anregungen vermitteln und -verschiedene Möglichkeiten betrieblicher Verbesserungen aufzeigen, die mit einfachen Mitteln erfolgen können und wenig Kosten verursachen. In dieser Schriftenreihe werden die Eandgebiete der Betriebstechnik, die allgemeines Interesse erwecken (wie z. B. Heizungs- und Lüftungsprobleme, Klimaund Förderanlagen, Fragen der Arbeitsplatzgestaltung u. a. m.) Berücksichtigung finden.

b. Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsverbänden und Arbeitsbeschaffungskommisaionen In Anbetracht der Tatsache, dass jede staatliche Investitionsförderung bei unrichtigem Vorgehen zu unwillkommenen und
unter Umständen gesamtwirtschaftlich nachteiligen Konkurrenzverschiebungen führen kann, erscheint auf diesem Gebiete eine besonders enge Zusammenarbeit mit den Organisationen und Verbänden der privaten Wirtschaft wie auch mit den von der Privatwirtschaft ins Leben gerufenen Arbeitsbeschaffungskommissionen dringend erforderlich. Ein solches Einvernehmen mit den Organen der privaten Wirtschaft sollte es erlauben, mögliche Gefahren auszuschalten.

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e. Freigabe der Kriegsgewinnsteuer-Reserve Wie im historischen Teil ausgeführt worden ist, gelang die Abstimmung der Steuerpolitik auf die Erfordernisse der Konjunkturbeeinflussung und Krisenbekämpfung in beschränktem Ausmasse bei der Kriegsgewinnsteuer des Bundes. Durch Bundesratsbeschluss vom 19. Juli 1944 ist angeordnet worden, dass der dem Fonds für Eückerstattungen zugewiesene Teil der Steuerbeträge auch dann in Anspruch genommen werden könne, wenn der Steuerpflichtige ihn zur Förderung der Arbeitsbeschaffung verwende. Voraussetzung solcher Eückerstattungen ist die Aufbringung eines mindestens gleichhohen Betrages für Arbeitsbeschaffungszwecke durch den Steuerpflichtigen. Ausserdem ist die finanzielle Lage des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen, namentlich der Vermögensstand, die Liquidität, der Auftragsbestand und der Beschäftigungsgrad im Zeitpunkt des Eückerstattungsbegehrens, ferner die Ertragsverhältnisse und die Gewinnverwendung seit 1939. Solche Begrenzungen schienen seinerzeit notwendig, um allzu weitgehenden Begehren entgegenzuwirken. Sie würden erforderlichenfalls gelockert werden, wenn es sich erweisen sollte, dass der Zweck der Arbeitserhaltung und -besohaffung anders nicht erreicht werden könnte.

d, Ausrichtung von Subventionen Auch diese Möglichkeit wurde im grundsätzlichen Teil erörtert. Sollte es nicht gelingen, im Zusammenwirken mit den Kantonen in Depressionszeiten zu einer Unterstützung privater Investitionen mit Hilfe einer koujunkturgerechten Steuerpolitik zu gelangen, so müsste die Ausrichtung Öffentlicher Beihilfen zur Förderung der privaten Investitionstätigkeit in Erwägung gezogen werden.

B. Unterstützung ausserordentlicher Investitionen Wenn der Bund bereit ist, die Erneuerung des Produktionsapparates industrieller und gewerblicher Unternehmungen in Depressionszeiten mit geeigneten Mitteln anzuregen und zu fördern, so bezweckt er damit vor allem einö zeitliche Verlagerung betrieblicher Aufwendungen, die ohnehin vorgenommen würden, aus der Phase der Voll- und Überbeschaftigung in die Phase der Unterbeschäftigung. Darüber hinaus bestehen für die öffentliche Hand aber auch Möglichkeiten, durch staatliche Beihilfen in Dépressions- und Krisenzeiten Investitionen zu ermöglichen, die in absehbarer Zeit ohne solche Zuschüsse nach menschlichem Ermessen überhaupt nicht
finanziert werden könnten.

a. Technische A u f r ü s t u n g der L a n d w i r t s c h a f t Arbeitsbeschaffungsaktionen für die Landwirtschaft dürfen sich im allgemeinen wohl nicht als notwendig erweisen. Allerdings besteht ein Beschäftigungsproblem bei den Bergbauern, wo während des Winters ein Überschuss an Arbeitskraft in Erscheinung tritt. Hier handelt es sich aber nicht um einen

149 konjunkturbedingten Arbeitsmangel, sondern um ein strukturelles Problem, das nicht mit den üblichen Mitteln der Arbeitsbeschaffung gelöst werden kann.

Umgekehrt kann die Landwirtschaft in beträchtlichem Umfange zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in andern Wirtschaftsbereichen beitragen. Denn in bäuerlichen Betrieben besteht zumeist noch ein bedeutender Investitionsbedarf, der normalerweise infolge finanziellen Unvermögens' nicht oder nicht ausreichend gedeckt zu werden vermag. In Zeiten der Wirtschaftsdepression biotot dieser ungedeckte Bedarf an Arbeitsgeräten und -maschinen wie an Haushaltungseinrichtungen, sofern er als wirksame Nachfrage auftroten kann, ein zusätzliches Auftragsvolum&n, das der Industrie wie dem Gewerbe überaus willkommen sein wird. Besonders gross i&t der Investitionsbedarf in den Borggegenden: eine im Jahre 1945 vom Delegierten für Arbeitsbeschaffung veranlassto Untersuchung in der bündnerischen Berggemeinde Vrin ergab, dass es den Bergbauern beinahe an allem mangolt, was gemeinhin für bäuerliche Haushaltungen und Betriebe als notwendig oder wünschenswert angesehen wird.

Dio technische Ausstattung der Landwirtschaft ganz besonders in den Berggegenden erscheint aber nicht bloss beschäftigungspolitisch nützlich, sondern dient gleichzeitig der Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktivität.

Auch vermöchte sie der Landflucht entgegenzuwirken, indem sie die schweren Lebensbedingungen der bergbäuerlichen Bevölkerung erleichtert. Der Delegierte für Arbeitsbeschaffung prüft zurzeit gemeinsam mit dein Schweizerischen Bauernverband, auf welche Weise die technische Aufrüstung der Landwirtschaft besonders in Gebirgsgegenden im Bahmen einer Arbeitsbeschaffungsaktion organisatorisch am besten gelost werden könne. Eine Arbeitsbeschaffungskommission ist vom Schweizerischen Bauernverband schon vor Jahren gebildet und in verschiedene Fachgruppen aufgogliedert worden, die festzustellen suchten, welche Bauten, .Renovationen und Anschaffungen in Zeiten des Beschäftigungsmangels im landwirtschaftlichen Bereich in Frage kämen, wie hoch der finanzielle Aufwand zur Deckung dieses Bedarfes zu stehen käme und welche Beihilfen die öffentliche Hand gegebenenfalls leisten müsste, damit solche Aufträge konjunkturgerecht vergeben würden. Die Arbeitsbosch affungskommission und ihre Fachgruppen
haben aber auch Vorschläge für neue, den landwirtschaftlichen Erfordernissen angepasste Konstruktionen ausgearbeitet.

Nicht alles", was für den städtischen Haushalt zweckmässig erscheint, eignet eich für don bäuerlichen -- und bei Anschaffungen von Arbeitsgeräten hat dor bergbäuerliche Betrieb wiederum andere Bedürfnisse als der mittelländische.

Mit fortschreitender Mechanisierung der Landwirtschaft wird durch Einrichtung von Eeparaturstollon auch für die Behebung von Schäden an Maschinen und Fahrzeugen Sorge getragen worden müssen, wodurch gleichfalls einer Anzahl gewerblicher Arbeitskräfte Beschäftigung geboten worden kann.

b. Hotel- und K u r b ä d e r e r n e u e r u n g Auch wenn man nicht behaupten möchte, dass unser Hotel- und Bäderwesen durchwegs überaltert sei, lässt sich kaum leugnen, dass zahlreiche GastBundesblatt. 102. Jahrg. Bd. II.

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150 häuser einer Modernisierung und Überholung bedürfen, um ihre Stellung im internationalen Wettbewerb halten und verbessern zu können. Nicht allein die Einrichtung und Ausstattung vieler Hotels kann kaum mehr als zeitgemäss bezeichnet werden; auch die technische Ausrüstung (namentlich der Küchen) läuft den Erfordernissen eines rationellen Betriebes vielerorts zuwider, weil zur Zeit der Erstellung jener Häuser die Personalkosten eine Verhältnismassig bescheidene Holle spielten und daher der Arbeitserpamis, Eationalisierung und Kostensenkung keine so grosse Bedeutung beigemessen ward wie heute.

Über die Bedeutung der Hôtellerie für die schweizerische Wirtschaft brauchen wir keine Worte zu verlieren. Als wichtiger Bestandteil unseres wirtschaftlichen Gefüges kann das Gastgewerbe geltend machen, dass der Hotelerneuerung die gleiche Bedeutung zukomme wie der Erneuerung des Produktionsapparates in Industrie und Gewerbe. Aber im Gegensatz zu jenen Wirtschaftszweigen ist die Hôtellerie heute angesichts ihrer unbefriedigenden Ertragslage kaum imstande, diese Erneuerung aus eigenen Kräften durchzuführen.

Anderseits ist zu erwarten, dass das ausländische Hotelwesen, das sich von den Kriegsschäden ziemlich rasch erholt hat und teilweise mit Staatshilfe von Grund auf neugestaltet wird, den schweizerischen Gasthäusern und Kurbädern, sofern sie nicht auch ihrerseits modernisiert werden, in absehbarer Zeit eine noch härtere Konkurrenz bereiten werde.

Der Delegierte für Arbeitsbeschaffung hat den Schweizerischen Hotelierverein ersucht, ein Inventar der dringlichsten Erneuerung»- und Modernisierungsarbeiten aufzustellen. Dieses ist inzwischen eingereicht worden und sieht Aufwendungen im Gesamtbetrage von 100,8 Millionen Franken vor, wovon ca. 15 % auf sanitäre Installationen, 24 % auf Innenraumverbesserungen, je 15 % auf technische Vorbesserungen zu Eationalisierungszwecken und äussere Gebäuderenovationen (insbesondere Instandstellung der Dächer) etwas mehr als 3 % auf die Verbesserung der Angestelltenräumo und der Best auf verschiedene Aufwendungen entfallen. Die vom Hotelierverein gelieferten Unterlagen werden nun von der Schweizerischen Hotel-Treuhandgesellschaft in technischer und finanzieller Beziehung fachmännisch überprüft. Es soll festgestellt werden, ob die vorgeschlagenen Verbesserungen zweckmässig
erscheinen; auch inuss untersucht werden, ob die mit der Modernisierung verbundene finanzielle Mehrbelastung für den Betrieb unter normalen Verhältnissen tragbar wäre. Es ist aber offenkundig, dass dieses Programm nicht allein dem Gastgewerbe dienen, sondern sowohl dem Bauhandwerk wie auch andern Gewerben und Industrien Arbeit schaffen würde. Vor allem liesse sich mit einem solchen Hotelerneuerungsprogramm dem ländlichen Kleingewerbe, das vom Darniederliegen der Hôtellerie schwer getroffen wird, Hilfe bringen. Immerhin wird vorausgesetzt, dass der Hotelerneuerung einzig nur im Zusammenhange mit der Arbeitsbeschaffung öffentliche Unterstützung zuteil werden kann; dagegen wäre die Ausrichtung öffentlicher Beiträge für solche Zwecke bei günstiger Beschäftigungslage nicht allein konjunkturpolitisch verfehlt, sondern

151 es könnten hierfür wohl kaum irgendwelche Rechtsgrundlagen herangezogen werden. Immerhin Ì8t beabsichtigt, die Hotelerneuerung angesichts ihrer Dringlichkeit im Rahmen des Arbeitsbeschaffungsplanes an eine der ersten Stellen zu rücken.

G. Das Programm der öffentlichen Verwaltungen und Betriebe a. Allgemeines Programm Von ausschlaggebender Bedeutung für die Erhaltung und Beschaffung von Arbeit im angestammten Beruf ist die Bereitschaft der öffentlichen Hand, technische Aufträge und Bestellungen aller Art tunlichst in die Zeit flauer Beschäftigung zu verlegen. Im historischen Teil dieses Berichtes haben wir die Bemühungen des Bundesrates und des Delegierten für Arbeitsbeschaffung, die Vorwaltungen und Betriebe des Bundes, der Kantone und Gemeinden sowie die private Wirtschaft zu einer konjunkturgerechten Auftragsvergebung in diesem Sinne zu veranlassen, ausführlich dargestellt. Wiewohl diesen Bemühungen nur ein begrenzter Erfolg beschieden war, besteht heute bei den öffentlichen Körperschaften und ihren Unternehmungen doch eine ganz ansehnliche Auftragsreeorvo. Darüber gibt eine Erhebung Aufschluss, die im Herbst 1949 vom Delegierten für Arbeitsbeschaffung im Einvernehmen mit den Kantonen über den Bestand der öffentlichen Aufträge an Industrie und Gewerbe durchgeführt wurde. Die Publikation der Ergebnisse ist den Mitgliedern der eidgenössischen Räte vorn Delegierten direkt zugestellt worden, weshalb wir uns hier auf eine kurze Zusammenfassung der wesentlichen Punkte beschränken möchten. Bei der öffentlichen Hand konnten (ohne Berücksichtigung der Armeeaufträge) letzten Herbst Aufträge an Industrie und Gewerbe im Betrage von rund 1,5 Millionen Franken festgestellt werden, die im Laufe der nächsten Jahre zur Ausführung kommen sollen. Davon war ungefähr ein Fünftel bereits finanziert. Vom Gesamtbetrag der bereitliegenden oder geplanten Aufträge unterstanden annähernd zwei Drittel dem Bund, je etwa ein Siebentel den Gemeinden und Elektrizitätswerken und der Best (rund ein Zehntel) den Kantonen und privaten Transportanstalten, Eine Aufgliederung nach Sachgebieten ergab, dass rund 82 % aller Aufträge dieses Mehrjahresprogramms auf Rolhnaterial entfielen, 22,5 % auf Maschinen, 42,5 % auf technische Einrichtungen und Apparate, 0,2 % auf Werkzeuge und 2,6 % auf sonstige Bestellungen.

Gleichzeitig konnte
festgestellt werden, dass die öffentlichen Aufträge an Industrie und Gewerbe im Jahre 1948 rund 257 Millionen Franken oder etwas mehr als 17 % des im Rahmen des Mehrjahresprogramms ermittelten Bestandes erreicht haben. Wenn auch die Vergleichsgrundlage in mancher Hinsicht sehr mangelhaft erscheint, so deutet die Gegenüberstellung doch darauf hin, dass die öffentliche Hand über Auftragamögliehkeiten verfügt, die ejn Mehrfaches des normalen jährlichen Auftragsumfanges ausmachen.' Sie sollte daher in der Lage sein, in den kommenden Jahren nicht allein ihr normales

152 Auftragsvolumen aufrechtzuerhalten, sondern nötigenfalls durch Konzentration der Aufträge auf eine kürzere Zeit einen erhebhohen Beitrag zur Arboitserhaltung und Arbeitsbeschaffung zu leisten. Das erfordert allerdings eine rascho und beträchtliche Erhöhung dor finanziellen Bereitschaft. Denn gleichzeitig wurde aus dem Mehrjahresprogramm ersichtlich, dass die als bereits finanziert gemeldeten Projekte die Auftragssumme des Jahres 1948 bis dahin nur unwesentlich übersteigen.

Der Frage der Finanzierung des Mehrjahresprogrammes der öffentlichen Aufträge an Industrie und Gewerbe muss daher in den kommenden Monaten vermehrte Aufmerksamkeit geschenkt werden. Um den Staat zur Bekämpfung von Krisen instandzusetzen, sollten bei den öffentlichen Körperschaften über die ordentlichen Budgetkredite hinaus Mittel bereitstellen, die erforderlichenfalls eine schnelle Vergebung zusätzlicher Aufträge erlauben. Auf diese Weise liesse sich unsere Bereitschaft für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit erheblich erhöhen.

b. Das Armeeprogramm Das ausserordentliche Eüstungsprogramm, das sich zurzeit noch in Prüfung befindet, enthält Anschaffungen und Arbeiten, die zur Erhaltung und Stärkung der schweizerischen Wehrberoitschaft unerlasslich sind. Auf die militärischen und finanziellen Aspekte jenes Programms möchten wir im Eahmon des vorliegenden Berichtes nicht näher eintreten. Hingegen kann in diesem Zusammenhange auf die konjunkturpolitische Bedeutung des aussorordenthchen Büstungsprogramms hingewiesen werden. Die Mehrjahresprogramme der öffentlichen Hand, von denen anderwärts (vgl.

S. 151 und 157) die Bede ist, erweisen sich zwar als àusserst wertvolle Auftrags- und Arbeitsspender; doch zeichnen sie sich, da sie hauptsächlich das Baugewerbe, die elektrotechnische und die Maschinenindustrie begünstigen, durch eine gewisse Einseitigkeit aus. Zahlreiche Arbeitskräfte rnüssten infolgedessen den Arbeitsplatz und teilweise auch den Wohnort wechseln, wenn die Arbeitsbeschaffung in künftigen Dépressions- oder Krisenzeiten vorwiegend auf den genannten MehrJahresprogrammen fussen würde. Demgegenüber sieht das ausserordentliche Armeeprogramm die Anschaffung von unzähligen Artikeln unterschiedlichster Art, und zwar nicht allein von Waffen, sondern auch von Uniformen, Schuhwerk, Lederzeug, Funkgeräten, Fernschreibern, Gummiwaren,
Sanitätsmaterial, chirurgischen Instrumenten, medizinischen Apparaten usw. vor. Die Vielfalt der militärischen Bedürfnisse erlaubt eine unifassende S t r e u u n g der Bestellungen auf die verschiedensten Branchen nicht bloss der Fabrikindustrio, sondern ebenso des Handwerks imd des Gewerbes.

Die Uhrenindustrie, die Zünder herstellt, wird durch das Büstungsprogramm genau so gut begünstigt wie die Textilindustrie, die Uniformen und Wäsche erzeugt. Ebenso worden den Schneidern, Sattlern und Schahmachern, den Apparatebauanstalten, den Fahrzeugfabrikon, der Baumabchmeuindustrie, den Brückenbauunternehmungen und vielen andern Betrieben zusätzliche Aufträge zuströmen. Auf diese Weise können zahlreiche kleine und grosse Unternehmun-

153 gen unmittelbar durch Vergebung von Bestellungen berücksichtigt werden, obwohl sie Artikel herstellen, deren Anschaffung im Rahmen der üblichen Aktionen zur Erhaltung und Vormehrung der Arbeitsmöglichkeiten kaum an gängig erscheinen würde.

Ausser der Verteilung der Aufträge an eine möglichst grosse Zahl von Branchen und Betrieben würde das ausserordenthche Armeeprogramm gleichzeitig auch eino umfassende geographische Streuung der zusätzlichen Arbeiten und Bestellungen gestatten. Das könnte sich zur Bekämpfung von lokalen und regionalen Kriseneinbrüchen, denen sonst bloss mittels ziemlich kostspieliger Massnahmen beizukommen ist, als überaus wertvoll erweisen. Auch in dieser Hinsicht gewinnt das militärische Bauprogramm eine ganz besondere Bedeutung, da die darin enthaltenen Projekte sich über das ganze Land verteilen und nicht zuletzt jenen Kantonen, die infolge ihres Bevölkerungsüberschusses und ihrer unzureichenden Industrialisierung als erste unter Beschäftigungsmangel leiden, vermehrte Arbeitsgelegenheiten bieten werden.

Zwei Voraussetzungen müssten allerdings erfüllt sein, damit das Armeeprogramm als Mittel des Beschäftigungsausgleichs und der Arbeitserhaltung seine volle Wirkungskraft entfalten könnte. Erstens sollte das Programm als Ganzes nach Möglichkeit in den Dienst der Konjunkturpolitik und Arbeitsbeschaffung gestellt werden. Nun versteht man zwar, dass es nicht immer angängig sein wird, mit der Vergebung von zusätzlichen Militäraufträgen solange zuzuwarten, bis in der Branche, welcher die Bestellungen zufliessen, Arbeitsmangol entsteht. Dringliche Erfordernisse der Landesverteidigung und Bücksichten auf die militärpolitische Situation unseres Landes können unter Umständen andere Entschlüsse nahelegen. Von diesen Vorbehalten abgesehen solile aber die Ausführung des Armeeprogramms der Konjunktur- und Beschäftigungslage angepasst und die Vergebung der Arbeiten und Bestellungen an Industrie und Gewerbe branchenmässig und regional nach Massgabe des Auftragsbestandes der in Betracht kommenden Firmen, erfolgen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass ein solches Programm in der Öffentlichkeit bedeutend geringeren Widerständen begegnen wird, wenn es gleichzeitig beschäftigungspolitischen Zwecken dient, als wenn es ausschhesslich von militärischen Bedürfnissen geleitet würde.

Die zweite
Voraussetzung besteht in der Bereitschaft der mit der Durchführung des Armoeprogramms betrauten Stellen, das benötigte Material grundsätzlich in der Schweiz in Auftrag zu geben, sofern es hier in guter Qualität und zu angemessenen Preisen erhältlich ist. Mag es vielleicht auch gewisse Vorteile bieten, manche Waffen und Ausrüstungsgegenstände aus dem Ausland einzuführen, um solcherart unsere Zahlungsabkommen zu alimentieren und unserer Industrie vermehrte Exporte zu ermöglichen, so erscheint es, nach Abwägimg aller Gründe doch zweifellos als angebracht, diese meist sehr arbeitsintensiven Arbeiten grundsätzlich, das heisst soweit keine besonderen Umstände dagegen sprechen, im Inlande ausführen zu lassen. Solche Überlegungen drängen sich besonders auch deshalb auf, weil das Armooprogramm,

154 wie bereits angedeutet, besser als jedes andere Programm öffentlicher Arbeiten und Bestellungen geeignet ist, in den verschiedensten Branchen Arbeiter, Angestellte und Techniker in ihrem angestammten Berufe und an ihrem angestammten Arbeitsplatze zu beschäftigen. Eine zusätzliche Alimentierung dos Zahlungsverkehrs mit dem Ausland ist im Zusammenhange mit der Ausführung des Armeeprogramms ohnehin in weitem Umfange gesichert, weil die Eoh- und Betriebsstoffe wie auch mancherlei Halbfabrikate unter allen Umständen im Ausland eingekauft werden müssen. Ebenso erweist sich die Anschaffung bestimmter Spezialartikel im Ausland als unerläßlich, weil die Voraussetzungen zu ihrer Herstellung im eigenen Lande vorläufig fehlen (z. B. Badargeräte). Bei der Weiterbehandlung des Armeeprogramms wird der Bundesrat all diesen Erwägungen in vollem Umfange Eechnung tragen.

2. Förderung betulicher Investitionen A. Anreiz baulicher Investitionen in Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft und Hotelwesen Was weiter oben über die technische Erneuerung des Produktionsapparates gesagt wurde, gilt, grnqsenteÜH auch für bauliche Erneuerungen in Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft und Hotelwesen. Wenn ein industrieller oder gewerblicher Betrieb sich zur Modernisierung oder Erneuerung seiner technischen Einrichtungen entschliesst, pflegen in den meisten Fällen auch gewisse bauliche Veränderungen damit verbunden zu sein. Aus den im Kapitel «Anreiz technischer Investitionen in Industrie und Gewerbe» erörterten Massnahmen zur Erleichterung solcher Anschaffungen wird daher auch das Baugewerbe in weitem Umfang Nutzen ziehen. In ganz besonderem Masse gilt das von den Plänen, die auf eine bessere Ausstattung der Landwirtschaft abzielen: neben der Ausrüstung bäuerlicher Betriebe mit Arbeitsgeräten, Maschinen, Fahrzeugen, Haushaltungseinrichtungen usw. kommen in diesem Eahmen vor allen Dingen die Errichtung berufsbäuerlicher Siedlungen, die Erstellung landwirtschaftlicher Kleinsiedlungen für Kleinlandwirte und landwirtschaftliche Hilfskräfte, der Bau von Dienstbotenwohnungen, die Erstellung oder Erneuerung von Feldscheunen, Geräteschuppen, Ställen, Gemüsekellern usw., ferner im Gebirge der Bau von Alpställen, Sennhütten, Wohnräumen für das Alppersonal, Dorf sennereien usw. in Betracht. Auch die Hotelerneuerung wird dem Baugewerbe zusätzliche
Arbeitsmöglichkeiten in erheblichem Umfange bieten.

B. Zusätzliche Sonderaktionen a. A l t s t a d t s a n i e r u n g Altstadtsanierungen dienen dazu, die Wohndichte in den Altstädten zu vermindern und den neu entstehenden Wohnraum hygienisch einwandfrei zu gestalten. Sie sind äusserst arbeitsintensiv, aber auch sehr kostspielig. Ihre Finanzierung im Eahmen des Arbeitsbeschaffungsprogramms dürite deshalb

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nicht ganz leicht fallen, obwohl ihnen von Anbeginn ein bedeutender Platz eingeräumt worden ist. Doch muss mit Bücksicht auf die finanziellen Schwierigkeiten wohl mit einem schrittweisen Vorgehen gerechnet werden.

Bereits in den Jahren 1942 bis 1945 führte der vom Delegierten für Arbeitsbeschaffung beauftragte Experte Nationalrat E. Bernhard, damals Baudirektor II der Stadt Bern, gemeinsam mit einer viergliedrigen eidgenössischen Expertenkommission auf Grund umfassender Erhebungen eine Aktion durch, die den Erfolg hatte, dass vielerorts Inventaraufnahmen und Projektierungsarbeiten an die Hand genommen wurden. Das Ergebnis dieser Untersuchungen wurde in einer umfangreichen Schrift niedergelegt. Auch als zur Zeit der Hochkonjunktur für solche Arbeiten keine Bundesbeiträge ausgerichtet wurden, habon eine Beihe von Stadtverwaltungen aus eigener Kraft die Sanierung von Altstadtquartieren weiterhin durch Projektierungen und bemerkenswerte Teilrealisierungen gefördert. Es hat sich dabei erneut gezeigt, dass solche "Werke unmöglich improvisiert werden können, sondern sorgfältiger Vorbereitungen, die sich über Jahre erstrecken, bedürfen.

Heute, wo ein Nachlassen der Konjunktur im Baugewerbe für die kommenden Jahre zu befürchten ist, tritt die Altstadtsanierung als Arbeitsbeschaffung besonders für das hochqualifizierte Bavdiandwork wieder vermehrt in den Vordergrund. Die bereits erwähnte eidgenössische Expertenkommission hat daher den Auftrag erhalten, die Vorbereitungsarbeiten für die Sanierung in grösserem Umfange an die Hand zu nehmen. Die Kommission hat denn auch an die kantonalen Behörden wie an die Stadt- und Gemeindeverwaltungen die Empfehlung gerichtet, die Kredite, die für die Bestandesaufnahmen und die Projektierungsarbeiten erforderlich sind, bereitzustellen. Sie steht den Kantonen und Gemeinden zur fachmännischen Überprüfung von Projekten zur Verfügung.

b. R e p a r a t u r - und Benovationsaktion Weil es ungeachtet dos hohen Auftragsbestandes den Kleinbetrieben im Winter an Arbeit mangelte, wurde die Ausrichtung öffentlicher Beiträge an Reparaturen, Renovationen und Umbauarbeiten, die seit dem Jahre 1937 gebräuchlich war, auch während der Kriegszeit fortgesetzt, allerdings unter Beschränkung auf die auftragsarmen Wintennonate. Als aber im Jahre 1946 die Bautätigkeit wiederum normalen Umfang
erreichte, wurde die Reparaturund Benovationsaktion eingestellt. Mehr als dio Hälfte der für Reparaturen, Benovationen und Umbauten gewährten Bundesbeiträge war auf private Bauvorhaben entfallen, unter denen Hotel- und Kurbädererneuerungen durch erhöhte Beiträge bevorzugt wurden. Erhöhte Beihilfen wurden überdies an Stallverbesserungen wie auch an bauliche und betriebliche Werkstattverbesserungen gewährt, Es unterliegt keinem Zweifel, dass solche Aktionen geeignet sein können, einem Beschäftigungsmangel im Baugewerbe entgegenzuwirken. Anderseits lässt sich kaum leugnen, dass diese Art bauwirtschaftlicher Arbeitsbeschaffung die Gefahr der Gewöhnung an Öffentliche Beihilfen in höherem Masse in sich

15fi birgt als andere Subventionsformen. Es wäre bei einer Wiederaufnahme und Ausdehnung solcher Reparatur- und Renovationsaktionen kaum von der Hand zu weisen, dass mancher Hausbesitzer und Betriebsinhaber Reparaturen, Renovationen und Umbauten schliesslich überhaupt nur vornehmen würde, wenn die öffentliche Hand ihm dabei finanziell unter die Arme greift. Ganz abgesehen von der kaum tragbaren Belastung, die der Öffentlichkeit daraus erwüchse, verlören die mittels öffentlicher Zuschüsse solcherart ausgelösten Arbeiten den zusätzlichen Charakter. Solange die Beiträge an Reparaturen und Renovationen (wie in der Kriegszeit) bloss während der arbeitsarmen Jahreszeit ausgerichtet werden, gelingt es zum mindesten, einen saiHonmässigen Ausgleich herbeizufuhren. Freilich ist hierzu zu sagen, dass es kaum Aufgabe der öffentlichen Hand sein kann, die jahreszeitlichen Arbeitsschwankungen mittels dauernder Geldzuwendungen auszugleichen. Wollte man aber im Falle konjunkturbedingter Arbeitslosigkeit im Baugewerbe dazu übergehen, derartige Beiträge während des ganzen Jahres auszurichten, so müsste man erst recht gewärtigen, dass allerlei Reparatur-, Rénovations- und Umbauarbeiten subventioniert würden, die ohne Zweifel auch ohne öffentliche Beihilfe zur Ausführung gelangt wären. Trotz diesen Bedenken sieht der Bundesrat die Wiederaufnabmo der Reparatur- und Renovationsaktion für den Fall eines starken Absinkens der Bautätigkeit vor, wobei finanzielle Beihilfen in erster Linie in den Wintermonaten in Frage kämen. Die erforderlichen Vorbereitungen sind bereits getroffen.

c. AVohnungg- und Siedlungsbau Mit der Ablehnung der eidgenössischen Wohnbauvorlage am 29. Januar 1950 hat dag Schweizervolk bekundet, dass es die Wohnungsnot nicht mehr als derniassen drückend empfinde, um die weitere Ausrichtung von Bundesboihilfen zu ihrer Bekämpfung rechtfertigen zu können. Unter solchen Umständen steht es ausserhalb jeder Diskussion, im gegenwärtigen Zeitpunkt irgendwelche Bundesmittel, gleichgültig unter welchem Titel, zur Förderung des Wohnungsbaues bereitzustellen. Ob zu irgendeinem spätem Zeitpunkt der Wohnungs- oder Siedlungsbau im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsaktion erneut unterstützt werden könnte, wird ganz von der dereinstigen Lage im Baugewerbe und insbesondere auf dem Wohnungsmarkt abhängen. Schon heute kann
jedoch gesagt werden, dass es einer gesunden Konjunktur- und Beschäftigungspolitik zuwiderlaufen würde, wollte man einzig um der Arbeitsbeschaffung willen die Wohnungsproduktion übersteigern. Denn das würde unweigerlich zu einer Deroutierung des Wohnungsmarktes und zu einer späteren Verschärfung der Baukrise führen. In Anbetracht der Tatsache, dass der Wohnungsbedarf in Depressionszeiten meist zurückzuweichen pflegt, erscheint eine Einbeziehung der Wohnbauförderung vorerst wenig wahrscheinlich. Eher kommt eine Förderung des nicbtlftndwirtschaftlichen SiedJungsbaues in Frage, ·wie sie bereits im Dezember 1943 in Aussicht genommen wurde, als Folge der günstigen Wirtschaftsentwicklung aber nicht zur Durchführung gelangte.

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d. Das Programm der ö f f e n t l i c h e n Hand Auf Seite 151 wurde das Mehrjahresprogramm der öffentlichen Verwaltungen und Betriebe im Bereiche der technischen Ausrüstung erwähnt, über das eine Erhebung vom Herbst 1949 Aufschluss erteilt. Ihm zur Seite steht das Mehrjahresprogramm der öffentlichen Bauten, über dessen Entwicklung seit dem Jahre 1941 periodische Erhebungen vorliegen. Dieses Programm umfasst alle im Zeitpunkt der Erhebung bekannten und für die kommenden Jahre vorgesehenen Bauvorhaben der öffentlichen Hand. Das Mehrjahresprogramm bildet also nicht einen Katalog der vorbereiteten Arbeitsbeschaffungsmassnahmen oder der Bauprojekte, die lediglich im Falle einer Krise zur Ausführung gelangen sollten -- denn eine reinliche Trennung der öffentlichen Bauvorhaben in solche, die unabhängig von der Arbeitsmarktlage ausgeführt werden müssten, und solche, die als Arbeitsbeschaffungsmassnahmen in Bereitschaft gehalten werden, ist zum voraus kaum denkbar; selbst wenn eine solche Scheidung gelingen würde, wäre sie wenig sinnvoll : denn die Möglichkeiten, die dem Gemeinwesen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit offenstehen, hängen von der Höhe des Gesamtbauvolumens ab. Um den Arbeitsmarkt bei verringerter privater Geschäftstätigkeit zu entlasten, kommt es allein darauf an, dass genügend Bauvorhaben greifbar sind; ob sie als ordentliche oder ausserordentliche Aibeiten bezeichnet werden, spielt für ihre beschäftigungspolitische Wirksamkeit eine höchst untergeordnete Eolle. Ausschlaggebend ist diese Unterscheidung im Zeitpunkt der Ausführung allerdings für dio Beitragsleistung des Bundes, der aus verständlichen Gründen nicht geneigt ist, ordentliche Bauvorhaben der Kantone oder Gemeinden aus Arbeitsbeschaffungsmitteln zu unterstützen.

Dag Mehrjahresprogramm der öffentlichen Arbeiten (Stand Herbst 1949) ist den Mitgliedern der eidgenössischen Bäte vom Delegierten für Arbeitsbeschaffung direkt zugestellt worden. Wir möchten daher an dieser Stelle nur kurz zusammenfassen, dass das Gesamtprogramm Bauten im Betrage von 6,9 Milliarden Pranken umfasst, von denen zwei Fünftel baureif und drei Fünftel noch nicht baureif sind. Von den baureifen Arbeiten sind rund drei Siebentel finanziert und vier Siebentel noch nicht finanziert. Fünf Siebentel der gesamten Bausumme kommen dem Tiefbau, zwei Siebentel dem
Hochbau zugute.

Von den Tiefbauten (total ca. 4,8 Milliarden Franken) entfallen ungefähr je ein Drittel auf Strassen einerseits, auf Flussverbauungen, Wasserbau und Kanalisationen anderseits. Von den Hochbauten (total ca. 2,1 Milliarden Franken) entfallen ein knappes Drittel auf Schulen und Turnhallen und ungefähr je ein Sechstel auf Verwaltungsgebäude einerseits, auf Spitäler und Anstalten anderseits. Nach Auftraggebern aufgegliedert verteilt sich die Gesamtsumme von 6,9 Milliarden Franken zu 19,3 % auf den Bund (ohne Armeeauftrage), zu 31 % auf die Kantone, zu 48 % auf die Gemeinden und privaten Elektrizitätswerke und zu 1,7 % auf die Privatbahnen. Aus den Erhebungen vom Herbst 1949 geht die erfreuliche Tatsache hervor, dass sich der Bereitschaftsgrad der im Mehrjahresprogramm enthaltenen Bauvorhaben der Kantone und Gemeinden gegenüber 1947 alles in allein erhöht hat: die Gesamtbausumme ist innert

158 zweier Jahre um ein knappes Viertel, die Summe der baureifen und bereits finanzierten Projekte um 77,8 % gestiegen. Dieses gesamtschweizerisch recht befriedigende Bild wird jedoch dadurch getrübt, dass in verschiedenen Kantonen die Summe der baureifen Vorhaben seit 1947 zurückgegangen ist. Um die Bereitschaft der Kantone und Gemeinden zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vermittels öffentlicher Bauaufträge einigermaasen abschätzen zu können, hat der Delegierte für Arbeitsbeschaffung das erforderliche öffentliche Bauvolumen, das heisst jenen Vorrat an Projekten ermittelt, der unter krisenhaften Verhältnissen die ausreichende Beschäftigung des Baugewerbes und die zusätzliche Beschäftigung einer gewissen Zahl Arbeitsloser aus andern Erwerbszweigen ermöglichen würde. Wenn solche Berechnungen auch keine absolute Zuverlässigkeit beanspruchen, vermitteln Eie doch wertvolle Anhaltspunkte über den Stand der Vorbereitungen der Kantone. Sie ergaben, dass bloss die beiden Kantone Appenzell I.-Eh. und Neuenburg für ein Jahr nicht genügend vorbereitet seien, während die Kantone Luzern, Freiburg und Appenzell A.-Eh, die notwendige Bereitschaft schwach erreichen. Die übrigen Kantone scheinen zum mindesten technisch für die Abwehr einer allfälligen Arbeitslosigkeit für das erste Jahr gut gerüstet. Auch für eine längere Arbeitslosigkeit ist die technische Bereitschaft im allgemeinen recht gut. Unbefriedigend vorbereitet für zwei Jahre sind nach dem Maßstabe des Delegierten für Arbeitsbeschaffung einzig die Kantone Freiburg, Basel-Stadt, beide Appenzell und Neuenburg.

V. Sondennassnahmen zugunsten einzelner Branchen und Berufe 1. Massnahmen zugunsten einzelner Branchen A. Allgemeine Massnahmen

(Beratung, Vermittlung, Bearbeitungsaufträge usw.)

Ausserhalb der eigentlichen Arbeitsbeschaffung gelingt es nicht selten, durch Aufklärung, Beratung und Vermittlung, durch Aussprachen mit den Branchen- und Betriebsvertretern und durch Unterstützung von Selbsthilfomagsnahmen zeitweilige Beschäftigungsrückschläge zu meistern. Die heutige Tätigkeit des Delegierten für Arbeitsbeschaffung besteht zum überwiegenden Teil aus solchen Bemühungen, wirtschaftliche Störungen und Eeibungen, die nachteilig auf den Beschäftigungsgrad einwirken, zu lindern und zu beheben.

Mancherlei konnte auf diese Weise erreicht werden, ohne dass dem Bund daraus Kosten erwuchsen.

Es hat sich gezeigt, dass selbst in Zeiten der Vollbeschäftigung, in denen die Statistik keine Arbeitslosen ausweist, einzelne Betriebe (z. B. wegen Exportschwierigkeiten) unter Auftragsmangel leiden. Umgekehrt gibt es in Depressionszeiten sogar in Branchen, die schlecht beschäftigt sind, Betriebe mit überdurchschnittlichem Bestellungseingang. Als dem Delegierten Klagen einzelner Firmen über unzulängliche Beschäftigung zugingen, nahm er den Kontakt

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mit voll- und übel-beschäftigten Unternehmungen auf, um sie zu veranlassen, sogenannte Lohnaufträge an weniger begünstigte Firmen zu vergeben. In der Tat gelang es, auf diesem Wege vorübergehend unterbeschäftigten Betrieben beizustehen. Da diese Lösung sich in den meisten Fällen als brauchbar und vorteilhaft erwies, kann erwartet werden, dass Bearbeitungsaufträge dieser Art in Zukunft in grösserem Umfange an andere Unternehmungen der gleichen Branche ausgegeben werden könnten, wenn der Beschäftigungsausgleich dies erfordern würde. Nachdem der Delegierte diese Selbsthilfeaktion eingeleitet hat, wird es künftighin freilich kaum in den Wirkungskreis der Bundesbehörden fallen, hierbei als Vermittler tatig zu sein; vielmehr sollte diese Aufgabe von den Fach vorbänden übernommen werden.

Ebenso hat der Delegierte für Arbeitsbeschaffung versucht, einen Porsonalabtausch zwischen gut- und schlechtbeschäftigten Firmen in die Wege zu leiten.

Dabei machte er die bemerkenswerte Feststellung, dass die meisten zeitweilig unterbeschäftigten Betriebe den Standpunkt einnahmen, es sei für die Unternehmung nicht erwünscht, eingearbeitete Kräfte auch nur vorübergehend abzutreten; zweckmässiger erscheine es, die betreffenden Arbeitskräfte in der Zwischenzeit mit Bevisionsarbeiten, Reparaturen sowie mit Arbeit auf Lager zu beschäftigen. Diese Einstellung kann in der Tat als hocherfreulich bezeichnet -werden. Man hat in Industriekreisen erkannt, dass die Entlassung von Facharbeitern gleichzeitig auch die Trennung von der Erfahrung und Geschicklichkeit bedeutet, die diese Leute erworben haben und die dem Betrieb fortan fehlen würde. Die Unternehmungen sind daher im allgemeinen bereit, finanzielle Opfer zu bringen, um Berufsarbeiter bei Beschäftigungsmangel nach Massgabe der Möglichkeiten am bisherigen Arbeitsplatz durchzuhalten -- eine Gesinnung, die Gewähr dafür zu bieten scheint, dass tüchtige Berufsarbeiter bei künftigem Beschäftigungsmangel weniger leicht Entlassungen zu fürchten hätten als zum Beispiel noch vor zehn Jahren.

B. Besondere Massnahmen Kein Programm kann vollständig sein und allen erdenklichen Situationen Bechnung tragen -- am wenigsten ein Arbeitsbeschaffungsprogramm, das ständig dem wechselnden Gang der Wirtschaftsentwicklung angepasst werden muss. Darum können die Behörden unter Umständen in die Lage
kommen, besondere Arbeitsbeschaffungsaktionen mit staatlichen Finanzbeihilfen für einzelne Erwerbszweige durchzuführen, die aus Gründen, welche sich heute in keiner Weise voraussehen lassen, in unerwartete Schwierigkeiten geraten.

So hat zum Beispiel der Bund in der Kriegszeit eine M o t o r f a h r z e u g - B e p a r a t u r a k t i o n eingeleitet, um dem durch die kriegsbedingte Lahmlegung des Automobilverkehrs in seiner Existenz bedrohten Autogewerbe beizustehen.

Aus dem für die Arbeitsbeschaffung generell geltenden Grundsatz, dass die staatlichen Arbeitsbeschaffungsmassnahmen den normalen Gang der Wirtschaft und Beschäftigung aufrechterhalten und sich möglichst reibungslos ins gesamtwirtschaftliche Gefüge eingliedern sollen, können nach der jeweiligen Lage der

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Dinge andere Aktionen ähnlicher Art, die auf eine ganz bestimmte Branche zugeschnitten sind, herauswachsen. Erwähnt sei als weiteres Beispiel die bei Kriegsende geübte -Bevorschussung von Warenlagern, die verschiedenen Exportfirmen erlaubte, in Erwartung der Wiederherstellung der Transportwege und Öffnung der Grenzen auf Vorrat zu fabrizieren und solcherart ihr Personal durchzuhalten.

2. Massnahmen zugunsten einzelner Berufe A. Eigentliche Arbeitsbeschaffungsmassnahmen a. A r b e i t s b e s c h a f f u n g für kaufmännisches und technisches Personal Schon vor dem. Kriege war der Zudrang zu den kaufmännischen Berufen so gross, dass ein gewisses Missverhältnis zu andern Berufskategorien und damit ein Überangebot auch in Zeiten feststellbar war, die als wirtschaftlich nicht ungünstig bezeichnet werden können. Kriegswirtschaft und Hochkonjunktur brachten dann oine solche Nachfrage nach Arbeitskräften, dass faktisch jeder Angestellte Beschäftigung fand; freilich führten sie auch dazu, dass sich diesem Erwerbszweig viele Leute zuwandten, die hierfür weder richtig ausgebildet noch sonstwie geeignet waren. Das trug dazu bei, dass im Zuge der Konjunkturrückbildung dieser Erwerbszweig vom Beschäftigungsrückgang in erster Linie betroffen ward. Bereits in den Jahren 1944 und 1945 hat der Delegierte für Arbeitsbeschaffung eingehend nach zusätzlichen Beschäftigungsgelegenheiten für kaufmännisches Personal gefahndet. Damals wurde ein recht umfangreiches Programm zusammengetragen, das unter anderem Arbeiten in Bibliotheken (Ausbau der Kataloge), Ausgestaltung von Statistiken, bibliographische Arbeiten, Archivarbeiten usw, enthielt. Auch die Verwaltung erklärte sich bereit, eine Bciho von Notstandsarbeiten für arbeitslose kaufmännische Angestellte zu vergeben wie z. B. die Ergänzung und Neueinrichtung von Kartotheken, dio Durchführung von Bestandesaufnahmen usw. Auf jenes Programm könnte man, sofern sich die Lage auf dem kaufmännischen Arbeitsmarkt verschlechtern sollte, zurückgreifen. Bereits haben die Städte Basel und Lausanne, und während des letzten Winters vorübergehend auch Genf, Verwaltungsnotstandsarbeiten in Angriff genommen; in Bern besteht ein sogenannter kaufmännischer Arbeitsdienst. Solche Einrichtungen werden vom Bunde finanziell unterstützt, wenn vorerst auch nur in bescheidenem Rahmen. Zur Hauptsache
aber wird es Aufgabe der Kantone bleiben, geeignete Arbeitsgelegenheiten für stollenlose kaufmannische Angestellte ausfindig zu machen.

Für das technische Personal ergeben sich im .Rahmen der industriellen wie der bauwirtschaftlichcn Arbeitsbeschaffungspläne zahlreiche Arbeitsmöglichkeiten. Verschiedene Vorbereitungen für die spätere Arbeitsbeschaffung (Projektierungen, Plankonkurrenzen, Vermessungen usw.) ermöglichen es, einer Anzahl von Technikern bereits Arbeit zu vermitteln. Soweit aber An-

161 gehörigen technischer Berufe keine geeignete Beschäftigung geboten werden kann, empfiehlt es sich, ähnlich wie vor dem Kriege, technische Arbeitsdienste einzurichten. Solche bestehen zurzeit in Genf und Bern.

b. A r b e i t s b e s c h a f f u n g für Akademiker Auch die akademischen Berufsarten können in Krisenzeiten der Staatshilfe teilweise nicht entbehren. Dabei kann es allerdings nicht Aufgabe der öffentlichen Hand sein, strukturelle Schwierigkeiten (wie zum Beispiel die chronische Überfüllung bestimmter intellektueller Berufe) mit Arbeitsbeschaffungsmitteln zu beheben. Ein solches Unterfangen wäre ausserst kostspielig, aber kaum besonders aussichtsreich. Hier vermag letztlich nur die Anpassung des Angebotes an die Nachfrage zu helfen.

Das Gesagte gilt zum Beispiel für den zweifellos einigermassen übersetzten Beruf des Architekten. Während der Kriegszeit, da viele freierwerbende Architekten durch den Militärdienst ihrer Kundschaft entfremdet wurden, war es berechtigt, den Betroffenen durch Subventionen für allerlei Planungsarbeiten (öffentliche Bauten, Hotel- und Kurbädererneuerung) Aufträge zu verschaffen. Ahnliche Massiiahmen werden sich unter Umständen im Falle stärkeren Beschäftigungsrückganges aufdrangen. Aber zur Dauereinrichtung dürfen sie nicht worden. Auch wenn der Staat mit Subventionen eingreift, erscheint es wenig wahrscheinlich, dass die bestehenden Architekturburoaux in Zeiten krisenhafter Beschaftigungslage ihr Auskommen finden könnten, nachdem sich gezeigt hat, dass sie kaum in der Zeit der Hochkonjunktur und allgemeinen Überbeschäftigung vollbeschäftigt waren.

Der Delegierte für Arbeitsbeschaffung machte bereits am 15. Juni 1944 die schweizerischen Hochschulen auf die Notwendigkeit aufmerksam, bei eintretender Arbeitslosigkeit zusätzliche Arbeitsgelegenheiten für Akademiker zu schaffen. Vor allem wurde empfohlen, ein Arbeitsprogramm für Assistenten vorzubereiten. In einem besondern Bundschreiben an die juristischen F a k u l t ä t e n wurden diese Anregungen genauer präzisiert und eine Beihe von Vorschlägen unterbreitet, wie durch Beiziehung wissenschaftlicher Hilfskräfte der Unterricht ausgebaut und der Lehrkörper entlastet worden könne. Das Problem der Beschäftigung stellenloser Juristen wurde auf Veranlassung des Delegierten an einer Konferenz vom 13. Juli 1944 mit
verschiedenen beteiligten Berufsorganisationen und Verwaltungsstellen durchbesprochen; dabei ergab sich unter anderem, dass ausser der vermehrten Beschäftigung an den Universitäten und der zeitweiligen Heranziehung zu speziellen Verwaltungsarbeiten in den Kantonen die Ausbildung zu Bücherrevisoren einen gangbaren Weg der Arbeitsbeschaffung fin- Juristen bilde. Der Delegierte für Arbeitsbeschaffung konnte überdies feststellen, dass in verschiedenen Kantonen und Städten ein Mangel an tüchtigen Steuorkommissären herrsche, was manchem jungen Juristen die Möglichkeit bietet, nach euLspiecheuder Vorbereitung und Spezialausbildung eine auch seinen wissenschaftlichen Kenntnissen angemessene Betätigung zu linden. Auch mit der Arbeitsbeschaffung für akademisch aus-

162 gebildete Volkswirtschafter befasste sich der Delegierte für Arbeitsbeschaffung, obwohl hier die Dringlichkeit besonderer Massnahmen weniger gross erschien. Im allgemeinen gilt das über die Bereitstellung von Arbeitsmöglichkeiten für Juristen Gesagte sinngemäss für die Absolventen des nationalÖkonomischen Studiums: auch hier könnten nötigenfalls mit Sonderaufträgen der Verwaltung, mit der Schaffung von Assistentenstellon an den Fakultäten sowie mit der Weiterbildung von Volkswirtschaftern zu Steuerkommissären und Eevisoren zusätzliche Arbeitsgelegenheiten vermittelt werden.

Was die Arbeitsbeschaffung für Absolventen anderer Fakultäten anbelangt, ergab die Anfrage des Delegierten für Arbeitsbeschaffung bei den Hochschulen im Sommer 1944, dass es an Gelegenheiten für ausserordentliche Untersuchungen und Forschungen keineswegs fehlen würde, sofern die Finanzierungst'rage gelöst werden könnte. Würden die notwendigen Voraussetzungen geschaffen, um die Grundlagenforschung in vermehrtem Umfange durch Bundesbeiträge zu unterstützen, so ergäben sich daraus für die Angehörigen verschiedener Fakultäten, vor allem aber für Physiker, Chemiker, Ingenieure, Mediziner UBW. mancherlei zusätzliche Arbeitsmöglichkeiten.

Der Aufschwung der Wirtschaft seit dem Jahre 1946 hat auch die Probleme der Aibeitsbuschaffuiig für Akademiker eimgeriuäHtieii in den Hintergrund gedrängt. Dass bereits heute wieder eine nennenswerte, konjunkturell bedingte Arbeitslosigkeit innerhalb der akademischen Berufsarton um sich gegriffen habe, kann kaum behauptet werden. Sollte sich die Situation jedoch verschlimmern, so würden die mit der Arbeitsbeschaffung betrauten Stollen an die in den Jahren 1944 bis 1946 geleistete Vorarbeit anknüpfen. Freilich wird es sich im wesentlichen bloss darum handeln können, die durch Konjunkturschwankungen bedingte Stellenlosigkeit von Akademikern zu bekämpfen; strukturelle Schwierigkeiten dagegen, wie sie in einzelnen Berufen durch erhöhten Andrang zum Studium hervorgerufen werden, können kaum durch beschäftigungspolitische Massnahmen behoben werden, sondern bedingen vor allem eine Anpassung des Arbeitsangebotes an den Bedarf.

c. Arbeitsbeschaffung für Künstler Im Jahre 1947 ist vom Delegierten für Arbeitsbeschaffung eine Kommission ins Leben gerufen worden, die im Eahmen der Vorbereitungsmassnahmen
für die Arbeitsbeschaffung nach Mitteln und Wegen Ausschau halten soll, um den bildenden Künstlern unseres Landes vermehrte Aufträge zu verschaffen.

Dieser Schritt war von der Erkenntnis getragen, dass die grosso Geldflüssigkeit und ausgezeichnete Wirtschaftskonjunktur der Nachkriegsjahre den meisten Künstlern keine merkliche Erhöhung ihrer Absatzmöglichkeiten gebracht habe.

Dio Kommission möchte don Versuch unternehmen, im Zusammenwirken mit verschiedenen Bevolkerungs- und Wirtschaftskreisen der bildenden Kunst auch dort Eingang zu verschaffen, wo man bis dahin der künstlerischen Gestaltung kaum gedacht hat. Wesentlich fällt dabei die Bereitschaft der ö f f e n t lichen Hand ins Gowicht, ihre Bauwerke, Verwaltungsgebäude, Amtsstuben

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usw. durch Bilder, Wandgemälde und Plastiken zu verschönern. Diese kulturelle und moralische Verpflichtung wird von zahlreichen Ämtern und Betrieben bereits in hohem Masse anerkannt. Die eidgenössische Baudirektion, die Zollverwaltung, die Bundesbahnen und die PTT-Betriebe haben sich zum Beispiel bereit erklärt, bei Neubauten l % der Bausumme für die künstlerische Ausschmückung zu verwenden. Ähnliche Absichten haben einige Kantono und Städte geäussert. Der Kanton Genf und dio Stadt Biel haben sich entschlossen, der Kunstpflege sogar einen Betrag von 2 % der Bausummen zuzuwenden.

Dor Delegierte für Arbeitsbeschaffung hofft überdies, im Zusammenwirken mit der erwähnten Kommission und mit verschiedenen kulturellen und wirtschaftlichen Organisationen das Verständnis für die Pflege der Kunst in breitere Kreise der Bevölkerung zu tragen und mit dem Mittel der Aufklärung und Werbung auch solche Leute zum Ankauf von Kunstwerken anzuspornen, die bis dahin an derartige Anschaffungen kaum gedacht haben.

In diesem Zusammenhange ist unter anderem die Gründung von Kunstgilden erwogen worden, die den Kontakt zwischen Kunstler und Publikum verengern, die Käufer beraten und unter Umständen auch den Erwerb von Kunstwerken gegen Eatenzahlungen vermitteln könnten. Auch im Bereiche der Wirtschaft bostohon manche Möglichkeiten, neben den Graphikern, mit denen die meisten grössern Firmen seit langem zusammenarbeiten, gelegentlich auch freie Künstler beizuziehen. Das Gastgewerbe wiederum wäre in der Lage, Bilder und Skulpturen leihweise von Künstlern zu übernehmen, uni sie auf diese Weise weitem Kreisen bekanntzumachen, was gleichfalls zur Erleichterung des Verkaufs beitragen könnte.

Bei alledem kann es sich freilich nur um die Förderung wirklichen Künstlertums handeln, nicht aber um den Ankauf oder die Vermittlung von unzulänglichen Werken aus reinen Kommiserationsgründen. Auch im Bereiche des Kunstschaffens besteht zweifellos ein strukturell bedingtes Überangebot, das auf den Drang mancher Dilettanten zurückgeht, ihren bisherigen Beruf an den Nagel zu hängen und sich, ohne dazu wirklich das Zeug zu besitzen, als Kunstmaler oder Bildhauer zu etablieren. Diesen bedauernswerten Zeitgenossen, die ohne ausreichende Gaben den Beruf des Künstlers erwählten, wäre mit gelegentlichen, aus Mitleid erfolgenden Ankäufen kaum
geholfen; richtiger wäre es, ihnen durch Fürsorgeleistungen die Umstellung auf einen geeigneteren Broterwerb zu ermöglichen.

d. A r b e i t s b e s c h a f f u n g für das abgebaute Bundespersonal Nach dem Kriege zeigte sich die Notwendigkeit, den infolge der ausserordentlichen Umstände stark erweiterten Vorwaltungsapparat des Bundes schrittweise wieder auf einen normalen Stand zurückzuführen. Vor allem legte der Abbau der Kriegsorganisation des Mihtärdepartemontes (der bereits im Winter 1944/45 einsetzte) und die Liquidation der Kriegswirtschaft (die hauptsächlich in die Jahre 1946 und 1947 fiel) dem Bunde die Pflicht auf, das berufliche Weiterkommen einer grossen Zahl von Aushilfsangestellten zu erleichtern,

164

die nach Wiederkehr friedensmässigor Verhältnisse im Bereiche der Bundesadministration keine Verwendung mehr fanden. Zunächst wurde beim Militärdepartement eine Arbeitsnachweis- und Beratungsstelle geschaffen, die in Zusammenarbeit mit den Verwaltungsabteilungen des Bundes, der Kantone und Gemeinden wie auch der Privatwirtschaft möglichst vielen freiwerdenden Arbeitskräften neue Stellen zu vermitteln sucht. Zum Schutze des Aushilf sPersonals, dem man sich für seine jahrelangen treuen Dienste erkenntlich zeigen wollte, wurde verfügt, dass bei Neuanstellungen innerhalb der Bundesverwaltung bisherige Ausbüfsangestellte grundsätzlich xn bevorzugen und Kräfte von ausserhalb nur beizuziehen soion, wenn unter dem Aushilfspersonal keine geeigneten Leute ermittelt werden könnten. Don entlassenen Aushilfskräften, die ausserhalb der Bundesverwaltung einen Arbeitsplatz suchen mussten, wurden, um den Antritt oiner neuen Stelle bzw. die Aufnahme einer selbständigen Berufstätigkeit zu erleichtern, finanzielle Beihilfen zugesichert. Insgesamt hat der Bund in den Jahren 1946 bis 1949 rund 2,1 Millionen Franken an Hilfeleistungen bei der Auflösung kriegsbedingter Dienstverhältnisse ausgerichtet. Während im Jahre 1946 nahezu die Hälfte dieser Beihilfen zur Erleichterung der Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit diente und bloss 30 % auf HiUelüihtimgtJii bei 81 ellenlosigkeit entfielen, "wurden im Jahre 1949 rund 70 % der Bundeshilfe für Stellenlose und kaum 20 % für Aushilfsangestellte, die sich verselbständigen wollten, beansprucht. Diese Verschiebung üeigt deutlich, in welchem Masse sich die wirtschaftlichen Aussichten für abgebaute AushiJfsangestellte verschlechtert haben.

Da der Personalabbau weiterschreitet, die Beschlüsse über die Hilfe an entlassene Aushilfsangestellte aber bis /um 31. Dezember 1949 befristet waren, sah sich der Bundesrat veranlasst, dieses Unterstützungssystem vorläufig bis Ende 1951 fortzusetzen und in Hinblick auf die Erschwernisse des Stellenwechsels zu erweitern. Namentlich soll die Bundosbilfe fortan auch dem nicht eigentlich kriegsbedingten Aushilfspersonal bei Entlassungen zukommen. Die obere Grenze der Beihilfe ist durch die neuesten Bestimmungen, die vom 10. März 1950 stammen, für die weniger als vierzigjährigen Bediensteten von höchstens drei auf höchstens sechs und für
die mehr als vierzigjährigen Bediensteten von höchstens sechs auf höchstens zwölf Monatsgehälter erhöht worden. Die zusätzliche Unterstützung wird aber nur in besonders berücksichtigenswerten Eällen gewährt werden, so namentlich, wenn die Verselbständigung oder Beteiligung an einem Geschäft besonders hohe Aufwendungen erfordert, wenn beim Antritt einer privaten Stelle eino Barkaution verlangt wird, wenn die Stellensuche, Umschulung oder Vorbereitung auf eine Diplomprüfung entsprechende Auslagen orfordert, wenn infolge der Entlassung des Vaters die berufliche Ausbildung der Kinder in Frage gestellt wäre oder wenn infolge lang dauernder Stellenlosigkeit oder durchgemachter Krankheit eine Notlage entstanden ist. Als Gehaltazuschuss boi probowoisom Stellenantritt in der Privatwirtschaft, als Beitrag an die Emrichtungskosten bei Aufnahme oinor selbständigen Erwerbstätigkeit, zur Deckung der Reise- und Umzugskosten beim

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Stelionantritt im Ausland oder beim Aufsuchen einer Stelle im Inland und zum Unterhalt eines über fünfzigjährigen Aushilfsangestellten bei einer der Entlassung aus dem Bundesdienst folgenden Stellenlosigkeit kommen dagegen normalerweise nur die ursprünglichen Beihilfen (höchstens drei bzw. sechs Monatsgehälter) in Betracht.

B. Berufliche Förderung und Umschulung Die beruflichen Umschichtungen, die die Hochkonjunktur und Überbeschäftigung nach sich zog, sind bereits im historischen Teil gestreift worden.

Die ungleichmässige Bückbildung der Beschäftigung bringt es mit sich, dass in einzelnen Wirtschaftszweigen Arbeitsmangel herrscht, während anderwärts umgekehrt nicht genug Arbeitskräfte vorhanden sind. Es sollte so weitgehend als möglich vermieden werden, Stellenlose zu unterstützen oder unter Einsatz staatlicher Mittel besondere Arbeitsbeschaffungsmassnahmen zu organisieren, solange in bestimmten Wirtschaftsbereichen immer noch eine deutliche Nachfrage nach Arbeitskräften besteht. So dauerte zum Beispiel im Winter 1949/50 der Mangel an Berufsarbeitern vielerorts fast unvermindert an, während gleichzeitig Tausende von Handlangern arbeitslos wurden.

Die Überführung von Stellenlosen in ein ganz anderes Berufsgebiet begegnet naturgemäss mannigfachen Schwierigkeiten. Vor allem ist hiefür eine bestimmte Zeit notwendig. Die bisherigen Erfahrungen haben den Beweis erbracht, dass kurzfristige Umschulungskurse nicht zum Ziele führen. So erfordert z. B. die Ausbildung von Bauhandlangern zu qualifizierten Maurern eine verkürzte Berufslehre von zwei Jahren. Die berufliche Ertüchtigung erweist sich auch deswegen als wertvoll, weil die Leistungsfähigkeit jedes Wirtschaf tskörpers weitgehend auf seiner Kapazität an qualifizierter Arbeitskraft beruht. Wenn unsero Beschäftigungspohtik danach streben muss, zumal in Zeiten rückläufiger Konjunktur die für eine kurzfristige Arbeitsannahme eingereisten Ausländer durch heimische Facharbeiter zu ersetzen, die mittels Schulungskursen und nachträglicher Berufsausbildung aus dem Beservoir der ungelernten Arbeitskraft geschöpft werden, so bleibt doch alle Vorsicht geboten, um eine Uberfüllung einzelner Berufsarten zu vermeiden. Eine sorgfältige Abklärung aller Umstände und Faktoren ist erforderlich, ehe grössere Aktionen eingeleitet werden. Keineswegs darf die in Zeiten
der Hochkonjunktur und Überbeschäftigung auftretende Nachfrage als Norm genommen werden; wollte man den Bedarf nach Facharbeitern hiernach bemessen, so rnüsste man zweifellos damit rechnen, dass bei rückläufiger Entwicklung ein Teil der Berufsarbeiter (statt heute der Hilfsarbeiter) von Stellenlosigkeit bedroht wäre. In einem gewissen Umfang r e c h t f e r t i g t sich also die zeitweilige Beiziehung qualifizierter Fremdarbeiter in der Phase der Hochkonjunktur und Uberbeschäftigung vollkommen; dagegen sollte es möglich sein, vom Zeitpunkt an, da sich Konjunktur und Beschäftigung normalisieren, die Nachfrage nach Berufsarbeitern aus der im Lande selber ansässigen Arbeiterschaft zu decken.

Bundesblatt. 102. Jahrg. Bd. II.

12

166 Anderseits wird man bei der Beurteilung, ob und wieweit ein Erwerbszweig ausreichend mit qualifizierter Arbeitskraft versehen oder gar überversorgt sei, dem Umstand Bechnung tragen müssen, dass Klagen über die Überfüllung oines Berufes in den Kreisen der unmittelbar Beteiligten zuweilen ohne triftigen Grund, mitunter vorsorglicherweise im Hinblick auf mögliche Zukunftsentwicklungen, gelegentlich aber aus reinem Berufsegoismus erhoben werden.

Auch darf nicht übersehen werden, dass an sich berechtigte Beschwerden, sei es über einen Mangel, sei es über ein Überangebot an Arbeitskräften bestimmter beruflicher Qualifikation, vielfach dem Zusammentreffen besonderer Umstände zuzuschreiben sind. Solche Konstellationen pflegen häufig rasch wieder zu wechseln, so dass die Einleitung grösserer Umschulungsaktionen zwecklos wäre, weil sie viel zu spät Früchte trüge.

Unter diesen Vorbehalten kann die berufliche Förderung und Umschulung fraglos als wirkungsvolles Mittel einer auf die Ausschöpfung aller natürlichen Arbeitsreserven gerichteten Beschäftigungspolitik bezeichnet werden. Erfahrungen auf diesem Gebiete liegen aus der Vorkriegszeit wie aus der Kriegsüeit in reichem Masse vor. Besonders erfreuliche Ergebnisse zeitigten die zahlreichen örtlichen Kurse und die auf interkantonaler Grundlage aufgebauten Berufslager während der JKrise der dreissiger Jahre. Als wichtigste Einrichtungen dieser Art sei das im Frühling 1985 gegründete Berufslager Hard für Metallarbeiter, Automechaniker, Elektroinstallateure und andere Berufe der Metallbranche genannt, ferner die den Lehrwerkstätten der Stadt Bern angegliederten Berufslager für Bau- und Möbolschreiner wie für TapeziererDekorateure und für Sattler-Tapezierer, das Berufslager für Herrenschneider in Zürich, das Berufslager für kaufmännische Angestellte in Bolle, das English Centre und das Centro Espagnol, die junge Kaulleute in der englischen bzw.

spanischen Sprache unterrichteten und endlich das von der Stadt Zürich in Lausanne organisierte Berufslager für weibliche kaufmännische Angestellte und Verkäuferinnen. Im graphischen Gewerbe wurde ein Berufslager für Schriftsetzer und Buchdrucker in St. Gallen geführt. Für die Arbeitskräfte auf dem Gebiete der Hochfrequenz- und Schwachstromtechnik wurden in Zürich Kurse für Badiomonteure und Scbwachstromapparate-Monteuro
organisiert. Dem Mangel an Mineuren und Bruchsteinmaurern wurde durch zahlreiche Kurse begegnet, die an verschiedenen Arbeitsstellen veranstaltet wurden.

Ferner seien die mehrwöchigen Holzhauerkurse zur Zeit des Brennstoffmangels erwähnt, die dazu dienten, die grosse Nachfrage nach geeigneten Arbeitskräften für den vermehrten Holzschlag zu decken. Seit Jahren wird der Mangel an weiblichen Dienstboten zu mildern versucht, indem in verschiedenen Landesgegenden dreimonatige Einführungskurse für Mädchen in den Hausdienst veranstaltet werden. Die Subventionierung dieser Veranstaltungen erfolgte in der Kriegszeit auf Grund der Verordnung vom 11. Mai 1987 über Arbeitsnachweis, berufliche Förderung und Wiedereingliederung von Arbeitslosen in den Wirtschaftsprozess, die später durch die Verordnung vom 28. Mai 1940 über Massnahmen zur Regulierung des Arbeitsmarktes und zur beruflichen

167

Förderung von Arbeitslosen ersetzt wurde. Der Bund übernahm in der Eegel 60 % der Kosten, während der Wohnkanton und die Wohngemeinde die restliehen 40 % der Aufwendungen« zu decken hatten. Wo die finanziellen Verhältnisse des Kursteilnehmers oder seiner Angehörigen es gestatteten, wurde diesen eine angemessene Beteiligung an den Ausbildungskosten zugemutet.

In den Jahren 1985 bis 1945 wurden in mehr als 1700 Kursen rund 51 700 Teilnehmer beruflich weitergebildet bzw. umgeschult. Der Bund wendete an die Kosten dieser Veranstaltungen sowie an andere Maesnahmen zum gleichen Zwecke rund 8,5 Millionen Franken auf. Diese ausserordentlichen Massnahmen wurden im Laufe der Jahre 1946 und 1947 weitgehend abgebaut. Gleichzeitig wurden aber die notwendigen Anordnungen getroffen, um einzelne Berufslager zu ständigen Fachschulen für die Weiterbildung auszubauen, um sie auf diese Weise für die Zukunft zu erhalten.

Nach Massgabe der künftigen Konjunkturentwicklung und den beschäftigungspolitischen Notwendigkeiten beabsichtigt der Bund, auf diesen Erfahrungen weiterzubauen und die berufliche Schulung und Umschulung in der durch die jeweiligen Verhältnisse gebotenen Weise zu unterstützen. Er erwartet von der privaten Wirtschaft, dass auch sie im Rahmen der sich bietenden Möglichkeiten tatkräftig an der beruflichen Forderung und Weiterbildung der von Stellenlosigkeit bedrohten Arbeitskräfte mitwirke. Auf Veranlassung des Delegierten für Arbeitsbeschaffung haben sich verschiedene Arbeitsbeschaffungskommissionen der privaten Wirtschaft auch diesen Problemen zugewandt ; sie haben sich bereit erklärt, in Zeiten drohender Arbeitslosigkeit Kurse in ihren eigenen Werkstätten durchzuführen, die der Umschulung von Arbeitskräften bzw. ihrer Weiterbildung zu Spezialisten dienen.

G. Auswanderung Nicht ohne etwelche Hemmungen fügen wir unserm Berichte ein Kapitel über die Auswanderung bei. Denn es kann kaum Aufgabe eines staatlichen Gemeinwesens sein, seine Angehörigen, die Massnahmen zur Erhaltung und Beschaffung von Arbeitsmöglichkeiten von den Behörden erwarten, auf Auswanderungsgelegenheiten aufmerksam zu machen. Wir glauben, dass die schweizerische Öffentlichkeit unter Arbeitsbeschaffung und Beschäftigungspolitik vor allem Vorkehren versteht, die geeignet sind, den von Stellenlosigkeit bedrohten Arbeitern und Angestellten
einen Arbeitsplatz im Inland in Aussicht zu stellen. Dieser Vorbehalt kann jedoch an der grundsätzlichen Erkenntnis nichts ändern, dass unser Land, das verhältnismässig dicht bevölkert ist und seit einiger Zeit erneut einen merklichen Bevölkerungszuwachs verzeichnet, auf lange Sicht der Auswanderung als eines Mittels des Bovölkerungsund Beschäftigungsausgleiches kaum ganz en traten könnte. Es darf in diesem Zusammenhange daran erinnert werden, dass die Auswanderung in unserem Lande seit jeher eine bedeutende Eolio spielte. Auch kann nicht übersehen werden, dass nicht wenige Auswanderer als Wegbereiter unserer aussenwirtschaftlichen Beziehungen und unseres Exportes der Schweiz unschätzbare

168

Dienste leisteten; andere -wiederum kehrten später in die Schweiz zurück, um die im Ausland erworbenen Kenntnisse und Erfahrungen zum Nutzen der Heimat auszuwerten.

* Wenn der Bundesrat auch keineswegs gedenkt, die Auswanderung als Mittel der Beschàftigungspolitik zu fördern, so beabsichtigt er doch auch weiterhin, den Schweizern, die aus eigenem Entschluss und freien Stücken eine Existenz im Ausland aufbauen möchten, nach Massgabe der Möglichkeiten beizustehen. Da die schweizerische Auswanderung sich hauptsächlich aus qualifizierten Berufsleuten und Spezialisten zusammensetzt, kann sie sich keinem starren Organisationsschema einfügen, sondern wird stets individuell und spontan bleiben. Schon heute befassen sich die schweizerischen Behörden mit dem Schutz der Auswanderer. Gleichzeitig trachten sie darnacih, den Auswanderungslustigen zuverlässige Informationen über die Arbeits- und Existenzbedingungen in den Zielländern zu liefern, und sie bemühen sich, die Placierung schweizerischer Arbeitskräfte im Ausland zu erleichtern. In einzelnen Fällen konnte es sich als zweckdienlich erweisen, zwischenstaatliche Vereinbarungen zu schliessen, die die der Niederlassung von Schweizerbürgern in andern Ländern entgegenstehenden Schwierigkeiten beheben oder lockern.

Der Bundesrat wird auch diesem Problemkreis seine volle Aufmerksamkeit zuwenden, um gemäss dem Beschäftigungsstande in der Schweiz und im Ausland gegebenenfalls weitere Massnahmen zur Unterstützung der Auswanderung zu ergreifen.

Schlusswort Es ist dem Bundesrat durchaus bewusst, dass er in diesem Zwischenbericht kein abgerundetes Bild der boschäftigungs- und konjunkturpolitischon Zusammenhänge zeichnen konnte. Manches an sich belangvolle Problem blieb ausserhalb der vorliegenden Betrachtungen; andere Fragen konnten nur kurz gestreift werden, obgleich eino eingehendere Behandlung von erheblichem grundsätzlichem .Interesse gewesen wäre. Im wesentlichen hat der Bundesrat sich auf diesen Seiten darauf beschränkt, diejenigen Aspekte der Arbeitsbeschaffung»- und Konjunkturpolitik herauszuheben, die für unserLand und unsere Wirtschaft im heutigen Zeitpunkt aktuelle Bedeutung besitzen oder in naher Zukunft eine solche erlangen könnten. Das sind, wie uns scheint, die Aufschlüsse, die die eidgenössischen Kate und die breitere Öffentlichkeit im gegenwärtigen Augenblick vom Bundesrat erwarten.

Um Miesdeutungen vorzubeugen, legt der Bundesrat Wert auf die PestStellung, dass er keineswegs gesonnen ist, mit seinen boschäftigungspolitischen Betrachtungen und mit seiner Darstellung künftiger Arbeitsbeschaffungsmassnahmen einer pessimistischen Beurteilung unserer Wirtschaftslage und Wirt-

169 schaftsaussichten Vorschub zu leisten. Solange keine entscheidenden und weitreichenden Gleichgewichtsstörungen auf den internationalen Märkten Platz greifen, durften sich wohl auch für unser Land immer wieder Möglichkeiten bieten, ernsthaften Erschütterungen auszuweichen oder ihnen, sofern sie durch binnenwirtschaftliche Faktoren ausgelöst würden, wirksam entgegenzutreten.

Wesentlich schwieriger werden sich die beschäftigungs- und konjunkturpolitischen Aufgaben der öffentlichen Hand gestalten, sobald die Weltwirtschaft von einer umfassenden Depression mit entsprechenden Nachfrageausfällen ergriffen würde. Im einen wie im andern Falle erscheint es aber von ausschlaggebender Bedeutung für Land und Volk, die erforderlichen Gegenmassnahmen beizeiten vorzubereiten, um Beschäftigungsrückschlägen sogleich mit dem nötigen Nachdruck begegnen zu können.

Bevor der Bundesrat diesen Zwischenbericht schliesst, möchte er daran erinnern, dass der Konjunkturablauf nicht allein von ökonomischen, statistisch fassbaren Faktoren abhängt, sondern in einem hohen Grade durch eine Beihe psychischer Momente, durch Hoffnung und Furcht, durch die Stimmungen und die Erwartungen der Produzenten wie der Konsurnenten bedingt ist. Die Erfahrung lehrt, dass Selbstvertrauen und Zuversicht wirtschaftliche Bückschläge zu dämpfen und ihre Folgen zu mildern vermögen, wahrend Mutlosigkeit und Besignation die Konjunkturrückbildung beschleunigen und die Auswirkungen der Depression verschärfen. Fraglos besteht in weiten Kreisen der Wirtschaft und der Bevölkerung etwelche Neigung, in Zeiten konjunkturellen Auftriebes durch einen übermässigen Optimismus und einen dadurch hervorgerufenen Mehraufwand den Aufschwung zu übersteigern, während umgekehrt in Zeiten rückläufiger Wirtschaftsentwicklung eine übertriebene Ängstlichkeit allzu leicht zu einer krisenverschärfenden Zurückhaltung von Aufträgen und Bestellungen führt. Auch mit diesen psychologischen Konjunktur- und Krisentaktoren rnuss die staatliche Beschäftigungspolitik rechnen, ohne dass sie in der Lage wäre, auf sie unmittelbaren Einfluss zu nehmen. Immerhin bestehen manche Möglichkeiten, durch Kenntnis dieser Stimmungsmomente und durch unablässige Aufklärung der Öffentlichkeit über die Bedeutung eines konjunkturgereehten Verhaltens einiges zu einem bessern Ausgleich der Wirtschaftstätigkeit
beizutragen.

Diese Bemerkungen bestärken die Einsicht, dass der Staat -- so wichtig seine beschäftigungs- und konjunkturpolitische Bolle auch ist -- kaum befähigt wäre, die Probleme der Arbeitserhaltung und Arbeitsbeschaffung zu meistern, wenn er nicht auf die Mitarbeit und Einsatzbereitschaft aller Träger der Wirtschaft und Beschäftigung zählen könnte. Einzig durch vertrauensvolles Zusammenwirken der Organe des Bundes, der Kantone und Gemeinden mit den Privatbetrieben und den Berufsverbänden der Arbeitgeber und Arbeitnehmer wird es gelingen, unsere Volkswirtschaft wohlbehalten durch alle Fährnisse zu steuern, die ihr im Laufe kommender Zeiten entgegentreten könnten.

Die Möglichkeiten und Grenzen des staatlichen Eingreifens, gleichzeitig aber

170 auch die Notwendigkeit und Bedeutung einer umfassenden und solidarischen Zusammenarbeit darzulegen war eines der Ziele, welches der Bundesrat mit diesem Zwischenbericht anstrebte.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 12. Juni 1950.

gioì

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der Bundespräsident: Max Petitpierre Der Bundeskanzler: Leimgruber

Anhang

Arbeitsbeschaffungsmassnahmen 1939--1949 Auftragsvolumen und ausbezahlte Bundesbeitrage (in 1000 Franken)

1939 Arbeitsbeschaffungsaktionen

Tiefbau Hochbau Wohnungsbau*) . . .

Bundesarbeiten und Arbeiten im Landesinteresse Neue Industrien . . .

Bahnarbeiten und Bahnaufträge. . . .

Renovationen an privaten Gebäuden . . .

Stallsanierungen . . .

Werkstattsanierungen .

Innenkolonisation . . .

Freiwilliger Arbeitsdienst Motorfahrzeugreparaturaktion . . .

. .

Technische, kaufmännische und intellektuelle Berufe . . . .

Diverse Total

1940

1941

1943

1942

1944

Auftrags- Bundes- Auftrags- Bundes- Auftrags- BundesBnndes- Auftrags- Bundes- Auftrags- Bundes volumen beitrag volumen beitrag volumen beitrag Auftrags-volumenn beitrag volumen beitrag volumen beltrag 32031 3696 78261 10428

9645 29310

741 3519

1488 20737

203 2511

1576 32364

60

20

103

100

130

31 308 3209 2011 178 544

3342 563 243 162

51023 4493 2391 115

95

115

37

90

2738

558

5144 1063

8332

2062

79038 13881

6547 2149

176

48

683

1258

393

172

4906 704

1876 190

3653 279

218 582 27389 43802

*) Soweit auf Arbeitsbeschaffungsmittel

57

1536 90

6141 80678

114

--.

5817 49070 786 6315 338 1475 74 32

47 2129

--

69 22881

--

17 3207

--

5268 36946 995 4314 227 544 19

3991 661 90

25

30

8

4600

968

6222

1306

1844 643

6511 1673

2422 695

7134 849

2172 441

11852 101 152 14478

86199

12795 78989

11883

262

5126 15890

317 136 4173 16074

2156 2477

zurückgegriffen wurde.

1945 Arbeitsbeschaffungsaktionen

Tiefbau Hochbau Wohnungsbau *) . . .

Bundesarbeiten und Arto eiten im Landesint eresse Neue Industrien . . .

Bahnarbeiten und Bahnaufträge. . . .

Renovationen an privaten Gebäuden . . .

Stallsanierungen . . .

Werkatattsanierungen .

Innenkolonisation , . .

Freiwilliger Arbeitsdienst .

. . .

MotorfahrzeugreparaturAktion Technische, kaufmännische und intellektuelle Berufe . . . .

Diverse

1946

1947

1949

1948

Total 1939-1949

AuftragsBundes- Auftrags - Bundes- Auftrags- Bundes- Auftrags- Bundes- Auftrags- Bundes- Auftragsvolumen beitrag volumen beitrag volumen beitrag volumen beitrag volumen beitrag volumen

707 34022 20084

119 140 36 509S 26001 3128 1716 574 309 60249 751 661 75230

--

-- --

--

45973 4995 259 650 34190 1 346 054137 195 8625

49704 986 1045

--

5208 142 132

17686

4396

9198 206

2389 62

2296

297084 30173 33148 5286 7466 1030 1592 439

1927

615

31246

7228

35 25

117 15

21 15

320

88

50 126 15915 20839 4696

Total 133 588 19259 608 381 64846 751 906 75290

132

36

320

88

2 103 729 244057

7796 135

1376 57

220 25

--

Bundesbeitrag

*) Zugesicherte Bundesbeitrage, soweit auf Arbeitsbbeschaffu ngsmitte1 zurückgegriffen wurde.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Zwischenbericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über Massnahmen der Arbeitsbeschaffung (Vom 12. Juni 1950)

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Jahr

1950

Année Anno Band

2

Volume Volume Heft

24

Cahier Numero Geschäftsnummer

5852

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

15.06.1950

Date Data Seite

21-172

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