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Bundesblatt 102. Jahrgang

Bern, den 27. April 1950

Band I

Erscheint wöclientHch. Preis US Franken im Jahr, 15 Franken im Halbjahr zuzüglich Nachnahme- und Postbestellungsgebnhr Einräcknngsgeiinhr: 50 Rappen die Petitzeile oder deren Baum. -- Inserate franko an Stämpßi & die. in Bern

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend Revision von Artikel 39 der Bundesverfassung (Freigeldinitiative) (Vom 21. April 1950) Herr Präsident!

Hochgeehrte Herren!

Mit Schreiben vom 28. Oktober 1949 haben Sie uns eingeladen, über das Volksbegehren vom 1. September 1949 betreffend die Eevision von Artikel 39 der Bundesverfassung (Freigeldinitiative) Bericht und Antrag einzureichen.

Wir beehren uns hiemit, zu diesem Begehren Stellung zu nehmen.

Das Volksbegehren, das mit 89 553 gültigen Stimmen zustandegekommen ist, verlangt die Ersetzung der Absätze 3 und 6 des Artikels 39 der Bundesverfassung (Notenbankartikel) durch folgende Fassung: Abs. 3. Die mit dem Notenmonopol ausgestattete Bank hat die Hauptaufgabe, den Geldumlauf des Landes zum Zwecke der Vollbeschäftigung so zu regeln, dass die Kaufkraft des Schweizerfrankens beziehungsweise der Lebenskostenindex, fest bleibt.

Abs. 6. Der Bund erklärt die Banknoten und andere gleichartige Geldzeichen als gesetzliche Zahlungsmittel.

I. Stellungnahme zum Volksbegehren Diese Verfassungsinitiative stellt einen erneuten Versuch der Anhänger der Freigeldlehre (heute liberal-sozialistische Partei, ehemals Freiwirtschaftsbund) dar, die Theorien dieser Lehre in der Schweiz in die Praxis umzusetzen.

Für das Geldwesen würde das die Abkehr von der Goldwährung und ihre Ersetzung durch eine vom Gold vollständig losgelöste, reine Papierwährung bedeuten. Der Münzfuss würde an einen Index -- laut Initiative an den Lebenskostenindex -- gebunden. Dieses System wird daher Indexwährung genannt.

Bundesblatt. 102. Jahrg. Bd. I.

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894 Der Vorzug der Indexwährung gegenüber der Goldwährung besteht nach Auffassung der Freigeldlehre darin, dass die Kaufkraft des Geldes im Inland ein für allemal stabilisiert werde, wodurch -- angeblich -- auch eine dauernde Vollbeschäftigung erreicht werden könne. Die Stabilisierung der Kaufkraft würde allerdings automatisch den Verzicht auf die Stabilität des Aussenwertes der Währung, d. h. der Wechselkurse, bedeuten, was aber als das kleinere Übel betrachtet wird und vermeintlich auch keinen Nachteil für die Vollbeschäftigung darstellen solle.

Die Freigeldlehre will eine Lehre der Krisenbekämpfung sein. Ausgangspunkt dieser Lehre ist die These, d a s s Krisen ausschliesslich und allein von der Geldseite her verursacht werden, nämlich dadurch, dass das Geld willkürlich, d. h. je nach den Interessen der Geldbesitzer, durch Hortung dem Geld- und Kapitalmarkt vorenthalten oder ihm entzogen werde und so für die zur Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung notwendigen Investitionen nicht mehr in genügendem Umfange zur Verfügung stehe. Die beliebige Zurückhaltung des Geldes sei darum möglich, weil das Geld im Gegensatz zu den Waren dem Verderben nicht ausgesetzt sei und so nach freiem 1 Ermessen gehortet werden könne. Dieser Vorteil des Geldes gegenüber den Waren finde seinen Ausdruck im Zins als Entgelt für die Überlassung des Geldes zu Investitionszwecken. Die zeitweilige Zurückhaltung des Geldes sei mit dem Bestreben, dafür einen höheren Zins zu erhalten, zu erklären. Um dem Geld den bisherigen Vorzug gegenüber den Waren zu nehmen, sei es notwendig, den Zins a b z u s c h a f f e n oder doch auf ein Minimum zu reduzieren, und sei es ferner notwendig, das Geld zu einer dauernden maximalen Zirkulation zu zwingen (Umlaufszwang). Auf diese Weise würden Krisen automatisch ausgeschaltet und würde sich die Wirtschaft einer dauernden Prosperität erfreuen.

Nach Auffassung des Begründers der Freiwirtschaftsbewegung, Silvio Gesell, kann zudem das Freigeld nur dann richtig funktionieren, wenn -- zur Ausschaltung der Spekulation -- der gesamte Grundbesitz des Landes in die Hände des Staates übergeführt wird. So würde also der Bauer zum Pächter des Staates auf seinem bisher eigenen Grund und Boden!

Auf diesen Vorstellungen baut nun die Freigeldlehre ein Währungssystem auf, das sich durch die beiden Begriffe
Indexwährung und Schwundgeld charakterisiert. Der Wert der Geldeinheit wird nicht mehr an einem Metall (Gold) gemessen, sondern an einem Preisindex bzw., um das Wort von Dr.

Th. Christen, dem nach Silvio Gesell bedeutendsten Vertreter der Freigeld-, Freiwirtschaft- und Freilandbewegung, zu gebrauchen, an einem «Kilogramm Durchschnittsware». Der Münzfuss soll also nicht mehr am internationalen Wertmaßstab und Zahlungsmittel Gold, sondern an einem -- in Wirklichkeit gar nicht existierenden -- Kilogramm Durchschnittsware gemessen werden, wobei diese Eelation, gleich wie beim Gold, immer gleich zu bleiben hätte. In logischer Folgerung der Freigeldthesen müsste dieses Ziel erreicht werden, wenn die Geldmenge, bei gleichbleibender Umlaufsgeschwindigkeit, sich immer

895 gleich bewegt wie die Gütermenge, d. h. bei steigender Güterproduktion entsprechend erhöht und bei sinkender Produktion verringert würde. An der Tatsache, dass die Preise sich dennoch ändern können, z. B. jene der landwirtschaftlichen Produkte infolge der Schwankungen der Ernteergebnisse oder der Einfuhrgüter -- man denke hier nur an die gewaltige Preishausse während des Weltkrieges ·--, kommen allerdings auch die Anhänger der Freigeldlehre nicht vorbei; sie glauben aber trotzdem, das durchschnittliche Preisniveau durch entsprechende Manipulierung der Geldmenge auf dem einmal angenommenen Stand halten zu können.

Die Freigeldlehre geht also von der Annahme aus, dass zwischen der Geldmenge und Umlaufsgeschwindigkeit einerseits und der Gütermenge und dem allgemeinen Preisniveau anderseits eine automatische Wechselwirkung bestehe, die ihren Ausdruck in folgender, auf der sogenannten Quantitätstheorie beruhenden Gleichung findet: Preis =

Geldmenge x Umlaufseeschwindiskeit == Warenmenge

Diese Gleichung lasse sich sozusagen mathematisch errechnen und daraus wird gefolgert, dass durch entsprechende Manipulierung der Geldmenge ohne weiteres ein Zustand des preislichen Gleichgewichts hergestellt werden könne.

Eine solche Gleichgewichtslage liesse sich also nach dem Eezept der Freigeldanhänger ungefähr ebenso leicht herstellen bzw. aufrechterhalten, wie man eine Waage, bei der das Gewicht der einen Seite Änderungen unterworfen ist (Gütermenge), durch entsprechende Änderung der Belastung auf der andern Seite (Geldmenge) im Gleichgewicht halten kann.

Gewiss trifft zu und wird auch von keiner Seite bestritten, dass zwischen der Geldmenge und dem Preisniveau gewisse Zusammenhange bestehen können. So kann etwa eine Krediterschwerung durch die Notenbank zur Verminderung der Geldmenge und zu Preisrückgängen führen. Umgekehrt kann eine starke Vermehrung unter gewissen Umständen, namentlich dann, wenn sie mit einer Verknappung des Warenangebotes einhergeht, eine Erhöhung der Preise bewirken. Diesen Tatsachen ist in der Währungspolitik bisher schon Eechnung getragen worden. So haben Bund und Nationalbank während und nach dem zweiten Weltkrieg durch eine Eeihe von Massnahmeü der Preissteigerung entgegengewirkt, unter anderem durch die Exportkontingentierung (mit dem Ziel, den Dollarzufluss einzuschränken), durch die Goldsterilisierung und Goldabgabe, durch die Begebung von Bundesreskriptionen zum Zwecke der Geldabschöpfung, durch die Dollarbewirtschaftung, die teilweise Blockierung von Exporterlösen usw. Wenn ein allgemeiner Anstieg der Preise dennoch eintrat, so war er, unvermeidlicherweise, durch (die Warenverknappung, die Verteuerung der Einfuhr, die höheren Produktionskosten und die vermehrten Staatsausgaben für die im engeren wirtschaftlichen Sinne unproduktiven Aufwendungen für die Landesverteidigung verursacht. Gerade die zurückliegenden

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Kriegsjahre sind ein typisches Beispiel dafür, dass die Preise sich auch von der Güterseite her verändern können, und zwar in sehr ausgesprochenem Masse.

Es wäre also falsch zu glauben, der Preisstand lasse sich, wie die Anhänger der Freigeldlehre behaupten, durch eine Veränderung der Geldmenge in jedem Falle entscheidend beeinflussen und stabil halten; denn in Wirklichkeit stehen Geldmenge, Güterumsätze und Preise nicht in einem derart automatischen und absoluten Zusammenhang, wie dies die Freigeldlehre annimmt. Die Frage erscheint auch als berechtigt, nicht zuletzt im Hinblick auf die Sparerund Eentner, ob es sinnvoll wäre, die Preise auf einem übermässig hohen Stand stabilisieren, d. h. jede Preissenkung durch künstliche Massnahmen verhindern zu wollen.

Eine andere Bemerkung sei hier ebenfalls angebracht. Wenn die Anhänger der Freigeldlehre behaupten, dass nur der Mangel an Geld oder besser die willkürliche Zurückhaltung des Geldes eine dauernde Vollbeschäftigung verhindere, so ist gerade die gegenwärtige Konjunkturphase eine eindrückliche Widerlegung dieser Auffassung. Bekanntlich ist die Konjunktur seit dem Sommer 1948 rückläufig und die Konjunkturerwartungen weisen eindeutig auf ein Anhalten dieser Tendenz hin. Nach Freigeldtheorie müsste dieser Umschwung auf eine Verknappung des Geld- und Kapitalmarktes zurückzuführen sein. In Tat und Wahrheit ist aber, wie jedermann weiss, das genaue Gegenteil der Fall; der Markt war in den letzten Jahren flüssiger denn je und hat heute einen noch nie erreichten Liquiditätsgrad erreicht. So haben allein die täglich fälligen Verbindlichkeiten der Nationalbank seit der Jahresmitte 1948 (Konjunkturumschwung) bis zum 15. März 1950 von 1246 Millionen auf 2127 Millionen Franken zugenommen, ohne dass etwa beim Notenumlauf eine umgekehrte Bewegung eingetreten wäre. Die Postcheckgelder, die bis zum Ausbruch des Krieges eine halbe Milliarde Franken nie überstiegen, bewegen sich seit 1945 ständig auf einer Höhe von einer Milliarde Franken. Die Schwierigkeiten, für die flüssigen Mittel Anlage- und Investitionsmöglichkeiten zu finden, sind zu bekannt, als dass darüber nähere Ausführungen nötig wären. Der Marktverfassung entsprechend sind auch die Zinssätze auf einen bisher nie erreichten Tiefstand gesunken. So betrug beispielsweise die Durchschnittsrendite von 12
Anleihen des Bundes und der SBB Ende Februar 1950 noch ganze 2,3 %.

Gesetzt den Fall, die Depression würde weitergehen, so wäre es ein Unding, sie durch eine nochmalige Verflüssigung des Marktes bekämpfen zu wollen, nachdem ja heute schon weit mehr als genug Mittel zu Investitionszwecken zur Verfügung stehen. Eine Krisenbekämpfung hätte vielmehr durch andere staatliche Massnahmen zu geschehen, wie Förderung des Exportes im weitesten Sinne, Vergebung der in der Hochkonjunktur zurückgehaltenen staatlichen Aufträge und staatliche Arbeitsbeschaffungsmassnahmen.

Wenn auch unter gewissen Voraussetzungen der Fall eintreten kann, dass das Preisniveau durch die Geldmenge beeinflusst wird, dass also bei einer Vermehrung der Geldmenge die Preise steigen und bei einer Verringerung der Geldmenge die Preise sinken, so kann hieraus auf eine Gesetzmässigkeit nicht geschlossen werden. Ob Preisniveau und Geldmenge parallel oder entgegen-

897 gesetzt verlaufen, hängt von vielerlei Umständen ab, keineswegs aber nur vom Geldangebot allein. Neben der Geldmenge beziehungsweise dem Geldangebot beeinflussen eine ganze Eeihe weiterer Elemente den Preisstand, wie beispielsweise das Verhalten der wirtschaftenden Menschen, die Gestaltung des Aussenhandels, die Preisentwicklung auf den Weltmärkten, die Staatsausgaben und die Steuern, neue Erfindungen, Rationalisierungen, der Umfang der Ernten usw.

Auch in dieser Beziehung widerlegen die heutigen Verhältnisse die Freigeldtheorie. Die zunehmende Marktverflüssigung sollte nämlich nach der Lehre des Freigeldes eine entsprechende Preissteigerung zur Folge haben. Tatsächlich sind aber die Preise seit einiger Zeit rückläufig, besonders deutlich die Grosshandelspreise, während die Detailpreise bis jetzt etwas weniger stark gesunken sind, weil sie erfahrungsgemäss geringeren Schwankungen unterworfen sind als die stark vom Ausland abhängigen Grosshandelspreise und deren Bewegungen erst mit einiger Verspätung folgen. So ist der Grosshandelsindex von seinem Höchststand von 218 (August 1939 = 100) in den Monaten Januar bis April 1948 auf 197 im Januar 1950, also um 21 Punkte, zurückgegangen, während der Lebenskostenindex erst im November 1948 mit 165 seinen höchsten Stand erreichte und bis zum Januar 1950 um 6 Punkte auf 159 zurückging.

Es ist also nicht einzusehen, wie die Wirkungen aller dieser Faktoren auf die Preisgestaltung einzig und allein durch eine Manipulierung der Geldmenge sollen ausgeglichen werden können. Eine solche Geld-, Kredit- und Währungspolitik ist ein Unterfangen, das nicht bloss zum Misserfolg verurteilt wäre, sondern darüber hinaus schwerwiegende Folgen für die gesamte Wirtschaft haben rnüsste.

Die Zielsetzungen der Indexwährung würden eine vollständige Kontrolle und Lenkung des gesamten Geld- und Kreditwesens notwendig machen. Es ist aber offenkundig, dass die derzeitigen Kompetenzen der Notenbank für eine solche Kontrolle und Beeinflussung nicht genügen und dass sogar unter dem Begirue der Indexwährung und des Schwundgeldes das Geld nicht unter allen Umständen zu einer maximalen Umlaufsgeschwindigkeit gezwungen werden könnte, wie die Freigeldlehre als selbstverständlich annimmt. Ein mehr oder weniger grosser Teil der Geldmenge (Banknoten, Giroguthaben, Postcheckgelder usw.) entzieht
sich immer der direkten Einwirkung der Notenbank.

Diese hat somit keine volle Gewalt über den Umfang der Geldmenge. Noch wichtiger aber dürfte sein, dass es nicht in der Macht der Notenbank liegt, zu bestimmen, was mit dem im Verkehr befindlichen Geld zu geschehen hat. Sie kann dem Bürger nicht vorschreiben, wie er sein Geld ausgeben soll. Sie kann den Geldbesitzer nicht verpflichten, Waren, nach denen er keinen Bedarf hat, zu kaufen oder Investitionen für die Herstellung von Gütern vorzunehmen, nach denen keine Nachfrage besteht. Und sie kann ebensowenig verhindern, dass ein Teil des Geldes aus irgendwelchen Gründen für kürzere oder längere Zeit auf die Seite gelegt statt ausgegeben wird. Wer in Zeiten eines allgemeinen Konjunkturrückganges mit weiteren Preissenkungen rechnet, wird allein dadurch, dass die Notenbank die Geldmenge vermehrt und die Zinssätze senkt, kaum veranlagst werden können, mehr zu kaufen, als er laufend benötigt.

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Zur Verringerung der Geldmenge haben die Initianten des Volksbegehrens ein « p r o b a t e s » Mittel in Bereitschaft. Es ist der k u r z f r i s t i g e Eückruf von Noten. Nach dem heute geltenden Gesetz muss die Nationalbank zurückgerufene Noten noch während einer Dauer von zwanzig Jahren umtauschen.

Anders der Vorschlag der liberal-sozialistischen Partei, wie er in dem von ihr aufgestellten und am 26. Oktober 1948 dem Eidgenössischen Finanz- und Zolldepartement eingereichten Entwurf zu einem Bundesgesetz über das Geldwesen enthalten ist. Er nimmt in Aussicht, bei Vorliegen einer Hortung oder aus anderen wichtigen Gründen «sämtliche Noten oder Münzen ungültig zu erklären und sie zum U m t a u s c h innert einer Frist von acht Tagen aufzurufen», wobei eine U m t a u s c h g e b ü h r bis zu 10 Prozent des Nennwertes erhoben werden kann. Auf die Auswirkungen einer solchen Politik im einzelnen einzugehen, erübrigt sich. Es sei lediglich zur Illustrierung auf die schwerwiegenden Nachteile hingewiesen, welche derartige Massnahmen beispielsweise für die Landwirtschaft und das Kleingewerbe haben müssten, wo häufig zwischen Geldeingang und Zahlungstermin für längere Zeit eine grössere Barschaft gehalten wird, dann aber auch für alle Zahlstellen (Ladengeschäfte, Post- und Bahnschalter, Gemeindekassen, Banken usw.), wo naturgemäss ständig grössere Barbeträge vorhanden sein müssen. Auch über die Unmöglichkeit, für diese Fälle dauernd in Milliardenbeträgen neue Noten und in Beträgen von Hunderten von Millionen Franken neue Münzen in Bereitschaft zu halten, machen sich die Initianten offenbar keine Vorstellung. Die Herstellung einer neuen Banknote z. B. benötigt eine jahrelange Vorarbeit, wenn man nicht riskieren will, dass die Notenbilder allzu leicht nachgeahmt, d. h. die Noten gefälscht werden. Dass sodann solche unvorhersehbare Notenmanipulationen zu tiefgreifenden Störungen im Zahlungsverkehr führen müssten und dass dadurch das Vertrauen in unser Geldwesen untergraben würde, liegt auf der Hand. Ebenso könnte man sich beispielsweise die Folgen für den Fremdenverkehr leicht vorstellen.

Noch radikaler und ebenso nachteilig ist aber ein weiteres Mittel, das die Anhänger der Freigeldlehre zur Verwirklichung ihrer Pläne anwenden wollen: das Schwundgeld. An Stelle des bisherigen würde ein neues Geld geschaffen,
das dem Wertschwund unterworfen wäre und auf diese Weise «wie eine Zeitung veraltet, wie Kartoffeln fault, wie Eisen rostet, wie Äther sich verflüchtigt» - alles Bilder, die der Begründer der Freigeldlehre braucht, um das Schwundgeld zu charakterisieren. Mit dieser fortlaufenden Entwertung soll bewirkt werden, dass das Geld rascher umläuft. Zwar ist in neuester Zeit das Schwundgeld in der Propaganda der Freigeldanhänger in den Hintergrund getreten; aber es bildet nach wie vor ein unentbehrliches Hauptstück der Freigeldlehre.

Die Verfechter der Freigeldlehre können zur Behebung der Schwierigkeiten, die der Handhabung der Indexwährung entgegenstehen, auf diese letzte und radikalste Massnahme nicht verzichten, denn nur auf diese Weise wäre eine zur Haltung des Preisstandes notwendige Verringerung der Geldmenge überhaupt denkbar. Auf jeden Fall ist nicht daran zu zweifeln, dass mit der Annahme

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ihrer Initiative der erste, jedoch entscheidende Schritt getan wäre zu einer Geldverfassung, in deren Mittelpunkt das Schwundgeld mit seiner Geldsteuer steht.

Die Indexwährung hat aber noch eine weitere Folge, die gerade für die Schweiz von besonderer Tragweite wäre. Der Versuch, durch die Eegulierung der Geldmenge das Preisniveau zu stabilisieren, müsste nämlich unweigerlich mit der Preisgabe f e s t e r Wechselkurse erkauft werden. Der stabilisierte Binnenwert des Geldes geht auf Kosten der Stabilität seines Aussenwertes, denn der Preisstand kann nur stabil gehalten werden, wenn man Störungen, die sich von der Aussenwirtschaft her ergeben, durch unverzügliche Anpassung der Wechselkurse begegnet. Und in der Tat möchten -- und müssen -- die Initianten auch dieses Mittel der Preisbeeinflussung, d. h. die Manipulierung der Wechselkurse, einsetzen. Der Wechselkurs soll nach ihrer Meinung in den Dienst der Preisstabilisierung gestellt werden. Unter der Indexwährung hätte der «Wechselkurs zu wechseln», was im Ergebnis ständigen Abwertungen und Aufwertungen gleichkäme.

Wenn schon einmalige Paritätsänderungen, selbst wenn sie notwendig und unumgänglich sind, zwangsläufig auch ihre Nachteile haben, um wieviel mehr müssten sich die Nachteile steigern, wenn derartige Währungsmanipulationen sozusagen am laufenden Band vorgenommen würden.

Es bedarf wohl kaum eingehender Erörterungen darüber, was schwankende Wechselkurse besonders für ein Land bedeuten müssten, das, wie die Schweiz, aufs engste mit der Weltwirtschaft verflochten ist. Die wirtschaftliche Existenzgrundlage der Schweiz beruht zu einem grossen Teil auf den Beziehungen zum Ausland, und zwar nicht nur in bezug auf den Import und Export von Waren und den Austausch von Dienstleistungen (Bank- und Versicherungsgeschäfte usw.), sondern auch im Hinblick auf die finanziellen Beziehungen mit, dem Ausland (Guthaben der Schweiz im Ausland und ausländische Guthaben in der Schweiz). Es wäre eine Illusion, annehmen zu wollen, dass die so stark auslandabhängige Schweiz die Preissteigerungen des Auslandes von sich fernhalten könnte. Länder, die zeitweise die Stabilhaltung der inländischen Kaufkraft in ihr wirtschafts- und währungspolitisches Programm aufgenommen hatten, gaben jeweils bald wieder der Stabilhaltung der Wechselkurse den Vorzug.

Schweden beispielsweise
hat im Jahre 1981 die Stabilisierung der Kaufkraft als wirtschaftspolitisches Programm aufgestellt. Dem Preiszerfall der landwirtschaftlichen Erzeugnisse konnte jedoch erst begegnet werden, als der Staat durch Preisregelungen, Exportprämien und Importbeschränkungen der Landwirtschaft zu Hilfe kam. Trotzdem sich Schweden die Stabilisierung der Kaufkraft zum Ziele gesetzt hatte, schwankte der Preisindex der Konsumwaren in den folgenden Jahren zwischen 98 und 108 (September 1931 = 100), also um rund 10 Prozent. Und im zweiten Weltkrieg stieg der Lebenskostenindex um 65 Prozent, der Grosshandelsindex um 96 Prozent. Auch Itaüen, das seit einiger Zeit seine Wechselkurse offiziell frei spielen lässt, bildet kein

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Beispiel, das zugunsten der Freigeldtheorie verwendet werden könnte. Einmal hat Italien nicht etwa als Korrelat dazu die Inlandpreise stabilisiert; vielmehr fördert es mit allen Mitteln eine Senkung der Preise. Sodann ist das Bestreben offenkundig, die Wechselkurse möglichst stabil zu halten, was übrigens bisher auch durchaus gelungen ist. Dass ferner Italien, sobald die wirtschaftlichen und währungspolitischen Verhältnisse wieder einigermassen konsolidiert sind, wieder zur Politik der festen Wechselkurse zurückkehren wird, dürfte ausser Zweifel stehen.

Stabile, d. h. sich in engen Grenzen bewegende Wechselkurse schaffen für Handel und Industrie die im Auslandverkehr notwendige Eechnungsgrundlage.

Es ist unschwer zu erkennen, welche Schwierigkeiten und Eisiken dem Importeur erwachsen würden, wenn er stets zu befürchten hätte, bei Bezahlung der Ware einen höheren Betrag in Schweizerfranken aufwenden zu müssen, als er bei Bestellung errechnet hat. Nicht minder gross wären die Nachteile für unsere Exportwirtschaft. Der ausländische Abnehmer wäre gewiss nicht willens, das Eisiko schwankender Wechselkurse auf sich zu nehmen. Die Folge wäre, dass der schweizerische Exporteur seine Ware, statt wie bisher in der Eegel in Schweizerfranken, in der Währung des Abnehmerlandes zu fakturieren und damit seinerseits das Eisiko unberechenbarer, kurzfristiger Wechselkursänderungen zu tragen hätte. Ebenso wäre der Fremdenverkehr bei schwankenden Wechselkursen auf eine so unsichere Grundlage gestellt, dass eine schwere Beeinträchtigung nicht ausbleiben könnte. Das internationale Versicherungsgeschäft, das in der schweizerischen Zahlungsbilanz ebenfalls eine beträchtliche Eolle spielt, würde durch das Verlassen der stabilen Wechselkurse vollends verunmöglicht. Nicht zuletzt würde durch die Preisgabe fester Wechselkurse der Schweizerfranken zum eigentlichen Spielball der Spekulation.

Dass daraus schwerwiegende Störungen unserer wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Ausland, die bekanntlich das Eückgrat unserer Wirtschaft sind, eintreten müssten, braucht nicht besonders begründet zu werden. Es ist auch mehr als wahrscheinlich, dass unter solchen Umständen eine umfassende Devisenbewirtschaftung notwendig würde, mit allen ihren die Bewegungsfreiheit der Wirtschaft sowohl wie des Einzelnen einengenden Konsequenzen.
Dazu käme unvermeidlicherweise eine entsprechende Aufblähung des Beamtenund Angestelltenapparates, nicht nur bei den staatlichen Betrieben (Bund, Nationalbank, Verrechnungsstelle), sondern auch bei allen privaten Unternehmen, die mit dem Ausland wirtschaftliche und finanzielle Beziehungen unterhalten (Grosshandel, Exportindustrien, Banken). Diese Vermehrung der Personalbestände für eine durchaus unproduktive Arbeit könnte, wie sich aus ausländischen Erfahrungen ergibt, leicht in die Tausende von Personen gehen.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass zur Verwirklichung des von den Initianten gestellten Begehrens Mittel angewendet werden müssten, die für die Wirtschaft des Landes ausserordentlich gefährlich wären, ganz abgesehen davon, dass es mehr als fraglich ist, ob diese Mittel geeignet wären, das erstrebte Ziel zu erreichen.

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Aber selbst wenn für die Wirtschaft unter Inkaufnahme der erwähnten Erschwerungen ein fester Preisstand erzielt werden könnte, so stellt sich erst noch die wichtige Frage, ob ein stabilisiertes Preisniveau zugleich die V o l l b e s c h ä f t i g u n g brächte. Diese Frage ist zu verneinen. Wenn die Initianten glauben, dass mit der Stabilisierung des Preisstandes auch die Vollbeschäftigung erreicht sei, so wird diese Annahme durch die Wirklichkeit in keiner Weise bestätigt. Vielmehr liegt hier, wie die Erfahrung zeigt, ein arger Trugschluss vor. Folgende Beispiele mögen dies bestätigen.

In der Schweiz hatten wir von 1933 bis zur Abwertung von 1936 einen stabilen Lebenskostenindex. Doch herrschte in diesen Jahren alles andere denn eine Vollbeschäftigung. Die Tatsache lässt sich nicht bestreiten, dass während der Zeit des stabilen Lebenskostenindex die Arbeitslosigkeit weiter zunahm, nämlich von rund 68 000 auf 93 000 Arbeitslose ! Desgleichen war die relative Stabilität des Index in den letzten Jahren keineswegs ein Garant für die Vollbeschäftigung. Diese hängt vielmehr von der wirtschaftlichen und monetären Entwicklung im Ausland, von der Wirtschaftspolitik unserer Partner, von der Konkurrenzfähigkeit unserer Exportindustrie und unserer Hôtellerie usw. ab, also von lauter Faktoren, die weitgehend ausserhalb unseres Einflussbereiches liegen und deshalb auch mit der Frage des Wahrungssystems und mit der Kaufkraftstabilisierung nichts zu tun haben.

Die Vereinigten Staaten von Amerika verfolgten in den Jahren 1923 bis 1929 eine Politik, der es gelang, den Lebenskostenindex sozusagen stabil zu halten. Trotzdem entwickelten sich aber gerade in dieser Zeit jene hochspekulativen Verhältnisse, die schliesslich 1929 zum wirtschaftlichen Zusammenbruch und zu einer katastrophalen Weltwirtschaftskrise führten. Die Folge war, dass sich bis 1933 die Zahl der Arbeitslosen in den USA verdreifachte und die Not der Farmer gewaltige Ausmasse annahm.

Diese Beispiele, die sich beliebig vermehren Hessen, zeigen, dass ein unveränderter Durchschnitt der Preise allein der Wirtschaft die dauernde Prosperität nicht zu sichern vermag. Die Erhaltung einer möglichst hohen Beschäftigung ist zweifellos ein erstrebenswertes Ziel. Um es zu erreichen, genügt aber die Stabilhaltung des Preisniveaus keineswegs; hiefür müssen vielmehr
noch andere Massnahmen getroffen werden. Ein stabiler Durchschnittspreis gibt noch keine Gewähr für eine anhaltend gute Wirtschaftsentwicklung; das Preisniveau kann wohl stabil sein, gleichzeitig können aber die einzelnen Preise, aus denen es sich zusammensetzt, schwanken. So kann es, ohne dass der allgemeine Preisdurchschnitt sich zu verändern braucht, etwa der Fall sein, dass eine Industrie voll beschäftigt ist, während eine andere zur gleichen Zeit Not leidet.

Ganz besonders gelten diese Tatsachen für Kriegszeiten. Nehmen wir an, die Freigeldwährung wäre 1939, vor Kriegsausbruch, in der Schweiz eingeführt worden und hätte der Notenbank die Verpflichtung Überbunden, für die Stabilität der Preise durch das Mittel der Manipulierung der Geldmenge

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besorgt zu sein. Das hätte bedeutet, dass die Geldmenge im Zeitpunkt, als der Lebenskostenindex am höchsten, nämlich auf 165 stand, nur rund 60 % der Geldmenge von 1939 hätte betragen dürfen. Durch diese Eeduktion der Geldmenge hätte nach Freigeldtheorie die Erhöhung des Lebenskostenindex verhindert werden können. Eine derartige Verminderung der Geldmenge hätte aber notwendigerweise zu einer starken Verknappung des Geld- und Kapitalmarktes führen müssen, die nicht nur die Finanzierung der militärischen und wirtschaftlichen Landesverteidigung, sondern auch die Investitionstätigkeit der Wirtschaft und namentlich die notwendigen Investitionen der Landwirtschaft für den Mehranbau ausserordentlich erschwert hätte.

Die Folge einer derartigen Kaufkraftstabilisierung wäre also das gerade Gegenteil von Vollbeschäftigung gewesen, nämlich eine in ihrem Ausmass noch nie erlebte Depression und Massenarbeitslosigkeit. Staatliche Arbeitsbeschaffungsmassnahmen wäre nicht möglich gewesen, weil ihre Finanzierung ja eine -- nicht erlaubte -- Erhöhung der Geldmenge erfordert hätte. Auch die Sparer und Rentner, die auf den ersten Blick die Bevorzugten gewesen wären, hätten diesem System ihren Tribut zollen müssen, und zwar in Form von Vermögensabgaben, die weit über die beiden Wehropfer hinausgegangen wären.

Jedem Einsichtigen sollte es klar sein, dass kein Land, das, wie die Schweiz, in hohem Masse auf die Weltwirtschaft angewiesen ist, eine kriegsbedingte Teuerung von seinen Grenzen fernhalten kann, gleichgültig, welches sein Währungssystem ist. Wohl hat beispielsweise Deutschland in den Kriegsjahren seinen Lebenskostenindex dank rigorosester Preiskontrollvorschriften tiefer als jedes andere Land halten können, aber der Preis, der dafür bezahlt werden musste, bestand darin, dass der Kreis der Güter, die überhaupt gekauft werden konnten, infolge der E ationierungs Vorschrift en und des Bezugsscheinsystems, noch viel eingeschränkter war als in andern Ländern. Die weitere Folge war eine aufgestaute Inflation grössten Ausmasses, deren Wirkung denn auch sofort nach dem militärischen Zusammenbruch zum Ausdruck kam und die nur durch eine Sanierung der Währung und durch eine radikale Senkung der Geldmenge beseitigt werden konnte.

A\ich nach der Freigeldlehre dürfen die Einzelpreise nach wie vor schwanken, wenn nur der
Preisstand im gesamten fest bleibt. Das hat aber zur Folge, dass, wenn beispielsweise nach Fehlernten die Agrarpreise steigen, die Preise anderer Waren zurückgehen müssen, damit das Preisniveau im ganzen stabil gehalten werden kann. Unsere Landwirtschaft hat anderseits zu verschiedenen Zeiten trotz stabilem Gesamtpreisniveau schlechte Produktenpreise gehabt. Wenn nun noch, was durchaus möglich ist, der Landwirt in solchen Jahren sinkender Produktenpreise für Futtermittel, Düngemittel oder Maschinen einen höheren Preis zahlen muss, dann ist er doppelt benachteiligt -- und dies gerade wegen des stabilisierten Gesamtpreisniveaus. Mit der Stabilhaltung des Preisniveaus allein ist dem einzelnen also nicht ohne weiteres geholfen. Es ist viel eher so, dass sich der Selbständigerwerbende mehr interessiert für das

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Verhältnis zwischen den Preisen der Waren, die er selber produziert und verkauft, und den Preisen der Waren, die er kauft und verbraucht, als für das durchschnittliche Preisniveau, und für den Lohnempfänger spielt in erster Linie das Verhältnis zwischen seinem Einkommen und seinen Lebenskosten eine Eolle und nicht der Durchschnitt aller Preise. Mit andern Worten: den Erwerbstätigen interessiert es mehr, was er mit seinem Einkommen kaufen kann, d. h. welches der Eealwert seines gesamten Einkommens ist, als was er für einen Franken kaufen kann. Ebensowenig führt ein stabiler Preisstand die erstrebte Gerechtigkeit zwischen Gläubiger und Schuldner herbei.

Aus all diesen Gründen wäre es denkbar unzweckmässig, das gesamte Geldwesen und das Währungssystem eines Landes auf einem Index aufbauen zu wollen, der für die einzelnen Einkommensschichten eine ganz verschiedene Bedeutung hat. Das «Kilogramm Durchschnittsware», von dem einer der bedeutendsten Vertreter der Freigeldlehre gesprochen hat, ist beispielsweise für den Landwirt ganz anders zusammengesetzt als für den Arbeiter und Angestellten, auf den im grossen und ganzen der derzeitige Lebenskostenindex zugeschnitten ist, und ist für den Landbewohner wiederum anders als für den Bewohner der Großstadt. Dazu kommen die Unterschiede der Steuern, die von Ort zu Ort und von Kanton zu Kanton sehr gross sein können, weshalb die Steuern im Lebenskostenindex überhaupt nicht berücksichtigt sind.

Nach all dem ist mit Nachdruck zu wiederholen, dass die Preisstabilisierung allein, so sehr wir sie auch wünschen mögen, noch keineswegs die Vollbeschäftigung zu sichern vermag und unter Umständen, so besonders in einem Kriegsfalle, oder sonst bei starker Preissteigerung vom Ausland her, sogar unweigerlich zu Massenarbeitslosigkeit führen müsste. Wenn der Preisstand wirklich gehalten würde, könnte diese Arbeitslosigkeit auch durch wirtschaftspolitische Massnahmen der öffentlichen Hand nicht behoben werden.

Es heisst deshalb dem Volk Sand in die Augen streuen, wenn man ihm, wie die Initianten es tun, glaubhaft machen will, dass die Verwirklichung des festen Preisstandes gleichzeitig die Erhaltung der Vollbeschäftigung bedeuten würde.

Zusammenfassend ergibt sich: Das Initiativbegehren der Liberalsozialisten will der Nationalbank eine A u f g a b e überbinden, die mit den
vorgeschlagenen Methoden nicht erfüllt werden kann.

Erfahrung und Überlegung zeigen: 1. dass die Preise nicht allein und nicht einmal in erster Linie von der Geldmenge abhängen: 2. dass die Notenbank die Geldmenge nicht ausschliesslich bestimmen kann : 3. dass ein stabiles Preisniveau -- selbst wenn dieses zu erreichen wäre -- die dauernde Vollbeschäftigung nicht zu gewährleisten vermag, sondern unter Umständen genau das Gegenteil bewirkt.

Die Verwirklichung des Volksbegehrens müsste zu einer Währungspolitik führen, die eine völlige Zerrüttung unseres Geldwesens zur Folge hätte und mit schwersten Gefahren für die gesamte Wirtschaft verbunden wäre.

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Die Bezeichnung des Volksbegehrens als «Kaufkraftinitiative» ist völlig irreführend. Weder lässt sich mit der Indexwährung eine absolute Stabilisierung der Kaufkraft des Frankens noch eine dauernde Vollbeschäftigung erreichen. Die einzig sichere Folge der Indexwährung wäre das Schwundgeld, was von den Initianten allerdings -- aus begreiflichen Gründen -- verschwiegen wurde (gleich wie sie auch andere Ziele, so die Abschaffung des Zinses und die Verstaatlichung des Grundbesitzes, geflissentlich verschweigen). Es wäre deshalb richtiger und ehrlicher, von «Schwundgeldinitiative» statt von «Kaufkraftinitiative» zu reden, wie die Initianten es tun.

Abschliessend darf wohl nochmals daran erinnert werden, dass die Behörden -- Bund und Nationalbank -- in den Jahren der kriegsbedingten Preissteigerungen alles getan haben, um diese im Eahmen der gegebenen Möglichkeiten und ohne die Volkswirtschaft untragbaren Belastungen auszusetzen, zu mildern. Den vereinigten Anstrengungen von Behörden, Volk und Wirtschaft ist es denn auch gelungen, die Teuerung im zweiten Weltkrieg in bedeutend engeren Grenzen zu halten als im ersten Weltkrieg, trotzdem die Folgen des zurückliegenden Weltkrieges sonst in jeder Beziehung verheerender waren als die des Weltkrieges 1914-1918. Damals erreichte der Grosshandelsindex seinen höchsten Stand im Jahre 1919 mit 293 Punkten (1914 = 100), während diesmal der höchste Jahresdurchschnitt mit 217 Punkten 1948 erreicht wurde (1939 = 100). Ähnlich war die Entwicklung beim Lebenskostenindex: Damals stieg der Index bis auf 224, diesmal nur bis auf 165. Der Erfolg der getroffenen Massnahmen zeigt sich indirekt auch darin, dass die Bückbildung der Preise diesmal bedeutend langsamer vor sich geht. Wir sind überzeugt, dass durch die elastischen, den wirtschaftlichen und währungspolitischen Gegebenheiten und Möglichkeiten Eechnung tragenden Massnahmen dem Lande der grössere Dienst erwiesen wurde, als wenn versucht worden wäre, durch gewalttätige und künstliche Mittel den Eealwert des Frankens auf dem Stande von 1939 zu halten. Wie wir schon darlegten, hätte eine solche Methode unweigerlich zu einer Wirtschaftsdepression und Arbeitslosigkeit führen müssen, über deren Ausmass man sich kaum eine rechte Vorstellung machen könnte.

Auch in Zukunft werden Depressionen -- die infolge der starken
wirtschaftlichen Abhängigkeit der Schweiz vom Ausland fast immer die Folge entsprechender Tendenzen in der Weltwirtschaft sind -- nicht durch blosse Vermehrung der Geldmenge gemäss der monetären Konjunkturtheorie der Freigeldanhänger behoben werden können. Nur ein konstruktives Zusammenspielen der verschiedenartigsten Massnahmen, die der Vielgestaltigkeit der heutigen Wirtschaft Eechnung tragen, kann im Kampf gegen Krisen und Arbeitslosigkeit Erfolg versprechen. Neben dem Selbstbehauptungswillen der Wirtschaft werden inskünftig mehr als früher auch staatliche Massnahmen zu einer Bekämpfung von wirtschaftlichen Depressionen beizutragen haben.

Die rechtliche Grundlage hiefür bilden die neuen Wirtschaftsartikel der Bundesverfassung. Die Massnahmen, die in Betracht fallen, haben wir bereits summarisch aufgezählt: konjunkturgerechte Finanzpolitik der öffentlichen Hand,

905 d. h. Aufsparung aller verschiebbaren Aufträge auf die Zeit schlechteren Geschäftsganges, Forderung und Erleichterung des Exportes im weitesten Sinne (Stellung der Einfuhr in den Dienst der Ausfuhr und des Fremdenverkehrs, Exportprämien, Exportrisikogarantie, Kreditgewährung usw., um hier nur einige Möglichkeiten aufzuzählen) und -- wenn alle diese Massnahmen nicht genügen -- Arbeitsbeschaffungsmassnahmen. Allein auf diese Weise besteht Aussicht, künftigen Krisen mit Erfolg begegnen zu können, niemals aber mit den primitiven, an der Wirklichkeit vorbeigehenden Methoden der Freigeldlehre.

Wir beantragen Ihnen deshalb, das Volksbegehren auf Änderung des Artikels 39 der Bundesverfassung dem Volke und den Ständen zur Verwerfung zu empfehlen.

II. Der Gegenvorschlag 1. Allgemeines Die Freigeldinitiative allein würde einen Gegenvorschlag nicht rechtfertigen. Ihre Versprechungen sind so offenkundig irreführend und trügerisch, dass es sich keinesfalls etwa darum handeln könnte, ihr durch eine Neuformulierung des Verfassungstextes gewissermassen teilweise zu entsprechen und entgegenzukommen. Dagegen stellt sich die Frage, ob nicht der in erster Linie zur Diskussion stehende Absatz 3 des Verfassungsartikels eine Erweiterung in dem Sinne erfahren soll, dass neben den bisher genannten Hauptaufgaben der Notenbank, nämlich der Eegelung des Geldumlaufs und der Erleichterung des Zahlungsverkehrs, auch jene Aufgaben ausdrücklich aufgeführt werden sollen, die im Laufe der Zeit in den Vordergrund der Notenbanktätigkeit gerückt sind, nämlich die Kredit- und die Währungspolitik. Wir hatten diese Frage bereits in unserer Botschaft vom 5. November 1948 betreffend die Revision des Artikels 39 der Bundesverfassung aufgeworfen und damals die Meinung vertreten, dass die geltenden Bestimmungen über die Hauptaufgabe der Notenbank, auch wenn sie den heutigen Verhältnissen und Bedürfnissen nicht mehr voll Rechnung zu tragen vermöchten, weit genug umschrieben seien, um auch die kredit- und währungspolitischen Aufgaben der Notenbank zu umfassen.

In Übereinstimmung mit den Behörden der Nationalbank halten wir es heute für richtig, dass diese Ergänzung nun doch vorgenommen wird, damit gegenüber dem illusionären Text der Freigeldinitiative deutlich zum Ausdruck kommt, welches der wirkliche Aufgabenkreis einer Notenbank ist und
sein kann. Was die Kreditpolitik anbelangt, so ist unser Noteninstitut allerdings in den vergangenen Jahren von der Wirtschaft und von der öffentlichen Hand, namentlich auch von Seiten des Bundes im allgemeinen nicht stark in Anspruch genommen worden, da die Nationalbank durch die Aufnahme von Gold und Devisen dem Markte stets reichlich Mittel-zugeführt hat. Es kann aber eine Zeit kommen, wo die Wirtschaft den Notenbankkredit wieder vermehrt wird beanspruchen müssen. Für diesen Fall stehen dem Bund und der Wirtschaft

906 bereits heute in beträchtlichem Umfange Kredite bei der Nationalbank zur Verfügung. Darüber hinaus besteht eine grundsätzliche Bereitschaft des Noteninstitutes zur Mitwirkung bei der Finanzierung von Pflichtlagern und Arbeitsbeschaffungsmassnahmen. Unter Währungspolitik, wie sie durch die beiden Begriffe Devisenpolitik und Goldpolitik charakterisiert werden kann, sind im wesentlichen jene Massnahmen zu verstehen, die den Zahlungsverkehr mit dem Ausland und die Aufrechterhaltung der Währungsparität zum Gegenstand haben. Nicht in den Kompetenzbereich der Notenbank fällt dagegen die Festsetzung oder Änderung der Parität, d.h. des Goldgehaltes des Schweizerfrankens. Hiefür ist nach wie vor der Bund allein zuständig.

Die Frage, ob dem Volk und den Ständen ein Gegenvorschlag unterbreitet werden soll oder nicht, ist aber in erster Linie von einem andern Gesichtspunkt aus zu würdigen. Die bereits genannte Vorlage vom 5. November 1948 hatte eine Revision der im Absatz 6 des Artikels 39 der Bundesverfassung enthaltenen Bestimmungen über den Rechtscharakter der Banknoten zum Gegenstand.

Die Revisionsvorlage, die in der Volksabstimmung vom 22. Mai 1949 verworfen wurde, sah eine Änderung dieser Bestimmungen in dem Sinne vor, dass der Bund generell ermächtigt werden sollte, den Banknoten ohne Einschränkung die Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel zu verleihen. Die geltende Verfassungsbestimmung enthält eine solche Befugnis nur für Notlagen in Kriegszeiten.

Eine Revision von Absatz 6 wäre längst notwendig gewesen, weil schon seit Ausbruch des ersten Weltkrieges sozusagen in keinem Lande mehr die Banknoten gegen Goldmünzen eingelöst wurden. Die zwangsläufige Folge war, dass an die Stelle der Goldmünze die Banknote als gesetzliches Zahlungsmittel trat. Die frühere Goldumlaufswährung ist damit durch die Goldkernwährung ersetzt worden, deren Merkmal darin besteht, dass die Währung zwar nach wie vor am Gold gemessen wird und die Banknoten mindestens teilweise durch Gold gedeckt sein müssen, das Gold aber nicht mehr die Funktion eines Zahlungsmittels im Inland ausübt, sondern nur für zwischenstaatliche Zahlungen, hauptsächlich zum Ausgleich von Zahlungsbilanzdefiziten, verwendet wird.

Wir haben bereits in der Botschaft vom 5. November 1948 dargelegt, weshalb heute eine Wiedereinführung des Goldumlaufes
und eine Einlösung der Noten in Gold nicht in Betracht fällt. Wir haben damals darauf hingewiesen, dass die Goldmünzen heute ihren Zweck als Zahlungsmittel praktisch gar nicht zu erfüllen vermöchten, weil sie sofort aus der Zirkulation verschwinden würden.

Ein Teil der ausgegebenen Goldmünzen würde gehortet, ein weiterer, wesentlicher Teil würde ins Ausland abfhessen, weil sie dort zu Preisen abgesetzt werden könnten, die über dem offiziellen Goldwert liegen. Weiterhin wurde hervorgehoben, dass die Entwicklung der Zahlungsbilanz die Notenbank früher oder später in die Notwendigkeit versetzen kann, ihre Währungsreserven teilweise zur Abdeckung von Zahlungsbilanzdefiziten einzusetzen. Im Hinblick auf die Erhaltung der Zahlungsbereitschaft im internationalen Verkehr wäre eine zu starke Verminderung der Währungsreserven durch einen Goldentzug,

907 wie er sich heute bei Einlösung der Noten durch gemünztes Gold ergeben könnte, nicht zu verantworten. Diese Gründe haben auch heute noch ihre Gültigkeit.

Die Erfahrungen der dreissiger Jahre mahnen hier zur Vorsicht. Ende 1929 glaubte man, dass die Noten früher oder später wieder in gesetzlicher Barschaft, d. h. in Goldmünzen eingelöst werden könnten. Man betrachtete die damals getroffene Eegelung, die eine wahlweise Einlösung der Noten in Goldmünzen, Goldbarren oder Golddevisen vorsah, als Übergangslösung. Die kurz darauf einsetzende Weltwirtschaftskrise mit den durch sie hervorgerufenen tiefgreifenden Störungen in den Währungsverhältnissen hat nicht nur die Hoffnung auf Wiedereinführung der reinen Goldwährung zunichte gemacht, sondern es musste die Nationalbank im Zusammenhang mit der 1936 vollzogenen Abwertung des Schweizerfrankens der Pflicht zur Noteneinlösung wiederum vollständig enthoben werden. Infolge des zweiten Weltkrieges und der damit verbundenen Störungen und Zerrüttungen der wirtschaftlichen und währungspolitischen Verhältnisse war seither an eine Wiederherstellung des> Systems der Goldumlaufswährung nicht zu denken. Wann dies wieder möglich sein wird, hängt weitgehend von der Entwicklung der Lage im Ausland uni weniger vom Ermessen der Schweiz ab. Bevor die massgebenden Länder nicht ebenfalls zum Goldumlauf und zur Goldeinlösung zurückkehren, kann eine solche Massnahme aus den angeführten Gründen für die Schweiz nicht in Frage kommen.

Ausschlaggebend ist heute, dass wir eine Goldwährung, sei es in Form der Goldumlaufs- oder der Goldkernwährung, haben und dass unser Währungssystem ein solides Fundament der Wirtschaft bildet. Gerade im Hinblick auf die Freigeldinitiative, die in Absatz 6 eine vom Gold vollständig losgelöste Papierwährung mit schwankenden Wechselkursen einführen will, muss hier auf die Bedeutung der Währung und der Währungspolitik für die Wirtschaft mit aller Deutlichkeit nochmals hingewiesen werden. Dass Papierwährung, Indexwährung und Schwundgeld der Wirtschaft nicht dienen können, sondern ihr im Gegenteil schwersten Schaden zufügen müssten, haben wir im ersten Teil unseres Berichtes ausgeführt. Die Schweiz hat weniger als irgendein anderes Land Anlass, die Goldwährung gegen eine Papierwährung einzutauschen. Gerade die vergangenen Jahre zeigten erneut eindrücklich,
dass der internationale Güteraustausch ohne Goldzahlungen nicht denkbar ist, es sei denn -- was aber nur eine aufschiebende Wirkung haben kann -- unter Inanspruchnahme von Auslandkrediten. Wir erinnern daran, wie sehr es der Schweiz während des letzten Weltkrieges und auch nachher zustatten kam, dass sie über einen Goldschatz verfügte, mit dem sie ihre grossen Nahrungsmittel- und Rohstoffbezüge zum Teil bezahlen konnte. Die Bedeutung des Goldes für den Zahlungsverkehr mit dem Ausland erhellt ferner aus der Tatsache, dass seit Kriegsende eine Reihe von Ländern ihre Bezüge aus der Schweiz nicht vollständig aus dem Erlös ihrer Exporte bezahlen konnten, sondern die

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zugunsten der Schweiz entstandenen Saldi mit Gold oder in Gold konvertierbaren Devisen abdecken mussten.

Eine Währung wie die Indexwährung rnüsste, wie schon im ersten Teil -unseres Berichtes erwähnt, erfahrungsgemäss zu einer starken Beeinträchtigung des Güteraustausches und der übrigen Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland führen. Dem internationalen Güteraustausch und der internationalen Arbeitsteilung verdankt aber die Schweiz, vielleicht mehr als jedes andere Land, ihren Wohlstand. Es wäre deshalb unverantwortlich, wenn wir auf die grossen Vorteile des jetzigen Währungssystems verzichten und uns in ein währungspolitisches Abenteuer einlassen wollten.

Ebenfalls ini Interesse unserer Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland liegt es, dass wir die Währungsreserven in erster Linie für allfällige Zahlungen an das Ausland bereithalten. Es kann sehr wohl der Fall eintreten, dass unsere Zahlungsbilanz gegenüber dem Ausland wieder passiv wird und dass Kapitalabflüsse eintreten, so dass unter Umständen hiefür wie auch vor allem für die Bezahlung der notwendigen Einfuhren die Währungsreserven in Anspruch genommen werden müssen.

Zur rechtlichen Seite ist folgendes auszuführen. Der Abwertungsbeschluss vom 27. September 1936, der neben der Abwertung des Frankens den gesetzlichen Kurs der Banknoten verfügte und die Nationalbank von der Einlösungspflicht enthob, basierte auf dem Bundesbeschluss vom 31. Januar 1936 über neue ausserordentliche Massnahmen zur Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichts im Bundeshaushalte in den Jahren 1936 und 1937 (sog. Finanznotrecht), der zu verschiedenen Malen verlängert und am 1. Januar 1950 durch die Übergangsordnung des Finanzhaushaltes des Bundes abgelöst wurde. Die heutige Rechtsgrundlage für unsere wichtigsten Währungsbestimmungen bildet also die Übergangsordnung, die vorläufig nur bis Ende des laufenden Jahres Geltung hat. Eine Überführung dieser Bestimmungen in das ordentliche Recht ist deshalb nach wie vor dringlich, d. h. sie hat -- soweit es sich um Verfassungsrecht handelt -- spätestens auf den Ablauf der Geltungsdauer der Übergangsordnung zu erfolgen.

Da ferner Verfassungsinitiativen innert Jahresfrist dem Volke zur Abstimmung zu unterbreiten sind und die Freigeldinitiative im September 1949 eingereicht wurde, ergibt sich mehr oder weniger zwangsläufig,
dass über beides, Freigeldinitiative und Vorlage des Bundesrates zur Revision des Artikels 39 der Bundesverfassung gleichzeitig abgestimmt wird, ohne dass also zwischen Initiative und Revisionsvorlage des Bundesrates ein ursächlicher und materieller Zusammenhang bestünde. Aus rein formellen Gründen, nämlich wegen des zeitlichen Zusammenfallens der beiden Abstimmungen, erscheint die Vorlage des Bundesrates als Gegenvorschlag zur Initiative.

2. Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen des Gegenvorschlages Die Absätze l und 2 bleiben unverändert, mit Ausnahme einer schon in der ersten Revisionsvorlage enthaltenen, rein redaktionellen Änderung in Absatz 2.

909 Bei Absatz 8 sehen wir nun eine Ergänzung der bisherigen Umschreibung der Hauptaufgaben der Notenbank vor, indem neben der Eegelung des Geldumlaufes des Landes und der Erleichterung des Zahlungsverkehrs auch die Kredit- und Währungspolitik ausdrücklich genannt werden sollen. Damit ist den im Laufe der Zeit eingetretenen Wandlungen im Aufgabenbereich der Notenbank besser Eechnung getragen, als es die sehr allgemein gehaltene Formulierung der geltenden Bestimmung zu tun vermag. Um keine Missverständnisse bezüglich der Kompetenzen der Notenbank aufkommen zu lassen, soll ferner gesagt werden -- was im übrigen eine Selbstverständlichkeit darstellt --, dass die Kredit- und Währungspolitik sich im Rahmen der vom Bund aufzustellenden grundlegenden Vorschriften über den Geschäftskreis der Notenbank zu bewegen und dass sie ferner den Gesamtinteressen des Landes zu dienen hat.

Absatz 3 würde damit folgende Fassung erhalten: «Die mit dem Notenmonopol ausgestattete Bank hat die Hauptaufgabe, den Geldumlauf des Landes zu regem, den Zahlungsverkehr zu erleichtern und im Eahmen der Bundesgesetzgebung eine den Gesamtinteressen des Landes dienende Kredit- und Währungspolitik zu f ü h r e n . » Die A b s ä t z e 4 und 5 betreffend die Verteilung des Beingewinnes und die Befreiung der Notenbank von den kantonalen Steuern bleiben unverändert ; die Frage der Gewinnverteilung wird im Zusammenhang mit der Neuordnung der Bundesfinanzen geregelt werden.

Absatz 6 des geltenden Verfassungsartikels bestimmt, dass eine Rechtsverbindlichkeit für die Annahme von Banknoten (gesetzlicher Kurs) vom Bund ordentlicherweise nicht verfügt werden kann. Nur bei Notlagen in Kriegszeiten hat der Bund das Recht, von diesem Verfassungsgrundsatz abweichend eine rechtsverbindliche Annahmepflicht für die Banknoten zu beschliessen.

Die Verfassung bestimmt aber nichts über die Pflicht der Notenbank zur Einlösung ihrer Noten (Zwangskurs der Banknoten) ; sie überlässt dies vollständig der Gesetzgebung, trotzdem zwischen Annahmepflicht und Einlösungspflicht ein enger Zusammenhang wenigstens insoweit besteht, als die Aufhebung der Einlösungspflicht die Verfügung der Rechtsverbindlichkeit für die Annahme von Banknoten notwendigerweise nach sich zieht; denn eine Note, die nicht einlösbar und damit reines Papiergeld geworden ist, kann ihre Funktion
als Zahlungsmittel nicht erfüllen, wenn sie nicht von jedermann angenommen werden muss. Aus diesem Grunde hat der Bundesrat sowohl in seinem Beschluss vom 30. Juli 1914 als auch in demjenigen vom 27. September 1936 den Zwangskurs wie auch den gesetzlichen Kurs der Noten verfügt, mit andern Worten, er enthob die Nationalbank von der Pflicht zur Einlösung ihrer Noten, bestimmte aber gleichzeitig, dass die Noten unbeschränkt als Zahlungsmittel anzunehmen seien.

Bnndesblatt. 102. Jahrg. Bd. I.

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Der Umstand, dass die Vorlage vom 5. November 1948 den Bund generell ermächtigen wollte, die Banknote als gesetzliches Zahlungsmittel zu erklären, dürfte in weiten Kreisen zu der irrtümlichen Auffassung geführt haben, dass damit die Verpflichtung der Notenbank zur Einlösung ihrer Banknoten nun für alle Zeiten hinfällig geworden sei. Wie bereits erwähnt, vertritt der Bundesrat mit den Behörden der Nationalbank die Ansicht, dass unter den heutigen Verhältnissen an eine Noteneinlösung und Aufhebung der Annahmepflicht für Banknoten nicht gedacht werden kann. Anderseits möchte er aber die Möglichkeit einer Wiedereinführung der Noteneinlösung, was dann unter Umständen auch eine Aufhebung des gesetzlichen Kurses zur Folge haben könnte, nicht von vorneherein ausschliessen. Der Bundesrat schlägt deshalb vor, Absatz 6 in Anlehnung an den bisherigen Verfassungstext wie folgt zu formulieren: «Der Bund kann die Einlösungspflicht für Banknoten und andere gleichartige Geldzeichen nicht a u f h e b e n und die Rechtsverbindlichkeiten für ihre Annahme nicht aussprechen, ausgenommen in Kriegszeiten oder in Zeiten gestörter Währungsverhältnisse.» Ein neuer Absatz 7 soll schliesslich eine Bestimmung über die Notendeckung enthalten. Selbstredend kann es sich hier nur um eine allgemeine Umschreibung der Notendeckung handeln und nicht um Einzelheiten; diese sind wie bisher in der Ausführungsgesetzgebung zu regeln. Im Gegensatz zur Fassung der ersten Bevisionsvorlage, wo nur gesagt wurde, dass der Bund (im Nationalbankgesetz) über Art und Umfang der Deckung zu bestimmen habe, möchten wir nun, um damals aufgetauchte Missverständnisse auszuschalten, ausdrücklich die Golddeckung in der Verfassung erwähnen. Neben dem Gold, das gemäss Nationalbankgesetz mindestens 40% der ausgegebenen Noten decken muss -- in Wirklichkeit sind heute die Noten mehr als voll durch Gold gedeckt --, sollen wie bis anhin kurzfristige Guthaben den Best der Deckung bilden. Dazu gehören erstklassige Handelswechsel, Schatzanweisungen des Bundes, in Gold konvertierbare Guthaben in ausländischer Währung und kurzfristige Lombardvorschüsse.

Wir sehen für den neuen Absatz 7 folgende Fassung vor: «Die ausgegebenen Banknoten müssen durch Gold und kurzfristige Guthaben gedeckt sein.» Für Absatz 8 übernehmen wir die vereinfachte Formulierung der ersten Vorlage :
«Die Bundesgesetzgebung bestimmt das Nähere über die Ausführung dieses Artikels.» Wir haben die Ehre, Ihnen auf Grund der vorstehenden Ausführungen zu empfehlen, das Volksbegehren vom 1. September 1949 betreffend Eevision des Artikels 39 der Bundesverfassung der Abstimmung des Volkes und der

911 Stände mit dem Antrag auf Verwerfung und den Gegenvorschlag mit dem Antrag auf Annahme zu unterbreiten.

Genehmigen Sie, Herr Präsident, hochgeehrte Herren, die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

Bern, den 21. April 1950.

Im Namen des Schweizerischen Bundesrates, Der

Bundespräsident: Max Petitpierre Der Bundeskanzler: Leimgruber

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(Entwurf)

Bunidesbeschluss über

das Volksbegehren betreffend die Revision des Artikels 39 der Bundesverfassung (Freigeldinitiative)

Die Bundesversammlung der Schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht in das Volksbegehren vom 1. September 1949 betreffend die Revision des Artikels 39 der Bundesverfassung und in einen Bericht des Bundesrates vom 21. April 1950, gestützt auf Artikel 121 der Bundesverfassung sowie Artikel 8 ff. des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen über die Revision der Bundesverfassung, beschliesst: Artikel l Es werden der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreitet: 1. Das Volksbegehren, das wie folgt lautet: «Die unterzeichneten stimmberechtigten Schweizerbürger stellen hiermit gestützt auf Artikel 121 der Bundesverfassung und gemäss Bundesgesetz vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung das Begehren, es seien die Absätze 3 und 6 von Artikel 39 der Bundesverfassung zu ersetzen durch einen Text wie folgt: Alinea 3. Die mit dem Notenmonopol ausgestattete Bank hat die Hauptaufgabe, den Geldumlauf des Landes zum Zwecke der Vollbeschäftigung so zu regeln, dass die Kaufkraft des Schweizerfrankens, beziehungsweise der Lebenskostenindex, fest bleibt.

Alinea 6. Der Bund erklärt die Banknoten und andere gleichartige Geldzeichen als gesetzliche Zahlungsmittel.»

913 2. Der Gegenentwurf der Bundesversammlung, der folgende Fassung hat : Alinea 2. Der Bund kann das ausschliessliche Becht zur Ausgabe von Banknoten durch eine unter gesonderter Verwaltung stehende Staatsbank ausüben oder, unter Vorbehalt des Bückkaufsrechts, einer zentralen Aktienbank übertragen, die unter seiner Mitwirkung und Aufsicht verwaltet wird.

Alinea 8. Die mit dem Notenmonopol ausgestattete Bank hat die Hauptaufgabe, den Geldumlauf des Landes zu regeln, den Zahlungsverkehr zu erleichtern und im Eahmen der Bundesgesetzgebung eine den Gesamtinteressen des Landes dienende Kredit- und Währungspolitik zu führen.

Alinea 6. Der Bund kann die Einlösungspflicht für Banknoten und andere gleichartige Geldzeichen nicht aufheben und die Kechtsverbindlichkeit für ihre Annahme nicht aussprechen, ausgenommen in Kriegszeiten oder in Zeiten gestörter Währungsverhältnisse.

Alinea 7 (neu). Die ausgegebenen Banknoten müssen durch Gold und kurzfristige Guthaben gedeckt sein.

Alinea 8 (bisher Alinea 7) : Die Bundesgesetzgebung bestimmt das Nähere über die Ausführung dieses Artikels.

Artikel 2 Dem Volk und den Ständen wird beantragt, das Volksbegehren (Art. l, Ziff. 1) zu verwerfen und den Gegenentwurf der Bundesversammlung (Art. l, Ziff. 2) anzunehmen.

Artikel 8 Der Bundesrat wird mit dem Vollzug dieses Beschlusses beauftragt.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über das Volksbegehren betreffend Revision von Artikel 39 der Bundesverfassung (Freigeldinitiative) (Vom 21. April 1950)

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